Die Zeitmaschine

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Kapitel 2

Ich glaube, dass keiner von uns zu dieser Zeit so recht an die Zeitmaschine glaubte. Tatsache war, der Zeitreisende war einer jener Menschen, die zu schlau waren, um ihnen zu glauben: man hatte nie das Gefühl, ihn völlig zu durchschauen; man mutmaßte hinter seiner klaren Offenheit immer noch eine verstohlene Reserve, irgendeine Raffiniertheit im Hinterhalt. Hätte Filby uns das Modell vorgeführt und die Angelegenheit mit den Worten des Zeitreisenden dargelegt, wären wir ihm gegenüber weit weniger skeptisch gewesen. Denn wir hätten seine Motive erkannt; ein Schweineschlachter konnte Filby verstehen. Aber der Zeitreisende zählte mehr als nur einen Anflug von Wunderlichkeit zu seinen Eigenheiten, und wir misstrauten ihm. Dinge, die einen weniger klugen Mann berühmt gemacht hätten, schienen in seinen Händen nur Taschenspielertricks zu sein. Es ist von Nachteil, die Dinge zu einfach aussehen zu lassen. Ernsthafte Menschen, die versuchten ihn selbst ernst zu nehmen, schienen sich seines Verhaltens nie so ganz sicher zu sein; sie waren sich unterschwellig der Tatsache bewusst, dass in Bezug auf ihn ihrer wohl beleumundeten Urteilskraft zu vertrauen so ähnlich war, wie ein Kinderzimmer mit feinstem Porzellan auszustatten. Daher glaube ich nicht, dass einer von uns in der Zeit bis zum nächsten Donnerstag besonders viel von Zeitreisen sprach, auch wenn deren befremdliche Möglichkeiten jedem von uns zweifelsfrei durch den Sinn gingen; das heißt ihre Plausibilität, ihre praktische Unglaublichkeit, die merkwürdigen Möglichkeiten der Anachronismen und der völligen Verwirrung, die durch diese Gedankengänge ausgelöst wurden. Was mich angeht, so ging mir der Trick mit dem Modell einfach nicht aus dem Kopf. Ich erinnere mich, wie ich mit dem Mediziner darüber diskutierte, als ich ihn am Freitag bei der Linné-Gesellschaft traf. Er sagte, er habe etwas Ähnliches einmal in Tübingen gesehen, und legte beträchtliche Betonung auf das Verlöschen der Kerze. Aber wie der Trick funktioniert haben sollte konnte er nicht erklären.

Am nächsten Donnerstag machte ich mich wieder auf den Weg nach Richmond – ich nehme an, ich war einer der regelmäßigsten Gäste des Zeitreisenden – und fand bei meiner späten Ankunft bereits vier oder fünf Männer in seinem Salon versammelt vor. Der Mediziner stand vor dem Feuer, ein Blatt Papier in der einen Hand und seine Uhr in der anderen. Ich sah mich nach dem Zeitreisenden um, und –

»Es ist jetzt halb acht«, sagte der Mediziner. »Ich nehme an, dann nehmen wir jetzt das Dinner zu uns?«

»Wo ist ––––?«, fragte ich, unseren Gastgeber nennend.

»Sie sind gerade erst gekommen? Das alles ist recht seltsam. Er wurde unvermeidlich aufgehalten. Er hat mich in dieser Notiz gebeten, Sie alle um sieben zum Dinner zu führen, falls er nicht zurück sein sollte. Schreibt, dass er alles erklären wird, wenn er kommt.«

»Es erscheint mir zu schade, das Essen verkommen zu lassen«, sagte der Herausgeber einer wohlbekannten Tageszeitung; und daraufhin läutete der Doktor die Glocke.

Der Psychologe war die einzige Person außer dem Doktor und mir, die beim vorherigen Dinner zugegen gewesen waren. Die übrigen Männer waren Blank, der bereits erwähnte Herausgeber, ein gewisser Journalist und ein anderer Mann – ruhig, scheu und mit Bart – den ich nicht kannte und der, soweit ich es beobachten konnte, den ganzen Abend niemals den Mund öffnete. Am Esstisch wurde etwas über die Abwesenheit des Zeitreisenden spekuliert, und halb im Scherz deutete ich an, er sei auf Zeitreise. Der Herausgeber wollte das näher erläutert haben, und der Psychologe gab von sich aus eine hölzerne Schilderung des »ausgeklügelten Paradoxons und Tricks« zum Besten, deren Zeuge wir vor einer Woche gewesen waren. Er war inmitten seiner Ausführungen, als sich die Tür zum Korridor langsam und lautlos öffnete. Ich saß der Tür gegenüber und bemerkte dies als erster.

»Hallo!«, sagte ich. »Endlich!« Die Tür öffnete sich weiter und der Zeitreisende stand vor uns. Mir entfuhr ein überraschter Ausruf.

»Gütiger Himmel, Mann! Was ist denn los?«, rief der Mediziner, der ihn als nächster sah. Und nun wandte sich die ganze Tafel der Tür zu.

Er befand sich in einem erstaunlich mitgenommenen Zustand. Sein Mantel war staubig und verschmutzt, beide Ärmel grün beschmiert; sein Haar war zerzaust, und es kam mir auch grauer vor – entweder wegen des Staubes und Schmutzes oder weil seine Farbe tatsächlich verblasst war. Sein Gesicht war totenblass; an seinem Kinn war ein brauner Schnitt – ein Schnitt der nur halb verheilt war; seine Miene war hager und ausgezehrt, als habe er starke Entbehrungen erlitten. Einen Augenblick lang zögerte er im Durchgang, als sei er vom Licht geblendet. Dann trat er ins Zimmer. Er bewegte sich mit genau dem gleichen Humpeln, das ich auch bei fußkranken Landstreichern gesehen habe. Wir starrten ihn schweigend an und warteten, dass er zu sprechen begänne.

Er sprach kein Wort, sondern trat mit schmerzhafter Miene an den Tisch und deutete auf den Wein. Der Herausgeber füllte ein Glas mit Champagner und schob es ihm zu. Er leerte es, und es schien ihm gut zu tun: denn nun sah er sich an der Tafel um und ein geisterhafter Hauch seines alten Lächelns huschte über sein Gesicht.

»Was um aller Welt haben Sie getrieben, Mann?«, fragte der Doktor.

Der Zeitreisende schien ihn nicht gehört zu haben. »Lassen Sie sich nicht von mir beunruhigen«, sagte er, mit einer gewissen stockenden Aussprache. »Mir geht es gut.« Er hielt inne, streckte sein Glas zum Nachschenken aus und leerte es in einem Zug.

»Das ist gut«, sagte er. Seine Augen hellten sich auf, und ein Anflug von Farbe kehrte in seine Wangen zurück. Sein Blick huschte mit einer gewissen matten Zustimmung über unsere Gesichter, dann streifte er durch das warme und gemütliche Zimmer.

Schließlich sprach er von neuem, als suche er sich gewissermaßen einen Weg durch die Worte. »Ich werde mich waschen und umziehen, und dann werde ich herunterkommen und alles erklären… Lassen Sie mir etwas von dem Hammel übrig. Ich schmachte nach einem Stück Fleisch.«

Er sah zu dem Herausgeber herüber, der ein seltener Gast in diesem Haus war, und äußerte die Hoffnung, dass es ihm gut gehe. Der Herausgeber setzte zu einer Frage an.

»Ich sage es Ihnen in Kürze«, sagte der Zeitreisende. »Mir ist etwas – wunderlich! Gleich wird alles wieder gut sein.«

Er stellte sein Glas ab und schritt in Richtung der Treppe. Wieder fielen mir sein Hinken und das leise, sanfte Geräusch seiner Schritte auf, und als ich an meinem Platz aufstand, konnte ich seine Füße sehen, als er hinausging. An ihnen befand sich nichts außer einem Paar zerfetzter, blutbefleckter Socken. Dann schloss sich die Tür hinter ihm. Mir war halb danach, ihm zu folgen, bis mir wieder einfiel, wie sehr er es hasste, wenn man ein Getue um ihn machte. Vielleicht eine Minute lang war ich vollkommen abwesend. Dann hörte ich, wie der Herausgeber sagte: »Bemerkenswertes Verhalten eines Herausragenden Wissenschaftlers.« Er äußerte sich in Schlagzeilen, wie es seine Art war. Das lenkte meine Aufmerksamkeit auf die helle Dinnertafel zurück.

»Was ist denn überhaupt los?«, fragte der Journalist. »Spielt er den Amateurbettler? Ich verstehe das nicht.« Ich begegnete dem Blick des Psychologen und las meine eigene Interpretation in dessen Gesicht. Ich dachte daran, wie der Zeitreisende schmerzhaft nach oben humpelte. Ich glaubte nicht, dass ein anderer sein Hinken bemerkt hatte.

Der erste, der sich völlig von seiner Überraschung erholte war der Mediziner, der die Glocke läutete – der Zeitreisende hasste es, wenn Diener beim Essen aufwarteten – um eine heiße Platte kommen zu lassen. Daraufhin wandte sich der Herausgeber mit einem Grunzen seinem Besteck zu, und der Schweigsame Mann tat es ihm nach. Das Dinner wurde fortgesetzt. Die Unterhaltung beschränkte sich für eine kurze Weile auf einige Ausrufe, erfüllt von staunendem Keuchen; dann überwältigte den Herausgeber sein neugieriger Eifer.

»Bessert unser Freund sein bescheidenes Einkommen als Straßenfeger auf? Oder hat er Anwandlungen, sich wie Nebukadnezar aufzuführen?«, wollte er wissen.

»Ich bin mir sicher, dass es mit dieser Zeitmaschine zu tun hat«, sagte ich und nahm von dem Psychologen den Faden seines Berichtes über unser voriges Treffen auf.

Die neuen Gäste glaubten ganz offen nichts davon. Der Herausgeber erhob Einwände. »Was war das denn für eine Zeitreise? Ein Mann kann sich ja wohl kaum mit Staub bedecken, indem er sich in einem Paradox wälzt, oder?« Und dann, als der Gedanke in ihm herangereift war, wandte er sich dem Spott zu. Gab es in der Zukunft etwa keine Kleiderbürsten?

Der Journalist wollte ebenfalls um keinen Preis etwas davon glauben und schloss sich dem Herausgeber an, die ganze Sache der Lächerlichkeit preiszugeben. Sie gehörten beide der neuen Art von Journalist an – sehr spaßige, respektlose junge Männer.

»Unser Sonderkorrespondent im Übermorgen berichtet«, sagte der Journalist – oder rief es vielmehr – als der Zeitreisende zurückkam. Er trug gewöhnliche Abendkleidung, und nichts außer seiner abgezehrten Miene war von den Veränderungen geblieben, die mich so überrascht hatten.

»Hören Sie«, sagte der Herausgeber ausgelassen, »diese Burschen hier behaupten, Sie seien in die Mitte der nächsten Woche gereist! Erzählen Sie uns doch bitte alle Neuigkeiten von unserem kleinen Premier Rosebery. Was wollen Sie für das ganze Paket haben?«

Der Zeitreisende trat ohne ein Wort an den Platz, der für ihn reserviert war. Er lächelte auf seine alte Weise leise vor sich hin. »Wo ist mein Hammel?«, fragte er. »Was für ein Vergnügen, die Gabel wieder in ein Stück Fleisch zu stecken!«

 

»Die Story!«, rief der Herausgeber.

»Verdammt sei die Story!«, sagte der Zeitreisende. »Ich möchte etwas essen. Ich werde kein Wort sagen, bis ich etwas Pepton in meinen Adern habe. Danke. Und das Salz.«

»Auf ein Wort«, sagte ich. »Haben Sie eine Zeitreise unternommen?«

»Ja«, sagte der Zeitreisende mit vollem Mund und nickte.

»Ich würde einen Schilling für einen ausführlichen Bericht geben«, sagte der Herausgeber.

Der Zeitreisende schob sein Glas auf den Schweigsamen Mann zu und klirrte mit einem Fingernagel daran; daraufhin fuhr der Schweigsame Mann zusammen, denn er hatte ihm ins Gesicht gestarrt, und schenkte ihm Wein ein. Der Rest des Dinners verlief unbehaglich. Was mich anging, so drangen mir immer wieder plötzliche Fragen an die Lippen, und ich wage zu behaupten, dass es den übrigen nicht anders erging. Der Journalist versuchte die Spannung zu lösen, indem er einige Anekdoten einer gewissen Hettie Potter zum Besten gab. Der Zeitreisende widmete seine Aufmerksamkeit dem Dinner, und dies mit dem Appetit eines Landstreichers. Der Mediziner rauchte eine Zigarette und beobachtete den Zeitreisenden durch seine Wimpern. Der Schweigsame Mann schien sogar noch unbeholfener als gewöhnlich und trank Champagner aus schierer Nervosität in einem entschlossenen Takt.

Schließlich schob der Zeitreisende seinen Teller von sich und sah in die Runde. »Ich nehme an, ich muss mich entschuldigen«, sagte er. »Ich war einfach ausgehungert. Ich hatte ein höchst erstaunliches Erlebnis.« Er griff nach einer Zigarre und schnitt das Ende ab. »Aber folgen Sie mir doch in den Rauchersalon. Die Geschichte ist zu lang, um über schmutzigen Tellern erzählt zu werden.« Und damit führte er uns in den Raum nebenan, wobei er auf dem Weg die Glocke läutete.

»Sie haben Blank, Dash und Chose von der Maschine berichtet?«, fragte er mich und lehnte sich in seinem Sessel zurück, während er die drei neuen Gäste beim Namen nannte.

»Aber das Ganze ist doch nur ein einfaches Paradox«, sagte der Herausgeber.

»Heute Abend kann ich nicht darüber diskutieren. Es macht mir nichts aus, Ihnen die Geschichte zu erzählen, aber ich kann nicht diskutieren. Ich werde«, fuhr er fort, »Ihnen berichten was mir zugestoßen ist, wenn Sie möchten, aber Sie müssen davon absehen, mich zu unterbrechen. Ich möchte alles erzählen. Unbedingt. Das meiste wird sich wie eine Lüge anhören. So sei es! Es ist wahr – jedes einzelne Wort, eins wie das andere. Ich war um vier Uhr in meinem Labor und seitdem...habe ich acht Tage gelebt…Tage, wie sie kein menschliches Wesen zuvor je erlebt hat! Ich bin nahezu völlig ausgelaugt, aber ich werde nicht schlafen bis ich Ihnen die ganze Sache erzählt habe. Dann werde ich zu Bett gehen. Aber keine Unterbrechungen! Einverstanden?«

»Einverstanden«, sagte der Herausgeber, und der Rest von uns wiederholte sein »Einverstanden«.

Und damit begann der Zeitreisende seine Geschichte, so wie ich sie festgehalten habe. Zunächst hatte er in seinem Sessel Platz genommen und sprach, als sei er völlig erschöpft. Später wurde er etwas lebhafter. Während ich dies niederschreibe, verspüre ich nur zu deutlich wie unzulänglich Stift und Tinte sind – und darüber hinaus meine eigene Unzulänglichkeit – um das Gehörte in aller Konsequenz auszudrücken. Sie lesen es, wie ich annehme, aufmerksam genug; aber Sie können nicht das bleiche, ernste Gesicht des Sprechers sehen, im hellen Kreis der kleinen Lampe, und auch nicht die Betonungen seiner Stimme vernehmen. Sie können nicht wissen, wie seine Miene den Wendungen der Geschichte folgte! Die meisten von uns Zuhörern saßen im Schatten, denn die Kerzen im Rauchersalon waren nicht entzündet worden, und nur das Gesicht des Journalisten und die Beine des Schweigsamen Mannes von den Knien abwärts wurden beleuchtet. Zu Beginn blickten wir uns hin und wieder gegenseitig an. Nach einer Weile aber hörten wir damit auf und betrachteten nur noch das Gesicht des Zeitreisenden.

Kapitel 3

»Ich habe einigen von Ihnen schon letzten Donnerstag die Prinzipien der Zeitmaschine erläutert und diesen das Gerät selbst gezeigt, als sie unvollendet in meiner Werkstatt stand. Dort ist sie nun, ein wenig reisemüde, allerdings; und eine der Elfenbeinstangen ist gebrochen, und eine Messingleiste verbogen; aber der Rest davon ist noch ziemlich intakt. Ich rechnete damit, sie am Freitag fertigzustellen, doch am Freitag, als beinahe schon alles zusammengebaut war, stellte ich fest, dass eine der Nickelstangen genau ein Zoll zu kurz war, und diese musste ich neu anfertigen lassen; daher war die Maschine bis heute Morgen nicht fertig. Gegen zehn Uhr heute früh begann die erste aller Zeitmaschinen ihre Laufbahn. Ich tätschelte sie ein letztes Mal, zog alle Schrauben noch einmal nach, gab noch einmal einen Tropfen Öl auf den Quarzstab und setzte mich in den Sattel. Ich nehme an, ein Selbstmörder, der sich eine Pistole an den Schädel hält, empfindet dasselbe Staunen über das, was als nächstes kommen mag wie ich in diesem Augenblick. Ich packte den Starthebel mit der einen Hand und den Bremshebel mit der anderen, drückte ersteren vor und fast sofort den zweiten. Ich schien zu taumeln; ich empfand das alptraumhafte Gefühl zu fallen; und als ich mich umblickte, sah ich das Labor genauso vor mir wie zuvor. War irgendetwas geschehen? Einen Augenblick lang hatte ich den Verdacht, dass mich mein Intellekt selbst getäuscht hatte. Dann bemerkte ich die Uhr. Vor einem Moment noch, wie ich es empfand, hatte sie auf einer Minute oder so nach zehn gestanden; nun war es beinahe halb vier!

Ich atmete tief durch, packte den Starthebel mit beiden Händen und machte mich mit einem dumpfen Knall auf den Weg. Das Labor wurde dunkel und verschwommen. Mrs. Watchett kam herein und ging, scheinbar ohne mich zu sehen, auf die Gartentür zu. Ich nehme an, sie benötigte etwa eine Minute, um den Raum zu durchqueren, aber für mich schien sie wie eine Rakete durch das Labor zu schießen. Ich schob den Hebel bis zum äußersten Anschlag. Die Nacht kam, als sei eine Lampe ausgeschaltet worden, und im nächsten Augenblick kam der Morgen. Das Labor wurde blass und undeutlich, dann blasser und noch blasser. Die morgige Nacht kam schwarz, dann wieder Tag, wieder Nacht, wieder Tag, immer schneller und schneller. Ein wirbelndes Murmeln füllte meine Ohren, und eine merkwürdige, geistlose Verwirrung senkte sich über meinen Verstand.

Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht die besonderen Empfindungen des Zeitreisens vermitteln. Sie sind außerordentlich unangenehm. Sie ähneln den Empfindungen bei einer Fahrt auf einer Achterbahn empfindet – ein Gefühl des hilflos kopfüber Fallens! Ich verspürte außerdem dieselbe grausige Erwartung eines drohenden Aufpralls. Während mein Tempo zunahm, folgte die Nacht dem Tag wie das Flattern eines schwarzen Flügels. Schließlich schien die undeutliche Andeutung des Labors ins Nichts zu fallen und ich sah, wie die Sonne rasch über den Himmel hüpfte, in jeder Minute einen Sprung vollführend, und jede Minute entsprach einem ganzen Tag. Ich nehme an, das Labor war zerstört worden und ich befand mich nun unter freiem Himmel. Ich hatte den verschwommenen Eindruck eines Baugerüstes, aber ich war bereits zu schnell, um bewegliche Objekte noch bewusst wahrzunehmen. Die langsamste Schnecke, die je auf Erden kroch, raste zu schnell an mir vorbei. Die blinkende Abfolge von Dunkelheit und Licht war außerordentlich schmerzhaft für die Augen. Dann, während der sporadischen Dunkelheiten, sah ich den Mond, wie er sich rasch durch seine Viertel von Neumond zu Vollmond drehte, und ich konnte einen flüchtigen Blick auf die sich drehenden Sterne erhaschen. Schließlich, als ich mit immer noch ansteigender Geschwindigkeit weiterreiste, verschmolz der Herzschlag von Tag und Nacht zu einem beständigen Grau; die hüpfende Sonne wurde zu einem Feuerstrahl, einem grellen Bogen am Himmel; der Mond zu einem matteren, schwingenden Streifen; und von den Sternen konnte ich nichts mehr sehen, außer ab und an einen helleren Kreis, der im Blau aufflackerte.

Die Landschaft war nebelhaft und verschwommen. Ich befand mich noch immer auf dem Hügel, auf dem sich zur Zeit dieses Haus befindet, und seine Flanke erhob sich grau und matt über mir. Ich sah Bäume, die wie Rauchpilze wuchsen und sich veränderten, mal braun, mal grün; sie wuchsen, breiteten sich aus, erzitterten und vergingen. Ich sah gewaltige Gebäude, die blass und wunderschön in die Höhe stiegen und wie Träume verpufften. Die ganze Oberfläche der Erde schien sich verändert zu haben – sie schmolz und floss vor meinen Augen dahin. Die kleinen Zeiger auf den Instrumenten, die meine Geschwindigkeit markierten, rasten schneller und schneller im Kreis. Schließlich stellte ich fest, dass der Sonnengürtel auf und ab tanzte, von Sonnenwende zu Sonnenwende, binnen einer Minute oder weniger, und das demzufolge meine Geschwindigkeit über ein Jahr pro Minute betrug; und Minute um Minute blitzte der weiße Schnee auf der Welt auf, verschwand wieder, und ihm folgte das kurze helle Grün des Frühlings.

Die unangenehmen Empfindungen vom Beginn meiner Reise waren nun weniger stark ausgeprägt. Sie verschmolzen schließlich zu einer Art hysterischen Rausches. Ich bemerkte tatsächlich ein plumpes Schwanken der Maschine, für das ich keine Erklärung finden konnte. Aber mein Verstand war zu verwirrt um sich darum zu kümmern, und so, mit einer Art von aufkeimendem Wahnsinn, warf ich mich der Zukünftigkeit entgegen. Zunächst dachte ich kaum daran anzuhalten, hatte kaum einen Gedanken für irgendetwas übrig außer für diese neuen Empfindungen. Aber letztlich wuchs in meinem Geist eine frische Reihe von Eindrücken heran – eine gewisse Neugier und damit auch eine gewisse Furcht – bis sie schließlich völlig von mir Besitz ergriffen. Welch seltsame Entwicklungen der Menschheit, welche wunderbaren Fortschritte unserer unentwickelten Zivilisation, so dachte ich, mochten sich mir verschließen, würde ich keinen genaueren Blick auf die undeutliche, trügerische Welt werfen, die vor meinen Augen fluktuierend dahinraste! Ich sah großartige und prächtige Architektur, die sich um mich herum erhob, viel massiver als alle Bauwerke unserer eigenen Zeit, und doch, so schien es mir, errichtet aus Flimmer und Dunst. Ich sah, wie ein satteres Grün den Hügel emporwuchs und dort ohne winterliche Unterbrechungen verblieb. Selbst durch den Schleier meiner Verwirrung schien die Erde wunderschön. Und so wandte sich mein Denken dem Anhalten zu.

Das besondere Risiko lag darin, dass ich möglicherweise auf eine Substanz in dem Raum stieß, den ich oder die Maschine besetzten. Solange ich mit hoher Geschwindigkeit durch die Zeit reiste, machte das kaum etwas aus; ich war sozusagen verdünnt – schlüpfte wie Dunst durch die Zwischenräume im Wege stehender Substanzen! Aber anzuhalten bedeutete, dass ich mich Molekül für Molekül in das hineinstopfte, was mir im Weg lag; bedeutete, meine Atome in einen derart intimen Kontakt mit denen des Hindernisses zu bringen, dass eine profunde chemische Reaktion – möglicherweise gar eine weitreichende Explosion – daraus resultieren würde, die mich und die Maschine aus allen möglichen Dimensionen herausschleudern würde – ins Unbekannte. Diese Möglichkeit war mir wieder und wieder durch den Sinn gegangen, während ich diese Maschine konstruierte, aber damals hatte ich es als unvermeidbares Risiko akzeptiert – eines der Risiken, die ein Mensch einfach eingehen muss! Nun war das Risiko unausweichlich, und ich konnte es nicht länger in demselben gelassenen Licht sehen. Tatsache war, dass mir unmerklich die absolute Fremdartigkeit von allem, das Übelkeit erregende Rucken und Schwanken der Maschine und vor allem das Gefühl unaufhörlichen Fallens vollkommen den Mut geraubt hatten. Ich redete mir ein, ich könne nie mehr anhalten, und in einem Anfall von Launenhaftigkeit beschloss ich unverzüglich anzuhalten. Wie ein ungeduldiger Narr warf ich den Hebel herum, und unkontrolliert legte sich die Maschine auf die Seite, während ich Hals über Kopf durch die Luft flog.

In meinen Ohren vernahm ich so etwas wie einen Donnerschlag. Vielleicht war ich einen Augenblick lang ohne Besinnung. Ein unbarmherziger Hagel ging rund um mich herum nieder, und ich saß auf dem weichen Boden vor der umgestürzten Maschine. Alles schien immer noch grau, aber endlich stellte ich fest, dass der Lärm in meinen Ohren verschwunden war. Ich sah mich um. Ich lag, wie es schien, auf einem kleinen Rasen in einem Garten, umgeben von Rhododendrenbüschen, und ich stellte fest, dass ihre malven- und purpurfarbenen Blüten im Geprassel der Hagelkörner die Köpfe hängen ließen. Der abprallende Hagel tanzte in einer Schwade auf der Maschine und breitete sich wie Rauch über den Boden aus. Binnen eines Augenblicks war ich nass bis auf die Haut. ›Schöne Gastfreundschaft‹, sagte ich, ›gegenüber einem Mann, der unzählbare Jahre gereist ist, um Sie zu sehen.‹

 

Schließlich dachte ich, was ich doch für ein Narr sei, mich derart durchnässen zu lassen. Ich stand auf und sah mich um. Eine kolossale Figur, offenbar aus einer Art weißen Steins gehauen, ragte undeutlich jenseits der Rhododendren im dunstigen Niederschlag auf. Aber der Rest der Welt war für mich unsichtbar.

Meine Gefühle in diesem Moment wären nur schwer zu beschreiben. Als die Hagelsäulen dünner wurden, sah ich die weiße Figur deutlicher. Sie war sehr groß, denn eine Weißbirke berührte ihre Schulter. Sie bestand aus weißem Marmor, der Form nach war sie so etwas wie eine geflügelte Sphinx, aber ihre Flügel waren ausgebreitet, anstatt an den Seiten anzuliegen, so dass sie zu schweben schien. Das Podest war anscheinend aus Bronze und dick mit Grünspan überzogen. Zufälligerweise war das Gesicht mir zugewandt; die blicklosen Augen schienen mich zu beobachten; auf den Lippen lag der matte Schatten eines Lächelns. Die Sphinx war vom Wetter erheblich mitgenommen, und das verlieh ihr den unangenehmen Beigeschmack von Krankheit. Ich stand da und sah sie eine Weile an – eine halbe Minute vielleicht, oder eine halbe Stunde. Sie schien vorzurücken und zurückzuweichen, je nachdem ob der Hagel vor ihr dichter oder dünner wurde. Schließlich konnte ich meinen Blick einen Augenblick lang von ihr wegreißen und sah, dass der Hagelvorhang recht fadenscheinig geworden war, und dass sich der Himmel mit dem Versprechen der Sonne erhellte.

Ich blickte erneut auf den kauernden weißen Umriss, und die ganze Tollkühnheit meiner Reise überkam mich mit einem Schlage. Was würde erscheinen, wenn dieser Dunstvorhang völlig verschwunden war? Was mochte nicht alles mit dem Menschen geschehen sein? Was, wenn die Grausamkeit zu einer gewöhnlichen Leidenschaft geworden wäre? Was, wenn in diesem Zeitraum unsere Rasse ihre Menschlichkeit verloren hatte und sich zu etwas Unmenschlichem entwickelt hatte, gefühllos und überwältigend machtvoll? Ich mochte wie ein wildes Tier aus der alten Welt erscheinen, umso furchtbarer und ekelhafter angesichts unseres ähnlichen Aussehens – eine widerwärtige Kreatur, die man hemmungslos erschlagen durfte.

Schon sah ich andere gewaltige Formen – riesige Bauwerke mit verschnörkelten Brüstungen und großen Säulen, während eine bewaldete Hügelflanke im nachlassenden Sturm näher rückte, ohne dass ich dies wahrnahm. Ich wurde von einer heftigen Furcht ergriffen. Ich wandte mich von Angst geschüttelt der Maschine zu und strengte mich unbarmherzig an, sie wieder aufzurichten. Während ich dabei war, schlugen die Strahlen der Sonne durch das Unwetter. Der graue Platzregen wurde fortgewischt und verschwand wie die flatternden Kleiderfetzen eines Geistes. Über mir wirbelten in dem intensiven Blau des Sommerhimmels einige schwach braune Wolkenfetzen ins Nichts davon. Die großen Gebäude um mich herum waren klar und deutlich zu sehen, schimmernd im Nass des Regengusses, gespickt mit dem Weiß der noch nicht geschmolzenen Hagelkörner auf ihren Oberflächen. Ich fühlte mich nackt in einer seltsamen Welt. Ich fühlte mich, wie sich vielleicht ein Vogel in klarer Luft fühlen mochte, in dem Wissen dass der Falke über ihm schwebt und irgendwann herabstoßen wird. Meine Furcht geriet zu Panik. Ich versuchte zu Atem zu kommen, dann biss ich die Zähne zusammen und mühte mich erneut erbittert mit Hand und Knie an der Maschine ab. Bei meiner verzweifelten Anstrengung gab sie schließlich nach und kippte wieder richtig herum. Dabei schlug sie mir heftig gegen das Kinn. Eine Hand auf dem Sattel, die andere auf dem Hebel, stand ich schwer keuchend da, bereit wieder aufzusteigen.

Aber mit der Möglichkeit eines schnellen Rückzugs kehrte auch mein Mut zurück. Ich sah mich neugieriger und weniger furchtsam in dieser Welt der fernen Zukunft um. In einer kreisförmigen Öffnung, hoch oben in der Mauer des nächstgelegenen Hauses, sah ich eine Gruppe von Gestalten, die in kostbare weiche Roben gewandet waren. Sie hatten mich gesehen und ihre Gesichter waren mir zugewandt.

Dann vernahm ich näher kommende Stimmen. Durch die Büsche bei der Weißen Sphinx waren die Köpfe und Schultern laufender Männer zu sehen. Einer von ihnen kam auf einem Pfad heraus, der geradewegs zu dem kleinen Rasen führte, auf dem ich mit meiner Maschine stand. Er war von schmächtiger Gestalt – vielleicht vier Fuß groß – gekleidet in eine purpurne Tunika, um die Hüfte ein lederner Gürtel. An seinen Füßen trug er Sandalen oder Halbstiefel – ich konnte nicht genau erkennen, was es war: seine Beine waren bis zu den Knien hinauf unbedeckt, ebenso wie sein Kopf. Während ich das feststellte nahm ich das erste Mal Notiz davon, wie warm die Luft war.

Er kam mir wie eine wunderschöne und anmutige Kreatur vor, aber unbeschreiblich zerbrechlich. Sein gerötetes Gesicht erinnerte mich an die ansehnlichere Art von Schwindsucht – jene hektische Schönheit, von der früher soviel berichtet wurde. Bei seinem Anblick gewann ich mein Selbstvertrauen zurück. Ich nahm meine Hände von der Maschine.«

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