Читать книгу: «Love and Crime», страница 5

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7

„Ich glaube, ich habe mich geirrt“, räumt Katie vorsichtig ein.

Überrascht über ihre Worte schaue ich sie an. Ich kann es nicht für mich behalten, doch das will ich auch überhaupt nicht.

„Wobei?“ Ich kenne die Antwort auf meine Frage, doch ich will sie aus ihrem Mund hören. Zusammen sitzen wir auf einer Bank direkt an der Straße und beobachten die vorbeifahrenden Autos. Doch obwohl wir uns nun seit zwei Stunden hier befinden, ist der Wagen nicht wieder aufgetaucht.

„Du hattest recht und ich habe übertrieben. Aber ich fand die Vorstellung cool, dass endlich mal etwas passiert. Ich liebe die Stadt, doch manchmal kann sie extrem langweilig sein, vor allem im Vergleich mit anderen.“ Sie verzieht ein wenig das Gesicht.

„Ich bin mir sicher, das noch mehr passieren wird. Und du wirst dich in der ersten Reihe befinden. Allerdings etwas, was vielleicht nicht ganz so abenteuerlich und auch gefährlich ist“, erwidere ich, greife nach meinem Kaffeebecher und stehe auf.

„Aber das ist doch gerade das, was den Reiz ausmacht.“

Ich lasse es mir nicht anmerken, doch innerlich muss ich ihr zustimmen. Auch wenn mir nicht gerade wohl ist, mich mit Verbrechern anzulegen.

Ich behalte es aber für mich. Stattdessen drehe ich mich um und gehe in die Richtung ihres Wagens. Schweigend folgt sie mir.

„Na gut, wenn wir hier schon nicht weiterkommen, werden wir uns jetzt auf die Suche nach einem Wagen für dich machen“, bestimmt sie.

„Bist du dir sicher, dass du nicht vielleicht den falschen Beruf gewählt hast? Für mich klingt das so, als wärst du bei der Polizei besser aufgehoben.“

„Nein, dann muss ich es ja machen. Und das wiederum würde dafür sorgen, dass es langweilig wird.“

„Privatdetektivin“, schlage ich vor.

„Ne.“ Katie verzieht das Gesicht und bringt mich so zum Lachen. Gleichzeitig muss ich aber auch wieder an Zane denken. Ich behalte es für mich, dass sie ja auch Kopfgeldjägerin werden könnte.

Als ich drei Stunden später mein Elternhaus betrete, habe ich noch immer kein Auto. Dafür hatte ich eine Menge Spaß mit meiner Freundin, wenn ich mal von den zwei Stunden absehe, in denen wir darauf gewartet haben, dass der Wagen wieder auftaucht. Obwohl wir uns nicht einmal einen Plan dafür zurechtgelegt haben, falls er doch wieder aufgetaucht wäre.

Da er das aber nicht ist, war es die Bestätigung für mich, dass ich es mir nur eingebildet habe. Gedankenverloren gehe ich in den Flur und will meine Schuhe ausziehen. Doch bevor ich so weit kommen kann, fliege ich über ein Hindernis, was mir im Weg steht. Ich schaffe es nicht mehr, mich festzuhalten, sodass ich der Länge nach auf den harten Boden falle und schmerzhaft das Gesicht verziehe.

„Verdammt“, fluche ich leise, während ich den Gegenstand begutachte, über den ich gestolpert bin.

Wie sich herausstellt, befindet sich an der Stelle, an der ich gerade noch gestanden habe, ein riesiger Karton.

„Harley“, ruft Monica und hilft mir wieder auf die Beine. „Ist alles in Ordnung?“

„Ja, ich war nur in Gedanken und habe ihn deswegen nicht bemerkt. Was hast du bestellt?“ Neugierig betrachte ich den Karton.

„Es sollte eigentlich eine Überraschung für deinen Vater werden. Der Werktisch ist doch schwerer, als ich es mir vorgestellt habe. Deswegen bezweifle ich, dass ich ihn alleine aufbauen kann. Ich bekomme ihn ja nicht einmal in die Garage.“ Nachdenklich sieht sie ihn an und seufzt. „Ich kann ihn ja schlecht hier drin aufbauen, damit er hier steht.“

„Komm, wir tragen ihn gemeinsam in die Garage. Ich habe heute eh nichts mehr zu tun“, schlage ich vor.

„Das wäre super.“ Monica klatscht begeistert in die Hände und strahlt mich an.

Die nächste Stunde sind wir damit beschäftigt, den Tisch aufzubauen. Er ist größer, als ich erwartet habe. Und deswegen ist es leider auch schwerer, als ich es erwartet habe, ihn hinzustellen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich das mache. Normalerweise kann ich Möbel aufbauen. Der Tisch stellt mich vor eine Herausforderung.

Als wir endlich fertig sind, stehen wir beide mit verschränkten Armen davor und betrachten das Ergebnis.

„Ich bin stolz auf uns. Vorhin habe ich schon befürchtet, dass wir es überhaupt nicht mehr schaffen“, erklärt Monica begeistert.

„Ich hoffe, er hält auch“, wende ich ein. Ich kann nicht verhindern, dass ich ihn skeptisch betrachte.

Meine Stiefmutter dreht sich zu mir und lässt mich nicht aus den Augen.

„Mach mir keine Angst“, sagt sie schließlich und verzieht ein wenig das Gesicht. „Stell dir mal vor, wie doof dein Vater aus der Wäsche schaut, wenn er seinen Werkzeugkoffer darauf stellt und das Teil zusammenbricht.“

Vor meinem inneren Auge formt sich das entsprechende Bild, sodass ich nicht anders kann, als laut loszulachen.

„Sorry, ich habe nur laut gedacht“, erwidere ich und versuche sie, und auch mich, zu beruhigen. Schnell schaue ich sie entschuldigend an, bevor ich anfange das Chaos zu beseitigen, was wir verursacht haben.

„Das ist der beste Tisch, den ich finden konnte.“ An ihrer Stimme höre ich ihr an, dass sie sich selber nicht so sicher ist, ob er das ist. „Die anderen waren entweder zu klein oder nicht für das Gewicht ausgelegt.“

„Ich habe das nicht gesagt, damit du den Tisch anzweifelst. Ich habe da eher daran gedacht, dass wir ihn zusammen gebaut haben“, erkläre ich es ihr.

Kurz ist es ruhig, dann beginnen wir beide erneut zu lachen.

„Wenn dein Dad merkt, dass er wackelt, soll er es halt besser machen. In dem Fall wird er sich halt einfach die Zeit dafür nehmen müssen.“

„Was soll ich besser machen?“ Ruckartig drehen wir uns beide in die entsprechende Richtung. Sofort erkenne ich ihn und einen der beiden Polizisten, die heute Vormittag bei ihm standen.

„Denn da“, sagt Monica und zeigt auf den Tisch, den wir zusammen gebaut haben.

Mein Dad kommt ein paar Schritte näher und betrachtet ihn. Er dreht sich zu uns um und sieht uns auf eine Weise an, die ich nicht genau einschätzen kann.

Wenn er den Blick auch im Dienst hat, kann ich verstehen, wieso er so eine hohe Aufklärungsrate hat. Die Verbrecher gestehen bestimmt von alleine, wenn er sie so ansieht, denke ich.

„Ihr habt den gebaut?“

„Ja, nur für dich Dad“, flöte ich und sehe ihn an, als wäre ich noch ein kleines Kind.

„Ich danke euch. Das nenne ich wirklich mal eine Überraschung“, strahlt er in der nächsten Sekunde. „Jetzt kann ich endlich auch die letzten Kartons mit Werkzeug und Ersatzteilen sortieren.“ Mit den Worten zeigt er in eine der Ecken, wo sich die Kartons bereits stapeln.

Ohne ein weiteres Wort kommt mein Dad zu uns, drückt mir einen Kuss auf die Wange und Monica einen auf den Mund.

„Wir haben nicht damit gerechnet, dass du so früh wieder nach Hause kommst. Vor allem nicht nach den letzten Tagen“, erklärt sie. „Eigentlich wollten wir noch aufräumen.“

„Ich bin auch nur kurz da“, erklärt er und widmet sich wieder einem der Kartons, auf die er gerade noch gezeigt hat. „Ihr habt also noch ein wenig Zeit. Wenn ihr aber keine Lust mehr habt, lasst es liegen. Ich kümmere mich später darum.“

„Was suchst du denn? Vielleicht kann ich dir ja helfen“, erkundigt sich Monica, nachdem wir ihn schweigend betrachtet haben.

„Ich möchte mich für eine Stelle bei der Sondereinheit bewerben. Und ihr Mann wollte mir da helfen“, erklärt sein Kollege und sieht in meine Richtung.

Ich nehme mir die Zeit und begutachte ihn. Er hat eine Ausstrahlung, bei der bestimmt keine Frau Nein sagt, wenn er sie fragt, ob sie die Nacht mit ihm verbringen will.

Vor allem nichts im Vergleich zu Zane. Der Gedanke erschreckt mich ein wenig. Deswegen schiebe ich ihn so schnell wie möglich zur Seite und denke nicht mehr an ihn. Es würde eh nichts bringen.

Zane ist ein Mann, der Gefahr und Ärger mit sich bringt. Das habe ich sofort gewusst. Und nun, da ich erfahren habe, dass er Kopfgeldjäger ist, verstärkt sich die Annahme. Ich gehöre sicherlich nicht zu der Art Frau, hinter die er her ist.

Es dauert noch, doch schließlich kann ich hören, wie mein Dad etwas aus dem Karton zieht und einen zufriedenen Ton von sich gibt.

„Ich wusste doch, dass ich es noch habe“, ruft er. Gleichzeitig hält er einen dünnen Ordner hoch. „Ich bin mir sicher, dass du vieles noch von deiner Ausbildung kennst. Aber sicher ist ja bekanntlich sicher.“ Kaum hat er ausgesprochen ertönt der schrille Klingelton seines Handys. „Verdammt, ich hatte eigentlich gehofft, dass wir mehr Zeit haben, aber so wie es aussieht, hat das Labor bereits die Proben ausgewertet.“ Gleichzeitig hält er sein Telefon nach oben.

„Schade, aber ich bin mir sicher, dass wir uns bestimmt mal wieder sehen werden“, verabschiedet er sich von mir.

„Bestimmt“, erwidere ich und mache einen Schritt nach hinten, um die beiden vorbeizulassen. Kurz erhasche ich einen Blick auf meinen Vater. Und sein Gesichtsausdruck gefällt mir überhaupt nicht.

Er sieht mich an, als hätte er das geplant. Zumindest ist das der erste Gedanke, der mir in den Kopf kommt. Als würde er uns verkuppeln wollen.

Alleine die Möglichkeit, dass es so sein könnte, sorgt dafür, dass ich den Kopf schüttle, als er an mir vorbeigeht. Doch er tut so, als hätte er es nicht bemerkt, wobei ich mir sicher bin, dass er es hat. Er ist schließlich ein Cop. Schon alleine deswegen bekommt er mehr mit, als er zugeben will.

Ich will nicht verkuppelt werden. Wenn es passiert, passiert es einfach. Aber wie ich schon einmal festgestellt habe, hat das noch ein wenig Zeit. Zu der Zeit bin ich nicht auf der aktiven Suche nach einem Freund oder vielleicht sogar einem Ehemann. Gerade erst habe ich meine Ausbildung abgeschlossen.

Ich beobachte die beiden, wie sie zu dem Wagen meines Vaters gehen und schließlich verschwinden. Als sie verschwunden ist, entweicht mir die Luft, die ich angehalten habe.

„Dein Dad hat Jacob schon vor geraumer Zeit unter seine Fittiche genommen. Er ist ein guter Junge, der sich nur noch nicht ganz sicher ist, wo sein Platz bei der Polizei ist. Zumindest kam es mir bis jetzt so vor. Aber, dass er den Schritt nun wagen will, ist wohl ein gutes Zeichen“, erklärt Monica. „Ich bin mir sicher, dass er das schaffen wird. Dein Vater hat einen guten Ruf und ist über jeden Zweifel erhaben. Da würde es mich doch sehr wundern, wenn sie Jacob nicht dazu holen, wenn er eine Empfehlung von ihm hat.“

„Das ist ja alles schön und gut. Dennoch kannst du Dad mitteilen, wenn du ihn vor mir siehst, dass er mich nicht verkuppeln braucht“, erwidere ich.

Sie sieht so aus, als würde sie widersprechen wollen. Schnell scheint sie es sich anders zu überlegen.

„Er macht sich nur Sorgen, dass du vielleicht an einen falschen Typen geraten könntest. Und Jacob ist nun wirklich kein falscher Typ. Er hat sich alles hart erarbeiten müssen und weiß deswegen wie es ist, wenn man ganz von vorne anfängt. So wie es bei dir ja auch der Fall ist. In gewisser Weise könnte man also behaupten, dass ihr euch sehr ähnlich seit.“

„Aber ob das für eine Beziehung reichen würde?“ Meine Stimme klingt skeptisch. Und genau das bin ich auch. In meinen Augen gehört eindeutig mehr dazu. Dennoch bin ich nicht abgeneigt, Jacob näher kennenzulernen. Und wenn es nur darum geht, einen neuen Freund hier zu finden. Von denen kann man bekanntlich nicht genug haben.

„Selbst wenn es nicht so ist, lass deinem Vater die Vorstellung, dass es vielleicht ja werden könnte. Er will nur, dass du einen guten Start hier hast.“

Mir schwirrt der Kopf. Doch nach allem, was ich bis jetzt heute erfahren habe, ist das wahrscheinlich normal. Selbst bei den Autohändlern wurde ich mit Daten bombardiert, die ich mir unmöglich alle merken kann. Und ich bezweifle, dass ich sie mir alle merken muss, sodass ich überhaupt nicht mehr zugehört habe.

„Ich glaube, wir sollten langsam aufräumen“, sage ich also und zeige auf den ganzen Müll. Es ist mir egal, ob sie durchschaut, dass ich das Thema wechseln will.

Gerade ist mir alles lieber, als mich über mein Liebesleben zu unterhalten, oder das, was es vielleicht einmal werden könnte.

8

Während der nächsten zwei Tage versuche ich mich so gut es geht auf meinen Probearbeitstag vorzubereiten. Obwohl ich keine Idee habe, wie ich das machen soll, da ich keine Ahnung habe, was mich eigentlich erwartet. Deswegen ist es nicht einfach. An Katie und Monica probiere ich noch einmal unterschiedliche Frisuren aus. Außerdem versuche ich sie zu neuen Haarfarben zu überreden, wobei ich aber nicht soviel Glück habe. Da es nur ein Damensalon ist, brauche ich wenigstens meinen Dad nicht als Versuchskaninchen zu nehmen. Auch wenn ich zugeben muss, dass es mich schon ein wenig reizt. Mein Gefühl sagt mir aber, dass er ganz froh darüber. Er war noch nie einer von denjenigen, der gerne zum Friseur geht. Auch nicht zu seiner eigenen Tochter. Eigentlich lässt er sich nur die Haare schneiden, wenn es gar nicht mehr anders geht. Für ihn ist es verschwendete Zeit. Ich nehme ihm das nicht übel. Jetzt, wo ich hier wohne, muss er ja nicht einmal mehr das Haus verlassen, um eine vernünftige Frisur zu haben.

„Die werden dich lieben und dir sofort den Vertrag unter die Nase halten. Sie wären schön blöd, wenn sie es nicht machen“, begrüßt mich Monica, als ich morgens die Treppen herunterkomme.

Schnell ziehe ich mir meine Schuhe an, ehe ich mir ihr zuwende. Tief atme ich durch und straffe ich meine Schultern.

„Es wäre cool, wenn es gleich beim ersten Versuch klappen würde. Ich könnte die restlichen Gespräche absagen und mich um den nächsten Punkt auf meiner Liste kümmern.“ Ich tue so gelassen, wie es nur geht. Innerlich sieht es anders aus.

Ich bin nervös, obwohl das noch untertrieben ist. Gerade fällt mir kein anderer Ausdruck für meinen Zustand ein. Innerlich zittere ich, auch wenn man es mir äußerlich nicht ansieht. Mein Herz schlägt so wild, als würde es sich aus meiner Brust befreien wollen. Und mir ist schlecht.

„Hier ist dein Kaffee, damit du auch wirklich wach bist. Und nun mach´ dich auf den Weg. Nicht, dass du an deinem ersten Tag noch zu spät kommst.“ Sie zwinkert mir zu, als hätte ich den ersten Schultag an einer neuen Schule vor mir. Aber es kommt mir auch so vor.

Ein leises Lachen entfährt mir. Und auch wenn ich gedacht habe, dass es eh nichts bringt, so sorgt es dafür, dass sich meine angespannten Muskeln ein wenig lösen und ich mich besser konzentrieren kann. Ja, ein wenig kommt es mir so vor, als hätte man mir eine kleine Last von den Schultern genommen.

„Danke“, erwidere ich, umarme sie kurz und greife nach meiner Tasche, um das Haus zu verlassen. Draußen bleibe ich noch stehen, genieße die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut und atme ein letztes Mal tief durch, bevor ich mich mit entschlossenen Schritten auf den Weg mache.

Als ich den Laden erreiche, herrscht dort Hochbetrieb, das kann ich sogar von außen erkennen. Alle Plätze sind belegt. Die Angestellten schwirren um die Kundinnen herum und zeigen ihnen verschiedene Farbproben und Bilder von Beispielen. Bevor ich es mir anders überlegen kann, öffne ich die Tür und mache einen Schritt hinein. Die Luft ist erfüllt von dem Geruch nach Haarfarbe, Shampoo und dem Gelächter der Frauen, die sich um mich herum befinden. Alle scheinen gute Laune zu haben und ausgelassen zu sein.

Ich schaue mir alles genau an. Gleichzeitig halte ich Ausschau nach Hannah, die ich im hintersten Bereich entdecken kann. Sie spricht gerade mit einer anderen Frau. In dem Moment, in dem ich nach ihr rufen will, dreht sie sich in meine Richtung.

„Hi“, begrüßt sie mich gut gelaunt, als sie mich entdeckt. Gleichzeitig teilt sie die Haare der Frau, die in dem Stuhl sitzt, in mehrere breite Strähnen, bevor sie Farbe großzügig verteilt.

„Guten Morgen“, erwidere ich und schaue mich noch einmal um.

„So läuft das hier immer ab. Ich kann mich nicht an einen einzigen Tag erinnern, bei dem es um diese Uhrzeit nicht so war. Der ganz normale morgendliche Wahnsinn“, erklärt sie und sieht sich einmal um. „Du könntest bei Mrs. Morrison anfangen. Sie kommt einmal im Monat. Normalerweise lässt sie sich die Haare nur schneiden und nur selten färben. Ihre Haare sind ihr heilig. Aber vorhin hat sie angedeutet, dass sie eventuell eine neue Haarfarbe haben möchte.“ Hannah zuckt mit den Schultern. „Dir geht jetzt wahrscheinlich durch den Kopf, dass sie total zickig ist, aber was das angeht kann ich dich beruhigen.“

Ich betrachte die Frau, auf die sie zeigt. Sie ist vielleicht zehn Jahre älter als ich. Sofort kann ich erkennen, dass sie sehr auf ihr Äußeres achtet. Ich schlucke und versuche so den Kloß aus meinem Hals zu entfernen, den der Gedanke mir bereitet, dass ich sie bedienen soll. Sofort kommen mir verschiedene Szenarien in den Kopf, was alles schiefgehen kann. Und je nachdem, was sie möchte, ist das eine ganze Menge.

Doch die schiebe ich schnell wieder zur Seite. Sie helfen mir kein Stück weiter. Ganz im Gegenteil. Sie lassen meine Nervosität wieder aufleben, was ich gerade aber nicht gebrauchen kann.

Nein, ich muss klar denken können, damit mir genau solche Fehler nicht passieren.

„Ist es wirklich in Ordnung, wenn ich das mache?“, erkundige ich mich ein letztes Mal. „Ich meine, ich arbeite hier nicht. Ist es da nicht ein wenig riskant das zu machen?“

„Du meinst wohl, du arbeitest hier noch nicht“, verbessert sie mich. „Das ist nur noch eine reine Formalität. Sally kommt erst in ein paar Stunden. Aber ich bin mir sicher, dass sie den Vertrag direkt mitbringt und ihn dich sofort unterschreiben lässt. Sie hat ein Händchen für Talente. Und würde sie an dir zweifeln, hätte sie dich nicht für heute eingeladen. Ich bin mir sicher, dass sie sich ein Talent nicht durch die Finger gleiten lassen wird. Das hat sie bis jetzt noch nie und ich kann mir keinen Grund vorstellen, wieso sie jetzt damit anfangen sollte.“

Hannah grinst mich frech an. Ich würde gerne erfahren, woher sie den Optimismus nimmt. Ich beschließe, dass ich mich ihr anschließen werde. Schließlich kennt sie ihre Chefin und wird daher wissen, wie sie arbeitet oder wonach sie ihre Angestellten aussucht.

„Bring deine Sachen einfach in den Aufenthaltsraum. Da vorne steht Daisy, solltest du ein Problem haben und ich kann gerade nicht, kannst du dich an sie wenden. Sie freut sich darauf, mit dir zusammenzuarbeiten.“ Sie zeigt in die Richtung einer weiteren Blondine, die nur wenige Schritte entfernt steht. Ich betrachte sie, bevor ich nicke und verschwinde.

Während ich meine Sachen im Aufenthaltsraum ablege, versuche ich meine aufgebrachten Nerven zu beruhigen, oder wenigstens zu überspielen. Außerdem wiederhole ich in meinen Gedanken immer wieder, dass ich nicht so einen guten Abschluss gemacht hätte, wenn ich es nicht könnte. Und das stimmt. Ich war eine der besten meines Jahrgangs. Ich würde jetzt nicht hier stehen, wenn Sally Zweifel hätte.

Deswegen verlasse ich den Raum wieder mit gestrafften Schultern und gehe mit großen Schritten auf die Kundin zu, die geduldig in ihrem Stuhl sitzt und dort wartet.

„Mrs. Morrison?“, frage ich sie, nachdem ich hinter ihr stehen geblieben bin und ziehe so ihre Aufmerksamkeit auf mich.

Mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht legt sie die Zeitschrift zur Seite und sieht mich durch den Spiegel an, wobei sie die Hände auf den Schoss legt.

„Ich bin Harley“, stelle ich mich ihr vor.

„Ich habe Sie noch nie vorher hier gesehen“, überlegt sie und verzieht das Gesicht, als würde sie darüber nachdenken. Sie wendet sich aber nicht von mir ab.

„Harley ist neu bei uns und eine der Besten, die man sich nur vorstellen kann“, erklärt Hannah, als sie kurz neben mir stehen bleibt.

Mir liegen die Worte auf der Zunge, dass ich das bestimmt nicht bin. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es im Salon Frauen gibt, die eindeutig besser sind als ich. Schließlich bin ich gerade erst aus der Ausbildung heraus. Mir fehlt die Berufserfahrung. Außerdem bin ich mir sicher, dass es noch einiges gibt, was ich lernen muss. Es wird mir hier und jetzt nicht helfen.

„Auf geht's“, ruft Mrs. Morrison laut aus und zwinkert mir zu.

Gerade frage ich mich, wie viel sie mitbekommen hat. Wahrscheinlich ist es besser, wenn ich mir nicht weiter den Kopf darüber zerbreche. Es würde mich nur ablenken und das kann ich gerade nicht gebrauchen.

„Ich brauche ein wenig Abwechslung. Die Haarfarbe hängt mir mittlerweile aus den Ohren raus. Ich habe sie nun schon seit Jahren.“ Um ihre Worte zu unterstreichen, streckt sie die Zunge heraus und verzieht das Gesicht.

„Eher einen schlichten Ton oder einen auffälligen?“, erkundige ich mich. Ich kann mir gerade noch verkneifen leise zu lachen.

„Auffällig“, antwortet sie mir sofort, ohne weiter darüber nachzudenken.

„Wie wäre es mit rot?“, frage ich sie, während ich sie mir mit einem schrillen Rotton vorstelle.

„Nur wenn es der Ton ist, den die Frau auf dem Bild im Schaufenster trägt“, weist sie mich an.

„Das bekomme ich hin.“ Ich weiß genau, welchen sie meint. Bevor ich vorhin hereingekommen bin, habe ich das Bild selber noch betrachtet und kurzzeitig sogar überlegt, ob ich mir meine nicht auch in dem Farbton färben sollte. Ich muss zugeben, dass ich nicht mutig genug dafür bin.

Die nächsten zwei Stunden verbringe ich damit, ihr die Haare zu machen. Je mehr ich mich dem Ende nähere, umso nervöser werde ich. Sie macht zwar nicht den Anschein auf mich, als würde sie es schrecklich finden, doch so genau achte ich auch nicht auf ihren Gesichtsausdruck.

Als ich sie fertig habe, bleibe ich hinter ihr stehen und halte gespannt die Luft an, während ich den Spiegel von rechts nach links und wieder zurückbewege, damit sie alles begutachten kann. Endlose Sekunden vergehen, während sie sich aufmerksam betrachtet. Es dauert nicht lange, bis meine Lungen brennen, da ich den Atem angehalten habe. Doch ich bin nicht in der Lage zu atmen, egal wie oft ich es mir in Erinnerung rufen. Ich komme mir vor, als würde ich gerade in einer Prüfung sitzen. Und in gewisser Weise tue ich das ja auch.

Eine Prüfung, die über meine Zukunft entscheidet.

Wie Mrs. Morrison darauf reagiert, hängt davon ab, ob ich den Vertrag bekomme. Ich muss zugeben, dass ich ihn gerne haben würde. Es gefällt mir hier zu arbeiten. Alle sind lieb und hilfsbereit. Ich habe das Gefühl, als wäre das hier der richtige Laden, um die Erfahrung zu sammeln, die ich brauche.

„Sally“, ruft Mrs. Morrison in der nächsten Sekunde so laut, dass ich erschrocken zusammenzucke. Langsam, beinahe in Zeitlupe, drehe ich mich um und sehe Sally nur ein paar Schritte von mir entfernt stehen. Sie hat sich an eines der Waschbecken angelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Ihr aufmerksamer Blick ruht auf den Haaren, die ich frisiert habe.

Wenn ich gerade schon nervös war, so fühlt es sich jetzt an, als würde ich sterben, und zwar nicht nur einen Tod. Tief in mir drin hatte ich gehofft, dass Mrs. Morrison schon lange verschwunden wäre, bevor Sally auftaucht. Nun frage ich mich aber, wie lange sie schon da steht und mich beobachtet.

Oder war sie die ganze Zeit über anwesend? Alleine der Gedanke reicht aus, dass mir wieder schlecht wird. Ich wollte mich sicher geben und zeigen, dass mir bewusst ist, was ich da mache. Die Wahrheit ist aber, dass ich es nicht immer wusste. Und ich bin mir sicher, dass man das auch genau gemerkt hat.

Langsam kommt sie näher und wendet sich nicht ab.

„Ich habe doch gesagt, dass sie es darauf hat“, verkündet Sally schließlich und lächelt stolz. Doch da ist noch etwas anderes. Etwas Überhebliches, was ich in ihrem Gesicht erkennen kann. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich mich nicht einfach nur irre.

„Ja, das hast du. Und wieder einmal hattest du recht. Ich würde gerne erfahren, woher du deine Talente nimmst, doch ich wünschte, dass ich auch die Gabe habe und die perfekten Angestellten mit nur einem Blick erkennen kann. Davon bin ich ganz weit entfernt. Deswegen könnte ich mir auch in den Hintern treten, dass ich immer wieder die bescheuerte Wette mit dir eingehe.“

Mein Mund öffnet sich. Doch da ich keine Ahnung habe, was ich eigentlich dazu von mir geben soll, schließe ich ihn wieder. Schweigend stehe ich daneben und versuche ihrer Unterhaltung zu folgen. Doch auch das kann ich nicht.

„Tja, Schwesterherz. Die einen können es und die anderen nicht.“ Sally strahlt regelrecht.

„Sie sind Schwestern?“, frage ich. Ich schaue zwischen den beiden hin und her und halte nach Gemeinsamkeiten Ausschau. Doch egal wie sehr ich es versuche, ich finde nichts.

„Ich bin die Ältere von uns beiden“, verkündet Mrs. Morrison und steht auf. „Sie geht nach unserer Mutter, während ich eher wie unser Dad bin.“ Sie greift nach ihrer Tasche und geht an mir vorbei. „Willkommen“, sagt sie noch, nachdem sie sich ein letztes Mal in meine Richtung gedreht hat. „Und wir sehen uns heute Abend.“ Mit den Worten verschwindet sie.

Ich hingegen bleibe stumm an Ort und Stelle stehen. Noch immer versuche ich zu verarbeiten, was hier gerade geschehen ist. Doch so wirklich kann ich es nicht. Langsam schaue ich zu den anderen, die anscheinend nichts davon mitbekommen habe. Sie kümmern sich um ihre eigenen Sachen und beachten uns überhaupt nicht.

„Wenn meine Schwester begeistert ist, bist du wirklich gut. Aber ich habe ehrlich gesagt nichts anderes erwartet.“ Während sie spricht geht sie an mir vorbei und bedeutet mir, dass ich ihr folgen soll.

„Soll ich das nicht aufräumen?“, erkundige ich mich.

Sally dreht sich kurz zu mir und schüttelt den Kopf, nachdem sie den Platz in Augenschein genommen hat. „Das kannst du später machen. Jetzt werden wir uns erst einmal um den Papierkram kümmern“, erklärt sie und geht weiter. „Ich bin immer froh, wenn ich das hinter mir habe. Ich bin keine von den Frauen, die Büroarbeiten liebt. Ich mache eher die anderen Sachen viel lieber.“

Während ich ihr folge, sehe ich Hannah, die mir zuzwinkert und glücklich strahlt. Gleichzeitig hält sie die Daumen nach oben. Ich hingegen kann es noch immer nicht glauben, das werde ich wahrscheinlich auch noch nicht, wenn ich den unterschriebenen Vertrag in meinen Händen halte.

Gemeinsam betreten wir den Aufenthaltsraum, wo Sally plötzlich stehen bleibt, sodass ich in sie hineinlaufe.

„Sorry“, murmle ich, während ich mein Gleichgewicht wieder suche und einen Schritt nach hinten mache.

„Was machen Sie hier?“, fragt meine Chefin mit energischer Stimme. Ich hingegen schaue verwirrt an ihr vorbei. Doch kaum kann ich in den Raum blicken, entdecke ich einen großen und gefährlich wirkenden Mann, der neben dem Tisch steht und meine Tasche in der Hand hält. Ohne darüber nachzudenken, mache ich einen Schritt an Sally vorbei und auf ihn zu. Ich verspüre keine Angst oder so. Nein, ich will meine Tasche wieder haben.

Er ist nicht so breit gebaut wie Zane, dennoch hat er etwas Furchteinflößendes an sich. Und in gewisser Weise erinnert seine Statur mich an den Typen, der in unser Haus eingebrochen ist.

Der Gedanke erschreckt mich. Er sorgt dafür, dass ich wie angewurzelt stehen bleibe. Mein Blick wandert zu der Tasche, die er noch immer in der Hand hält. Ich will sie wieder haben, aber nicht so sehr, dass ich mich auf ihn stürzen werde. Das ändert aber nichts daran, dass ich keinen Zweifel daran lasse.

„Was zum Teufel wollen Sie von mir?“, fahre ich ihn genervt an. Ich kann es nicht für mich behalten, doch ich will es auch gar nicht. Er kann ruhig wissen, dass es mir mittlerweile gehörig auf die Nerven geht. Doch das ist nur die eine Seite. Die andere sieht so aus, dass ich es auch gar nicht für mich behalten kann.

Ausdruckslos sieht er mich an. Ein wenig kommt er mir so vor, als würde er darüber nachdenken, welchen Schritt er unternehmen soll. Als ich schon die Hoffnung habe, dass er sie mir einfach gibt und verschwindet, und mir vielleicht noch eine Erklärung abliefert, dreht er sie herum und verteilt den Inhalt auf dem Tisch.

In mir brennen sämtliche Sicherungen durch. Noch bevor Sally mich zurückhalten kann, eile ich auf ihn zu, um sie ihm aus der Hand zu reißen. Es ist vielleicht nicht meine beste Idee, aber ich habe auch keine Lust, mich von ihm auf der Nase herumtanzen zu lassen.

Bevor ich ihn erreichen kann, springt er zur Seite und rennt an uns vorbei hinaus in den Laden. Noch bevor ich überhaupt ansetzen kann, um ihn zu verfolgen, hat er ihn verlassen.

Davon lasse ich mich nicht aufhalten. Mit großen Schritten eile ich ihm hinterher, während er in einen Wagen steigt. Um genau zu sein steigt er in den Wagen, den ich nun schon ein paar Mal bemerkt habe. Ich habe noch nicht einmal einen Fuß auf die Straße gesetzt, als er bereits weg ist. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn ich ihn wirklich zu schnappen bekommen hätte.

Am liebsten würde ich einen lauten Fluch von mir geben, der eindeutig nicht jugendfrei ist, als ich nach hinten gezogen werde.

„Hey“, rufe ich und versuche die beiden Arme abzuschütteln, die mich festhalten. Es dauert, bis sie so weit nachgegeben haben, dass ich mich umdrehen kann. Dennoch sind sie so fest um mich geschlungen, dass ich mich nicht entfernen kann.

Als ich die Person erkennen kann, die sich vor mir befindet, kommt es mir so vor, als würde ich mich in einem Traum befinden. Beziehungsweise, ich bin mir ziemlich sicher, dass es so ist. Es gibt nicht einen einzigen Grund, wieso es nicht so sein sollte.

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9783753199160
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