Gespräche

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Из серии: Fernöstliche Klassiker
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Über das Alter der Lun Yü

Die Gespräche des Kung Fu Dsï oder Lun Yü stammen in ihrer heutigen Gestalt – abgesehen von einigen späteren Textvarianten – aus der Hand des Dschong Hüan (Dschong Kang Tschong), der von 127–200 n. Chr. lebte. Er stammte aus Kaumi bei Kiautschou und hat den späteren Teil seines Lebens im Lauschan bei Tsingtau verbracht. Für seine Redaktion des Textes lagen ihm drei Quellen vor. Die eine stammte aus dem Staate Lu. Sie enthielt – ebenso wie die heutige Ausgabe – zwanzig Bücher. Liu Hiang, der im ersten Jahrhundert v. Chr. im Auftrag des Kaiserlichen Hofes die alten, neu ans Tageslicht gekommenen Bücher zu begutachten hatte, sagt über diese Quelle, deren Überlieferer im ersten vorchristlichen Jahrhundert er namentlich aufführt, daß sie lauter gute Worte des Meisters Kung enthalte, die seine Schüler im Gedächtnis behalten haben. Die zweite Quelle waren die Lun Yü aus dem Staate Tsi, für deren Überlieferung ebenfalls eine Reihe von Namen angegeben werden. Sie enthielten zweiundzwanzig Bücher und waren, wie es scheint, wesentlich ausführlicher als die Quelle von Lu. Sie scheinen jedoch eine spätere Traditionsschicht darzustellen. Wir können uns eine ungefähre Vorstellung davon machen, wenn die Tradition richtig ist, daß das sechzehnte Buch im wesentlichen aus der Rezension von Tsi stammt. Die einzelnen Worte sind nicht eingeleitet mit dem Satz »Der Meister sprach«, sondern mit »Meister Kung sprach.« Alle diese Abschnitte, die sich übrigens nicht nur im sechzehnten Buch finden, zeigen deutliche stilistische Verschiedenheiten. Wo es sich um Gespräche handelt, ist die Situation mehr ausgemalt. Die Worte selbst sind sprachlich glatter. Mehrere Worte sind häufig zusammengefaßt und unter Zahlenreihen subsumiert. Es sind zu manchen dieser zusammengefaßten Äußerungen die einzelnen Bestandteile noch getrennt vorhanden. Alles in allem ist der Befund der Tsi-Rezension so, daß man es nur billigen kann, daß sie bei der endgültigen Redaktion erst in untergeordneter Linie berücksichtigt worden ist. Nun gibt es noch eine Quelle, die auf den ersten Blick das meiste Zutrauen zu verdienen scheint: die sogenannten »alten Lun Yü«. Als nämlich im Jahre 150 v. Chr. der damalige Fürst von Lu seinen Palast erweitern wollte, beabsichtigte er zu diesem Zweck das noch erhaltene Wohnhaus Kungs abreißen zu lassen. Allein eine wunderbare Musik ertönte, die ihn so erschreckte, daß er von dem Vorhaben abstand. In einer der Mauern aber fand sich ein Exemplar des Buchs der Urkunden (Schu Ging), der Gespräche (Lun Yü) und des Buchs von der Ehrfurcht (Hiau Ging). Diese Werke waren in alten kaulquappenähnlichen Zeichen geschrieben, die kein Mensch lesen konnte, bis sie ein Nachkomme des Meisters, der Gelehrte Kung An Guo, entzifferte und herausgab. Diese Ausgabe schloß sich im allgemeinen an die Rezension von Lu an, nur war das letzte Buch in zwei geteilt (Bei »Dsï Dschang fragte« begann das einundzwanzigste Buch, so daß diese Ausgabe zwei Bücher mit dem Titel »Dsï Dschang« enthielt: Buch XIX und XXI). Außerdem standen Buch VI und X an anderer Stelle.

Merkwürdigerweise blieb diese Entdeckung gänzlich unbeachtet. Es dauerte Jahrhunderte, ehe sich ein chinesischer Gelehrter darauf einließ. Erst Ma Ying, der Lehrer des Dsong Hüan, hat die alten Lun Yü wieder aufgenommen. Nun hat ja die Art der Auffindung, die sehr stark an den Fund des Deuteronomiums in Jerusalem erinnert, etwas an sich, das einen gewissen Verdacht nahe legt. Auch mit den »Kaulquappenzeichen« hat es eine eigene Bewandtnis. Die alte chinesische Schrift, wie sie uns auf Orakelknochen, Bronzen und den Steintrommeln in Peking zugänglich ist, hat keineswegs die Form von Kaulquappen. Vielleicht ist die Bezeichnung Kaulquappenzeichen ein Ausdruck, der ursprünglich überhaupt nicht chinesische Zeichen meinte, sondern Keilschriftzeichen, die auf irgendeine Weise nach China gekommen sein mögen. Auch ist recht schwer glaublich, daß die alte Schrift, die bis zur Zeit Tsin Schï Huangs im Gebrauch war, in der kurzen Spanne von einem halben Jahrhundert gänzlich unlesbar geworden sein sollte. Da es sich aber in den alten Lun Yü um eine Rezension handelt, die mit der Rezension von Lu ziemlich übereinstimmte, so können wir die Frage auf sich beruhen lassen, obwohl es natürlich sehr wertvoll wäre, wenn man eine bezeugte Spur des Vorhandenseins einer schriftlichen Sammlung von der Tsindynastie besäße, da die Bezeugung der Quelle von Lu nicht über die Handynastie hinaufgeht.

Was nun die Abfassung eines Werkes mit Namen Lun Yü »Gespräche des Meisters« anlangt, so sind wir imstande, die Tradition, nach der das Werk von den Schülern des Meisters nach dessen Tode niedergeschrieben sei, positiv zu widerlegen. Nicht nur findet sich in unseren Lun Yü eine Stelle (Buch VIII, 3 und 4), wo der Tod des Schülers Dsong Schen berichtet wird und ein Beamter (Mong Ging) mit seinem posthumen Namen genannt wird, der fünfzig Jahre nach Kungs Tod noch lebte, – das ganze Buch XIX enthält keinen einzigen Ausspruch von Kung, sondern führt unzweideutig in die Zustände der Schulen ein, die seine Jünger nach seinem Tode gegründet. Aber auch die Auskunft, daß die Schüler der Schüler die Lun Yü niedergeschrieben haben, ist unhaltbar.

Man wird sich die Sache wohl so vorzustellen haben, daß Worte des Meisters sich durch mündliche Tradition Generationen lang fortgepflanzt haben, ohne schriftlich gesammelt zu werden. Man macht sich von der Kraft und Treue mündlicher Traditionen im allgemeinen in Europa wenig Begriff, wogegen in China sich das Auswendiglernen großer Texte bis in die neueste Zeit erhalten hat. Wir finden einzelne in den Lun Yü enthaltene Worte in der späteren Literatur bis herab auf Mong Dsï zitiert. Aber die Art des Zitierens läßt erkennen, daß kein geschlossenes Werk mit dem Titel Lun Yü vorlag. Die Worte werden als Worte Kungs zitiert, ohne eine schriftliche Quelle zu nennen. Ganz in derselben Weise werden andere Worte, die sich in Lun Yü nicht finden, als Worte des Meisters erwähnt. Auf der andern Seite wird in Mong Dsï ein Wort, das in Lun Yü als vom Meister gesprochen steht, dem Mong Dsï zugeschrieben. Kurz, man kann mit Sicherheit behaupten, daß zur Zeit des Mong Dsï die Lun Yü noch nicht bestanden. Viel wahrscheinlicher ist es, daß sie erst im Anschluß an das Werk des Mong Dsi entstanden sind. Nachdem die Gespräche des Mong Dsï von seinen Schülern aufgezeichnet vorlagen, lag der Gedanke nah, auch eine ähnliche Sammlung der Gespräche Kungs herauszugeben. An Material teils mündlicher Tradition, teils in andern Werken (besonders Li Gi, Da Hüo, Dschung Yung) vorhanden, fehlte es nicht. Ja, wir haben noch heute außer den Lun Yü so viele Äußerungen Kungs verzeichnet, daß daraus noch im neunzehnten Jahrhundert eine sehr interessante Sammlung konfuzianischer Gespräche unter dem Titel »Kung Dsï Dsï Yü«, die in einer Sammlung von philosophischen Werken erschien, sich hat zusammenstellen lassen.

Daß die Lun Yü nicht zu den alten Werken chinesischer Literatur gehören, beweist auch der Umstand, daß sie nicht unter den fünf Klassikern (Ging) stehen, sondern unter den erst in neuerer Zeit als Schriften zweiten Ranges rezipierten vier Schriften (Schu). Wir werden daher bei aller Anerkennung dessen, daß sie gutes, zuverlässiges Material enthalten, zu dem Schluß kommen müssen, daß sie ihre heutige Gestalt erst in der Handynastie erhalten haben.

Buch I
Hüo Erl
1. Glück in der Beschränkung

Der Meister sprach: »Lernen1 und fortwährend üben: ist das denn nicht auch befriedigend? Freunde haben, die aus fernen Gegenden kommen: ist das nicht auch fröhlich?

Wenn die Menschen einen nicht erkennen, doch nicht murren: ist das nicht auch edel?«


Das Glück besteht in der Möglichkeit, seine Prinzipien durchführen zu können. Aber das hängt nicht von uns ab. Es gibt aber auch ein Glück für den, dem das alles versagt ist. Das Erbe der Vergangenheit sich anzueignen und es ausübend zu besitzen: das gewährt auch Befriedigung. Wenn dann der wachsende Ruhm aus fernen Gegenden Jünger herbeiführt: das ist auch Freude. Von der Welt sich verkannt zu sehen, ohne sich verbittern zu lassen: das ist auch Seelengröße.

2. Ehrfurcht als Grundlage der staatlichen Ordnung

Meister Yu2 sprach: »Daß jemand, der als Mensch pietätvoll und gehorsam ist, doch es liebt, seinen Oberen zu widerstreben, ist selten. Daß jemand, der es nicht liebt, seinen Oberen zu widerstreben, Aufruhr macht, ist noch nie dagewesen. Der Edle pflegt die Wurzel; steht die Wurzel fest, so wächst der Weg. Pietät und Gehorsam: das sind die Wurzeln des Menschentums.«3


Meister Yu sprach: »Wer sich pietätvoll dem Familienorganismus einordnet, der wird schwerlich ein politischer Oppositionsmann sein. Wer sich von politischer Opposition fernhält, der wird sicher kein Empörer. Ein umsichtiger Regent wird daher im Familiengefühl die Wurzel der staatlichen Ordnung pflegen. Ist diese Wurzel gesund, so durchwächst von ihr aus das Prinzip der pietätvollen Unterordnung das gesamte Staatswesen; denn die Ehrfurcht ist die Grundlage aller sozialen Ordnung.«

 

3. Der Schein trügt

Der Meister sprach: »Glatte Worte und einschmeichelnde Mienen sind selten vereint mit Sittlichkeit.«


Diplomatische Gewandtheit und konventionelles Wesen sind unvereinbar mit wirklicher Güte des Charakters.

4. Tägliche Selbstprüfung

Meister Dsong4 sprach: »Ich prüfe täglich dreifach mein Selbst: Ob ich, für andere sinnend, es etwa nicht aus innerstem Herzen getan; ob ich, mit Freunden verkehrend, etwa meinem Worte nicht treu war; ob ich meine Lehren etwa nicht geübt habe.«


Meister Dsong (das hauptsächliche Schulhaupt nach Kungs Tode) sprach: »Ich prüfe mich täglich in dreifacher Hinsicht: ob ich übernommene Verpflichtungen gewissenhaft ausgeführt habe; ob ich im Verkehr mit Freunden immer Wort gehalten habe; ob ich die Lehren, die ich andern gab, selbst auch befolgt habe.«

5. Regentenspiegel

Der Meister sprach: »Bei der Leitung eines Staates von 1000 Kriegswagen5 muß man die Geschäfte achten und wahr sein, sparsam verbrauchen und die Menschen lieben, das Volk benutzen entsprechend der Zeit.«6


Auch eine Großmacht läßt sich nach ganz einfachen Prinzipien in geordnetem Zustand halten: Sorgfältigste Erledigung aller Arbeiten und Zuverlässigkeit, Sparsamkeit in den Mitteln und Interesse für die Menschen; bei der Verwendung der Untertanen zu öffentlichen Leistungen: Rücksicht auf die Verhältnisse, in denen sie sich befinden.

6. Moralische und ästhetische Bildung der Jugend

Der Meister sprach: »Ein Jüngling soll nach innen kindesliebend, nach außen bruderliebend sein, pünktlich und wahr, seine Liebe überfließen lassend auf alle und eng verbunden mit den Sittlichen. Wenn er so wandelt und übrige Kraft hat, so mag er sie anwenden zur Erlernung der Künste.«7


Die Jugenderziehung muß im engsten Familienkreise einsetzen durch Pflege der Ehrfurcht den Eltern gegenüber. Diese Ehrfurcht hat sich dann allmählich auszudehnen und zu erweitern in ein bescheidenes Betragen gegenüber erfahrenen und älteren Persönlichkeiten. Die wichtigsten Eigenschaften bei der Ausbildung des persönlichen Charakters sind Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Im Verkehr mit anderen ist auf eine arglose, freie Sympathie mit allen Menschen Gewicht zu legen, während der intime Anschluß auf Leute von moralischer Haltung sich zu beschränken hat. Auf dieser Grundlage sittlicher Erziehung mag sich bei besonderer Begabung höhere wissenschaftliche und ästhetische Bildung aufbauen.

7. Wer ist gebildet?

Dsï Hia8 sprach: »Wer die Würdigen würdigt9, so daß er sein Betragen ändert, wer Vater und Mutter dient, so daß er dabei seine ganze Kraft aufbietet, wer dem Fürsten dient, so daß er seine Person drangibt, wer im Verkehr mit Freunden so redet, daß er zu seinem Worte steht: Wenn es von einem solchen heißt, er habe noch keine Bildung, so glaube ich doch fest, daß er Bildung hat.«


Dsï Hia sprach: »Wer sich durch die Verehrung für große Männer dazu bestimmen läßt, ihrem Beispiel praktischen Einfluß auf sein tägliches Leben zu geben; wer seinen Eltern dient aus allen seinen Kräften und im Dienst des Fürsten treu ist bis zum Tod; wer sich den Freunden gegenüber durch sein gegebenes Wort unbedingt gebunden fühlt; solch ein Mann mag vielleicht nicht viel Büchergelehrsamkeit besitzen, aber ich behaupte doch, daß er wirklich gebildet ist.«

8. Kultur der Persönlichkeit

Der Meister sprach: »ist der Edle nicht gesetzt, so scheut man ihn nicht. Was das Lernen betrifft, so sei nicht beschränkt. Halte dich eng an die Gewissenhaften und Treuen. Mache Treu und Glauben zur Hauptsache. Habe keinen Freund, der dir nicht gleich ist. Hast du Fehler, scheue dich nicht, sie zu verbessern.«


Für einen Gelehrten ist ein gesetztes, ernstes Wesen von großer Wichtigkeit. Er erwirbt sich dadurch die achtungsvolle Anerkennung der anderen Menschen. In seiner wissenschaftlichen Arbeit hat er sich von aller beschränkten Einseitigkeit fern zu halten. Bei der Wahl des intimen Verkehrs halte man sich an gewissenhafte und wahre Menschen und bleibe von Minderwertigen fern. Hat man einen Fehler gemacht, so suche man ihn nicht mit falscher Scham zu beschönigen, sondern gestehe ihn offen ein und mache ihn wieder gut.

9. Pflege der Vergangenheit als Regierungsgrundsatz

Meister Dsong sprach: »Gewissenhaftigkeit gegen die Vollendeten10 und Nachfolge der Dahingegangenen: so wendet sich des Volkes Art zur Hochherzigkeit.«


Der Philosoph Dsong sprach: »Dadurch, daß ein Fürst die dankbare Verehrung für die Vergangenheit auch in den äußeren Formen, in denen diese Gesinnung ihren Ausdruck findet, gewissenhaft pflegt, wird es ihm möglich sein, sein Volk dahin zu beeinflussen, daß es sich nicht in der Sucht nach materiellem Gewinn verliert, sondern daß ein liberaler Sinn für die geistigen Güter lebendig wird.«

10. Die rechte Art, von anderen Aufschluß zu erlangen

Dsï Kin11 fragte den Dsï Gung und sprach: »Wenn der Meister in irgendein Land kommt, so erfährt er sicher seine Regierungsart: Bittet er oder wird es ihm entgegengebracht?« Dsï Gung sprach: »Der Meister ist milde, einfach, ehrerbietig, mäßig und nachgiebig: dadurch erreicht er es. Des Meisters Art zu bitten: ist sie nicht verschieden von anderer Menschen Art zu bitten?«


Der Jünger Dsï Kin fragte den Jünger Dsï Gung: Immer wenn unser Meister auf seinen Wanderungen durch einen fremden Staat kommt, ist er in kurzer Zeit über den Stand seiner öffentlichen Angelegenheiten im klaren. Wie kommt er zu dieser Kenntnis? Fragt er nach den Verhältnissen oder wird es ihm von den Betreffenden aus freien Stücken mitgeteilt?« Dsï Gung antwortete: »Der Meister hat eine ganz besondere Art, das Vertrauen der Leute zu gewinnen, so daß sie ihm in ihre Verhältnisse Einblick gewähren: er ist milde in seinem Urteil, wohlwollend in seinem Reden, höflich in seinem Betragen, anspruchslos in seinem Auftreten und unaufdringlich in seiner Art, sich zu geben: kurz, er stellt sein eigenes Ich in den Hintergrund; das ist das Geheimnis seines Erfolgs.«

11. Merkmale echter Pietät

Der Meister sprach: »ist der Vater am Leben, so schaue auf seinen Willen. ist der Vater nicht mehr, so schaue auf seinen Wandel. Drei Jahre lang nicht ändern des Vaters Weg: das kann kindesliebend heißen.«


Um zu erkennen, wie weit ein Mensch der idealen Forderung der Ehrfurcht gegen die väterliche Autorität entspricht, muß man, so lange sein Vater noch lebt und auf seine äußere Handlungsweise bestimmenden Einfluß auszuüben vermag, seine innere Willensrichtung beobachten. ist der Vater tot und der Sohn in seinen Handlungen durch keine äußere Gewalt gehemmt, dann kann man ihn in seinem Betragen beobachten. Weicht er drei Jahre lang nicht ab von seines Vaters Wegen, dann besitzt er wirklich die Gesinnung wahrer Ehrfurcht in sich selbst.

12. Freiheit und Form

Meister Yu12 sprach: »Bei der Ausübung der Formen ist die (innere) Harmonie die Hauptsache. Der alten Könige Pfad ist dadurch so schön, daß sie im Kleinen und Großen sich danach richteten. Dennoch gibt es Punkte, wo es nicht geht. Die Harmonie kennen, ohne daß die Harmonie durch die Form geregelt wird: das geht auch nicht.«


Der Philosoph Yu sprach: »Um mit richtigem Takt in allen Verhältnissen das Geziemende zu tun, ist notwendige Vorbedingung eine harmonische Seelenverfassung. Diese Übereinstimmung zwischen dem Gemüt und den äußeren Formen ist das Anziehende an den Prinzipien der Heroen des Altertums. Im Kleinen wie im Großen findet sich bei ihnen diese Harmonie. Diese harmonische Seelenstimmung allein ist aber ihrerseits auch nicht ausreichend. Wenn die innere Stimmung nicht durch den Rhythmus fester Formen geregelt wird, so hat sie nicht den nötigen Halt.«

13. Vorteil der Zurückhaltung

Meister Yu sprach: »Abmachungen müssen sich an die Gerechtigkeit halten, dann kann man sein Versprechen erfüllen. Ehrenbezeugungen müssen sich nach den Regeln richten, dann bleibt Schande und Beschämung fern. Beim Anschluß an andre werfe man seine Zuneigung nicht weg, so kann man verbunden bleiben.«13


Der Philosoph Yu sprach: »Man soll nie mehr versprechen, als was sich mit Recht und Billigkeit verträgt; dann kann man stets Wort halten. Man soll sich bei seinen Ehrenbezeugungen immer in den Grenzen des Geziemenden halten, so erspart man sich Selbsterniedrigung und Beschämung. Man soll sich nur an solche Leute eng anschließen, bei denen man nicht befürchten muß, seine Zuneigung wegzuwerfen, so kann man immer durch gegenseitige Hochschätzung mit ihnen verbunden bleiben.«

14. Wonach der Philosoph trachtet

Der Meister sprach: »Ein Edler, der beim Essen nicht nach Sättigung fragt, beim Wohnen nicht nach Bequemlichkeit fragt, eifrig im Tun und vorsichtig im Reden, sich denen, die Grundsätze haben, naht, um sich zu bessern: der kann ein das Lernen Liebender genannt werden.«


Das Streben des höheren Menschen geht nicht auf die Außenwelt, auf Sattessen und bequeme Wohnung, sondern auf eigene moralische Vollkommenheit; deshalb ist er in seinen Handlungen sorgfältig und vorsichtig im Reden. Er strebt nach der Gemeinschaft mit Menschen von moralischer Erfahrung, um durch sie sich zum Rechten weisen zu lassen. Auf diese Weise zeigt sich das wirkliche Bildungsstreben.

 

15. Fortschritt im Ertragen von Armut und Reichtum

Dsï Gung sprach: »Arm ohne zu schmeicheln, reich ohne hochmütig zu sein: wie ist das?«

Der Meister sprach: »Es geht an, kommt aber noch nicht dem gleich: arm und doch fröhlich sein, reich und doch die Regeln lieben.«

Dsï Gung sprach: »Ein Lied sagt:

Erst geschnitten, dann gefeilt,

Erst gehauen, dann geglättet.

Damit ist wohl eben das gemeint?

Der Meister sprach: »Sï, anfangen kann man, mit ihm über die Lieder zu reden. Sagt man die Folgerung, so kann er den Grund finden.«


Dsï Gung sprach: »Was ist von einem Menschen zu halten, der in der Armut sich von kriechendem Schmeichlersinn und im Reichtum von hochmütiger Einbildung fernzuhalten weiß?«

Der Meister sprach: »Er geht an, aber noch höher ist es zu werten, wenn einer inmitten der Armut die Freude an der Wahrheit sich wahrt und inmitten des Reichtums sich selbst in der Zucht hält.«

Dsï Gung sprach: »Diese Stufenfolge moralischer Vervollkommnung ist ja auch wohl im Liederbuch14 angedeutet, wo es heißt:

Erst geschnitten, dann gefeilt,

Erst gehauen, dann geglättet.

Da sprach der Meister: »Ja, mein Sï15, du bist reif genug, daß ich mich über das Liederbuch mit dir unterhalten kann; denn wenn man eine Richtung moralischer Entwicklung zeigt, so findest du das zugrunde liegende allgemeine Gesetz heraus.«

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