Читать книгу: «Gewähr Der Waffen », страница 2
Instinktiv streckte Reece die Hand aus und schaffte es, Elden am Arm zu packen. Zum Glück hatte er mit der anderen Hand einen festen Halt und konnte Elden abfangen. Doch dieser hing an Reeces Arm und konnte keinen Halt finden. Elden war zu groß und zu schwer, und Reeces Kräfte ließen schnell nach.
Indra kam schnell zu ihnen herunter und griff nach Eldens anderer Hand. Doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte keinen Halt für seine Füße finden.
„Ich kann keinen Halt finden!“, schrie er mit Panik in der Stimme. Er trat verzweifelt um sich und Reece befürchtete, das er selbst den Halt verlieren würde und sie beide gemeinsam in die Tiefe stürzen würden. Seine Gedanken rasten.
Reece erinnerte sich an ein Seil und einen Enterhaken, den O’Connor ihm vor ihrem Abstieg gezeigt hatte. Damit konnte man im Falle einer Belagerung gut an einer Mauer hochklettern. Für den Fall, dass wir es gebrauchen können, hatte O’Connor gesagt.
„O’Connor! Dein Seil!“ rief Reece ihm zu. „Wirf es runter!“
Reece sah nach oben und beobachtete, wie O’Connor sein Seil von seinem Gürtel losmachte und den Haken in einer Spalte verkantete. Er drückte ihn mit aller Kraft hinein, zog ein paarmal daran und warf dann das Seil hinunter. Es baumelte neben Reece.
Es hätte nicht einen Augenblick später kommen dürfen, denn Eldens Hand begann Reece zu entgleiten und im letzten Moment griff er das Seil. Reece hielt den Atem an und betete, dass es halten würde.
Es hielt. Elden zog sich langsam hoch, bis er einen festen Halt gefunden hatte. Er stand auf einem kleinen Vorsprung und atmete schwer. Er seufzte vor Erleichterung. Das war verdammt eng gewesen!
*
Sie kletterten weiter und Reece wusste schon nicht mehr, wieviel Zeit vergangen war. Es wurde langsam dunkel, und Reece war trotz der Kälte schweißnass. Er hatte das Gefühl, dass jeder Augenblick sein letzter sein konnte. Seine Muskeln zitterten und sein Atem ging schnell und ungleichmäßig.
Er fragte sich, wie lange er wohl noch durchhalten konnte. Er wusste dass sie irgendwo anhalten mussten um sich auszuruhen, falls sie nicht bald den Boden erreichen würden. Doch das Problem war: es gab keinen Ort, an dem sie anhalten konnten, um sich auszuruhen.
Reece fragte sich ob sie irgendwann – einer nach dem anderen – vor Erschöpfung einfach abstürzen würden.
Plötzlich hörte er lautes Poltern und eine kleine Gerölllawine regnete auf ihn nieder. Sein Herz setzte einen Augenblick lang aus als er einen Schrei hörte. Er war anders als der von Elden zuvor – es war ein Todesschrei. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie ein Körper an ihm vorbei viel.
Reece streckte seinen Arm aus um ihn zu greifen, doch es geschah viel zu schnell. Alles was er tun konnte, war hilflos zuzusehen wie Krog schreiend mit Armen und Beinen um sich schlug und auf das Nichts zuraste.
KAPITEL DREI
Kendrick saß auf seinem Pferd. Neben ihm standen Erec, Bronson und Srog vor tausenden ihrer Männer und standen Tirus und dem Empire gegenüber. Sie waren geradewegs in eine Falle geritten. Sie waren von Tirus verkauft worden, und Kendrick erkannte viel zu spät, dass es ein Fehler gewesen war, ihm zu vertrauen.
Kendrick blickte auf und sah gut zehntausend Krieger des Empire am oberen Rand des Tals mit dem Bogen im Anschlag stehen; auf seiner linken Flanke noch einmal genauso viele, und vor ihnen noch viel mehr.
Durch die gigantische Überzahl würde es Kendricks Männern nie gelingen die Gegner zu besiegen. Sie würden schon beim Versuch abgeschlachtet werden. Mit all den Bögen im Anschlag würde die leiseste Bewegung zu einem Massaker an seinen Männern führen. Geographisch gesehen half es ihnen auch nicht weiter, dass sie sich am Boden des Tals befanden. Tirus hatte den Ort für seinen Hinterhalt gut gewählt.
Während Kendrick mit vor Wut brennendem Gesicht dasaß, starrte er Tirus an, der seinerseits mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf dem Gesicht auf dem Pferd saß und ihn ansah. Neben ihm saßen seine vier Söhne und der Kommandant der Empirekrieger.
„Ist dir Gold so wichtig?“, wollte Kendrick von Tirus wissen, der kaum drei Meter entfernt war, und seine Stimme klang kalt wie Stahl. „So wichtig, dass du dafür dein eigenes Volk, dein eigenes Blut verkaufst?“
Tirus zeigte keinerlei Bedauern; sein Lächeln wurde breiter.
„Dein Volk ist nicht mein Blut, erinnerst du dich nicht?“ sagte er. „Das ist der Grund warum ich nach Eurem Gesetz kein Recht auf den Thron meines Bruders habe.“
Erec räusperte sich wütend.“
„Nach den Gesetzen der MacGils wird der Thron an den Sohn vererbt – nicht an den Bruder.“
Tirus schüttelte den Kopf.
„Das ist jetzt alles vollkommen belanglos. Eure Gesetze interessieren mich nicht mehr. Macht triumphiert immer über das Gesetz. Diejenigen, welche die Macht innehaben, diktieren das Gesetz. Und wie du sehen kannst, bin ich stärker. Das bedeutet, dass ich von nun an das Gesetz schreibe. Die nachfolgenden Generationen werden sich an keines eurer Gesetze erinnern. Alles an was sie sich erinnern werden ist, dass ich, Tirus, der König war, nicht du oder deine Schwester!“
„Ein Thron, der unrechtmäßig genommen wurde ist nie von Dauer.“, gab Kendrick zurück. Vielleicht wirst du uns töten; Vielleicht kannst du Andronicus sogar irgendwie davon überzeugen, dir einen Thron zu geben. Doch du und ich, wir beide wissen, dass du nicht lange herrschen wirst. Du wirst genauso betrogen werden, wie du uns betrogen hast.“
Tirus saß unbeeindruckt da.
„Dann werde ich die Tage meiner kurzen Herrschaft genießen bis sie vorüber sind – und ich werde dem Mann Beifall spenden, der mich mit soviel List hinters Licht führt, wie ich es mit euch getan habe.“
„Genug geredet!“, rief der Kommandant der Empirekrieger, „Kapituliert, oder Eure Männer werden sterben!“
Kendrick sah ihn wütend an. Er wusste dass er keine andere Wahl hatte, so wenig es ihm der Gedanke auch gefallen mochte.
„Legt eure Waffen nieder“, sagte Tirus mit ruhiger Stimme, „und ich werde euch gerecht behandeln, wie ein Krieger den anderen. Ihr werdet Kriegsgefangene sein. Ich mag eure Gesetze nicht teilen, doch ich respektiere die Gesetze des Krieges. Ich verspreche euch, dass unter meiner Aufsicht niemandem auch nur ein Haar gekrümmt wird.“
Kendrick, Bronson, Srog und Erec sahen sich an. Sie waren alle stolze Krieger und saßen stumm auf ihren Pferden, die nervös mit den Hufen scharrten.
„Warum sollte ich dir vertrauen?“, rief Bronson Tirus zu. „Du hast schon einmal bewiesen, dass dein Wort nichts wert ist. Ich bin gerne bereit hier auf dem Schlachtfeld sterben, wenn ich dir damit nur dein selbstgefälliges Grinsen austreiben könnte.“
Tirus sah Bronson böse an.
„Was sprichst du überhaupt? Du bist nicht einmal ein MacGil. Du bist ein McCloud. Du hast kein Recht, dich in unsere Dinge einzumischen.“
„Bronson ist ein MacGil wie jeder andere von uns. Er spricht mit der Stimme unserer Männer.“, entgegnete Kendrick.
Tirus knirschte entnervt mit den Zähnen.
„Es ist eure Wahl. Seht euch um und betrachtet die Bogenschützen, die nur auf meinen Befehl warten. Wenn einer von euch auch nur daran denkt, nach seinem Schwert zu greifen, werdet ihr alle sofort sterben. Das könnt ihr sicher sehen. Es gibt Zeiten, in denen man kämpft, und Zeiten, in denen man besser kapituliert. Wenn du, Kendrick, deine Männer retten willst, dann solltest du tun, was jeder gute Kommandant tun würde. Leg die Waffen nieder!“
Kendrick verkrampfte. Die Wut verbrannte ihn innerlich. So wenig er es auch zugeben wollte wusste er doch, dass Tirus Recht hatte. Er sah sich um und wusste sofort, dass wahrscheinlich alle seine Männer binnen weniger Augenblicke sterben müssten, wenn er versuchen sollte zu kämpfen. So sehr er es auch tun wollte, es wäre eine egoistische Wahl; wie sehr er Tirus auch verachtete, hatte er das Gefühl, dass er die Wahrheit sprach, und seinen Männern nichts geschehen würde. Solange sie lebten, konnten sie immer noch bei der nächsten Gelegenheit kämpfen, an einem anderen Ort, auf einem anderen Schlachtfeld.
Kendrick sah Erec an, einen Mann, mit dem er unzählige Male gekämpft hatte, der Held der Silver, und er wusste, dass er das gleiche dachte. Ein Anführer zu sein war etwas anderes, als ein einfacher Krieger zu sein: Ein Krieger konnte ohne Rücksicht kämpfen, doch ein Anführer musste in erster Linie an seine Männer denken.
“Es gibt eine Zeit für den Kampf, und eine Zeit zu kapitulieren.“, rief Erec. „Wir werden dich bei deinem Wort als Krieger nehmen, dass unseren Männern kein Haar gekrümmt wird wenn wir unsere Waffen niederlegen.
Brichst du jedoch dein Wort, dann möge Gott deiner Seele gnädig sein. Dann werde ich aus der Hölle zurückkommen und jeden einzelnen meiner Männer rächen.“
Tirus nickte zufrieden und Erec ließ sein Schwert samt Scheide unter lautem Scheppern zu Boden fallen.
Kendrick folgte seinem Beispiel und nach kurzem Zögern taten es ihnen auch Sorg und Bronson widerwillig nach.
Hinter ihnen ertönte das Geschepper von tausenden von Waffen, die auf den gefrorenen Boden fielen. Silesier, MacGils, McClouds und Silver – alle kapitulierten sie.
Tirus grinste breit.
„Und jetzt steigt ab.“, befahl er.
Langsam schwangen sie sich aus den Sätteln und stellten sich neben ihre Pferde.
Tirus schwelgte in seinem Sieg.
„All die Jahre, die ich im Exil auf den Oberen Inseln verbracht habe, habe ich King’s Court und meinen Bruder um seine Macht beneidet. Doch welcher MacGil hat nun die Macht?“
„Macht, die aus Verrat entsteht ist keine Macht!“, sagte Bronson trotzig.
Tirus warf einen bösen Blick in seine Richtung und nickte seinen Männern zu.
Sie eilten vor und begannen, einem nach dem anderen die Hände zu fesseln. Einer nach dem anderen wurden sie davongezerrt.
Als Kendrick weggeschleift wurde, fiel ihm plötzlich sein Bruder Godfrey ein. Sie waren gemeinsam aufgebrochen, doch er hatte ihn seitdem nicht mehr gesehen. Er fragte sich, ob es ihm irgendwie gelungen war zu fliehen? Er betete, dass ihn ein besseres Schicksal ereilen möge als ihn selbst. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich optimistisch.
Bei Godfrey konnte man sich nie ganz sicher sein.
KAPITEL VIER
Godfrey Seite an Seite mit Akorth, Fulton, seinem Silesischen General und dem Empire Kommandeur seinen Männern voraus. Er hatte gut für die Treue der Männer des Empire gezahlt. Godfrey ritt mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht und war mehr als zufrieden wenn er den Blick über die mehrere Tausend Mann starke Division von Empirekriegern schweifen ließ, die nun auf seiner Seite standen.
Er dachte zutiefst zufrieden über die Bezahlung nach, die er ihnen gegeben hatte, die zahllosen Säcke mit Gold, erinnerte sich an den Ausdruck auf ihren Gesichtern, und war freudig erregt, dass sein Plan aufgegangen war. Er war sich bis zum letzten Moment nicht sicher gewesen, und zum ersten Mal konnte er erleichtert aufatmen. Es gab schließlich viele Wege eine Schlacht zu gewinnen, und er hatte seine gerade gewonnen ohne auch nur einen Tropfen Blut zu vergießen. Vielleicht war er nicht so ritterlich oder tapfer wie die anderen Krieger, doch er war erfolgreich. Und war das nicht letzten Endes das Ziel? Er bevorzugte es, die Leben seiner Männer mit ein wenig Bestechung zu schonen, anstatt mitansehen zu müssen, wie die Hälfte von ihnen in einem leichtsinnigen „ritterlichen“ Akt getötet wurden. So war er eben.
Godfrey hatte zu hart gearbeitet, um das zu erreichen, was er hatte. Er hatte alle seine Beziehungen auf dem schwarzen Markt, Verbindungen durch Bordelle, finstere Gassen und Spelunken um herauszufinden, wer mit wem „gut Freund“ war, welche Bordelle die Kommandanten des Empire besuchten und welcher von ihnen bestechlich war.
Godfreys halbseidene Kontakte waren weitreichender als es vielleicht sein sollte – er hatte schließlich sein ganzes Leben damit verbracht sie zu sammeln – doch nun hatten sie ihm gute Dienste erwiesen. Und endlich konnte er das Gold seines Vaters einmal sinnvoll einsetzen.
Sicher, Godfrey hatte sich bis zum letzten Moment nicht sicher sein können, ob sie verlässlich waren. Niemand würde jemanden so leichtherzig hintergehen wie ein Dieb, doch er hatte das Risiko eingehen müssen. Er wusste dass die Chancen 50:50 standen, dass die Leute die er bezahlte nur so zuverlässig waren wie das Gold das er ihnen zahlte. Doch er hatte sie mit sehr sehr feinem Gold bezahlt, und sie hatten sich ihm wortgetreu angeschlossen.
Natürlich wusste er nicht, ob sie ihm auch treu bleiben würden. Doch zumindest hatte er sich seinen Weg aus einer Schlacht heraus manövriert, und für den Moment standen sie auf seiner Seite.
„Ich habe mich in Euch getäuscht.“, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken.
Godfrey blickte sich um und sah, wie der Silesische General neben ihm ritt und ihn bewundernd ansah.
„Ich muss zugeben, dass ich an Euch gezweifelt habe, Mylord“, fuhr er fort. „Ich muss mich dafür entschuldigen. Mir wäre nie im Traum eingefallen, welchen Plan Ihr Euch zurechtgelegt hattet. Einfach genial. Ich werde nie wieder an Euch zweifeln.“
Godfrey lächelte ihn an und fühlte sich bestätigt. All diese Generäle, diese Krieger, hatten sein ganzes Leben lang Zweifel an ihm gehabt. Am Hof seines Vaters, ein Hof von Kriegern, hatte man mit Verachtung auf ihn herabgesehen. Doch nun mussten sie endlich zugeben, dass er auf seine eigene Art und Weise genauso fähig war wie sie.
„Keine Sorge“, sagte Godfrey. „Ich stelle mich immer wieder selbst in Frage, denn ich lerne mit jedem Schritt. Ich bin kein Kommandant, und ich habe auch keinen anderen Plan, als zu überleben, wie auch immer das möglich sein sollte.“
„Wohin jetzt?“, fragte der General.
„Wir werden uns Kendrick, Erec und den anderen anschließen.“
Sie ritten, tausenden von ihnen, eine seltsame und unbehagliche Allianz zwischen den Männern des Empire und denen des Rings. Sie ritten über die Hügel, entlang staubiger Ebenen, auf das Tal zu, in dem sie Kendrick treffen sollten.
Während sie ritten, schossen Godfrey unzählige Gedanken durch den Kopf. Wie es Kendrick und Erec bisher ergangen war; wie sehr sie in der Unterzahl waren; und wie es ihm in der nächsten Schlacht ergehen würde, einer echten Schlacht. Diese würde er nicht vermeiden können. Er hatte keine Asse mehr im Ärmel und kein Gold mehr in seinen Satteltaschen.
Er schluckte nervös. Er hatte das Gefühl, dass er bei weitem nicht soviel Mut besaß wie die anderen, die damit geboren zu sein schienen. Jeder andere kam ihm so furchtlos in der Schlacht vor – und selbst im normalen Leben. Doch Godfrey musste zugeben, dass er Angst hatte. Doch wenn es darauf ankam, mitten in der Schlacht, wusste er, dass er sich nicht vor der Verantwortung drücken konnte. Doch er war ungeschickt und schwerfällig; er hatte nicht die Fähigkeiten, die die anderen besaßen, und er wusste nicht wie oft er schlichtweg durch die Götter des Glücks gerettet worden war.
Die anderen schienen es egal zu sein, ob sie nun lebten oder starben – sie schienen alle bereit, ihre Leben für den Ruhm zu geben. Godfrey schätze den Ruhm. Doch er liebte das Leben mehr. Er liebte sein Bier und gutes Essen. Und selbst in diesem Augenblick knurrte sein Magen und er fühlte den Drang sich irgendwo in der Sicherheit einer Taverne zu verkriechen. Das Leben eines Kriegers war einfach nichts für ihn.
Doch Godfrey dachte an Thor, der irgendwo da draußen gefangen war; er dachte an alle seine Freunde, die für die Freiheit kämpften, und er wusste, dass seine Ehre, so befleckt sie auch sein mochte, ihm gebot hier zu sein.
Sie ritten immer weiter und schließlich kamen sie auf einen Hügel und hatten von dort einen großartigen Überblick über das Tal, das sich unter ihnen ausbreitete. Sie blieben stehen und Godfrey blinzelte in die gleißend helle Sonne, und versuchte zu verstehen, was er sah. Er hob eine Hand über die Augen und war verwirrt.
Dann wurde es ihm, sehr zu seinem Schrecken, klar. Sein Herz setzte einen Augenblick lang aus: tausende von Männern des Rings wurden dort unten in Fesseln davongezerrt – Kendricks Männer waren Gefangene. Das waren seine Männer. Sie waren vollständig eingekesselt von gut zehnmal so vielen Empirekriegern. Sie waren zu Fuß, mit gefesselten Händen, und wurden abgeführt. Godfrey wusste, dass Kendrick und Erec niemals kapitulieren würden, es sei denn sie hatten einen guten Grund dafür. Es sah aus, als wären sie in eine Falle gelaufen.
Godfrey wurde von Panik erfasst. Er fragte sich wie das passieren konnte. Er hatte erwartet, sie in einer hitzigen aber halbwegs ausgeglichenen Schlacht anzutreffen und sich ihnen mit frischen Männern anzuschließen. Doch stattdessen verschwanden sie in Richtung des Horizonts und waren schon fast einen halben Tagesritt entfernt.
Der Kommandant von Godfreys Empirekriegern ritt neben ihn und sah ihn spöttisch an.
„Scheint als ob deine Männer verloren haben“, sagte er. „Das war nicht Teil unseres Handels.“
Godfrey sah ihn an und bemerkte wie besorgt der Kommandant zu sein schien.
„Ich habe dich gut bezahlt“, sagte Godfrey. Er war nervös und fürchtete, dass sein Handel dabei war, sich in Rauch aufzulösen, doch er versuchte so selbstbewusst wie möglich zu klingen und sich nichts anmerken zu lassen. „Und du hast geschworen, dich mir anzuschließen.“
Doch der Kommandant schüttelte den Kopf.
„Ich habe dir versprochen, mit dir in die Schlacht zu ziehen – nicht in eine Selbstmordmission. Meine paar Tausend Männer werden nicht gegen ein ganzes Bataillon von Andronicus‘ Männern ziehen. Die Rahmenbedingungen für unseren Handel haben sich geändert. Du kannst sie alleine bekämpfen – und ich behalte das Gold.“
Er wandte sich um, schrie, gab seinem Pferd die Sporen und ritt in die andere Richtung davon. Seine Männer folgten seinem Beispiel. Bald verschwanden sie auf der anderen Seite des Tals.
„Er hat unser Gold!“, rief Akorth. „Sollen wir ihn verfolgen?“
Godfrey schüttelte den Kopf und sah zu, wie er davonritt.
„Und was soll uns das bringen? Gold ist Gold. Ich werde nicht ein Leben dafür aufs Spiel setzen. Lass ihn gehen. Wo dieses Gold herkam, ist noch viel mehr.“
Godfrey wandte sich ab und sah wieder zum Horizont und der Gruppe von Kendricks und Erecs Männern hinterher, die langsam dort verschwanden. Nun war seine Verstärkung fort, und er war sogar noch isolierter als zuvor. Seine Pläne brachen wie ein Kartenhaus um ihn herum zusammen.
„Und was nun?“, fragte Fulton.
Godfrey zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung“, sagte er.
„So etwas solltest du nicht sagen“, sagte Fulton. „Du bist jetzt schließlich ein Anführer.“
Doch Godfrey zuckte wieder mit den Schultern. „Ich sage nur die Wahrheit.“
„Das Kriegshandwerk ist wirklich hart.“, sagte Akorth, kratzte seinen Bauch und nahm seinen Helm ab. „Es scheint sich nicht so zu entwickeln, wie du es erwartet hast, nicht wahr?“
Godfrey saß auf seinem Pferd und schüttelte den Kopf. Er überlegte, was er tun konnte. Das Schicksal hatte ihm Karten ausgeteilt, mit denen er nicht gerechnet hatte, und er hatte keinen Plan B.
„Sollen wir umkehren?“, fragte Fulton.
„Nein“, hörte Godfrey sich selbst sagen und war überrascht.
Die anderen sahen ihn schockiert an und kamen näher um ihm zuzuhören.
„Ich bin vielleicht kein großer Krieger.“, sagte Godfrey. „Doch das da draußen sind meine Brüder. Sie werden verschleppt. Wir können nicht umkehren. Selbst wenn es unseren Tod bedeuten sollte.“
„Seid Ihr wahnsinnig geworden?“, fragte der Silesische General. „Diese Krieger, Silver, MacGils, Silesier sind alle feine Krieger – jeder von ihnen, und selbst alle zusammen könnten niemals gegen die Männer des Empire dort unten bestehen. Wie stellt Ihr Euch vor, dass unsere paar Tausend Mann unter Eurem Kommando das anstellen sollen?“
„Ich habe nie gesagt, dass wir gewinnen würden.“, gab er zurück. „Ich sage nur, dass es das Richtige ist. Ich will sie nicht aufgeben. Wenn du nun umkehren und nach Hause reiten willst, bitte. Doch ich werde sie angreifen.“
„Ihr seid ein unerfahrener Anführer“, sagte er mit grimmigem Blick. „Ihr wisst nicht, wovon Ihr sprecht Mylord. Ihr werdet diese Männer in den sicheren Tod führen.“
„Das bin ich“, sagte er. „Das ist wahr. Doch du hast versprochen, nie wieder an mir zu zweifeln. Und ich werde nicht umkehren.“
Godfrey ritt ein paar Meter eine Anhöhe hinauf, damit ihn alle Männer sehen konnten.
„Männer!“, rief er mit polternder Stimme. „Ich weiß, dass ihr mich nicht als einen erfahrenen Anführer wie Kendrick, Erec oder Srog betrachtet. Und es ist wahr. Ich habe nicht ihre Fähigkeiten. Doch ich habe Herz. So wie ihr. Was ich weiß ist, dass das da draußen unsere Brüder sind, die gefangen genommen wurden. Und ich selbst wäre lieber tot als zu leben und mitansehen zu müssen, wie sie vor meinen Augen verschleppt werden und in als geprügelter Hund in unsere Städte zurückzukehren und abzuwarten, bis das Empire kommt, um ums abzuschlachten. Ihr könnt euch sicher sein: Sie werden uns eines Tages töten. Wir können jetzt stehenden Fußes dort hinunter gehen, kämpfen und den Feind als freie Männer verfolgen. Oder wir können in Schande ehrlos untergehen. Die Wahl liegt bei Euch. Reitet mit mir. Vielleicht werdet ihr leben, vielleicht werdet ihr sterben. Doch ihr werdet in Ehre reiten!“
Die Männer jubelten ihm zustimmend entgegen. So enthusiastisch, dass es Godfrey überraschte. Sie hoben ihre Schwerter hoch in die Luft, und ihr Einverständnis machte ihm Mut.
Es ließ Godfrey auch erkennen was das, was er tat, wirklich bedeutete. Er hatte nicht wirklich über seine Worte nachgedacht, bevor er sie aussprach. Der Überschwang des Augenblicks hatte ihn einfach mitgerissen. Nun erkannte er, dass er auch entsprechend handeln musste, und er war ein wenig erschrocken über das, was er zuvor gesagt hatte. Sein eigener Mut machte ihm Angst.
Als die Männer auf ihren Pferden ihre Waffen bereit machten, um sich auf den letzten Angriff vorzubereiten, kamen Akorth und Fulton zu ihm.
„Getränk gefällig?“, fragte Akorth.
Godfrey sah, wie Akorth nach einem Weinschlauch griff und riss ihn ihm aus der Hand; er warf den Kopf in den Nacken und trank und trank, bis er fast den ganzen Weinschlauch geleert hatte. Schließlich wischte sich Godfrey den Mund ab und gab den Schlauch zurück.
Was habe ich getan? Fragte er sich. Er war im Begriff seine Männer in eine Schlacht zu führen, die er nicht gewinnen konnte. War er noch ganz bei Trost?
„Ich dachte nicht, dass du das Zeug dazu hast.“, sagte Akorth, klopfte ihm grob auf den Rücken. Godfrey rülpste.
„Was für eine Ansprache, besser als Theater!“, sagte Fulton. „Wir hätten Eintritt verlangen sollen.“
„Irgendwie liegst du nicht ganz falsch…“, sagte Akorth, „Besser kämpfend untergehend als feige auf den Tod zu warten.“
„Wobei man das natürlich auch in Bett in einem Freudenhaus tun kann“, fügte er hinzu.
„Hört hört!“, sagte Fulton. „Oder wie wäre es mit einem Krug Bier in der Hand!“
„Das wäre fein.“, sagte Akorth und nahm einen Schluck.
„Doch nach einer Weile würde es sicher langweilig werden“, sagte Fulton. „Wie viele Krüge Bier kann ein Mann schon trinken, und mit wie vielen Frauen schlafen?“
„Nun, eine ganze Menge, wenn ich es recht bedenke.“, sagte Akorth.
„Wobei es auch Spaß machen könnte, auf andere Art und Weise zu sterben. Nicht so langweilig.“
Akorth seufzte.
„Also wenn wir das hier irgendwie überleben sollten, würde es uns einen Grund geben, uns so richtig zu betrinken. Diese eine Mal hätten wir es wirklich verdient!“
Godfrey wandte sich ab und versuchte Akorths und Fultons Geschnatter auszublenden. Er musste sich konzentrieren. Es war an der Zeit, dass er zum Mann wurde und die geistreichen Scherze und Trinkwitze hinter sich lassen; echte Entscheidungen treffen, die echte Männer in der wirklichen Welt betrafen. Er spürte die Schwere der Entscheidung auf seinen Schultern. Er kam nicht umhin sich zu fragen, ob sein Vater sich auch so gefühlt hatte. So sehr er ihn auch gehasst hatte, fühlte er nun eine seltsame Verbundenheit mit seinem Vater. Wurde er etwa genauso wie er?
Er vergaß die Gefahren vor sich und eine Welle von Selbstvertrauen stieg in ihm auf. Er gab seinem Pferd die Sporen, schrie, und stürmte ins Tal hinunter.
Hinter ihm erhoben sich sogleich die Schlachtrufe seiner Männer und das Klappern der Hufe füllte die Luft.
Godfrey war schwindelig. Seine Haare wehten im Wind, der Wein war ihm zu Kopf gestiegen und er stürmte dem sicheren Tod entgegen und fragte sich, worauf er sich da eingelassen hatte.