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2 Das französische Farbwort orange und benachbarte Bezeichnungen
Nachdem orange auch von Kristol ausgeschlossen wird, soll auf dieser Farbe der Schwerpunkt liegen, wenngleich mein Vorgehen selektiv und subjektiv bleiben muss. Viele Farbbezeichnungen entstehen erst im Neufranzösischen bzw. im Französischen der Gegenwart, weshalb mein Interesse vor allem auf diese Periode gerichtet ist, mit Ausblicken auf das Mittelfranzösische sowie auf andere Sprachen wie das Deutsche und gelegentlich das Englische.
Schlägt man im Petit Robert unter dem Lemma orange nach, so wird dort für das Farbwort kein Erstbeleg angegeben. Orangé wird hingegen auf das 16. Jh. datiert. Orange als Farbadjektiv muss also schon vorher existiert haben. Barbara Schäfer (1987:125–126) verweist auf das FEW (16. Jh.), nennt selbst aber einen Beleg von jaune orenge aus dem im 15. Jahrhundert entstandenen Blason des Couleurs. Orange ist auf jeden Fall in mittelfranzösischer Zeit als Farbbezeichnung aufgekommen. Der Name der Frucht ist im Französischen nach PR seit 1515 belegt; cf. Heller (32006:259): „Vor der Orange gab es kein Orange. In allen Sprachen ist der Name der Farbe identisch mit dem Namen der Frucht.“ Ein wirklicher Unterschied zwischen orange und orangé wird aus den Wörterbucheinträgen nicht erkennbar. Als weitere Synonyme werden abricot und tango genannt. Für tango, das nach PR erstmals 1914 auftritt, findet sich die Erklärung „Couleur mise à la mode lors de la vogue du tango. Orange très vif, orange foncé“. Eine Entsprechung im Deutschen sehe ich in diesem Fall nicht. Der Farbtyp Orange wird also im Französischen noch weiter differenziert. Bei allen weiteren Farbbezeichnungen handelt es sich jedoch nicht mehr um Basic Color Terms (BCT), sondern um Hyponyme bzw. Kohyponyme der Farbbezeichnung orange, d.h. um sogenannte Secondary Color Terms, oder um farbliche Nachbarbereiche, die den BCTs orange, rosa oder violett zugeordnet werden können.
Für abricot findet sich in PR folgende Definition: „Couleur jaune orangé très doux“, wiederum ohne Zeitangabe für den Erstbeleg. Die Frucht selbst wurde erstmals 1512 im Französischen bezeichnet, als Übernahme aus dem Katalanischen, das dieses Wort aus dem Arabischen entlehnt hat. Im Deutschen wird diese Farbbezeichnung aus dem Französischen oder zuweilen dem Englischen übernommen, wobei letzteres dieses Wort wiederum aus dem Französischen bezogen hat.
Auch das Farbadjektiv mandarine wird im PR als „De couleur orange“ definiert, ebenso im TLF, der als Erstbeleg das Jahr 1902 angibt. Die Abgrenzung zwischen den einzelnen Farbnuancen wird aus der Definition in den Wörterbüchern und vielleicht auch in der Realität nicht immer klar. So wird z.B. parme im PR als „Mauve comme la violette de Parme“ beschrieben, so dass die Abgrenzung zu mauve nicht eindeutig ist bzw. eine Zirkeldefinition vorliegt.
Im weiteren Sinne könnte man auch cognac sowie ocre und ocré zu den Orangetönen zählen. Ersteres wird in PR als „De la couleur orangée du cognac“ ausgewiesen, wieder ohne Erstbeleg (das Getränk selbst tritt erstmals 1836 in Erscheinung, also handelt es sich auch hier um ein jüngeres Farbadjektiv). Ocre wird in PR als „Couleur d’un brun jaune ou orangé“ bezeichnet, beide nähern sich den Brauntönen. Roux, das vor allem in Bezug auf die Haarfarbe verwendet wird (wie auch auburn, das aus dem Englischen entlehnt wurde), nähert sich den Rottönen, ebenso wie terre cuite (als Entsprechung zu ital. terracotta). Letzteres wird nicht wirklich datiert (TLF gibt Belege von 1923 und 1938). Auch carotte wird als Farbadjektiv gern auf die Haare bezogen (Poil de carotte) und könnte als Orangeton gewertet werden (so auch in unserem Eingangsbeispiel). Der Übergang zu den Rottönen ist hier fließend, ebenso wie bei renard, das im TLF mit „D’un roux ardent“ umschrieben wird (ob es sich bei dem angegebenen Beleg von 1923 um den Erstbeleg handelt, ist unklar).
Auf der anderen Seite der Skala nähert sich Orange den Rosétönen. Während melon noch – ähnlich wie abricot – als sanftes Orange bezeichnet werden kann und mangue als Farbadjektiv im TLF als „Couleur rose-orangé“ charakterisiert wird, tendieren saumon/saumoné und corail schon stärker zum Rosé-Bereich, auch wenn saumon in PR wie folgt definiert wird: „D’un rose tendre tirant légèrement sur l’orangé“ (Erstbeleg nach TLF: 1860/1903 (saumoné)). Corail existiert laut TLF seit 1907. Flamant bzw. flamant rose (das Deutsche kennt Flamingo als aktuelle Modefarbe) dienen ebenfalls als Farbbezeichnungen aus dem Rosa-Spektrum. PR führt es nicht in dieser Funktion, TLF gibt Belege von 1944 und 1953, so dass es sich also auch hier um Neubildungen des Gegenwartsfranzösischen handelt. Daneben wäre noch pêche zu nennen, das nach TLF als „d’un rose pâle“ definiert wird und 1803 erstmals als Farbwort auftritt.
3 Die französischen Farbwörter rose und violet sowie benachbarte Bezeichnungen
Die zentralen Bezeichnungen rose und rosé finden sich als Wortform bereits im Altfranzösischen, bleiben aber teilweise in ihrer Bedeutung unklar (cf. Schäfer 1987:59). PR datiert rose auf das 15. Jahrhundert: „Qui est d’un rouge très pâle, comme la rose“ (Rosen gab es damals offenbar nur in dieser Farbe).
Ein kräftiger bzw. dunkler Rosa-Ton wird im Deutschen heute häufig mit Pink benannt, das aus dem Englischen übernommen wurde. Das Französische kennt dieses Wort kaum, vielleicht weil man Anglizismen im Französischen häufig ablehnend gegenübersteht. Am ehesten entspricht wohl rose bonbon diesem Farbton (im PR ohne Datierung), vielleicht ist auch fuchsia (cf. Mollard-Desfour 2002, s.v.) als französische Entsprechung zu pink geeignet, wird im PR aber nicht als Farbwort ausgewiesen. Des Weiteren käme noch cyclamen in Frage, das aber bereits einen Übergang zur Violettskala bedeutet. PR: „couleur mauve propre à cette fleur“ (ohne Datierung). Hinzu kommen in den letzten Jahren Beerentöne, die ebenfalls zwischen dem ROSA- und dem VIOLETT-Bereich liegen. So verwendet die Firma Deerberg die englische Bezeichnung cranberry für einen Rosarotton. Bei Land’s End wird das französische baie gebraucht (im PR nicht als Farbe angegeben).
Was die Violett-Töne angeht, so kennt das Altfranzösische hier bestenfalls po(u)rpre, das einem Rotlila nahekommt, und violete (cf. Schäfer 1987:94) (heutiges violet wird nach PR als „mélange du bleu et du rouge“ definiert), die „sich aber dennoch weder durch Anwendungsbreite noch durch hohe Belegzahlen als Repräsentanten eines eigenen Grundfarbbereichs qualifizieren“ (Schäfer 1987:119). Auch hier nimmt die Ausdrucksvielfalt in der Entwicklung zum Neufranzösischen erheblich zu. Der Eintrag violet im PR verweist auf Synonyme wie violacé, lilas, mauve, parme sowie neben dem immer noch existenten pourpre auch violine („De couleur violet pourpre“), des Weiteren auf aubergine, lie-de-vin und prune, letztere in der Bedeutung „violet foncé“. Lilas wurde über dasSpanische und Portugiesische aus dem arabisch-persischen Sprachbereich entlehnt und ist erstmals um 1600 belegt, violine datiert aus dem Jahr 1872, mauve als Farbbezeichnung aus dem Jahr 1875, parme ist erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts belegt. Für lie-de-vin als Farbadjektiv ist im PR kein Erstbeleg angegeben (TLF: 1797 bzw. 1804), ebensowenig wie für aubergine. Dieses ist von der gleichnamigen Frucht abgeleitet, die 1750 erstmals im Französischen auftaucht, d.h. das Farbadjektiv wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit erst danach gebildet. TLF nennt hier den Erstbeleg 1866. Violacé (PR: „Qui tire sur le violet“) findet sich erstmals 1777. Mûre und cassis gelten im PR nicht als Farbbezeichnungen. Prune ist als Farbe laut PR seit 1780 belegt. Hinzu käme lavande, das im PR in der Farbwortfunktion nur als „Bleu lavande, bleu mauve assez clair“ aufscheint, also offensichtlich der Blauskala zugerechnet wird, während mauve wohl eher zum Violett-Spektrum gehört (PR: „D’une couleur violet pâle“, seit 1892).
4 Zwischenfazit
Fassen wir zusammen: Die Farbtypen ORANGE, ROSA und VIOLETT spezialisieren sich im Lauf der französischen Sprachgeschichte immer mehr.1 Ihrerseits bereits Mischfarben (Sekundärfarben), dienen sie zusammen mit anderen Farben als Grundlage für weitere Nuancierungen. Wie schon erwähnt, finden im Bereich der Farbbezeichnungen häufig Entlehnungsprozesse statt. In diesem Fall hat das Französische oft die Rolle der Gebersprache. Im Deutschen finden wir u.a. rosé, violett, mauve, beige (cf. zu letzterem Müller 2017) und natürlich orange und cognac, ebenso das seit einigen Jahren als Modefarbe gern verwendete taupe, ein Grau-Braun-Ton, und bleu als ,mot aller et retour‘, während nude als Modefarbe der letzten Jahre, die für einen sehr blassen Roséton steht und im Deutschen auch mit hautfarben wiedergegeben werden könnte, aus dem Englischen entlehnt wurde. Französisch war lange Zeit die führende Sprache auf dem Gebiet der Mode, wird heute aber zum Teil durch das Englische abgelöst.
5 Aktuelle Tendenzen der Farbbezeichnungen im Französischen und Deutschen
Bei den neueren Farbbezeichnungen im Französischen fällt auf, dass es sich in zahlreichen Fällen um unveränderliche Adjektive handelt. Sie schwächen die Kategorie ‚Genus‘ nicht nur im gesprochenen, sondern auch im geschriebenen Französisch und verstärken damit die Tendenz zur Prädetermination. In der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle sind sie von Substantiven durch Konversion abgeleitet und entsprechen so einem verbreiteten Wortbildungstrend des modernen Französischen. Außerdem erhöhen sie die semantische Differenzierung im Lexikon bzw. die Polysemie. Eine Besonderheit im Französischen bilden Dubletten wie rose/rosé, orange/orangé, ocre/ocré und saumon/saumoné.
Als Quelle für diesen lexikalischen Reichtum des modernen Französisch dienen in erster Linie Blumen bzw. Pflanzen im allgemeinen, (exotische) Früchte und Gemüsesorten, die in ihrer Farbgebung auffällig bzw. neu sind, daneben auch einzelne Vertreter aus dem Tierreich (flamant (rose), saumon, renard). Seltener sind Tanz- (tango) oder Städtebezeichnungen (parme) die Grundlage.
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Brauchen wir solch differenzierte Farbsysteme? Warum reichen die Grundfarben und nicht einmal die Sekundärfarben mehr aus?
Zunächst denkt man in diesem Kontext sicher an den Bereich der Mode: Modefarben wechseln fast jede Saison, so dass hier spezifische und immer wieder neue Bezeichnungen geradezu notwendig erscheinen (auch Autofarben wären ein lohnendes Untersuchungsgebiet). Ähnliches gilt für die Bereiche Dekoration und Einrichtung, die ebenfalls einer gewissen Mode unterworfen sind.1 Ich habe daher einige Zeitschriften zu diesen Feldern auf das Vorkommen von Farbbezeichnungen hin analysiert – mit teils überraschenden Ergebnissen.
Ich beginne mit einer Textstelle aus Brigitte Nr. 13 (8.6.2016). Dort heißt es S. 82:
Die frischen Beauty-Farben für diesen Sommer machen gute Laune und Lust auf Obst! Erdbeer, Orange oder Melone für den Mund, Drachenfrucht-Pink oder Aprikose auf den Wangen.
Auch im Bereich ‚Kosmetik‘ benötigen wir also eine stark differenzierte Farbskala. Was hier für das Deutsche illustriert wird, lässt sich zumindest teilweise auf das Französische übertragen, wenngleich melon als Farbbezeichnung im PR nicht ausgewiesen ist und es sich bei Drachenfrucht-Pink wohl nur um eine Augenblicksbildung handelt. Dennoch verdeutlicht letzteres den Entstehungsprozess zahlreicher Farbbezeichnungen. Eine bisher weitgehend unbekannte Frucht liefert die Grundlage für einen neuen Farbton, der auch nach ihr benannt wird, cf. papaye, nectarine etc., die ebenfalls den ORANGE-Bereich ausweiten. Fraise ist (ebenso wie framboise) im Französischen eher ein Rotton, während er im Deutschen wohl dem Rosa-Spektrum zuzurechnen ist.
Die Analyse von marie claire idées no 116 (septembre-octobre 2016) – eine an ein weibliches Publikum gerichtete Zeitschrift aus dem Kreativbereich – hat die Rosa-Skala um folgende Töne erweitert: rose poudré, rose sable und vieux rose (S. 127), ebenfalls eine häufige Wortbildungsmöglichkeit im französischen Farbwortschatz, wobei das Farbadjektiv durch ein weiteres Adjektiv oder ein Substantiv näher determiniert wird. Auch das Deutsche kennt derartige Determinativkomposita (Puderrosa, Altrosa). Sogar der aus dem Englischen entlehnte Farbton nude findet sich in einer Farbpalette von Dior.
Ein besonders treffendes Beispiel für die fantasievolle Benennung von Farben zeigt folgende Textpassage aus marie claire idées no 116 (septembre-octobre 2016, S. 38), bei der es darum geht, ein Skateboard mit Sprühfarben zu gestalten:
Bombes de peinture coloris discret, chrome cuivré, argenté glitter, moberry, bleu polaire, fluoro pink, potion.
Fröhlich werden hier Anglizismen und originär französische Bestandteile gemixt. Auch über diesen Weg können Anglizismen relativ unbemerkt ins Französische gelangen. Die Skala der hier ins Auge gefassten Farben erweitert sich stetig, wobei davon auszugehen ist, dass viele dieser Farbnuancen bzw. ihre Bezeichnungen dem einzelnen Sprecher wohl kaum bekannt sind, auch wenn wir im Normalfall nach Kronberger (2017) ca. 100 000 Farbtöne unterscheiden können.
Cf. zu dieser Thematik auch den Kommentar von Klaus Schamberger, einem bekannten Nürnberger Kolumnisten, in einem Artikel der Nürnberger Zeitung vom 10. Oktober 2016, S. 10:
Jetzt drängt es mich aber noch zur löblichen Erwähnung eines sehr schönen Möbelhauses, dessen Prospektdichter einen Kleiderschrank in Form einer nahezu nobelpreisverdächtigen Sensationsmeldung anbietet. „Der Kleiderschrank […] bietet durch endlose Kombinationsmöglichkeiten jede Menge Stauraum.“ […] Noch dazu in folgenden scheint’s extra für mich erfundenen Farben: in Macchiato, Vulcan, Lava, Pacific blue, Lilac grey, und obacht! in Wildeiche. Bei der Wildeiche erheben sich in mir allerdings zwei Fragen […]: 1. Warum heißt die Farbe nicht Wild Oak, und 2. Gibt es neben der Wildeiche auch eine Zahmeiche?
Die Entwicklung von Farben bzw. ihren Bezeichnungen steht zweifelsohne stark mit kulturellen und gesellschaftlichen Tendenzen in Verbindung (cf. in diesem Sinne ebenso Pastoureau 2013), auch wenn diese im Einzelfall noch näheruntersucht werden müssten. So ist auffällig, dass heute, wo Kochshows eine große Rolle spielen, viele Farbtöne nach Gewürzen benannt werden. Im Katalog der Textilfirma Landsʼ End finden sich z.B. Dunkel Ingwer (für ein dunkles Orange), Vintage Zimt (braunorange), Dunkel Koriander (heller Braunton), Dunkel Gewürz Braun (dunkelbraun) sowie Orangenzeste für ein dunkles Orange (burnt orange). Die deutsche Vogue (4/2016) präsentiert auf S. 68 ein À la carte Modemenü unter dem Motto „von Safran bis Zimt“ (beide fungieren auch im Französischen als Farbwörter). InStyle (April 2017, S. 36) propagiert Curry als aktuelle Modefarbe.
Noch deutlicher werden diese Zusammenhänge im Eintrag für die Farbe Orange auf der Website der Einrichtungszeitschrift Schöner Wohnen:
Orange ist eine Modefarbe. Das erkennt man schon daran, dass die Farbpsychologie vor ein paar Jahren feststellte, von Orange sei niemand sonderlich angetan, Frauen nur wenig, Männer gar nicht. Wie oft sieht man Orange heute! Seit der „orangenen Revolution“ in der Ukraine im Winter 2004/05, seit sich politische Parteien, große Firmen und Fernsehsender eine Corporate Identity in Orange zulegen, boomt die Farbe und demonstriert, wie schnell die Stimmungen wechseln können. Mit Orange zeigen sich die Bereitschaft zum Verändern und die Lust zum Trend. (Schöner Wohnen Farbe, online: s.v. Orange)
Trend ist als Wohnfarbe laut Schöner Wohnen Farbe aktuell u.a. Sahara, das sehr poetisch beschrieben wird:
Dieses Goldorange ist wie ein Spüren von Geräuschen, ein Horchen in die Natur, ein Nachfühlen über frohe Gedanken; „Sahara“ hat eine intensive Gefühlslage. Wer sein Zuhause zum Erlebnis machen möchte, das die Atmosphäre durchweht, das Freude macht, das die Wärme schenkt, liegt mit „Sahara“ goldrichtig. (Schöner Wohnen Farbe, online: s.v. Sahara)
Farben vermitteln Emotionen, wie uns diese Passage deutlich vor Augen führt. Sie wirken auf uns, oft ohne dass wir uns dieser Wirkung bewusst sind. Dieses Potential lässt sich u.a. für die Behandlung von Krankheiten nutzen (cf. u.a. Riedel 51986; Eberhard 81990). So können z.B. Orange- und Pinktöne bei der Behandlung von Depressionen unterstützend eingesetzt werden.
6 Fazit
Im Hinblick auf die hier behandelte Thematik stellt sich eine grundsätzliche Frage: Was passiert, nachdem Sprachen das von Berlin und Kay angenommene Stadium VII erreicht haben? Ergibt sich damit auch eine lineare Proliferation der Secondary Color Terms oder entwickeln sich solche Farbbezeichnungen unter Umständen auch wieder zurück?
Einige Modezeitschriften, die ich analysiert habe, legen diese Deutung nahe. In Modestrecken werden Farbtöne oft überhaupt nicht mehr benannt, man überlässt es dem Leser, die jeweiligen Farben zu identifizieren, was natürlich auch durch die hochentwickelte Drucktechnik ermöglicht wird, die es erlaubt, auch kleinste Farbnuancen wiederzugeben. So kommt auf ca. 80 Seiten Mode in marie claire 2 (automne-hiver 2014/2015) keine einzige Farbbezeichnung vor, mit Ausnahme der Bezeichnung off-white, die hier aber als Firmenname fungiert. Wieweit dies markenrechtlichen Gründen geschuldet ist, wäre zu überprüfen. Auffällig ist zudem, dass viele Autohersteller ihre Farbskala deutlich reduziert haben und oft nur noch Schwarz, Weiß, Silber und Blau zur Verfügung stehen. Cf. zur Farbe Blau in diesem Kontext u.a. Braem (102012:II): „Die neue Gefühls- und Bewußtseinsmatrix der globalen, mobilen Gesellschaft heißt offensichtlich Blau.“
Orange, nach Braem (102012:III) „von Natur aus der lebhafte, quirlende Gegenpol zum eher ruhigen Blau“ hat damit aber noch nicht ausgedient, denn: „Beide Farben scheinen sich gegenseitig zu bedingen“ (Braem 102012:III). Sie bilden einen sogenannten Komplementärkontrast. Orange hat keinen universellen Farbfocus (cf. dazu Müller 2017), kann aber – wie jede Farbe – individuelle Assoziationen hervorrufen (ibid.). Wie alle Farben vereint auch Orange gegensätzliche Bedeutungen in sich: von Aggressivität bis Aktivität (zu Orange in der Werbung siehe auch Müller 2017). Und: „Wer ein Kinderzimmer so streicht, wird auch fröhliche Kinder haben, heißt es.“1 Die Trendhaarfarbe für 2017 ist übrigens blorange, sprachlich wie farblich eine Mischform aus blond und orange (cf. u.a. Nivea, online).
Literatur
Sekundärliteratur
Berlin, Brent/Kay, Paul (1969): Basic Color Terms. Their Universality and Evolution. Berkeley/Los Angeles: University of California Press.
Braem, Harald (102012): Die Macht der Farben. Bedeutung & Symbolik. Wien: Amalthea Signum [München: Langen-Müller/Herbig 11985].
Eberhard, Lilli (81990): Heilkräfte der Farben. Farben als Heilmittel. Anwendung in der Praxis. Ergolding: Drei Eichen [11974].
Glanemann, Claudia (2003): Farbe zwischen Universalismus und Relativismus. Gebrauch und Bedeutung der Farbbezeichnungen im heutigen Französischen, mit Berücksichtigung des Italienischen und Deutschen. Münster (Westfalen): Universität Münster [Dissertation].
Heller, Eva (32006): Wie Farben wirken. Farbpsychologie, Farbsymbolik, kreative Farbgestaltung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt [11989].
Ilea, Martina (2017): Die PURPLE-Kategorie der Basic Color Terms im Französischen. München: Universität München [Zulassungsarbeit].
Kay, Paul/McDaniel, Chad K. (1978): „The Linguistic Significance of the Meanings of Basic Color Terms“, in: Language 54, 610–646.
Kristol, Andres M. (1978): Color. Les langues romanes devant le phénomène de la couleur. Bern: Francke.
Küppers, Harald (22012): Farbenlehre. Ein Schnellkurs. Köln: DuMont [12005].
MacLaury, Robert E. (2001): „Color terms“, in: Haspelmath, Martin/König, Ekkehard/ Oesterreicher, Wulf/Raible, Wolfgang (Hrsg.): Language Typology and Language Universals. An International Handbook. Vol. 2. Berlin/New York: de Gruyter (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, 20.2), 1227–1251.
Mollard-Desfour, Annie (2002): Le rose. Préface de Bernard Cerquiglini. Paris: CNRS (= Le dictionnaire des mots et expressions de couleur du XXe siécle).
Pastoureau, Michel (2013): Blau. Die Geschichte einer Farbe. Aus dem Französischen von Antoinette Gittinger. Berlin: Wagenbach.
Riedel, Ingrid (51986): Farben. In Religion, Gesellschaft, Kunst und Psychotherapie. Stuttgart/Berlin: Kreuz [11983].
Schäfer, Barbara (1987): Die Semantik der Farbadjektive im Altfranzösischen. Tübingen: Narr (= Tübinger Beiträge zur Linguistik, 311).
Zollinger, Heinrich (1999): Color. A Multidisciplinary Approach. Zürich: Helvetica Chimica Acta.
Wörterbücher
PR = Robert, Paul (2017): Le Petit Robert, Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française. Texte remanié et amplifié sous la direction de Josette Rey-Debove et Alain Rey. Paris: Le Robert.
TLF = Centre National de la Recherche Scientifique (1971–1994): Trésor de la langue française. Dictionnaire de la langue du XIXe et du XXe siècle (1789–1960). Publié sous la direction de Paul Imbs. 16 tomes. Paris: Éditions du Centre National de la Recherche Scientifique.
Zeitschriften
Brigitte Nr. 13 (08.06.2016).
Brigitte Nr. 20 (14.09.2016).
marie claire 2 (hors-série) automne-hiver 2014/2015.
marie claire no 769 (septembre 2016).
marie claire idées no 116 (septembre-octobre 2016).
Vogue 4/2016.
InStyle April 2017.
WOHNEN Träume 2/2016.
Zeitungsartikel
Nürnberger Zeitung, 3. November 2012.
Nürnberger Zeitung, 27./28. April 2013, Magazin am Wochenende, S. 1, Martina Hildebrand: „Jetzt wirdʼs bunt“.
Nürnberger Zeitung, 17./18. September 2016.
Nürnberger Zeitung, 10. Oktober 2016, S. 10, Klaus Schamberger: „Verloren im Dickicht der Warenwelt“.
Kataloge
Landsʼ End Oktober 2016.
Deerberg Frühjahr/Sommer 2017.
Internet
Schöner Wohnen Farbe. Hamburg: Gruner + Jahr [online: www.schoener-wohnen-farbe.com; letzter Zugriff am 16.11.2017].
Nivea. „Trendhaarfarbe 2017: Was ist blorange?“. Hamburg: Nivea (Beiersdorf) [online: http://www.nivea.de; letzter Zugriff am 16.11.2017].
Vorträge
Kronberger, Markus (2017): „Zwischen den Farben … von Farbtheorien und sinnlicher Farbharmonie“. 22. März 2017. Nürnberg, Kunstvilla.
Müller, Jakob (2017): „Die Farben und das Unbewusste“. Eine Einführung in die Psychologie der Farben. 28.01.2017. Nürnberg, Nürnberger Laienforum für Psychoanalyse.