Читать книгу: «Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne», страница 9
(ii) Verfassungsrechtliche Grenzen der Übertragbarkeit der Regelungskompetenz
Eine Grenze der Übertragungskompetenz bilden auf nationaler Ebene Art. 23 Abs. 1 S. 2 und S. 3 GG. Eine Kompetenzbegründung seitens der Union ist ausgeschlossen, wenn der unantastbare Kerngehalt des Art. 79 Abs. 3 GG, insbesondere die Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG, betroffen ist. Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit sind als elementare Garantie Teil der Menschenwürde. Über Art. 19 Abs. 3 GG können sich auch die Religionsgemeinschaften unmittelbar hierauf berufen. Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit hat ihrerseits einen „Menschenwürdekern“391, der weit über den „normalen“ Menschenwürdegehalt anderer Grundrechte hinausgeht.392 Teilweise wird eingewandt, dass sich der Menschenwürdegehalt von Art. 4 Abs. 1, 2 GG auf den kultischen Bereich beschränke, sodass lediglich hinsichtlich dieser Komponente auch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG unterfalle.393
Das BVerfG benennt in seinem Urteil zum Vertrag von Lissabon fünf Bereiche, deren Übertragung auf die Union mit dem grundgesetzlich garantierten Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) unvereinbar ist.394 Diese seien besonders sensibel für die Verfassungsidentität.395 Unter anderem gehören hierzu Fragen der kulturellen Identität – explizit benennt das BVerfG in diesem Zusammenhang den Status von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.396 Diese Bereiche seien dem eigenen Kulturraum inhärent.397 Auch weite Teile der Literatur vertreten die Ansicht, dass das Religionsverfassungsrecht der Mitgliedstaaten der Verfassungsidentität zuzuordnen ist.398 Insofern gebiete schon Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV diesen Bereich auf Ebene der Mitgliedstaaten zu belassen.399 Im Ergebnis besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der EU die Regelungskompetenz für ein umfassendes EU-Religionsverfassungsrecht fehlt.400
Eine mittelbare Beeinflussung des Religionsverfassungsrechts geht insbesondere von aufgrund von Art. 153 Abs. 1 AEUV erlassenen Rechtakten aus, so beispielsweise im Bereich des Antidiskriminierungsrechts. Insofern kann sich die Union hiervon abgeleitet zu religionsverfassungsrechtlichen Fragen positionieren, ohne dass sie hierzu über eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung verfügt.401 Der unionsrechtliche Einfluss gilt zudem aufgrund des Gebots der unionsrechtskonformen Auslegung nationalen Rechts.402
b) Art. 10 GRCh – Religions- und Weltanschauungsfreiheit
Durch Art. 6 EUV wurde nach dem Scheitern einer Europäischen Verfassungsidee die GRCh in das Unionsrecht inkorporiert.403 Die Rechte, Freiheiten und Grundsätze der GRCh sind gleichranging mit den Verträgen und haben damit den Rang von Primärrecht.404 Gemäß Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh richtet sie sich an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen sowie an die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unionsrechts. Art. 10 GRCh gewährleistet sowohl die individuelle als auch die kollektive Religionsfreiheit („Doppelgrundrecht“).405 Obschon der Grundrechtskonvent nicht der Forderung nachgekommen ist, Art. 10 GRCh um ein korporatives oder Statusrecht zu ergänzen, liest die wohl herrschende Meinung eine solche institutionelle Gewährleistung in Art. 10 GrCh hinein.406 Das unionsrechtliche Verständnis des Begriffs der Religionsgemeinschaft entspricht dem des nationalen Rechts.407 Neben natürlichen Personen genießen insbesondere Kirchen und Religionsgemeinschaften den Grundrechtsschutz. Es gilt die allgemeine Schrankenklausel des Art. 52 Abs. 1 GRCh. Art. 10 GRCh weist eine große Ähnlichkeit zu Art. 9 EMRK auf. Aufgrund von Art. 52 Abs. 3 GRCh, der auf die Identität des Schutzniveaus von EMRK und EU-GRCh verweist, bestehen auch bzgl. der Schranken Parallelen.408
2. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
Die BRD hat die EMRK 1953 kurz nach deren Inkrafttreten ratifiziert.409 Sie hat den Rang einfachen Rechts.410 Nationale Gesetze sind völkerrechtsfreundlich auszulegen.411 Die Gerichte beziehen die in Rede stehenden Konventionsrechte im Rahmen der Abwägung in die Entscheidungsfindung mit ein.412 Art. 9 EMRK schützt die positive und negative Religionsfreiheit.413 Ihr Schutz ist sowohl individuell als auch institutionell. Die Religionsgemeinschaften können sich nach herrschender Meinung aus eigenem Recht auf Art. 9 EMRK berufen, nicht nur vermittelt über ihre Mitglieder.414 Der Wortlaut des Art. 9 EMRK benennt die korporative Religionsfreiheit nicht explizit. Dennoch wird einhellig anerkannt, dass sich Religionsgemeinschaften hierauf i.V.m. Art. 34 EMRK berufen können.415 Auch konventionsrechtlich ist die Autonomie der Kirchen und Religionsgemeinschaften gemäß Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 EMRK geschützt. Eine Schranke enthält Art. 9 Abs. 2 EMRK in Form eines qualifizierten Gesetzesvorbehalts. Der korporative Schutzgehalt des Art. 9 EMRK bleibt dabei nach herrschender Lehre hinter dem des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV zurück.416
3. Zwischenergebnis
Ein unionsrechtliches Religionsverfassungsrecht existiert nicht, das die nationalen Religionsverfassungsrechtsordnungen verdrängt. Das deutsche Religionsverfassungsrecht kann jedoch aufgrund der jedenfalls mittelbaren Einflussnahme seitens des Unions- und Völkerrechts nicht losgelöst hiervon betrachtet werden.
B. Teilhabe ökumenischer Einrichtungen am verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht
Neben der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2 GG) und der Trennung von Staat und Kirche (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV) ist die Anerkennung des kirchlichen Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) die „dritte Säule des Religionsverfassungsrechts“.417 Rechtsprechung418 und Literatur419 bezeichnen das Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht zusammenfassend als „Selbstbestimmungsrecht“. Es ist seit 1848 (Preußische Verfassung) Teil des Religionsverfassungsrechts420 und wird aufgrund seiner weitreichenden Bedeutung auch als dessen „lex regia“ bezeichnet.421
Die Teilhabe ökumenischer Einrichtungen am religionsverfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht ist notwendige Bedingung für eine hierauf gestützte Arbeitsrechtsgestaltung. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Gewährleistung in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV haben die verfassten Kirchen und die ihnen zugeordneten rechtlich verselbstständigten Untergliederungen unabhängig von ihrer Rechtsform teil am Selbstbestimmungsrecht.422 Unbestritten gilt dies jeweils für Einrichtungen der katholischen Kirche und der evangelischen Kirchen. Ungeklärt ist, inwieweit ökumenische Einrichtungen, d.h. Einrichtungen verschiedener Konfessionen, ebenfalls von diesem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht profitieren können. Setzen die verfassungsrechtlichen Vorgaben ökumenischen Gestaltungen Grenzen?423 Zunächst widmet sich die Darstellung Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV im Allgemeinen, um in einem nächsten Schritt Folgerungen für ökumenische Einrichtungen zu erörtern.
I. Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht – das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften
Das Selbstbestimmungsrecht ist im engen Zusammenhang mit der kollektiven Gewährleistung der Religionsfreiheit, der Freiheit zur Religionsausübung aus Art. 4 Abs. 2 GG, zu betrachten.424 Bei der Garantie der freien Ordnung und Verwaltung der „eigenen Angelegenheiten“ handelt es sich um eine rechtlich selbstständige Gewährleistung; dies meint nicht nur die Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens von Religionsgemeinschaften, sondern auch die organisatorische Freiheit, insbesondere Normsetzung und Verwaltung.425 Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften wird jedoch nicht grenzenlos gewährleistet, eine Schranke bilden die für alle geltenden Gesetze.426
1. Religionsgesellschaft (persönlicher Schutzbereich)
a) Religionsgesellschaft i.S.d. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV
Der Begriff „Religionsgesellschaft“ ist anstelle von „Religionsgemeinschaft“ (vgl. Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG) die in der WRV gebräuchliche Bezeichnung für verschiedene religiöse Institutionen. Für die Auslegung des Begriffs der Religionsgesellschaft in Art. 137 Abs. 3 WRV ist insofern das Verständnis von Art. 4 Abs. 1, 2 GG zugrunde zu legen.427 Hierunter versteht man einen Verband von Gläubigen, der durch ein gemeinsames Glaubensbekenntnis oder verwandte Glaubensbekenntnisse verbunden ist und dem die allseitige Erfüllung aller gemeinschaftlich wahrzunehmenden religiösen Aufgaben obliegt.428 Dabei muss es sich um einen auf Dauer angelegten Zusammenschluss von mindestens zwei Personen im Geltungsgebiet des GG handeln.429 Ein Mindestmaß an organisatorischer Struktur ist erforderlich. Gemeinsam wird ein grundlegender religiöser Konsens verwirklicht.430 Religion wiederum ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Weltanschauungen, die alle den Glauben an transzendente (d.h. überirdische, übernatürliche, übersinnliche) Kräfte gemein haben.431 Religionsgemeinschaften sind von religiösen Vereinen und Gesellschaften, d.h. Zusammenschlüssen, denen das Merkmal der „allseitigen Erfüllung“ fehlt, abzugrenzen.432
Das Selbstverständnis der Gemeinschaft ist für die Frage, ob es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt, ein erster Anhaltspunkt. Allein eine hierauf gestützte Behauptung kann nicht ausreichen.433 Nach Ansicht des BVerfG muss es sich darüber hinaus „(…) nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religion und Religionsgemeinschaft handeln“.434 Im Streitfall obliegt es staatlichen Gerichten, dies zu beurteilen.435
b) Gemeinsames oder verwandtes Glaubensbekenntnis
Eine Religionsgemeinschaft erfordert ein gemeinsames oder verwandtes Glaubensbekenntnis der Mitglieder. Hierfür braucht sie einen gewissen (religiösen) Konsens.436 Anhaltspunkt für den Konsens kann bei den christlichen Kirchen das Apostolische Glaubensbekenntnis sein.437 Allerdings darf der erforderliche Konsens aufgrund des staatlichen Neutralitätsgebots nicht nur hieran festgemacht werden, andernfalls würde sich der Staat anmaßen, Vorgaben zu machen, wodurch sich der notwendige Konsens offenbart.438 In ökumenischen Einrichtungen kommen verschiedene konfessionelle Bekenntnisse zusammen, insofern muss untersucht werden, welche Anforderungen im Einzelnen an das Merkmal des religiösen Konsenses zu stellen sind.
(i) Schrifttum
Korioth stellt für den erforderlichen religiösen Konsens auf dessen Inhalt ab. Dieser müsse sich auf den Sinn menschlicher Existenz beziehen und wesentliche Prinzipien der Lebensgestaltung umfassen.439 Dies deutet auf ein weites Verständnis hin. Hinsichtlich dieser beiden Anknüpfungspunkte herrscht wohl bereits Einigkeit zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen. Morlocks Verständnis geht noch weiter: Er weist ausdrücklich darauf hin, dass keine besonderen Anforderungen an die Homogenität und Konsistenz der Glaubensvorstellungen zu stellen seien, schließlich müsse der Begriff die notwendige Offenheit auch für verschiedene religiöse Vorstellungen behalten.440 Classen stellt bei der Abgrenzung auf die Meinungsverschiedenheiten im Einzelnen ab. Entscheidend sei, ob die Differenzen das Glaubensverständnis derart betreffen, dass eine gemeinsame Religionsausübung unmöglich gemacht oder zumindest wesentlich erschwert wird.441 Über die elementaren Glaubensweisheiten müsse ein Konsens bestehen.442 Für diesen Ansatz spricht, dass geringe Abweichungen der religiösen Vorstellung nicht der Einordnung als Religionsgesellschaft als solche entgegenstehen.
Unbestritten ist, dass niemand in mehreren substantiell unterschiedlich ausgerichteten Religionsgemeinschaften gleichzeitig Mitglied sein kann.443 Dies ist nur möglich, wenn zwei Religionsgemeinschaften dem gleichen oder einem verwandten Glauben zugehörig sind. So sieht die Herrnhuter Brüder Union in einigen Fällen eine Doppelmitgliedschaft mit EKD-Landeskirchen vor.444 Für die individualrechtliche Gewährleistung ergibt sich hieraus, dass sich ein Mitglied zweier Religionsgemeinschaften dann nicht auf die Religionsfreiheit berufen kann, wenn sein Handeln nur nach den Vorgaben einer der Religionsgemeinschaften geboten ist. Es sei, so Classen, nicht plausibel, warum der Betroffene sich gerade in diesem Punkt nur auf die Gebote der einen Religionsgemeinschaft bezieht.445 Die Grundsätze zum Individualrecht sind nicht ohne Weiteres auf die kollektive Gewährleistung übertragbar.446 Religionsgemeinschaften kommt dabei eine größere Einschätzungsprärogative zu.
(ii) Rechtsprechung
In einer Entscheidung zur Kirchensteuerpflicht im Zusammenhang mit der Frage, ob sich durch einen Wohnsitzwechsel eine Änderung in konfessioneller Beziehung ergeben hat, knüpfte das BVerfG an das Merkmal der Bekenntnisidentität an.447 Dieses Verständnis ist jedoch zu eng. Ein vollkommener Konsens der Mitglieder wird in keiner Religionsgemeinschaft zu finden sein.448 Selbst zwischen den in der EKD zusammengeschlossenen Gliedkirchen gibt es unterschiedliche Bekenntnisgrundlagen (vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 3 GO.EKD).449 Ein verbindliches Lehramt besteht innerhalb der EKD nicht.450 An Bekenntnisschriften sind lediglich Pfarrer im Rahmen der Ordination gebunden, für einzelne Gläubige sind diese nicht verbindlich.451 Zudem besteht zwischen den Gliedkirchen Kirchengemeinschaft (Leuenburger Konkordie), Art. 1 Abs. 2 GO.EKD. Lutheraner und Reformierte divergieren hinsichtlich des Verständnisses des Abendmahls. Nichts desto trotz sind einige Landeskirchen der EKD uniert.452 Dennoch ändert auch das nichts an ihrem Status als Religionsgemeinschaft – sowohl der einzelnen Landeskirchen als auch der EKD.
In seiner Entscheidung zur Bahá´í-Gemeinschaft453 stellte das BVerfG – ohne nähere Begründung – darauf ab, dass sich der Charakter eines Verbundes von Gläubigen als Religionsgemeinschaft auch aus der aktuellen Lebenswirklichkeit, Kulturtradition und allgemeinem, wie religionswissenschaftlichem Verständnis, ergeben kann.454 Diese Anknüpfungspunkte machen deutlich, dass die Einschätzung, ob eine Vereinigung als Religionsgemeinschaft anzusehen ist, einer stetigen Entwicklung unterliegt. Das BVerfG deutet somit ein weites Verständnis des erforderlichen religiösen Konsenses an. Das ist nur konsequent, schließlich unterfällt diese Einschätzung in erster Linie der Vereinigung selbst. Der Staat ist in seiner Kontrolle aufgrund des Neutralitätsgebots beschränkt.
Dennoch kann man selbst bei einem weiten Verständnis des religiösen Konsenses im Falle der katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen nicht von einer Religionsgemeinschaft sprechen: Die katholische Kirche und die evangelischen Kirchen eint das Apostolische Glaubensbekenntnis. Sie erkennen gegenseitig die Taufe an, divergieren jedoch hinsichtlich anderer wesentlicher und bekenntnisrelevanter Themen – allen voran das Verständnis von Eucharistie bzw. Abendmahl. Uneinigkeit besteht darüber hinaus hinsichtlich struktureller und organisatorischer Fragen, so insbesondere zur Rolle des Papstes. Auch die Tatsache, dass sie gemeinsam in der ACK organisiert sind, ändert hieran nichts. Religiöse Aufgaben der Mitgliedskirchen werden nicht in ausreichendem Maße übernommen. Die Aufgaben der ACK beschränken sich auf eine gemeinsame Interessenvertretung, dies reicht nach Ansicht des BVerwG nicht zur Einordnung als Religionsgemeinschaft aus.455 So können die katholische Kirche und die evangelischen Kirchen aufgrund ihrer unterschiedlichen Organisation und Struktur nicht als „eine Religionsgemeinschaft“ im religionsverfassungsrechtlichen Sinne angesehen werden. Die christlichen Kirchen bilden eine Religion, sind aber unterschiedlichen Religionsgemeinschaften zuzuordnen.
2. Ordnen und Verwalten eigener Angelegenheiten (sachlicher Schutzbereich)
Bei den verfassten Kirchen in Deutschland handelt es sich unbestritten um Religionsgemeinschaften i.S.d. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Wenn sie sich nicht als „die eine christliche Kirche“ zusammen auf das Selbstbestimmungsrecht berufen können, so steht dieses Recht jedenfalls jeder Kirche für sich zu. Insofern muss eine ökumenische Betätigung – konkret die Gründung und der Betrieb einer ökumenischen Einrichtung – mit Blick auf jede Kirche unter den sachlichen Schutzbereich fallen. Geschützt wird sämtliches Wirken der Religionsgemeinschaften und ihre Einflussnahme auf den gesellschaftlichen Bereich.456
a) Selbstständiges Ordnen und Verwalten
„Selbstständiges Ordnen“ meint die gesamte Rechtssetzungstätigkeit der Religionsgemeinschaften die eigenen Angelegenheiten betreffend.457 Die Religionsgemeinschaften sollen die Möglichkeit erhalten, unabhängig eigene Rechtsbestimmungen zu erlassen (originäre Normsetzungskompetenz).458 Ihre Organisationsgewalt ist dabei unabhängig von der staatlichen.459 Anders verhält es sich hingegen, wenn die Religionsgemeinschaften den Status der K.ö.R. innehaben und außerhalb der eigenen Angelegenheiten Recht setzten dürfen. Hierbei handelt es sich um vom Staat verliehene (autonome) Normsetzungskompetenz.460
„Selbstständiges Verwalten“ meint die Möglichkeit der Organe der Religionsgemeinschaft, sich nach eigenem Verständnis frei zu betätigen, um die jeweiligen Ziele der Religionsgemeinschaft zu verwirklichen.461 Hierzu zählen Vollzugsmaßnahmen, die eigene Rechtsprechung sowie die Möglichkeit zum Erlass eines eigenen Verfahrensrechts.462
b) „Ihre Angelegenheiten“
Das „selbstständige Ordnen und Verwalten“ durch die Religionsgemeinschaften bezieht sich auf deren „eigene Angelegenheiten“. Was hierzu zählt, war lange Zeit unklar.463 Die zwischenzeitlich vertretene und vom BVerfG aufgenommene Abgrenzung nach der „Natur der Sache“, d.h. der Zweckbestimmung, legt eine objektive Betrachtung zugrunde.464 Dem Staat die Entscheidung zu überlassen, was die Religionsfreiheit und insbesondere das Selbstbestimmungsrecht schützen sollen, ist unvereinbar mit dem Neutralitätsgebot.465 Insofern statuierte das BVerfG konsequenterweise, dass Ausgangspunkt weiterhin der staatliche Rahmenbegriff ist, wobei das kirchliche Selbstverständnis für die Qualifizierung einer Angelegenheit als eigene im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV maßgebend ist.466 Es ergibt sich aus Sicht des BVerfG lediglich eine eingeschränkte Kontrollintensität staatlicher Gerichte auf Basis einer vom BVerfG entwickelten zweistufigen Prüfung467: Auf der ersten Stufe findet eine Plausibilitätskontrolle statt.468 Diese erfolgt basierend auf dem glaubensdefinierten Selbstverständnis und der Eigenart des kirchlichen Dienstes.469 Auf der zweiten Stufe erfolgt eine Gesamtabwägung (Wechselwirkungslehre).470 Dabei stehen sich die kirchlichen Belange und die hiermit kollidierenden Interessen gegenüber, wobei dem Selbstverständnis der Kirchen ein besonderes Gewicht zukommt.471
Aufgrund der durch die langjährige Auseinandersetzung gewonnenen Erkenntnisse besteht heute weitgehende Einigkeit, was unter „eigene Angelegenheit“ zu verstehen ist.472 Hierzu zählt nach herrschender Meinung alles, was für die Umsetzung des Auftrags der Religionsgemeinschaften nach ihrem Selbstverständnis erforderlich ist.473 Dass sich diese Aufgabenwahrnehmung nicht nur rein innerkirchlich widerspiegelt, sondern auch auf den weltlichen Bereich auswirkt, spielt dabei keine Rolle.474 Originär eigene Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften475 betreffen beispielsweise Lehre und Kultus476, Rechtsetzung, Bildung einer eigenen Kirchengerichtsbarkeit477, die interne Organisationsstruktur478, diakonische bzw. karitative Tätigkeiten479 sowie – hier von besonderer Relevanz – das kirchliche Dienst- und Arbeitsrecht480. Einen Sonderfall bilden diejenigen Angelegenheiten, die von Staat und Religionsgemeinschaften gemeinsam verwaltet werden.481 In der Praxis betrifft dies vor allem den karitativen Bereich.482