Spitzenteams der Zukunft

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Trust in me, baby: Gemeinsamkeit auf der Basis von Vertrauen

Misstrauen ist der Grund, warum bürokratische Hierarchien überhaupt noch existieren. Die Leistung verbessern sie nicht und dem Kunden dienen sie auch nicht. Das jedenfalls glaubt der amerikanische Versandhändler Zappos und will den Beweis erbringen, dass es anders besser geht. Unter den 1500 Mitarbeitern von Zappos gibt es in Zukunft keine klassischen Hierarchien mehr. Auch Jobtitel wie »Leiter« oder »Direktor« sollen – zumindest im internen Gebrauch – abgeschafft werden. Stattdessen wird die Arbeit jetzt nach dem Prinzip der Gemeinsamkeit in sich überlappenden »Kreisen« von Mitarbeitern organisiert. Die Ausgangsfrage lautet dabei: Wer arbeitet mit wem gemeinsam an welcher Aufgabe? Bisher lautete die Frage in Unternehmen eher: Wer hat wen zu »führen« und wer muss an wen »berichten«? Zappos nennt seinen neuen Ansatz Holacracy (statt Hierarchie). Da steckt das altgriechische Wort holos drin, was Ganzheit bedeutet. Es wird spannend zu sehen sein, wie gut dieser ganzheitliche Ansatz bei Zappos auf die Dauer funktionieren wird.

»Je mehr wir gewachsen sind, desto mehr haben wir gemerkt, wie sehr die Bürokratie, an die wir uns alle gewöhnt haben, uns in unserer Anpassungsfähigkeit behindert.«

John Bunch, Manager bei »Zappos«

Eines ist klar: Viele Leute sind es leid, dass ihre Ideen »vor dem Chef sterben«. Immer mehr Mitarbeiter bürokratischer Unternehmen kündigen und suchen sich neue Herausforderungen dort, wo ihre Talente und ihre Kreativität wirklich gefragt sind und wertgeschätzt werden. Sie finden das dort, wo Vertrauen in Menschen herrscht. Die alte Welt der Wirtschaft war und ist geprägt von Vertrauen in Geld, Ressourcen und Strukturen – bei gleichzeitigem Misstrauen gegenüber Menschen. Die Teams der Zukunft werden anders arbeiten. Sie definieren ihre Ziele und schaffen sich dann die passenden Strukturen, um sie zu erreichen. Sie organisieren sich das nötige Geld und die notwendigen Ressourcen um ihre Ziele herum. Dabei wissen sie: Das alles ist Mittel zum Zweck. Sie setzen ihr Vertrauen in erster Linie in sich selbst, in ihre Talente und in die Gemeinschaft.

Es gibt eine Menge Leute, die haben Angst vor der Zukunft, die jetzt anbricht. Sie sagen: Die Sicherheit verschwindet. Alles wird unsicher. Alles ändert sich ständig. Das macht ihnen Angst. Diese Menschen haben oft ein veraltetes Verständnis von Sicherheit. Sie glauben an Geld und an bürokratische Strukturen. Langfristige Arbeitsverträge, Versicherungen oder Geldanlagen lassen sie ruhig schlafen. Dabei erweisen sich doch gerade das Geldsystem und die alten bürokratischen Strukturen als besonders wackelig und anfällig. Von heute auf morgen können diese Sicherheiten nichts mehr wert sein.

Menschen in den Teams der Zukunft vertrauen auf neue Formen von Sicherheit. Ihre Sicherheit basiert auf Selbstgewissheit. Diese Sicherheit lässt sich ungefähr so charakterisieren:

 Ich weiß, was ich kann.

 Ich weiß, wem ich vertrauen kann.

 Ich weiß, dass es gute und schlechte Zeiten gibt.

 Ich weiß, dass alle unterschiedliche Talente haben.

 Ich weiß, dass es gemeinsam am besten geht.

Noch ist das alte Misstrauen nicht verschwunden. In den Köpfen vieler Menschen in Unternehmen lebt die Vorstellung fort, dass jeder nur auf seinen eigenen Vorteil aus ist. In den USA entstehen immer noch bei jedem großen Deal Millionen an Anwaltskosten. Misstrauen ist teuer. Ein echter Exzess ist der sogenannte »Patentkrieg« zwischen Google und Apple im Bereich der Mobiltelefone. Im Jahr 2012 übernahm Google für über 12 Milliarden US-Dollar den Rivalen Motorola. Angeblich nur, um an deren Patente zu kommen. Anfang 2014 kamen Google und Samsung dann überein, alle bisherigen und zukünftigen Patente miteinander zu teilen. Eigentlich ein großartiger Schritt in Richtung Gemeinsamkeit. Leider soll auch dies bloß ein weiterer strategischer Schachzug im »Krieg« gegen Apple sein. So kann es nicht mehr lange weitergehen!

In einem Klima des Misstrauens versuchen Unternehmen weniger mit einer Vision zu überzeugen als mit konventionellen Methoden des Marketings ihre Kunden zu verführen. Bei den meisten Produkten, die heute den Markt beherrschen, werden bis zu 50 Prozent des Kaufpreises durch das Marketing verursacht. Selbst die neuen Formen der Kundenbewertung im Internet versuchen einige Unternehmen auszuhebeln. Irgendwie liest man ja heute überall positive Kundenbewertungen. Wer sie nicht bekommt, der schreibt sie sich einfach selbst.

Doch das funktioniert nicht mehr lange. Kunden durchschauen die Tricks der Etablierten. Sie geben nicht mehr viel auf öffentliche Kundenbewertungen. Vielmehr vernetzen sie sich untereinander und tauschen sich darüber aus, was wirklich empfehlenswert ist. Auch hier gewinnt am Ende das Vertrauen. Wir vertrauen beispielsweise unseren Freunden mehr als der Werbung von Unternehmen. Wenn nun immer mehr Menschen auf Social Media ihre Einkäufe posten, so beeinflusst das deren Freunde mehr als jedes Marketing. Kunden fragen sich heute: Bei wem kann ich mir wirklich Rat holen? Welche Person meines Vertrauens hat mit diesem Produkt Erfahrungen gemacht?

Durch die zunehmende Vernetzung und intensivere Kommunikation wird es immer einfacher, sich auszutauschen. Haben Sie schon einmal gesehen, wie Kunden im Laden per Smartphone Informationen zu dem Produkt einholen, das sie gerade entdeckt haben? Diese Transparenz wäre früher überhaupt nicht möglich gewesen. Heute ist das ganz einfach. Und vom Austausch über Produkterfahrungen ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Teilen von Produkten im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft. Unternehmen sollten diese Entwicklung nicht bekämpfen – schon weil sie sich ohnehin nicht stoppen lässt.

Die besten Unternehmen der Zukunft werden den Austausch und das Teilen unter ihren Kunden aktiv fördern und unterstützen. So wie die Lufthansa heute schon an Flughäfen das »Taxi-Sharing« unter ihren Kunden unterstützt. Per Smartphone-App kann man sich einfach auf die Suche nach anderen Fluggästen begeben, die auch gerade ein Taxi in die Innenstadt suchen. Dann teilt man sich die Fahrt und die Kosten. Bei Amazon Trade-In können Kunden ihre gelesenen Bücher und gebrauchten DVDs gegen Wertgutscheine wieder einsenden. Amazon verkauft die Artikel dann gebraucht weiter. Auch das ist intelligente Unterstützung von Kunden, die allen Beteiligten nutzt: Der eine Kunde wird bequem seine gebrauchten Bücher und DVDs los, der andere Kunde erhält diese Produkte billiger und der Anbieter macht ein zusätzliches Geschäft. Es sind gerade diese kleinen Schritte in Richtung intelligenter Gemeinsamkeit, auf die es jetzt ankommt.

Rewind

Ein großer Veränderungsprozess hat in der Wirtschaft begonnen, der nur Erfolg haben kann, wenn alle es wollen. Jedes Unternehmen kann kleine Schritte zu mehr Gemeinsamkeit und Umweltverträglichkeit gehen.

Es entsteht eine Kultur des Teilens auf der Basis von Vertrauen. Engagierte Mitarbeiter teilen ihr Wissen und ihre Ideen. Kunden tauschen Produktwissen aus und teilen sich Produkte.

Alte hierarchische und bürokratische Strukturen werden der neuen Wirtschaftswelt immer weniger gerecht. Innovative Teams organisieren sich nicht hierarchisch, sondern um die gemeinsamen Aufgaben herum.

Track 3 ·
Die Teams der Zukunft bestehen aus lauter Virtuosen

»Ohne auf Ziele hinzuarbeiten, könnte ich nicht leben. Ohne die vielen überraschenden Momente meines Lebens jedoch wäre ich kein kompletter Mensch und auch nicht in der Lage, spontan auf der Bühne zu reagieren.«

Anne-Sophie Mutter, Geigerin

Lara spricht vor den versammelten Mitarbeitern und strahlt ihre übliche Ruhe aus. Vor vier Jahren waren sie hier fast pleite. Jetzt feiern sie Erfolge, verdienen unglaublich viel Geld, expandieren. Lara ist die Chefin, aber sie prahlt nicht mit ihren Leistungen. Wie sie auf der Jahresversammlung redet, hört sich der Turnaround nicht wie ihr persönlicher Erfolg an. Laras Rede klingt nicht mal so, als wäre irgendwas Besonderes passiert. »Es war doch klar, dass wir es mit euch schaffen«, scheint sie sagen zu wollen.

Wo ich hier bin? In einer Privatklinik im Süden von Holland. Lara leitet die Verwaltung. Als sie diesen Job übernahm, waren die medizinischen Leistungen der Klinik international anerkannt. Gleichzeitig drohte das Haus wirtschaftlich im Chaos zu versinken. Ruhig, aber bestimmt konfrontierte Lara damals ihre Leute mit der Wahrheit: »Ihr seid kein richtiges Team. Das müsst ihr aber werden!«

Seit Lara hier ist, haben sich schrittweise Teams gebildet. Vom Medizinprofessor über die Krankenschwester bis hin zum Hausmeister ziehen heute alle an einem Strang. Lara wusste auch in schwierigen Zeiten: Talente gibt es hier genug. Wir müssen lernen, virtuos zusammenzuspielen!

Wenn in der Musik von einem Virtuosen die Rede ist, dann stellt man sich darunter einen Musiker mit perfekter Technik vor. Da ist was Wahres dran. Virtuosen beherrschen ihr Instrument nahezu perfekt. Doch einen Virtuosen auf technische Perfektion zu reduzieren wäre ungefähr so, als würden Sie bei einem Spitzenfußballer nur die Ballbeherrschung sehen. Allein mit der Arbeit am Ball wird niemand zum Fußballstar. Es gehört eine Menge mehr dazu. Genauso wird allein durch die nahezu perfekte Beherrschung eines Musikinstruments noch niemand zum Virtuosen. Echte Virtuosen verstehen es vielmehr auf geniale Weise, anderen Musikern zuzuhören, sich mit ihnen abzustimmen und dann mit ihnen zusammenzuspielen. Sie merken sofort, wo die anderen in ihrem Können stehen, und stellen sich blitzschnell darauf ein. Ein Virtuose findet praktisch immer einen Weg, mit anderen gemeinsam zu musizieren. Musikalische Einsteiger, ja selbst Fortgeschrittene mit passablem Können, kommen dagegen im Zusammenspiel an Grenzen. Entweder es passt – oder eben nicht.

 

Virtuosität in der Musik ist für mich die perfekte Metapher für das, was auch die Mitspieler in den Teams der Zukunft auszeichnen wird. Diese Teams werden flexibel, intelligent, vielseitig, kooperativ und sich selbst organisierend sein. Virtuosen im Business besitzen eine extrem hohe Anpassungsfähigkeit. Sie finden sich schnell in jedes Team ein. Sie sind in der Lage, mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammenzuarbeiten. Auch dann, wenn die anderen in ihren Talenten nicht genauso weit entwickelt sind wie sie in ihren. Und selbst dann, wenn es große Unterschiede beim kulturellen Hintergrund oder den Wertvorstellungen gibt. Die Wirtschaft der Zukunft hat solche Teamvirtuosen dringend nötig. Denn zukünftig bleiben Teams immer kürzer zusammen. Schon heute sind Mitarbeiter in Unternehmen manchmal Mitglied in mehreren Teams gleichzeitig und müssen immer wieder umschalten.

»Du musst dein Instrument lernen. Dann üben, üben, üben. Und dann, wenn du schließlich da oben auf der Bühne stehst, vergiss das alles und hau einfach rein!«

Charlie Parker, Jazzlegende

Was macht einen Virtuosen nun eigentlich so anpassungsfähig? Auch das sind in der Musik und in Teams der Wirtschaft ähnliche Eigenschaften. Da sind zunächst die eigenen voll entwickelten Talente. Virtuosen sind echte Könner. Im Team heißt das: Sie kennen ihre bevorzugten Teamrollen und beherrschen diese annähernd perfekt. Wenn Sie mein erstes Buch Macht Musik gelesen haben, dann kennen Sie bereits die acht Teamrollen nach Meredith Belbin und auch die acht Musikinstrumente, die ich als Metapher für diese Rollen verwende. Sollte das Instrumentenmodell für Sie neu sein, erfahren Sie im nächsten Kapitel das Wesentliche darüber. Sie können dann online einen kostenlosen Selbsttest machen. Für den Augenblick genügt, wenn Sie sich vorstellen, dass Belbin von den »funktionalen Rollen« in Unternehmen – wie »Abteilungsleiter« oder »Assistent« – sogenannte »Teamrollen« unterschieden hat, die das soziale Verhalten im Team beschreiben. Da gibt es dann zum Beispiel einen »Tempomacher«, einen »kritischen Denker« oder einen sensiblen »Teamplayer«.

Teamvirtuosen wissen nicht nur, welche Teamrollen ihnen am meisten liegen und wie gut sie darin jeweils sind, sie kennen auch die bevorzugten Rollen und Fähigkeiten aller anderen Teammitglieder. Das ist jetzt auch wieder exakt so wie in der Musik! Ein Virtuose weiß nämlich durch Zuhören genau, mit welchen Mitspielern er es zu tun hat – und stimmt sich dann präzise mit ihnen ab. Teamvirtuosen im Business finden mit Leichtigkeit in jedem Team ihren Platz und sorgen gemeinsam mit den anderen für bestmögliche Ergebnisse. Sie kennen ihre zwei bis drei bevorzugten »Instrumente« – sprich: Teamrollen – und sind in der Lage, je nach Situation zwischen diesen Rollen zu wechseln. Gleichzeitig wissen sie, welche Teamrollen die anderen Teammitglieder gerade einnehmen und in welche anderen Rollen diese bei Bedarf wechseln könnten.

Lara zum Beispiel ist mit am besten in einer Teamrolle, die ich »Klavier« nenne – sie versteht es hervorragend, das Potenzial anderer Teammitglieder zu entdecken und zu aktivieren. Gleichzeitig ist sie eine tüchtige Arbeiterin. Diese Fähigkeit hat in meinem Modell der »Bass«. Schließlich versteht sie es auch sehr gut, zu kommunizieren und in Konflikten zu vermitteln. In diesen Momenten ist sie eine virtuose »Geige«. Noch sind echte Teamvirtuosen eher selten. Lara ist für mich ganz klar eine Virtuosin auf ihren drei Instrumenten. Deshalb möchte ich Ihnen von ihr und ihrer Arbeit noch mehr erzählen.

Relight my fire: Von der Pleitetruppe zum Spitzenteam

»Das sind Nerds hier! Das sind medizinische Nerds!« – so ungefähr lautete Laras Diagnose, als sie ihren Job als Verwaltungsleiterin in der Privatklinik angetreten hatte. Der medizinische Direktor, ein weltweit angesehener Professor, hatte sich und sein Ärzteteam mit modernster Technik umgeben. Das Problem: Die millionenteuren Geräte einer – sorry – deutschen Firma waren extrem störanfällig. Auf Deutsch gesagt: ständig kaputt! Außerdem waren die Service- und Wartungsverträge so schlecht, dass es kaum Möglichkeiten gab, vom Hersteller Abhilfe zu verlangen. Die Klinik mochte ein medizinischer Leuchtturm sein, war aber durch die Fehlinvestition gleichzeitig ein betriebswirtschaftlicher Schrotthaufen. Wegen ihrer langen Erfahrung im Gesundheitswesen wusste Lara genau, wie solche Situationen typischerweise entstehen. Wo es kein echtes Team gibt, wo jeder sein Süppchen kocht und auf eigene Faust Dinge durchsetzt, ohne sich mit den anderen abzustimmen, da droht irgendwann Chaos. Hier hatten es die medizinischen Nerds offensichtlich nicht für nötig befunden, sich bei ihren Anschaffungen von Kollegen mit besseren betriebswirtschaftlichen und juristischen Kenntnissen unterstützen zu lassen.

Lara agierte in dieser Situation von Anfang an offensiv. Ruhig, sachlich und ohne vorwurfsvollen Ton konfrontierte sie alle mit dem mangelnden Teamgeist. Sie machte klar, wie die Probleme hätten verhindert werden können, wenn alle sich im entscheidenden Moment gefragt hätten: Wen brauchen wir noch? Wessen Talente sind nötig? Wer kann helfen? Laras erster großer Erfolg war, dass alle bereit waren, sich der Misere zu stellen. Weil sie selbst offen, ehrlich und frei von Vorwürfen war, nahmen sich die anderen an ihr ein Beispiel. Bereits hier zeigte Lara, wie virtuos sie die Teamrolle »Klavier« beherrscht, zu der es gehört, mit natürlicher Autorität das Team im Griff zu haben und auf neue Ziele auszurichten.

Als Nächstes stellte Lara allen Mitarbeitern ihren radikalen Lösungsansatz vor: den Anbieter wechseln und noch einmal komplett neue Geräte anschaffen – obwohl das die finanzielle Situation kurzfristig sogar noch verschärfen würde, obwohl die bestehenden Geräte noch fast neu waren und obwohl klar war, welchen Ärger mit dem bisherigen Lieferanten das geben würde. Lara kommunizierte ihren Plan klar und transparent an alle. Sie glaubte fest an diesen Befreiungsschlag. Doch sie verschwieg niemandem die Risiken. Vor allem verschwieg sie nicht, dass dieser Plan eine Zeit lang Einschränkungen an anderen Stellen bringen würde. Alle sollten die Wahrheit kennen. Und dann sollten alle mitentscheiden.

Lara nahm sich Zeit für viele Gespräche. Nacheinander stellte sie allen im Haus Fragen wie: Seid ihr opferbereit? Wollt ihr diesen Weg gehen? Oder wollt ihr, dass wir es anders versuchen? Hat jemand eine bessere Idee? Schließlich stimmten alle dem Plan zu. Auch diejenigen, die für die aktuelle Misere verantwortlich waren. Sie fühlten sich nicht an den Pranger gestellt. Niemand zeigte mit dem Finger auf sie. Sie konnten sicher sein: Es geht ausschließlich um eine Lösung. Und: Das Vertrauen ist nicht erschüttert! Jeder hat bis jetzt so gehandelt, wie er glaubte, es sei das Beste. Jetzt machen wir es gemeinsam noch besser. Die Vergangenheit lassen wir ruhen. So ging der Plan schließlich auf. Lara hatte sich bei allen ein Ja abgeholt. Jetzt zogen alle an einem Strang. Die Krisensituation und die Notwendigkeit, dass alle Opfer bringen mussten, schweißte die Belegschaft erst recht zusammen. Nach drei bis vier Jahren ging es der Klinik wirtschaftlich so gut, dass das Management über einen zweiten Standort nachdachte.

Die eigenen Fähigkeiten kennen, die Fähigkeiten der anderen kennen und dann beides einsetzen – das ist das Erfolgsrezept von Teamvirtuosen. Lara wusste, dass sie sehr gut Menschen zusammenbringen und auf ein gemeinsames Ziel einschwören kann. Ihr war auch klar, dass sie eine hohe soziale Kompetenz besitzt und in Konflikten ausgleichend wirkt. Diese Fähigkeiten setzte sie ein, um beim Turnaround ihrer Klinik die Führung zu übernehmen. Ihre ruhige Selbstgewissheit sorgte dafür, dass alle – auch die Medizinprofessoren – ihre Autorität anerkannten.

Ein weiterer Baustein für Laras Erfolg bestand darin, dass sie einen Grundkonflikt auf der Ebene der Teamrollen erkannte: Da gab es die hochintelligenten, innovativen Mediziner, die ziemlich eigensinnig agierten und sich mit den anderen zu wenig abstimmten. Dieses Verhalten ist in meinem Modell typisch für die kreative, aber eigenbrötlerische »Gitarre«. Auf der anderen Seite gibt es im Gesundheitswesen viele praktisch eingestellte, disziplinierte Arbeiter. Diese »Bässe« ergreifen kaum die Initiative und rufen deshalb auch selten laut »Stopp!«, wenn etwas schiefläuft.

Lara hat nicht irgendwelche Teams geformt, sondern welche, in denen jetzt die früher fehlenden »Instrumente« gespielt werden. Sie wusste, dass einerseits mehr Kommunikation, andererseits mehr kritisches Hinterfragen nötig war. Im Team sollten zukünftig Instrumente wie »Trompete« oder »Harfe« erklingen, die genau für solche Eigenschaften stehen. Teamvirtuosen zeichnet es aus, dass sie am Klang ihres Teamorchesters schnell hören, welche Instrumente gerade fehlen. Und wenn sie eine Führungsrolle im Team einnehmen, dann sorgen sie dafür, dass jemand diese Instrumente spielt.

Together forever and never apart: Virtuosen sind keine Solisten

Wie werden Normalos zu Teamvirtuosen? Keine Frage: Es hat mit Arbeit zu tun! Auch das ist wieder genau wie in der Musik: Ohne Fleiß kein Preis. Musik kann die große Leidenschaft eines Menschen sein – und doch muss er üben, üben, üben bis zur Meisterschaft. Von nichts kommt nichts. In den Teams der Zukunft ist es genauso. Die Arbeit muss Spaß machen, klar, sonst hat alles keinen Sinn. Mit Spaß allein wird aber niemand zum Teamvirtuosen. Die Bereitschaft, sich anzustrengen, zu trainieren, sich zu engagieren, muss hinzukommen. Auch in Zukunft werden wir in einer Leistungsgesellschaft leben. Nichts wird uns einfach so in den Schoß fallen. Am Ende der Anstrengung steht aber auch das gute Gefühl, gemeinsam etwas Sinnvolles geschafft zu haben.

Vielleicht kennen Sie aus meinem ersten Buch die Untersuchung des schwedischen Psychologen Anders Ericsson, der sich mit Spitzenleistungen in Sport und Musik beschäftigt hat. In einer Langzeitstudie unter Schülern an Konservatorien zeigte sich, dass alle, die später Virtuosen waren, mindestens 7500 Stunden geübt hatten. Möglicherweise kennen Sie auch die »10.000-Stunden-Regel«, die der Autor Malcolm Gladwell in seinem Buch Überflieger propagiert. Gladwell sagt: Außergewöhnlich erfolgreiche Menschen – egal auf welchem Gebiet – haben sich mindestens 10.000 Stunden mit einer Sache beschäftigt. Fleißig, ausdauernd und diszipliniert.

Ich finde solche Untersuchungen spannend, möchte hier aber auch eines deutlich machen: Weder allein durch Üben noch durch alleine Üben wird jemand zum Virtuosen! Neben all diesen Stunden Ausdauer braucht ein Virtuose noch zwei weitere Dinge: erstens Talent und zweitens andere Menschen. Ja, es stimmt: Man kann durch Üben eine Menge erreichen, manchmal fast alles. Dennoch haben Menschen unterschiedliche Talente. Wer übt und übt und übt, obwohl er zu einer Sache nur wenig Talent hat, der wird irgendwann vielleicht durchaus erfolgreich damit sein. Glück und Erfüllung erfährt dieser Mensch am Ende aber wahrscheinlich nicht.

Fleiß und Disziplin sind wichtig. Noch wichtiger ist, dass wir unsere wirklichen Talente und Neigungen erkennen und entwickeln. In Spitzenteams gibt es immer Mitglieder, denen das nicht nur für sich selbst gelingt. Sondern die auch die Talente der anderen Teammitglieder erkennen und fördern. Unsere Casting-Shows suggerieren manchmal, jeder hätte für alles Talent. Das ist nicht die Realität. Wir haben alle Talente, aber eben unterschiedliche. Irrsinnig viel Fleiß in etwas zu stecken, was am Ende keine Erfüllung bringt, ist bitter. Nehmen Sie zum Beispiel den australischen Schwimmstar Ian Thorpe, der heute wegen Depressionen behandelt wird und Probleme mit Drogen hat. Oder nehmen Sie Andre Agassi, der von seinem Vater getrieben wurde, aber anscheinend selbst nie richtig Lust auf Tennis hatte.

 

Ein weiterer Punkt ist fast noch wichtiger: Teamvirtuosität kann sich nur im Team entwickeln! Virtuosen sind keine Solisten. Zwar kann jeder bei sich selbst anfangen, an seinen Talenten zu arbeiten und diszipliniert zu üben. Erst im Zusammenspiel von Individuum und Gruppe entfaltet sich dann aber die wahre Virtuosität. Stellen Sie sich einmal vor, die Welt der Musik bestünde nur aus Stücken für Soloinstrumente beziehungsweise Solostimmen. Dann würde quer durch alle Genres nur ein Bruchteil dessen existieren, was Musik so großartig macht. Im Zusammenspiel entfaltet sich erst das ganze Potenzial der Musik. Und in der Zusammenarbeit in Wirtschaft und Gesellschaft entfaltet sich das volle Potenzial des Menschen.

Es gilt deshalb das Grundprinzip: Werde selbst besser, um die Qualität deines Teams zu erhöhen! Jeder, der alleine etwas eingeübt und einen Fortschritt erzielt hat, sollte sich sofort wieder Feedback von der Gruppe holen. Denn individuelle Fähigkeiten sind immer nur so gut, wie sie sich im Zusammenspiel mit dem Team einsetzen lassen. Nach jeder Schulung oder Fortbildung ist deshalb ein Reality-Check angesagt: Was bringt das jetzt dem Team?

Feel the Beat

Richten Sie Fortbildungsmaßnahmen konsequent an den Talenten und Bedürfnissen Ihres Teams aus. Sorgen Sie stets dafür, dass neue Fähigkeiten Einzelner sofort im Team angewandt und produktiv gemacht werden können.

Das Bewusstsein für individuelle Talente und das Wechselspiel zwischen Individuum und Gruppe sind heute in den meisten Organisationen noch eher schwach ausgeprägt. Typisches Beispiel: Brainstorming. Zu solchen Kreativmeetings werden üblicherweise alle möglichen Mitarbeiter verdonnert, ohne Rücksicht darauf, ob sie zu einem solchen kreativen »Spinnen« überhaupt Talent haben. Ganz zu schweigen davon, ob ihnen so etwas Spaß macht. Da sitzen dann etwa die »Bässe«, die fleißigen Arbeiter, im Brainstorming, langweilen sich und ärgern sich im Stillen, weil ihre Arbeit liegenbleibt. Wer dagegen im Team gerne »Klavier«, »Gitarre« oder »Trompete« spielt, hat nicht nur Talent zum Brainstorming, sondern auch richtig Spaß daran. Das andere Extrem zum übertriebenen Brainstorming-Kollektivismus sind dann die vermeintlichen Genies auf dem Chefsessel und die einsamen Entscheider in den Unternehmen, die ihre Ideen nie mit anderen austauschen, sondern einfach anordnen, was sie für richtig halten. Auch davon gibt es heute noch viele.

Die Teams der Zukunft werden ausbalancierter sein als die meisten Teams, die wir heute kennen. Die Sensibilität für die Talente der jeweils anderen wird enorm zunehmen. Gerade die in ihren Talenten am weitesten entwickelten Menschen sind zunehmend in der Lage, sich selbst zurückzunehmen. Es ist eine psychologische Binsenweisheit, dass auftrumpfende Egos oft innerlich unsicher sind. In den Spitzenteams der Zukunft dominieren Menschen, die mit einer ruhigen Selbstgewissheit agieren. Sie packen ihr Ego ein, weil es ihnen auch selbst im Weg ist. Ein schöner englischer Spruch dafür lautet: »From ego to we go!« Tatsächlich ist das übertriebene Ego einzelner Teammitglieder heute oft eine große Bremse. Mit weniger Ego geht es gemeinsam kraftvoll nach vorne!

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