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Eine Ehestandstragödie

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Ich sagte zu meiner Vertheidigung kein Wort, denn ich wußte, welche Kränkung ihr widerfahren und kannte sie zu gut, um nicht zu wissen, daß sie die harten Worte bereuen und zurück nehmen würde, sobald die erste Aufregung vorüber war. Die Folge zeigte auch, daß ich recht hatte. Sie ließ mich noch an demselben Abend zu sich rufen, bat mich, ihr die heftigen Worte zu vergeben, die sie am Morgen gesprochen, und zeigte sich so gütig und sanft, daß man ihr die schwersten Beleidigungen hätte verzeihen müssen.

Wochen vergingen nach dieser Scene, ohne daß ein Brief von Herrn Smith eingetroffen wäre, und meine Herrin, die sich über dies Verhalten ihres Mannes mehr zu ärgern, als zu grämen schien, reiste endlich nach London, um sich mit Freunden, die ihr nahe standen, zu berathen. Als sie in ihrem Reisewagen durch das Dorf fuhr, hielt sie am Pfarrhause an, stieg aus und ging hinein, um Herrn Meeke Lebewohl zu sagen. Sie hatte seinen ersten Brief beantwortet – er hatte ihr darauf wieder geschrieben und sie ihm ebenfalls. Auch in der Kirche hatte Frau Smith den Prediger jeden Sonntag gesehen und ihn gewöhnlich nach Beendigung des Gottesdienstes gesprochen – einen Besuch in seinem Hause aber machte sie ihm an diesem Tage zum ersten Male. Als der Wagen hielt, stürzte Herr Meeke eilig und in sichtlicher Aufregung herbei, um eigenhändig das Gartenthor zu öffnen.

»Erschrecken Sie nicht, Herr Meeke,« sagte die Lady, als sie ausstieg. »Wenn Sie gelobt haben, nicht mehr nach Darrock-Hall zu kommen, so habe ich mich doch nicht verpflichtet, das Pfarrhaus zu meiden.« Mit diesen Worten trat sie in das Haus.

Die französische Kammerzofe, Josephine, saß mit mir im Dienersitz des Wagens und ich sah, wie ein häßliches Lächeln über ihr Gesicht flog, als die Lady mit dem Prediger über die Schwelle trat – und so fern von aller Schuld ich auch meine Herrin und Herrn Meeke wußte, so beklagte ich doch in diesem Augenblicke, daß sie in der Situation, in der sie sich nun einmal befand, nicht auch den leisesten Schein zu meiden suchte. Sie hatte, wenn es weiter nichts war, doch ihrer Dienerin Veranlassung zu respectwidrigen Gedanken gegeben und wer konnte wissen, wie viel Uebles daraus entstand.

Eine halbe Stunde später befanden wir uns auf dem Wege nach London, wo Frau Smith zwei Monate blieb, ohne daß sie etwas von ihrem Manne hörte. Nach Verlauf dieser Zeit kehrten wir nach Darrock-Hall zurück, aber auch hier hatte Niemand Nachricht von ihm oder seiner Yacht erhalten.

Sechs lange Wochen vergingen nun wieder und aus dieser Zeit erinnere ich mich nur eines Vorfalles, der die Stille und Monotonie unseres einsamen Lebens unterbrach.

Eines Morgens nämlich erschien Josephine, nachdem sie ihre Lady angekleidet, todtenbleich in der Küche. Nur die eine Wange zeigte einen brennend rothen Fleck. Ich fragte, was ihr begegnet wäre.

»Was mir begegnet ist?« entgegnete sie mit schriller Stimme in ihrem gebrochenen Englisch »Was mir begegnet ist? Nun sehen Sie gefälligst meine Wange an, Monsieur William. Sollten Sie so lange in Frau Smiths Dienste gestanden haben und das Zeichen ihrer Hand nicht kennen?«

Ich verstand einen Augenblick nicht, was sie meinte, aber sie hatte es mir bald erklärt. Meine Herrin, die seit dem Zwiste mit ihrem Manne und den Demüthigungen, die er ihr bereitete nicht selten aufgeregt und verstimmt war, hatte diesen Morgen ihrer übeln Laune die Zügel mehr als gewöhnlich schießen lassen. Sie war auf die Frage ihrer Dienerin, wie sie die Nacht zugebracht, in Klagen über ihr elendes Dasein ausgebrochen. Josephine hatte, um ihre Lady zu erheitern, ungeschickter Weise eine leichte scherzhafte Anspielung auf Herrn Meeke gemacht, und darüber war Frau Smith in so heftigen Zorn gerathen, daß sie sich nach ihr umgedreht und ihr eine Ohrfeige gegeben hatte. Josephine gestand, die Lady habe gleich, nachdem dies geschehen, auch eingesehen, daß sie sich eines unpassenden Mittels bedient, um eine ungeschickte Vertraulichkeit zurück zu weisen. Sie hatte ihre Heftigkeit sofort bedauert und der Beleidigten ein halbes Dutzend Battisttücher geschenkt, um sie die Sache vergessen zu machen.

Ich sprach meine Hoffnung aus, daß Josephine ihrer sonst so gütigen Herrin, der sie seit mehreren Jahren diente, den Vorfall nicht nachtragen würde.

»Ich ihr etwas nachtragen?« rief sie in ihrer harten schnippischen Weise. »Wie sollte ich das, Giebt sie mir mit der einen Hand einen Schlag, so reicht sie mir mit der andern ein halbes Dutzend seine Taschentücher als Schmerzensgeld – die gute, liebe Dame. Wie könnte ich ihr zornig sein!« «Dabei warf sie mir einen Blick zu – es war der boshafteste Blick, den ich je gesehen, brach in ein häßliches Gelächter aus und ging davon.

Sie hat später nicht mehr von dem Vorfalle gesprochen und es schien wirklich, als hätte sie ihn vergessen, aber ich bemerkte doch seit der Zeit eine Veränderung in ihrem Wesen. Sie erfüllte zwar alle ihre Pflichten eben so sorgsam wie früher, that ihre Arbeiten mit derselben Accuratesse, aber sie war stiller als sonst und zog sich mehr vom Verkehr mit der übrigen Dienerschaft zurück. Sie that nichts, was mich berechtigt hätte, ihr zu mißtrauen, oder meine Herrin zu warnen, aber ich wurde das Gefühl nicht los, daß es besser gewesen wäre, Frau Smith hätte Josephinen zu dem halben Dutzend Taschentüchern noch einen Monatslohn gegeben und hätte sie selbigen Abend aus dem Hause geschickt.

Außer diesem kleinen häuslichen Vorfalle, der damals sehr unbedeutend erschien, obgleich er so ernste Folgen haben sollte, passirte in den sechs Wochen nichts Ungewöhnliches – zu Anfang der siebenten wurde endlich die Einförmigkeit unseres Lebens unterbrochen.

Der Postbote brachte einen an meine Herrin adressirten Brief. Ich trug ihn ihr in das Frühstückszimmer und dabei fiel mir das Aeußere desselben auf. Die Adresse war offenbar von ungeübter Hand geschrieben. Das Couvert war schmutzig und mit einer Oblate verklebt. »Ein Bettelbrief,« dachte ich in meinem Gedanken, als ich ihn meiner Lady übergab.

Sie nahm das Schreiben in Empfang und hob die Hand auf zum Zeichen, daß sie mir einen Befehl zu geben habe und ich warten möge, bis sie gelesen. Dann öffnete sie den Brief – aber kaum hatte sie die ersten Zeilen überflogen, als sie sich entfärbte Sie wurde bleich bis an die Lippen und das Papier zitterte in ihrer Hand. Dennoch las sie zu Ende. Plötzlich verwandelte sich aber ihre Blässe in zornige Röthe; sie ballte den Brief in der Hand zusammen, sprang von ihrem Stuhle auf und ging mehrere Male im Zimmer auf und ab, ohne von meiner Anwesenheit Notiz zu nehmen.

»Nichtswürdiger, Nichtswürdiger, Nichtswürdiger!« hörte ich sie zwar flüsternd, aber dennoch in zornigem, heftigem Tone hervorstoßen. Dann blieb sie mitten im Zimmer stehen. »Kann es denn aber wahr sein,« fragte sie noch immer zu sich selbst sprechend, »kann es denn wahr sein?« Plötzlich blickte sie auf, sah mich an der Thür stehen und befahl mir mit halb erstickter Stimme, sie allein zu lassen und in einer halben Stunde wieder nach ihren Befehlen zu fragen.

Ich gehorchte, aber ich hatte bereits genug gesehen, um daraus schließen zu können, daß sie sehr schlimme Nachrichten erhalten haben mußte. Was es sein konnte, davon hatte ich freilich keine Ahnung.

Als ich später ins Zimmer zurückkam, drückte das Gesicht der Lady noch immer eine sehr starke Gemüthsbewegung aus. Ohne ein Wort zu sprechen, händigte sie mir zwei versiegelte Briefe ein. Der eine war an Herrn Meeke adressirt; der andere trug die Bemerkung: »Sogleich zu bestellen.« und die Adresse ihres Anwaltes in London, der, wie ich hinzufügen muß, zugleich ihr Freund und weitläufiger Verwandter war.

Ich trug den einen Brief nach dem Pfarrhause, den andern nach der Post und hörte bei meiner Rückkehr, daß sich meine Herrin in ihr Zimmer zurückgezogen habe. Dort blieb sie auch vier ganze Tage lang, ohne daß sie außer ihrem Kammermädchen Jemand sah.

Am fünften Tage endlich langte der Anwalt von London an. Frau Smith kam zu ihm in die Bibliothek herunter und blieb etwa zwei Stunden mit ihm allein. Dann klingelte sie nach mir.

»Setzen Sie sich nieder, William,« sagte sie, als ich eintrat. »Ich habe so viel Vertrauen zu Ihrer Treue und Anhänglichkeit, daß ich mit meinem Freunde und Berather übereingekommen bin, Sie in ein wichtiges Geheimniß einzuweihen und Ihre Dienste in einer Sache in Anspruch zu nehmen, die für mich über Tod und Leben entscheiden.«

Ihre Augen waren roth und ihre Lippen zitterten vor Erregung, als sie das sagte. Ich war so bestürzt von dem, was ich hörte, daß ich kaum wußte, in welchen Stuhl ich mich setzen sollte.

Sie deutete auf einen Sessel am Tische, wo sie selbst saß und wollte eben weiter sprechen, als der Anwalt ihr ins Wort fiel.

»Regen Sie sich nicht auf, Madame,« sagte er, sondern überlassen Sie es mir, den Mann mit dem Thatbestand bekannt zu machen. Corrigiren Sie mich, wenn sich in meinen Angaben Irrthümer finden sollten.«

Meine Herrin lehnte sich im Stuhle zurück und bedeckte ihr Gesicht mit einem Taschentuche. Der Anwalt begann nach kurzer Pause:

»Sie wissen, unter welchen Umständen Ihr Herr das Haus verlassen hat und ohne Zweifel ist Ihnen auch bekannt, daß er seitdem keine Nachricht von sich gegeben hat?«

Ich verbeugte mich und bestätigte, daß meine Kenntniß der Verhältnisse so weit reiche.

»Erinnern Sie sich,« fuhr er fort, »daß Sie Madame Smith vor fünf Tagen einen Brief einhändigten?«

»Ja, Herr,« entgegnete ich, »einen Brief, der sie sehr aufzuregen schien.«

»Ja, will Ihnen den Brief vorlesen, ehe wir weiter sprechen,« sagte der Advocat, »aber ich muß Sie vorher darauf aufmerksam machen, daß der Schreiber die Beschuldigungen, die er darin gegen Ihren Herrn erhebt, nicht durch die Unterschrift seines Namens verbürgt hat. Ich habe Madame Smith gewarnt, nicht zu große Wichtigkeit auf eine anonyme Zuschrift zu legen und ich thue das auch Ihnen gegenüber.«

 

Damit nahm er einen Brief vom Tische und las mir denselben laut vor. Man gab mir späterhin eine Copie dieses Briefes und ich habe sie so oft gelesen, daß ich jetzt im Stande bin, den Inhalt Wort für Wort zu wiederholen. Er lautete:

»Madame! Ich kann es nicht über’s Herz bringen, Sie in Ungewißheit über das abscheuliche Benehmen Ihres Mannes zu lassen. Wenn Sie sich über seine Abwesenheit gegrämt haben, so thun Sie das ferner nicht, sondern wünschen Sie vielmehr, daß Sie ihn niemals von Angesicht zu Angesicht wiedersehen mögen. Ich schreibe in großer Eile, denn ich muß fürchten, beobachtet zu werden, und so fehlt es mir an Zeit, Sie auf Das, was ich zu sagen habe, gehörig vorzubereiten. Ich muß es grade heraus sagen, obgleich es mir um Ihretwillen sehr leid thut, daß Ihr Mann eine Andere geheirathet hat. Ich bin bei der Trauung gegenwärtig gewesen, ohne daß er es wußte. Wäre ich nicht Augenzeuge, so würde ich niemals davon gesprochen haben. Was ich bin, kann ich Ihnen nicht sagen, denn ich weiß, daß Herr James Smith nichts scheuen würde, um sich an mir zu rächen, wenn er je erfahren sollte, welchen Schritt ich gethan und auf welche Weise ich in Besitz seines Geheimnisses gekommen bin. Auch habe ich nicht Zeit, Ihnen genauere Nachricht zu geben. Ich wollte Ihnen nur sagen, was geschehen ist und muß es Ihnen überlassen, welchen Gebrauch Sie davon machen wollen. Vielleicht glauben Sie meinen Worten nicht, weil ich meinen Namen nicht nenne. In diesem Falle kann ich Ihnen nur den Rath geben, Herr Smith, wenn er je wieder in Ihre Nähe kommt, zu fragen, was er mit seiner neuen Frau gemacht hat. Sie werden dann an seinem Benehmen sogleich bemerken, daß die Wahrheit gesprochen hat.

Ihr unbekannter Freund.

Ich gestehe, daß ich, so gering meine Meinung von Herrn Smith auch war, dennoch nicht an die Wahrheit der Beschuldigung zu glauben vermochte, die man in diesem Briefe aussprach.

»O, Herr,« sagte ich, nachdem der Anwalt geendigt, »das ist eine Verleumdung, ich kann nicht daran glauben«

»Das habe ich auch Ihrer Herrin gesagt,« entgegnete er, »indessen sie behauptet …«

»Ich fühle nur zu gut, daß Alles wahr ist,« sagte Frau Smith hinter ihrem Tuche mit halb erstickter Stimme.

»Nun, wir wollen darüber nicht streiten,« entgegnete der Notar. »Unsere nächste Pflicht ist es, die Wahrheit oder Unwahrheit dieses Briefes zu beweisen. Ich habe deshalb an einen meiner Secretäre – einen Mann, der in der Behandlung so zarter Angelegenheiten sehr geschickt ist – geschrieben, daß er ohne Zeitverlust hierher kommen soll. Er ist vollkommen zuverlässig und wird sofort die nöthigen Schritte einleiten. Damit kein Irrthum möglich ist, wird es aber nothwendig sein, daß Jemand, der Herrn Smith genau kennt, den Mann begleitet, und Ihre Herrin hat Sie dazu vorgeschlagen, William. So umsichtig die Nachforschungen nun aber auch betrieben werden mögen, so sind sie doch voraussichtlich nicht ohne großen Aufwand von Mühe und Zeit zu bewerkstelligen Vielleicht ist eine längere Reise nöthig, vielleicht geht es selbst nicht ohne persönliche Gefahr ab, und es ist nun die Frage, ob Sie sich aus Liebe und Anhänglichkeit für Ihre Lady alledem aussetzen wollen.

»Ich werde Alles thun, was in meinen Kräften steht, um meiner Herrin zu dienen, Herr,« sagte ich. »Ich fürchte nur, daß ich nicht gewandt genug bin, um von Nutzen sein zu können – Mühe und Gefahr aber sollen mich gewiß nicht zurückschrecken.

Frau Smith nahm jetzt das Taschentuch von ihrem Gesicht, blickte mich mit thränengefüllten Augen an und reichte mir die Hand. Ich faßte diese Hand und küßte sie, um im nächsten Moment über meine eigne Kühnheit zu erschrecken.

»Ich denke, Sie sind der rechte Mann, William,« sagte der Notar, indem er mit dem Kopfe nickte. »Sorgen Sie nicht, daß Sie der Aufgabe etwa nicht gewachsen wären – mein Secretär hat Kopf genug für zwei. Sonst habe ich Ihnen nur noch zu bemerken, daß der Inhalt des Briefes, den ich Ihnen mitgetheilt, sowie überhaupt die ganze Angelegenheit ein tiefes Geheimniß bleiben muß. Außer uns Dreien und Herrn Meeke, den Frau Smith brieflich von der Sache unterrichtet hat, darf Niemand etwas ahnen. Meinen Secretär werde ich, sobald er ankommt, selbst mit der Angelegenheit bekannt machen, und sobald Sie mit ihm das Haus verlassen haben, können Sie auch mit ihm davon sprechen, sonst aber mit Niemand.«

Mit diesen Worten war ich entlassen.

Der Secretär des Anwalts ließ nicht lange auf sich warten. Er kam mit umgehender Post, doch hatte ich mich in meinen Erwartungen in Bezug auf seine Persönlichkeit sehr getäuscht. Ich hatte mir ihn, nach den Andeutungen seines Prinzipals, als einen ernsten, steifen, zurückhaltenden Mann mit schlauem, forschendem Blick vorgestellt, und fand einen kleinen, beweglichen, wohlbeleibten Herrn mit einem ansehnlichen Doppelkinn glänzenden, schwarzen Augen und einer ziemlich dicken Nase, deren Färbung auf heitere gesellige Gewohnheiten ihres Besitzers hinzudeuten schien.

Er trug einen schwarzen Anzug und eine weiße Cravatte, nahm beständig Schnupftabak aus einer großen Dose, legte, wenn er im Zimmer auf und ab ging, die Hände auf den Rücken und machte im Ganzen mehr den Eindruck eines lebenslustigen Pfarrers, als eines Mannes der Justiz.

»Guten Tag, wie geht es Ihnen?« sagte er als ich ihm die Thür öffnete. »Ich bin der Mann, den man von London erwartet. Wollen Sie meine Ankunft sogleich melden. Ich werde mich hier niedersetzen, bis Sie zurückkommen – und junger Mann, wenn Sie hier im Hause etwas hätten, wie ein Glas Ale, so glaube ich wirklich, daß ich das trinken würde.«

Ich gab ihm Ale, bevor ich ihn meldete. Als er das Glas an die Lippen setzte, blinzelte er freundlich mit den Augen.

»Ihre Gesundheit, Mann,« sagte er, »Ihr Ale ist vortrefflich. Sie wissen wohl, daß mein Name Dark ist, nun hören Sie – lassen Sie den Krug und das Glas hier, für den Fall, daß ich warten müßte.«

Ich that wie er wünschte, meldete ihn dann bei seinem Prinzipal und erhielt den Auftrag, ihn in die Bibliothek zu führen. Als ich in die Halle zurückkam, fand ich den Krug leer und Herrn Dark beschäftigt, mit großem Geräusch eine Prise Schnupftabak in die Nase zu ziehen. Er hatte mehr als ein Maaß vom stärksten alten Ale getrunken und dies schien ungefähr den Effekt auf ihn hervorgebracht zu haben, als hätte er eben so viel Wasser zu sich genommen.

Ich führte Herrn Dark nach dem Bibliothekzimmer und als man mir eine halbe Stunde später klingelte, fand ich den sonderbaren Mann zwischen seinem Principal und meiner Herrin sitzen. Letztere betrachtete ihn offenbar mit Erstaunen, Letzterer mit Befriedigung. Herr Dark hielt ein Notizbuch auf seinen Knieen, in der Hand einen Bleistift Seinem Gesicht nach zu urtheilen, hatte die Mittheilung des Geheimnisses nicht den mindesten Eindruck auf ihn gemacht.

»Ich habe eine Frage an Sie zu richten,« sagte er. »Als Sie damals zu spät nach dem Hafen kamen und Ihres Herrn Yacht nicht mehr fanden, hörten Sie da vielleicht, nach welcher Richtung er gesegelt wäre. Etwa nördlich nach der schottischen Küste hin?«

»Ja,« sagte ich, »die Schiffer, die ich befragte, sagten mir das.«

»Gut,« erwiderte Herr Dark, und sich seinem Prinzipal zuwendend, fügte er hinzu: »Ich glaube, daß ich jetzt weiß, was zu wissen nöthig ist.«

Der Notar sah meine Herrin an und diese nickte zustimmend. Dann wandte er sich zu mir.

»Packen Sie Ihren Mantelsack für die Reise, William,« sagte er, »und halten Sie einen Wagen bereit, der Sie und Herrn Dark zur nächsten Poststation bringen kann.«

»Und was auch die Zukunft bringen mag, William,« fügte die Lady mit vor Bewegung zitternder Stimme hinzu, glauben Sie, daß ich niemals den Beweis von Anhänglichkeit vergessen werde, den Sie mir geben. Es ist mir in diesem entsetzlichen Falle eine Beruhigung, zu wissen, daß ich mich aus Ihre Treue verlassen kann – auf Ihre Treue und den außerordentlichen Scharfsinn und die Erfahrung des Herrn Dark.«

Herr Dark schien das Compliment nicht zu hören. Er schrieb eifrig in seinem Notizbuche. Eine Viertelstunde, nachdem ich das Anspannen des Wagens bestellt und meine eiligen Reisevorbereitungen gemacht hatte, fand ich ihn bereits in der Halle auf mich warten. Er saß auf demselben Stuhle, auf dem er sich bei seiner Ankunft niedergelassen, und hatte einen Krug von demselben alten Ale vor sich aus dem Tische stehen.

»Haben Sie einige Angelruthen im Hause?» fragte er, als ich meinen Reisesack niederlegte.

«Ja,« entgegnete ich erstaunt über die Frage. »Aber was wollen Sie damit.«

»Packen Sie zwei Stück ein,« sagte Herr Dark, »aber vollständig mit Schnüren, Haken und Fliegenschachtel. Dann trinken Sie ein Glas Ale, ehe wir aufbrechen, William, und wundern Sie sich nicht gar so sehr. Wenn wir erst aus dem Hause sind, will ich Ihnen Alles erzählen. Jetzt besorgen Sie die Angelruthen, denn in fünf Minuten müssen wir unterwegs sein.«

Als ich mit den Angelruthen zurückkam, fand ich Herrn Dark bereits im Wagen. »Geld, Gepäck, Angelruthen, Adressen, Copie des anonymen Briefes, Reisehandbuch, Karte,« murmelte er, indem er in Gedanken noch einmal die Dinge musterte, die er für die Reise brauchte. »Alles in Ordnung – also vorwärts!»

Ich nahm die Zügel und fort ging es. Als wir die Front des Schlosses passirten, bemerkte ich, daß Madame Smith und Josephine uns aus den Fenstern des ersten Stockwerkes nachsahen und die Erinnerung an diese beiden aufmerksamen Gesichter, das eine so betrübt und so gut, das andere lächelnd und boshaft, verfolgte mich mehrere Tage.

»Nun, William,« begann Herr Dort, als wir Darrock-Hall hinter uns hatten, »will ich Ihnen sagen, was Sie sind. Sie sind Commis in einem Bankgeschäft und ich bin ebenfalls ein solcher. Wir haben Ferien und machen eine Reise durch Schottland, um die Gegend zu sehen, Seeluft zu athmen und womöglich hier und da ein wenig zu angeln. Ich bin der fette Cassirer, der gewöhnt ist, in Kasten mit Gold zu wühlen. Sie sind der Buchhalter, der hinter mir am Pulte sitzt und ungeheure Additionsexempel rechnet. Schottland ist ein herrliches Land, William. Können Sie Whisky-Punsch machen? Ich meines Theils verstehe es – und, was vielleicht mehr ist, ich verstehe ihn auch zu trinken.«

»Schottland?« entgegnete ich. »Gehen wir denn nach Schottland?«

»Frage gegen Frage,« entgegnete Herr Dark, »warum machen wir die Reise überhaupt?«

»Um meinen Herrn zu suchen und zu sehen, ob sich das, was man in dem Briefe schrieb, wirklich so verhält,« antwortete ich.

»Sehr gut, und wie würden Sie es anfangen, um zu diesem Ziele zu gelangen?«

»Ich würde nach Stockholm gehen, wohin er seine Briefe schicken ließ, und würde dort nach ihm forschen.«

»Ja der That, würden Sie dass« sagte Herr Dark. »Wenn Sie ein Schäfer wären, William, und Sie hätten in Cumberland ein Schaf verloren, würden Sie dann anfangen, am Ende der Provinz nach ihm suchen, oder würden, Sie erst ein wenig mehr in der Nähe nachforschen?«

»Sie wollen sich einen Spaß mit mir machen,« entgegnete ich ein wenig gereizt.

»Das ist durchaus meine Absicht nicht,« sagte Herr Dark. »Ich will Sie nur aufklären, »wie ich versprochen habe. Hören Sie mich also, William, und profitiren Sie davon, so viel Sie können.

Herr James Smith sagte, wie Sie wissen, er ginge nach Schweden, und um das wahr zu machen, fängt er damit an, nach Norden, d. h. nach der Küste von Schottland zu segeln. – In welcher Art von Fahrzeug machte er die Reise? – In einer Yacht. Ist eine Yacht darauf eingerichtet, lebendiges Vieh an Bord zu nehmen? – Nein. – Kann man geschlachtetes Fleisch auf einer Reise von Cumberland nach Schweden in genießbarem Zustande erhalten? – Nein. – Würde ein Gentleman von der Art des Herrn Smith sich entschließen, von Salzfleisch zu leben? – Was folgt aus diesem dreifachen Nein? – Daß Herr Smith irgendwo auf dem Wege nach Schweden angelegt haben muß, um sich mit frischen Provisionen zu versorgen. – Wo muß er in diesem Falle ans Land gegangen sein? – Irgendwo an der schottischen Küste, vorausgesetzt, daß er seinen Cours nicht geändert hat, nachdem er den Hafen verlassen.– Wo in Schottland kann das gewesen sein? – Nördlich an der Küste des Festlandes oder westlich an einer der Inseln. Wahrscheinlich am Festlande, denn die Plätze an dieser Küste sind bedeutend genug, daß er sicher sein konnte, Alles zu finden, was er für die Fahrt brauchte. – Was ist also unsere nächste Aufgabe? – Nicht ein Glied aus der Kette der Wahrscheinlichkeiten zu verlieren, indem wir einen der Plätze übersehen, wo er den Fuß ans Land gesetzt haben kann. Wir dürfen die Spur nicht aus den Augen Lassen, wenn wir hoffen wollen, unser Wild zu erreichen – nicht Geld und Zeit verschwenden, indem wir die Reise nach Schweden machen, ehe wir nicht wissen, daß er wirklich dort ist. Wo muß diese Reise also zunächst hingehen? Sicher nach der Nordküste von Schottland. – Was sagen Sie dazu, William? Ist meine Schlußfolgerung richtig oder hat mir Ihr altes Ale den Kopf verwirrt?«

 

Das Ale schien mir in der That unschuldig zu sein und ich sagte ihm das. Er schüttelte sich vor Lachen, nahm eine große Prise Tabak und meinte, daß er den Fall noch einmal im Kopfe durchgehen wolle, um sich zu versichern, daß er sich nirgends verrechnet hätte. Als wir die Poststation erreichten, war er mit dieser Aufgabe glücklich und zu seiner eigenen Zufriedenheit fertig und ich fand ihn nun bereit, das dortige Ale mit dem Ale in Darrock-Hall zu vergleichen. Wir ließen hier unsern Wagen zurück, der am andern Morgen durch einen Hausknecht nach Hause gebracht werden sollte, bestellten eine Postchaise, versorgten uns mit Brod, einer vorzüglichen Salami-Wurst und zwei Flaschen Sherry, Vorräthe, die in den Kasten und Taschen des Wagens untergebracht wurden, dann nahmen wir unsere Plätze ein und begaben uns auf die Reise, deren Ziel vorläufig noch ein unbekanntes war.

»Noch einen guten Rath, William,« sagte Herr Dark, indem er sich gemächlich in der Wagenecke zurechtrückte. »Schlafen Sie, wenn Sie können, denn ehe wir nicht Glasgow erreicht haben, ist an keine Nachtruhe zu denken.«

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