Kleine Novellen

Текст
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

III.

Als ich mich zu Nettlegrove Hall gegen Abend einfand, um Fräulein Laroche meine Fürsorge zuzuwenden, stieß ich auf den Widerspruch ihrer Tante.

Diese gute Dame hatte von der Anwesenheit des Hauptmanns Stanwick im Parke gehört und sie missbilligte es sehr, dass ihre Nichte ihn zu einem weiteren Verkehr ermutigt hatte. Sie hielt auch dafür, dass ich meine Pflicht versäumt hätte, indem ich den Hauptmann noch frei umhergehen lasse. Ich sagte ihr, dass ich, um zu handeln, nur auf den Rat kompetenter Leute warte, die am nächsten Tage eintreffen würden, um mit mir zu beraten; und ich tat mein Bestes, sie von der Zweckmäßigkeit der Schritte zu überzeugen, die ich inzwischen getan hatte. Fräulein Laroche ihrerseits war fest entschlossen, dem Versprechen treu zu bleiben, welches sie gegeben hatte. Wir brachten ihre Tante endlich dazu, unter gewissen Bedingungen nachzugeben.

»Ich kenne den Teil des Parkes, in dem die Zusammenkunft stattfinden soll,« sagte die alte Dame; »es ist der bevorzugte Spazierweg meiner Nichte. Wenn sie nicht in einer halben Stunde zu mir zurückgebracht worden ist, werde ich die Bedienten ausschicken, um sie in Schutz zu nehmen.«

Die Dämmerung trat ein, als wir den verabredeten Ort erreichten. Wir fanden dort bereits Hauptmann Stanwick; er war ungeduldig und misstrauisch, und es war nicht leicht, ihn über unsere Verzögerung zu beruhigen. Sein Wahnsinn schien jetzt mehr denn je hervorzutreten. Er hatte den Geist Varleighs während der vergangenen Nacht gesehen, oder doch geträumt, ihn zu sehen. Zum ersten Mal, sagte er, habe die Erscheinung des toten Mannes zu ihm gesprochen. In feierlichen Worten habe er ihn dazu verurteilt, sein Verbrechen zu sühnen, indem er sein Leben für das Leben hingebe, das er geraubt habe. Er habe ihn gewarnt, nicht auf einer Verheiratung mit Bertha Laroche zu bestehen. »Sie soll Ihre Strafe teilen, wenn sie Ihr Leben teilt. Und Sie werden es an diesem Zeichen erkennen — sie soll mich sehen, wie Sie mich sehen.«

Ich versuchte, ihn zu beruhigen. Er schüttelte den Kopf in starrer Verzweiflung. »Nein,« antwortete er; »falls sie ihn sieht, wenn ich ihn sehe, so hört die einzige Hoffnung auf Erlösung auf, die mich an das Leben fesselt. Wir müssen uns dann Lebewohl sagen, ein Lebewohl für immer!«

Während wir sprachen, waren wir weiter zu einem Teile des Parkes gegangen, durch den ein Bach mit klarem Wasser floss. Am jenseitigen Ufer führte das unbepflanzte Gelände in ein waldiges Tal hinab. Am diesseitigen Ufer des Baches erhob sich eine dichte Anpflanzung von Tannen, die von einem gewundenen Pfade durchschnitten wurde. Hauptmann Stanwick blieb stehen, als wir diese Stelle erreichten. Seine Augen hefteten sich in der zunehmenden Finsternis auf den schmalen Zwischenraum, den der Pfad zwischen den Bäumen bildete. Plötzlich erhob er die rechte Hand mit demselben Schmerzensschrei, den wir früher gehört hatten, mit der linken fasste er Fräulein Laroche am Arme. »Dort!« sagte er. »Sehen Sie dorthin, wohin ich blicke! Sehen Sie ihn dort?«

Als diese Worte über seine Lippen kamen, wurde eine nicht deutlich zu erkennende Gestalt sichtbar, welche den Pfad entlang auf uns zukam.

War es die Gestalt eines lebenden Menschen, oder war es nur ein Gebilde meiner eignen erregten Phantasie? Ehe ich diese Frage tun konnte, schritt der Mann näher auf uns zu. Der letzte Strahl des scheidenden Lichtes fiel durch eine Öffnung in den Bäumen auf sein Gesicht. In demselben Augenblicke fuhr Fräulein Laroche mit einem Schrei des Entsetzens vor Hauptmann Stanwick zurück. Sie würde zur Erde gefallen sein, wenn ich nicht nahe genug gewesen wäre, sie aufrecht zu halten. Hauptmann Stanwick war augenblicklich wieder an ihrer Seite. »Sprechen Sie!« rief er. »Sehen Sie ihn auch?«

Sie war gerade noch imstande, »Ja« zu sagen, als sie in meinen Armen in Ohnmacht fiel.

Er beugte sich über sie und berührte mit seinen Lippen ihre kalte Wange.

»Leben Sie wohl!« sagte er in einem Tone, der seltsamerweise plötzlich in die ausgesuchteste Zärtlichkeit überging. »Leben Sie wohl für immer!«

Er sprang über den Bach, überschritt den freien Raum und war in dem waldigen Tale jenseits bald unseren Blicken entschwunden.

Sowie er verschwand, kam auch die Erscheinung jenes anderen Mannes näher, ging schweigend an uns vorüber, sprang in einem Satze über den Bach und verschwand, wie die Gestalt des Hauptmanns vor ihm verschwunden war.

Ich war allein mit dem ohnmächtigen Mädchen geblieben. Nicht ein Laut, weder fern noch nah, unterbrach die Stille der herankommenden Nacht.

Nr. 5.
Herr Friedrich Darnel, Mitglied der Akademie der Wundärzte, bezeugt und sagt aus:

Ich bin gewohnt, in der freien Zeit, die mir die Pflichten meines Berufes lassen, mich mit dem Studium der Botanik zu befassen, wobei mir ein Freund und Nachbar zur Seite steht, dessen Neigungen in dieser Hinsicht den meinigen gleichen. Wenn ich eine oder zwei Stunden von der für meine Patienten bestimmten Zeit erübrigen kann, so gehen wir zusammen aus, Pflanzenproben zu suchen, Unser Lieblingsort ist der Hernewald. Er bietet dem Botaniker reiche Ausbeute und ist nur eine Meile von dem Dorfe entfernt, in dem ich wohne.

Anfangs Juli machten ich und mein Freund in dem Walde eine unerwartete und erschreckende Entdeckung. Wir fanden in der Lichtung einen Mann, der mit einer gefährlichen Wunde am Boden lag und allem Anscheine nach bereits tot war.

Wir trugen ihn in das Haus des Wildhüters am Saume des Waldes auf der unserem Dorfe nächstgelegenen Seite. Dieser war mit seinem Burschen ausgegangen, aber der leichte Wagen, in dem er in dem entfernteren Teile des Besitztums seines Herrn die Runde macht, befand sich im Hinterhause. Während mein Freund das Pferd anspannte, untersuchte ich die Wunde des Fremden. Sie war ihm kurz vorher erst beigebracht worden und ich bezweifelte, ob sie ihn wirklich getötet hatte. Mit Leinwand und kaltem Wasser, welches mir die Frau des Wildhüters darreichte, tat ich mein Möglichstes und dann brachten wir ihn vorsichtig auf dem Wagen in meine Wohnung. Ich wendete die nötigen Stärkungsmittel an, und überzeugte mich zu meiner Freude bald davon, dass die Lebenskräfte des Verwundeten wieder auflebten. Er war natürlich vollständig bewusstlos, aber die Tätigkeit des Herzens war deutlich wahrzunehmen, und ich fasste Hoffnung für seine Wiederherstellung. In einigen weiteren Tagen fand ich, dass diese durchaus gesichert sei; dann stellte sich das gewöhnliche Fieber ein.

Seiner Freunde wegen war ich genötigt, seine Kleider in Gegenwart eines Zeugen zu untersuchen. Wir fanden sein Taschentuch, seine Börse und seine Zigarrentasche, sonst aber nichts, weder einen Brief noch eine Visitenkarte. In seine Kleider waren nur Anfangsbuchstaben eingezeichnet. Es gab also nur ein Mittel, um seine Persönlichkeit festzustellen: zu warten, bis er wieder sprechen konnte. Als diese Zeit kam, gestand er mir, dass er sich absichtlich jeden Anhalts für die Feststellung seiner Person in der Besorgnis entäußert habe, dass im Falle eines Unfalls, der ihm zustoße, die Nachricht darüber seinen Eltern ohne Vorbereitung durch die Zeitungen zukommen möchte. Er habe an seinen Bankier in London einen Brief geschickt, der an seine Eltern befördert werden sollte, wenn jener innerhalb Monatsfrist ihn weder sähe noch von ihm höre. Sein Erstes war, diesen Brief zurückzuziehen. Die übrigen Einzelheiten, die er mir mitteilte, sind, wie ich höre, bereits bekannt. Ich habe nur noch hinzuzufügen, dass ich gern sein Geheimnis bewahrt habe, indem ich in der Nachbarschaft von ihm nur als von einem Reisenden aus der Fremde sprach, dem hier ein Unfall begegnet sei.

Seine Genesung ging nur langsam von statten. Es war bereits Anfang Oktober, als seine Gesundheit gänzlich wiederhergestellt war. Als er uns verließ, ging er nach London. Er benahm sich sehr freigebig gegen mich, und wir schieden voneinander mit den besten Wünschen auf beiden Seiten.

Nr. 6.
Herr Lionel Varleigh von Boston in den Vereinigten Staaten von Nordamerika bezeugt und sagt aus:

Mein erster Schritt nach meiner Genesung war der, zu den Verwandten des Hauptmanns Stanwick in London zu gehen, um bei ihnen Erkundigungen über ihn einzuziehen. Ich will mich nicht auf Kosten dieses unglücklichen Mannes rechtfertigen. Es ist wahr, ich liebe Fräulein Laroche zu sehr, um sie, außer, wenn sie es selbst wünschte, einem anderen zu überlassen. Es ist ferner wahr, dass Hauptmann Stanwick mich mehr als einmal gröblich beschimpfte und ich dies ruhig hinnahm. Er hatte schwer an einem Sonnenstich gelitten, der ihn in Indien befiel, und in Augenblicken der Erregung konnte er kaum für seine Handlungen verantwortlich gemacht werden. Erst als mir ein tätlicher Angriff von seiner Seite drohte, ging mir die Geduld aus. Wir griffen zum Degen. Ich war fest entschlossen, sein Leben zu schonen; er aber hatte zweifellos die Absicht, mich zu töten. Ich habe ihm vergeben und will darüber nichts weiter sagen.

Seine Verwandten teilten mir mit, dass bei ihm nach dem Duelle die Symptome des Wahnsinns zu Tage getreten seien, dass er bisher in einer Irrenanstalt verwahrt worden, aber aus ihr entwichen sei, und dass es bisher nicht gelungen sei, seinen Aufenthalt zu ermitteln.

In dem Augenblicke, wo ich dies hörte, erfasste mich die Furcht, dass Stanwick wieder seinen Weg zu Fräulein Laroche gefunden haben könnte. Nach einer Stunde war ich auf dem Wege nach Nettlegrove Hall.

Ich kam dort spät abends an und fand Fräulein Laroches Tante in großer Unruhe um die Sicherheit ihrer Nichte. Die junge Dame war gerade in diesem Augenblicke im Park und im Gespräche mit Stanwick, und sie hatte nur einen älteren Herrn, den Pfarrer, zu ihrem Schutze bei sich.

 

Dies veranlasste mich, mich sogleich auf den Weg zu machen, um ihr auch meine Fürsorge angedeihen zu lassen. Ein Diener begleitete mich, um mir den Ort der Zusammenkunft zu zeigen. Wir hörten zwar undeutlich Stimmen, aber wir sahen niemand. Der Diener zeigte auf einen Pfad, der durch die Tannen führte. Ich selbst ging rasch vorwärts, während ich den Diener so weit zurückließ, dass ich ihn zu jeder Zeit herbeirufen konnte. In einigen Minuten bemerkte ich sie in geringer Entfernung an dem Ufer eines Baches. Die Furcht, Fräulein Laroche ernstlich zu erschrecken, wenn ich mich ihnen plötzlich zeigte, beraubte mich für einen Augenblick meiner Geistesgegenwart. Indem ich stehen bleibend überlegte, was zu tun sei, war ich durch die Bäume weniger verdeckt worden, als ich vermutet hatte. Fräulein Laroche hatte mich gesehen; ich hörte ihren Angstschrei. Einen Augenblick später sah ich Hauptmann Stanwick den Bach überspringen und die Flucht ergreifen. Dies brachte mich in Bewegung. Ohne mich aufzuhalten und ohne ein Wort der Erklärung zu sagen, verfolgte ich ihn. Unglücklicherweise glitt ich im Halbdunkel aus und fiel auf dem freien Raume jenseits des Baches zur Erde. Als ich wieder auf meinen Füßen stand, war Stanwick unter den Bäumen verschwunden, die die Grenze des Parkes vor mir bildeten. Ich konnte von ihm weder etwas sehen, noch hören, als ich auf die Landstraße hinausgekommen war. Ich traf dort einen Arbeiter, der mir den Weg nach dem Dorfe zeigte. Aus dem Wirtshause schrieb ich Fräulein Laroches Tante einen Brief, in dem ich ihr mitteilte, was sich zugetragen hatte, und sie um die Erlaubnis bat, am nächsten Tage in ihrer Wohnung vorsprechen zu dürfen.

Früh morgens kam der Pfarrer zu mir in das Wirtshaus und brachte traurige Nachrichten. Fräulein Laroche litt an einem nervösen Anfall und mein Besuch musste verschoben werden. Als wir sodann von dem vermissten Manne sprachen, erfuhr ich alles, was Herr Loring mir sagen konnte. Meine genaue Bekanntschaft mit Stanwick setzte mich in den Stand, aus den mitgeteilten Tatsachen meine Schlüsse zu ziehen. Sofort fuhr mir der Gedanke durch den Kopf, dass der Unglückliche vielleicht an derselben Stelle sühnenden Selbstmord begangen haben könnte, an der er versucht hatte, mich zu töten. Ich überließ dem Pfarrer, die erforderlichen Erkundigungen einzuziehen, und nahm Postpferde nach Maplesworth, um den Weg nach dem Hernewald einzuschlagen. Als ich von der Landstraße dem Walde zuschritt, sah ich in geringer Entfernung zwei Personen — einen Mann in dem Anzuge eines Wildhüters und einen jungen Burschen. Ich war zu sehr erregt, um von ihnen besondere Notiz zu nehmen; ich eilte auf dem Pfade vorwärts, der zur Lichtung führte. Meine Ahnung hatte mich nicht getäuscht. Dort lag er tot an dem Platze des Duells, und an seiner Seite lag ein blutbeflecktes Rasiermesser. Ich fiel an dem Leichnam auf die Knie; ich nahm seine kalte Hand in die meinige, und ich dankte Gott, dass ich ihm in den ersten Tagen meiner Wiedergenesung vergeben hatte.

Ich kniete noch nieder, als ich von hinten ergriffen wurde. Ich arbeitete mich wieder auf die Füße und stand dem Wildhüter gegenüber. Er hatte mich in den Wald eilen sehen, sein Verdacht war rege geworden, und er und sein Bursche waren mir gefolgt. An meinen Kleidern befand sich Blut, und in meinem Gesicht war Entsetzen ausgeprägt. Der Schein war deutlich gegen mich; ich hatte keine andere Wahl, als dem Wildhüter vor den nächsten Untersuchungsrichter zu folgen.

Die Weisungen, die ich meinem Verteidiger gab, untersagten es ihm, für meine Freisprechung in der Weise zu plädieren, dass er etwa gewohnheitsmäßige Einwendungen gegen das formelle Verfahren des Richters oder des Leichenbeschauers geltend mache. Ich bestand nur darauf, dass meine Zeugen auf das Bureau meines Verteidigers bestellt würden und dass ihnen gestattet werde, in ihrer Weise das anzugeben, was sie wahrheitsgemäß über mich auszusagen wüssten, und ich stellte es anheim, meine Verteidigung lediglich auf das so erlangte Beweismaterial zu stützen. Unterdessen wurde ich natürlich in Haft behalten. Damit erreichte das Trauerspiel des Duells seinen Höhepunkt: ich wurde angeklagt, den Mann ermordet zu haben, der versucht hatte, mir das Leben zu nehmen.

Mit dem Bericht dieses Vorfalles geht das, was in meinem Beitrag zur gegenwärtigen Erzählung erwähnenswert erscheint, zu Ende.

Es fand eine gerichtliche Verhandlung statt, wie dies nach Recht und Gerechtigkeit nicht anders sein konnte. Aber der Beweis, wie er durch die Vernehmung der Zeugen auf dem Bureau meines Verteidigers geführt wurde, war nur der Form, nicht aber dem Wesen nach ein anderer, wie der durch die Vernehmung der Zeugen vor dem Gerichtshof geführte. Meine Verteidigung befriedigte die Geschworenen so vollständig, dass sie gegen das Ende der Verhandlung ungeduldig wurden und ihren Wahrspruch auf Nichtschuldig abgaben, ohne zu einer längeren Beratung sich zurückzuziehen.

Es ist gewiss unnötig, mich dabei aufzuhalten, welchen Gebrauch ich zuerst von meiner ehrenvollen Freisprechung machte. Ob ich den beneidenswerten Platz, den ich in Berthas Meinung behauptete, verdient habe, darüber steht mir ein Urteil nicht zu. Ich will die Entscheidung darüber der Dame überlassen, die nun aufgehört hat, Fräulein Laroche zu sein — ihr, die so liebenswürdig gewesen ist, meine Frau zu werden.


Die Heirat wider Willen.
(Mr. Cosway And The Landlady.)

Aus dem Englischen.

von

Peter Butzer

I.

Die Gäste würden sich über ihren Besuch im Landhause des Baron Peter gefreut haben — wäre nicht Herr Cosway gewesen.

Und was die Sache noch schlimmer machte, nicht Herr Cosway war es, sondern die Gäste, die zu tadeln waren. Sie wiederholten in größerem Maßstabe die alte Geschichte von Adam und Eva. Die Frauen sündigten zuerst, und sie waren es, die dann die Männer verführten.

Herr Cosways schlimmster Feind hätte nicht leugnen können, dass er ein schöner, wohlerzogener, anspruchsloser Mann war. Kein Geheimnis irgendwelcher Art heftete sich an seine Person. Er hatte den Dienst in der Marine als seinen Beruf erwählt — war dessen aber nach einer Dienstzeit von einigen Jahren überdrüssig geworden — und lebte nun von dem bescheidenen Einkommen, das ihm nach dem Tode seiner Eltern zuteil geworden war. Aus diesem wenig versprechenden Material baute nun die lebhafte Phantasie der Frauen einen Roman auf. Die Männer machten nur die Wahrnehmung, dass Herr Cosway ziemlich schweigsam und gedankenvoll sei, dass er es mit dem Lachen nicht eilig habe und dass er lange Spaziergänge allein zu machen pflege.

Harmlose Gewohnheiten sicherlich!

Und doch erregten sie die Neugier der Frauen als Zeichen eines Geheimnisses in Cosways vergangenem Leben, in dem irgendein unbekanntes, geliebtes Wesen eine Hauptrolle gespielt haben musste.

Natürlich näherte sich ihm weiblicher Einfluss vorsichtig auf Umwegen und versuchte, ihn dazu zu bringen, sein Herz zu öffnen und die Geschichte seines Kummers zu erzählen. Aber mit vollendeter Höflichkeit wies er die Neugier zurück und behielt das vermutete Geheimnis für sich. Das schönste Mädchen im Hause wäre bereit gewesen, mit seinem Vermögen sich ihm zum Troste anzubieten, wenn dieser unergründliche Junggeselle sie nur in sein Vertrauen hätte ziehen wollen. Er lächelte traurig und ging im Gespräche auf einen anderen Gegenstand über.

Nachdem die Frauen in ihren Hoffnungen bis jetzt getäuscht worden waren, nahmen sie zu einem anderen Hilfsmittel ihre Zuflucht.

Einer der im Hause sich aufhaltenden Gäste, ein ehemaliger Offizier in der Marine und ein Kamerad Cosways war sein intimer Freund. Dieser wurde nun ebenfalls in vorsichtiger Weise ausgeforscht, wie es bereits bei seinem Freunde erfolglos geschehen war. Mit unerschütterlicher Gemütsruhe aber verwies er die Damen, eine nach der anderen, an Herrn Cosway. Sein Name war Stein, und die Damen waren der Meinung, dass er dieses Namens würdig sei.

Das letzte Hilfsmittel, das unseren schönen Freundinnen übrig blieb, war, das schlummernde Interesse der Männer zu wecken und dem intimen Verkehr des Rauchzimmers die Aufklärung zu überlassen, die sie auf andere Weise nicht zu erlangen vermochten.

Bei der Ausführung dieses Vorhabens verdankten sie den außerordentlichen Erfolg, der ihre Anstrengungen belohnte, einer günstigen Lage der Dinge im Hause: die Jagd war unergiebig, der Billardtisch wurde einer Ausbesserung unterzogen, und unter den Gästen gab es nur zwei wirklich geschickte Whistspieler. In einer solchen Atmosphäre der Langeweile wurden die Männer nicht allein von der Neugier der Frauen ergriffen, nein, sie zeigten sogar das Verlangen, dem Geschwätz der Dienstbotenstube zu lauschen, das dann von den Kammerjungfern auch ihren Herrinnen hinterbracht wurde.

Es dauerte nicht lange, und die Folgen einer solchen wirklich niedrigen Gesinnung zeigten sich deutlich.

Wäre nicht ein günstiges Ereignis eingetreten, so würde Herr Cosway, als er an einem Morgen die Gesellschaft beim Frühstück traf, wahrgenommen haben, bis zu welchem Grade von unanständiger Neugier Müßiggang und Torheit auch solche Leute führen kann, die zu den Gebildeten gezählt sein wollen. Die Zeitungen liefen ein, ehe noch die Gäste sich vom Tische erhoben hatten. Baron Peter überreichte eine davon der Dame, die ihm zur Rechten saß.

Es bedarf nicht der Erwähnung, dass sie zuerst nach der Liste der Geburten, Sterbefälle und Heiraten sah; dann aber wandte sie sich zu den allgemeinen Neuigkeiten — Feuersbrünsten, Unglücksfällen, Reisen von Personen aus höheren Ständen u.s.w. Nach einigen Minuten ließ sie die Zeitung unwillig in den Schoß fallen.

»Hier ist noch ein unglücklicher Mann« sagte sie, »der der Dummheit der Frauen geopfert worden ist! Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, ich würde die Kunst des Schwimmens dazu benutzt haben, mich zu retten, und hätte es den Frauen überlassen, auf den Grund des Stromes zu fahren, wie sie es verdienten!«

»Vermutlich ein Unfall auf einem Boote?« sagte Baron Peter.

»Ach ja — die alte Geschichte. Ein Herr nimmt zwei Damen in ein Boot. Diese werden nach einer Weile unruhig und fühlen das unsinnige Verlangen, die Plätze zu wechseln. Das Boot stürzt natürlich um, und der arme Mann, der sie zu retten versucht, ertrinkt mit ihnen trotz

aller seiner Anstrengungen. Abscheulich! Abscheulich!«

»Sind Namen genannt?«

»Ja. Sie sind mir alle fremd; ich spreche nur von der Sache.«

Indem die Dame derart ihre Meinung äußerte, händigte sie unwillig die Zeitung an Cosway aus, der ihr zufällig am nächsten saß. »Als Sie in der Marine dienten« fuhr sie fort, »war sicherlich Ihr Leben auch der Gefahr ausgesetzt, wenn Sie Frauen ins Boot nahmen. Lesen Sie es selbst und lassen Sie sich’s für die Zukunft zur Warnung dienen.«

Herr Cosway überblickte den Bericht des Vorfalls — und tat das romantische Geheimnis seines Lebens in dem ergebungsvollen Ausruf kund: »Gott sei Dank, meine Frau ist ertrunken!«

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»