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Kontrovers-Predigt über H. Clauren und den Mann im Mond

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Rechne man es nicht uns zur Schuld, wenn wir Schändlichkeiten aufdecken, die jahrelang gedruckt zu lesen sind. Eine junge Dame kömmt eines Tages auf Claurens Zimmer. Sie klagt ihm nach einigen Vorreden, daß sie zwar seit vierzehn Tagen verheiratet, und glücklich verheiratet, aber durch einen kleinen Ehebruch von einer Krankheit angesteckt worden sei, die ihr Mann nicht ahnen dürfe. H. Clauren erzählt uns, daß er der engelschönen Dame gesagt, sie sei nicht zu heilen, wenn sie ihm nicht den Grad der Krankheit et cetera zeige. Die Dame entschließt sich zu der Prozedur. Ich dächte, das Bisherige ist so ziemlich der höchste Grad der Schändlichkeit, zum mindesten ein hoher Grad von Frechheit, dergleichen in einem belletristischen Blatt zur Sprache zu bringen. Eine Dame, glücklich verheiratet, seit vierzehn Tagen ein glückliches Weib und Ehebrecherin! Aber nein! Der Faun hat hieran nicht genug; er ladet uns zu der Prozedur selbst ein; er rückt den Sessel ans Fenster, er setzt die Dame in Positur, er beschreibt uns von der Zehenspitze aufwärts seine Beobachtungen!!!

Ich wiederhole es, man kann von einem solchen Frevel nur zu sprechen wagen, wenn er offenkundig geworden ist, wenn man die Absicht hat, ihn zu rügen. Warum in einem öffentlichen Blatte etwas erzählen, was man in guter Gesellschaft nicht erwähnen darf? Aber das ist H. Clauren, der geliebte, verehrte, geachtete Schriftsteller, der Mann des Volkes. Schande genug für ein Publikum, das sich Schändlichkeiten dieser Art ungestraft erzählen läßt!

In die eben erwähnte Kategorie von berechnetem Augenreiz für Männer gehören auch die Situationen, in welchen wir oft die Heldinnen finden. Bald wird uns ausführlich beschrieben, wie Magdalis aussah, als sie zu Bette gebracht wurde, bald weidet man sich mit Herrn Stern an Doralicens Angst, zu zwei schlafen zu müssen, bald hört man Vally im Bade plätschern und möchte ihrer naiven Einladung dahin folgen, bald sieht man ein Kammermädchen im Hemde, das kichernd um Pardon bittet; der glühenden, durch alle Nerven zitternden Küsse, der Blicke beim Tanze abwärts auf die Wellenlinien der Tänzerinnen u. dgl. nicht zu gedenken; Honigworte für Leute, die nichts Höheres kennen als Sinnlichkeit, köstlich kandierte Zoten für einen verwöhnten Gaumen, treffliches Hausmittel für junge Wüstlinge und alte Gecken, die mit ihrer moralischen und physischen Kraft zu Rande sind, um dem Restchen Leben durch diese Reizmittel aufzuhelfen!

Ein zweites Reizmittel für Männer sind jene Zutaten, die den Gaumen kitzeln. "Heda, Kellner, hieher sechs Flaschen des brüsselnden Schaumweins! Ha, wie der Kork knallend an die Decke fährt! Eingeschenkt, laßt ihn nicht verrauchen! Jetzt für jeden zwei, drei Dutzend Austern draufgesetzt!" Ist diese Sprache nicht herrlich? Wird man nicht an Homer erinnert, der immer so redlich angibt, was seine Helden verspeisten; freilich gab er ihnen nur gewöhnliches "Schweinefleisch", und die Weinsorten rühmt er auch nicht besonders; aber ein Clauren ist denn doch auch etwas anderes als Homer; wer wollte es übel nehmen, wenn er die Korke fliegen läßt und Austern schmaust, fünfhundert Stück zum ersten Anfang?

Ich kannte einen jener bedauernswürdigen Menschen, die man in glänzendem Gewand, mit zufriedener Miene auf den Promenaden umherschlendern sieht. Ihr haltet sie für das glücklichste Geschlecht der Menschen, diese Pflastertreter; sie haben nichts zu tun und vollauf zu leben. Ihr täuschet euch; oft hat ein solcher Herr nicht so viel kleine Münze, um eine einfache Mittagskost zu bezahlen, und was er an großem Gelde bei sich trägt, kann man nicht wohl wechseln. Einen solchen nun fragte ich eines Tages: "Freund, wo speiset Ihr zu Mittag? Ich sehe Euch immer nach der Tafelzeit mit zufriedener Miene die Straße herabkommen, mit der Zunge schnalzend oder in den Zähnen stochernd; bei welchem berühmten Restaurant speiset Ihr?"

"Bei Clauren," gab er mir zur Antwort.

"Bei Clauren?" rief ich verwundert. "Erinnere ich mich doch nicht, einen Straßenwirt oder Garkoch dieses Namens in hiesiger Stadt gesehen zu haben."

"Da habt Ihr recht," entgegnete er; "es ist aber auch kein hiesiger, sondern der Berliner, H. Clauren—"

"Wie, und dieser schickt Euch kalte Küche bis hieher?"

"Kalte und warme Küche nebst etzlichem Getränke. Doch ich will Euch das Rätsel lösen," fuhr er fort; "ich bin arm, und was ich habe, nimmt jährlich gerade das Schneiderkonto und die Rechnung für Zuckerwasser im Kaffeehause weg; nun bin ich aber gewöhnt, gute Tafel zu halten; was fange ich in diesen Zeiten an, wo niemand borgt und vorstreckt? Ich kaufe mir alle Jahre von ersparten Groschen das herrliche Vergißmeinnicht von H. Clauren, und ich versichere Euch, das ist mir Speisekammer, Keller, Fischmarkt, Konditorei, Weinhandlung, alles in allem. Ihr müßt wissen, daß in solchem Büchlein auf zwanzig Seiten immer eine oder zwei, wie ich sie nenne, Tafelseiten kommen. Ich sehe mich mittags mit einem Stück Brot, zu welchem an Festtagen Butter kömmt, nebst einem Glase Wasser oder dünnem Biere an den Tisch, speise vornehm und langsam, und während ich kaue, lese ich im 'Vergißmeinnicht' oder in 'Scherz und Ernst.' Seine Tafelseiten werden mir nun zu delikaten Suppentafeln; denn mein Teller ist nicht mehr mit schlechtem Brot besetzt, meine Zähne malmen nicht mehr dieses magere Gebäck, nein, ich esse mit Clauren, und der Mann versteht, was gute Küche ist. Was da an Fasanen, Gänseleberpasteten, Trüffeln, an seltenen Fischen, an—"

"Genug!" fiel ich ihm ein; "und Eure Phantasie läßt Euch satt werden? Aber könntet Ihr hiezu nicht das nächste beste Kochbuch nehmen? Ihr hättet zum mindesten mehr Abwechslung."

"Ei, da ist noch ein großer Unterschied! Sehet, das versteht Ihr nicht recht; in den Kochbüchern wird nur beschrieben, wie etwas gekocht wird; aber ganz anders im Vergißmeinnicht; da kann man lesen, wie es schmeckt. Clauren ist nicht nur Mundkoch und Vorschneider, sondern er kaut auch jede Schüssel vor und erzählt: so schmeckte es; und wie natürlich ist es, wenn er oft beschreibt, wie diesem die Sauce über den Bart herabgeträufelt sei, oder wie jener vor Vergnügen über die Trüffelpastete die Augen geschlossen! Überdies hat man dabei den herrlichsten Flaschenkeller gleich bei der Hand, und wenn ich das Glas mit Dünnbier zum Munde führe, schiebt er mir immer im Geiste Trimadera, Bordeaux oder Champagner unter."

So sprach der junge Mann und ging weiter, um auf sein großes Claurensches

Traktement der Verdauung wegen zu promenieren.

Was ist Rumford gegen einen solchen Mann? sprach ich zu mir. Jener bereitet aus alten Knochen kräftige Suppen für Arme und Kranke; ist aber hier nicht mehr als Rumford und andere? Speist und tränkt er nicht durch eine einzige Auflage des "Vergißmeinnicht" fünftausend Mann? Wenn nur die Phantasie des gemeinen Mannes etwas höher ginge, wie wohlfeil könnte man Spitäler, ja sogar Armeen verproviantieren! Der Spitalvater oder der respektive Leutnant nähme das "Vergißmeinnicht" zur Hand, ließe seine Kompanie Hungernder antreten, ließe sie trockenes Kommisbrot speisen und würde ihnen einige Tafelseiten aus Clauren vorlesen.

Doch von solchen Torheiten sollte man nicht im Scherz sprechen; sie verdienen es nicht; denn wahrer, bitterer Ernst ist es, daß solche Niederträchtigkeit, solche Wirtshauspoesie, solche Dichtungen à la carte, wenn sie ungerügt jede Messe wiederkehren dürfen, wenn man den gebildeten Pöbel in seinem Wahn läßt, als wäre dies das Manna, so in der Wüste vom Himmel fällt, die Würde unserer Literatur vor uns selbst und dem Auslande, vor Mit- und Nachwelt schänden!

Doch ich komme, meine verehrten Zuhörer, noch auf einen andern Punkt, den man weniger Ingredienz oder Zutat, sondern Sauce piquante nennen könnte; das ist die Sprache. Man wirft nicht mit Unrecht den Schwaben und Schweizern vor, daß sie nicht sprechen, wie sie schreiben; aber wahrhaftig, es gereicht H. Clauren zu noch größerem Vorwurf, daß er so gemein schreibt, wie er gemein und unedel zu sprechen und zu denken scheint. Man hat in neuerer Zeit manches verschrobene und verschränkte Deutsch lesen müssen; waren es Wendungen aus dem fünfzehnten Jahrhundert, waren es Sätze aus einer spanischen Novelle, es wollte sich in unserer reichen, herrlichen Sprache nicht recht schicken. Ohrzerreißend waren auch die Kompositionen, die Voß nach Analogie Homer's vornahm; aber man kann Männer dieser Art höchstens wegen ihres schlechten Geschmacks bedauern, anklagen niemals; denn es lag dennoch ein schöner Zweck ihrem wunderlichen Handhaben der Sprache zugrunde. Was soll man aber von der geflissentlichen Gemeinheit sagen, womit der Erfinder der Mimilismanier seine Produkte einkleidet! König Salomo, wenn er noch lebte, würde diesen Menschen mit einem Freudenmädchen vergleichen. Sie geht einher im Halbdunkel, angetan mit köstlichen Kleidern, mit allerlei Flimmer und Federputz auf dem Haupte. Du redest sie an mit Ehrfurcht; denn du verehrst in ihr eine wohlerzogene Frau aus gutem Hause; aber sie antwortet dir mit wieherndem Gelächter, sie gesteht, sie müsse lachen, daß "sie der Bock stößt"; sie spricht in Worten, wie man sie nur in Schenken und auf blauen Montagstänzen hören konnte; sie enthüllt sich, ohne zu erröten, vor deinen Augen und spricht Zoten und Zötchen dazu. Wehe deinem Geschmack, wehe dir selbst und deinem sittlichen Wert, wenn dir nicht klar wird, daß die, welche du für eine anständige Frau gehalten, eine feile Dirne ist, bestimmt zum niedrigsten Vergnügen einer verworfenen Klasse!

Wozu ein langes Verzeichnis dieser Sprachsünden hieher setzen, da ja das Buch, über welches wir sprechen, der "Mann im Monde", ein lebendiges Verzeichnis, ein vollständiger Katalog seiner Worte, Wendungen, Farben und Bilder ist? Es ist die Sauce, womit er seine widerlichen Frikasseen anfeuchtet, und je mehr er ihr jenen echten Wildbretgeschmack zu geben weiß, der schon auf einer Art von Fäulnis und Moder beruht, desto mehr sagt sie dem verwöhnten Gaumen seines Publikums zu.

 

Noch ist endlich ein Zutätchen und Ingredienzchen anzuführen, das er aber selten anwendet, vielleicht weil er weiß, wie lächerlich er sich dabei ausnimmt; ich meine jene rührenden, erbaulichen Redensarten, die als auf ein frommes Gemüt, auf christlichen Trost und Hoffnung gebaut erscheinen sollen. Als uns der Fastnachtsball und das erbauliche Ende der Dame Magdalis unter die Augen kam, da gedachten wir jenes Sprichworts: "Junge H…n, alte Betschwestern"; wir glaubten, der gute Mann habe sich in der braunen Stube selbst bekehrt, sehe seine Sünden mit Zerknirschung ein und werde mit Pater Willibald selig entschlafen. Das Tornister-Lieschen, Vielliebchen und dergleichen überzeugten uns freilich eines andern, und wir sahen, daß er nur per anachronismum den Aschermittwoch vor der Fastnacht gefeiert hatte. Wie aber im Munde des Unheiligen selbst das Gebet zur Sünde wird, so geht es auch hier; er schändet die Religion nicht weniger, als er sonst die Sittlichkeit schändet, und diese heiligen, rührenden Szenen sind nichts anderes als ein wohlüberlegter Kunstgriff, durch Rührung zu wirken; etwa wie jene Bettelweiber in den Straßen von London, die alle Vierteljahre kleine Kinder kaufen oder stehlen und mit den unglücklichen Zwillingen seit zehn Jahren weinend an der Ecke sitzen.

Zum Schlusse dieses Abschnittes will ich euch noch eine kleine Geschichte erzählen. Es kam einst ein fremder Mensch in eine Stadt, der sich Zutritt in die gute Gesellschaft zu verschaffen wußte. Dieser Mensch betrug sich von Anfang etwas linkisch, doch so, daß man manche seiner Manieren übersehen und zurechtlegen konnte. Er hielt sich gewöhnlich zu den Frauen und Mädchen, weil ihm das Gespräch der Männer zu ernst war, und jene lauschten gerne auf seine Rede, weil er ihnen Angenehmes sagte. Nach und nach aber fand es sich, daß dieser Mensch seiner gemeineren Natur in dieser Gesellschaft wohl nur Zwang angetan hatte; er sprach freier, er schwatzte den Ohren unschuldiger Mädchen Dinge vor, worüber selbst die älteren hätten erröten müssen. Wie es aber zu gehen pflegt: das Lüsterne reizt bei weitem mehr als das Ernste, Sittliche; zwar mit niedergeschlagenen Augen, aber offnem Ohr lauschten sie auf seine Rede, und selbst manche Zote, die für eine Bierschenke derb genug gewesen wäre, bewahrten sie in feinem Herzen. Der fremde Mann würde der Liebling dieses Zirkels. Es fiel aber den Männern nach und nach auf, daß ihre Frauen über manche Verhältnisse freier dachten als zuvor, daß selbst ihre Mädchen über Dinge sprachen, die sonst einem unbescholtenen Kinde von fünfzehn bis sechzehn Jahren fremd sein müssen. Sie staunten, sie forschten nach dem Ursprung dieser schlechten Sitten, und siehe, die Frauen gestanden ihnen unumwunden: "Es ist der liebenswürdige, angenehme Herr, der uns dieses gesagt hat." Viele der Männer versuchten es mit Ernst und Warnung, ihn zum Schweigen zu bringen; umsonst, er schüttelte die Pfeile ab und plauderte fort. Die Männer wußten nicht, was sie tun sollten; denn es ist ja gegen die Sitte der guten Gesellschaft, selbst einen verworfenen Menschen die Treppe hinabzuwerfen. Da versuchte einer einen andern Weg. Er setzte sich unter die Frauen und lauschte mit ihnen auf die Rede des Mannes und merkte sich alle seine Worte, Wendungen, selbst seine Stimme. Und eines Abends kam er, angetan wie jener Verderber, setzte sich an seine Seite, ließ ihn nicht zum Worte kommen, sondern erzählte den Frauen nach derselben Manier, mit nachgeahmter Stimme, wie es jener Mann zu tun pflegte. Da fanden die Vernünftigeren wenigstens, wie lächerlich und unsittlich dies alles sei. Sie schämten sich, und als jener Mensch dennoch in seinem alten Ton fortfahren wollte, wandten sie sich von ihm ab; er aber stand beinahe allein und zog beschämt von dannen.

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