Ivanhoe

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Читает Detlef Eckstein, Gaby Gasser, Heinz Rabe, Hermann Nespech, Klaus Seibert, Peter Larsen, Peter Schiff
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Drittes Kapitel.



In einer Halle, deren geringe Höhe mit ihrer Länge und Breite gar kein rechtes Verhältnis hatte, stand ein langer, eichener Tisch, der aus roh behauenen Planken des nahen Waldes gefertigt und kaum ein wenig abgehobelt worden war. Auf dieser Tafel wurde bei Cedric dem Sachsen das Abendessen aufgetragen. Das Dach der Halle bestand aus Bohlen und Strohbelag. An jedem Ende war eine große Feuerstätte, da die Kamine aber sehr primitiv waren, so ging fast ebensoviel Rauch in das Gemach wie zum Schornstein hinaus. Von dem fortwährenden Qualm waren die Balken der Decke mit einem schwarzen Firnis von Ruß bedeckt. Die Wände waren mit Waffen und Jagdgerät behängt, und an jeder Ecke führten Flügeltüren in andere Teile dieses umfangreichen Gebäudes. Was sonst im Hause zu sehen war, entsprach gleichfalls der rohen Einfachheit der Sachsenzeit, an der Cedric festzuhalten entschlossen war. Der Vorsaal war aus Erde und Lehm, die miteinander vermengt und festgestampft waren nach Art von Scheunentennen. Etwa ein Viertel des Gemaches lag um eine Stufe höher, und dieser Teil, der sogenannte Baldachin, war für die Mitglieder der Familie und für vornehme Gäste bestimmt.



Quer über diesen Raum hinweg stand ein Tisch mit einer scharlachenen Decke; von seiner Mitte ging der längere und niedrigere Tisch aus, an dem in der Tiefe der Halle die Dienerschaft und die anderen geringeren Leute speisten. Auf der erhöhten Fläche standen massige Stühle von geschnitztem Eichenholz, und über Stühle und Tafel hin war ein Thronhimmel von Linnen gespannt, der die Plätze der Vornehmen ein wenig vor Wetter und Regen schützte, die oft durch das schadhafte Dach drangen. Und soweit der Thronhimmel reichte, waren die Wände dieses höher gelegenen Teiles der Halle mit Tapeten und Vorhängen bekleidet, und die Diele bedeckte ein Teppich. Plumpe Versuche der Web- und Stickkunst, in grellen, fast schreienden Farben ausgeführt, bildeten ihren Zierat. Über der niederen Tafel lag die kahle Decke, die mit Gips beworfenen Wände waren nackt, und der raue Boden hatte keinen Teppich. Auch war keine Decke über den Tisch gebreitet, und an Stelle der Stühle standen lange Bänke. Die beiden Mittelsitze der oberen Tafel waren ein wenig höher als die übrigen. Das waren die Plätze des Herrn und der Frau vom Hause, und neben beiden Sesseln stand auch zum äußeren Zeichen ihrer höheren Würde eine Fußbank von seltsamer, mit Elfenbein ausgelegter Schnitzerei.



Auf dem einen dieser Sessel saß jetzt Cedric der Sachse. Aus seinen Zügen sprach große Biederkeit, aber auch eine heftige, zornige Gemütsart. Er war nicht über Mittelgröße, aber breit in den Schultern und langarmig und stark gebaut, und man sah es ihm an, dass er an die Strapazen von Krieg und Jagd gewöhnt war. Er hatte ein breites Gesicht, große, blaue Augen, einen offenen, geradsinnigen Ausdruck, prächtige Zähne und einen hübsch geformten Schädel und war von jener Art froher Laune, die man oft im Verein mit einem vorschnellen, jähzornigen Gemüt antrifft. Sein Auge blitzte Stolz und Eifersucht, denn bisher war seines ganzen Lebens Arbeit darauf gerichtet gewesen, seine Rechte gegen beständige Angriffe zu verteidigen. Sein langes, blondes Haar war in der Mitte gescheitelt und von jeder Seite auf die Schulter herabgekämmt; es war noch kaum merklich mit Grau vermischt, obgleich Cedric der Sachse schon nahe den Sechzigern war. Er trug einen grasgrünen Leibrock, der an Hals und Ärmelaufschlägen mit Pelzwerk besetzt war. Dieser Kittel hing offen über einem engeren Rock von scharlachener Farbe, der den Leib fest umschloss. Beinkleider von derselben Farbe reichten nur bis an die Knie herab, die sie ganz frei ließen. An den Füßen trug er Sandalen, die vorn goldene Hefteln hatten. Seinen Leib umschlang ein mit Knöpfen reich besetzter Gürtel, in dem ein kurzes, nicht gebogenes, zweischneidiges Schwert fast senkrecht steckte. An Schmucksachen trug er ein goldenes Halsband und goldene Armbänder. Ein scharlachroter Mantel mit Pelzbesatz hing hinter seinem Sessel, und wenn er ausging, vervollständigte eine reich gestickte Mütze aus dem gleichen Stoff den Anzug des reichen Grundbesitzers. An der Lehne seines Stuhles stand ein Wurfspieß mit scharfer stählerner Spitze, den er je nach Bedarf als Spazierstock oder als Waffe gebrauchte. Mehrere Diener, in deren Tracht manche Abstufung von der reichen Kleidung ihres Herrn bis zur einfachen Gewandung Gurths des Schweinehirten zu erkennen war, standen seiner Befehle gewärtig. Ferner waren ein paar große, gefleckte Windspiele da, wie man sie zur Hatz auf Hirsch und Wolf braucht, dann ein paar Hunde von plumper, knochiger Art mit dickem Nacken und langen Ohren, und endlich noch ein paar kleine Dachshunde.



Cedric war eben nicht in gemütlicher Stimmung. Lady Rowena, die grade von einer Abendmesse zurückkam, wechselte ihre durchnässten Kleider. Noch war keine Nachricht gebracht worden, ob Gurth und seine Herde gut heimgekommen seien, und doch hätten sie schon längst da sein müssen. So wenig sicher war alle Habe, dass ihr Ausbleiben auf den Überfall einer Räuberbande, von denen es im Walde wimmelte, oder auf eine Gewalttat eines benachbarten Barons zurückgeführt werden konnte, der im Bewusstsein seiner Übermacht fremdes Eigentum nicht achtete. Hierin lag Grund genug zu ernster Besorgnis, außerdem aber verlangte es den sächsischen Thane nach seinem Liebling Wamba, dessen Späße ihm, wie sie auch ausfallen mochten, das Abendmahl und die darauf folgenden tüchtigen Becherzüge tagtäglich würzten.



»Warum weilt Gurth solange im Felde?« fragte er. »Ich fürchte, wir werden Schlimmes von der Herde hören. Mir ahnt schon – sie haben mir mein Eigentum weggetrieben und meinen treuen Sklaven ermordet. Und Wamba – wo ist Wamba? Sagte man mir nicht, er sei mit Gurth gegangen?«



Der Mundschenk Oswald, der ihm ab und zu einen silbernen Becher voll Wein reichte, bejahte die Frage.



»Immer besser! So haben sie ihn auch mit weggeschleppt, und der sächsische Narr soll nun den normannischen Herren dienen. Wir sind ja freilich allesamt nichts weiter als Narren, dass wir ihnen dienen, und sie könnten nicht mit mehr Recht unser spotten, wenn wir mit der Hälfte unseres Verstandes zur Welt gekommen wären. Aber ich will Rache nehmen,« rief er, indem er zornig von seinem Sitze aufsprang und seinen Speer ergriff. »Ich will Rache nehmen! Vor den hohen Rat will ich mit meiner Klage treten – ich habe Freunde und Anhang. Ich will den Normann zum Zweikampf in die Schranken rufen, Mann gegen Mann! Mag er nur kommen in Stahlpanzer und Schuppenketten und allem, was dem Feigen Mut verleiht. – Wohl mögen sie mich für alt halten, aber sie sollen sehen! Ob ich auch alt und kinderlos bin, noch fließt das Blut Herewards in den Adern Cedrics. – O, Wilfried, Wilfried!« fügte er in sanfterem Tone hinzu, »hättest du deine unkluge Leidenschaft zügeln können, so stände jetzt dein Vater in seinem Alter nicht da wie die einsame Eiche, die ihre zerzausten Zweige schutzlos dem vollen Sturme preisgeben muß.«



Diese Betrachtung schien ihn aus seiner Aufregung in Schwermütigkeit zu versenken, er stellte den Speer hin, setzte sich, schlug den Blick zur Erde und schien ganz in trübsinnige Gedanken vertieft. Aber aus dieser Grübelei schreckte ihn der Klang eines Zornes auf, den alle Hunde in der Halle und noch einige dreißig in den anderen Teilen des Geweses mit lautem Gebell erwiderten.



»Ans Tor, ihr Burschen!« rief der Sachse, als der Lärm soweit gestillt war, dass man wieder seine eigene Stimme verstehen konnte. – »Seht zu, was für Kunde uns dieses Horn bringt. Ich denke, Überfall und Räuberei auf meinem Grund und Boden!«



Nach einer kleinen Weile kam ein Aufseher zurück und meldete, der Prior Aymer von Jorlvaux und der Komtur des tapferen und ehrwürdigen Ordens der Tempelherren, der edle Ritter Brian de Bois-Guilbert nebst einem kleinen Gefolge bäten für diese Nacht um gastliche Herberge. Sie seien unterwegs zu einem Turnier, das in zwei Tagen unweit Ashby de la Zouche stattfinden soll.



»Aymer, Prior Aymer?« murmelte Cedric. »Brian de Bois-Guilbert? beides Normannen! Doch einerlei! Die Gastfreundschaft von Rotherwood muss hochgehalten werden – da sie es einmal vorgezogen haben hier Rast zu machen, so sind sie willkommen, willkommener freilich wäre es mir, sie zögen vorüber. Geh, Hundebert!« sagte er zu dem Hausverwalter, »nimm sechs von den Dienern mit und geleite die Fremden herein. Sieh nach den Pferden und Maultieren und sorge dafür, dass es dem Gefolge an nichts fehlt. Gib frische Kleider, wenn sie danach verlangen, und Feuer, Waschwasser, Wein und Bier! Sag auch den Köchen Bescheid, dass sie mehr Essen machen! Und den Fremden selber bestelle, Cedric würde sie gern selbst willkommen heißen, aber er habe ein Gelübde getan, sich keine drei Schritte von seinem Thronhimmel zu entfernen, sofern nicht ein Gast kommt, der aus sächsischem Königsblute stammt. Der Prior Aymer?« wiederholte er, sich zu seinem Mundschenk wendend, »man sagt, dieser Priester sei ein lustiger und freisinniger Mann, dem Becher und Hifthorn lieber seien als Betglöcklein und Messbuch. Den lern ich gern kennen. Wie aber hieß der Templer?«



»Brian de Bois-Guilbert.«



»Bois-Guilbert,« sagte Cedric vor sich hin wie einer, der viel mit Untergebenen zusammen ist und daher mehr mit sich selbst als mit anderen spricht. »Bois-Guilbert. – Der Name hat guten und schlimmen Klang weit und breit. Er soll an Tapferkeit keinem seines Ordens nachstehen, soll aber auch die gewöhnlichen Fehler seinesgleichen haben: Stolz und Hochmut, Grausamkeit und Wollust. Er soll weder Furcht vor der Welt noch Ehrfurcht vorm Himmel haben, wie die wenigen Krieger sagen, die aus Palästina wiedergekommen sind. Oswald, zapf ab vom ältesten Weine und gib vom besten Met, vom schäumendsten Cyder und füll die größten Trinkhörner! Templer und Äbte sind Freunde von gutem Tropfen und vollem Maß. Und du, Elgitha, sage deiner Herrin, wir erwarten sie heute Abend nicht in der Halle, wenn sie selbst nicht den besonderen Wunsch hat zu kommen.«

 



»Den Wunsch wird sie freilich wohl haben, denn sie hört gar zu gern etwas Neues aus Palästina,« beeilte sich Elgitha zu antworten. Cedric warf der vorlauten Zofe einen grimmigen Blick zu, aber Rowena und alles, was ihr angehörte, war vor seinem Zorne sicher.



»Palästina!« wiederholte der Sachse, als das Mädchen gegangen war. »Palästina! Wie manches Ohr lauscht den Berichten, die übertreibende Kreuzfahrer oder lügnerische Pilger aus diesem unglücklichen Lande mit heimbringen. – Auch ich möchte forschen, fragen, klopfenden Herzens den Märchen lauschen, mit denen uns pfiffige Wanderer die Gastfreundschaft abschwatzen. Doch nein! Der Sohn, der mir den Gehorsam verweigert hat, ist nicht mein Sohn, und ich will mich ebenso wenig um sein Schicksal bekümmern wie um das des Verworfensten unter all den Millionen, die das Kreuz auf der Schulter trugen und sich in Ausschweifung und Blutschuld stürzten unter dem Deckmantel, den Willen Gottes zu tun.«



Er kniff die Brauen finster zusammen und sah ein Weilchen zu Boden, und als er die Augen wieder aufschlug, waren die Flügeltüren in der Tiefe der Halle geöffnet, der Hausverwalter mit seinem weißen Stabe trat herein, vier Diener mit Fackeln folgten ihm, und hinterdrein schritten die Gäste dieses Abends.





Viertes Kapitel.



Prior Aymer hatte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sein Reitkostüm abzulegen und in einem Anzug aus feinerem Stoffe zu erscheinen, über dem er einen Chorrock mit prachtvoller Stickerei trug. Außer dem großen Siegelring, an dem sein Rang als Geistlicher zu erkennen war, hatte er, im Widerspruch zu den Ordensregeln, noch viele kostbare Ringe an den Fingern. Seine Sandalen waren aus feinstem Leder, und den Bart hatte er so zierlich gestutzt, als es sich nur irgend mit den Vorschriften vertrug. Die Tonsur wurde von einer scharlachroten Mütze verdeckt. Auch der Tempelherr erschien in anderem Kleide. Seine Erscheinung, weniger mit Schmuck überladen als sein Gefährte, machte einen gebieterischen Eindruck. Statt seines Panzerkleides trug er ein Untergewand aus purpurner Seide mit Pelz verbrämt, über den ein langes Oberkleid von fleckenloser Weiße in weiten Falten herabfiel. Das achteckige, aus schwarzem Samt geschnittene Kreuz seines Ordens war auf die Mantelachsel genäht. Er trug nicht mehr die hohe Scharlachmütze, seine Stirn war nur noch beschattet von seinem vollen, krausen, rabenschwarzen Haar, das ihn bei seinem ungewöhnlich dunkeln Teint gut kleidete. Sein Gang und seine Haltung wirkten majestätisch, nur ein auffallender Ausdruck des Hochmutes, wie er einem Manne von unbeschränktem Ansehen leicht zur zweiten Natur wird, beeinträchtigte ein wenig die imposante Wirkung. Hinter diesen beiden hohen Herren kamen die Diener, und in bescheidener Entfernung der Wegweiser, an dem nur das eine auffiel, dass seine Tracht von dem gebräuchlichen Habit der Pilger abwich. Ein grober Mantel umschloss den ganzen Körper. Derbe Sandalen waren mit Riemen an seine nackten Füße gebunden. Ein breiter Hut, der an der Krempe mit Muscheln besetzt war, und ein langer, eisenbeschlagener Stab vervollständigten die Ausstattung des Pilgers. Bescheiden schritt er hinter den anderen drein, und als er sah, dass an der niedrigen Tafel kaum Platz für Cedrics Dienerschaft war, zog er sich auf einen Sitz neben einem der breiten Kamine zurück und schien hier seine Kleider trocknen und so lange warten zu wollen, bis am Tisch ein Platz frei oder ihm der Haushofmeister Speise und Trank an seinen Platz bringen würde.



Cedric erhob sich und empfing seine Gäste mit aller Würde der Gastlichkeit. Er kam von seiner Thronerhöhung herab und ging ihnen drei Schritte entgegen, ihrer Ankunft harrend.



»Hochwürdiger Prior,« sagte er, »es tut mir leid, dass mich ein Gelübde bindet, auf der Diele meiner Väter irgendwem weiter entgegen zu gehen, seien es auch so hohe Gäste wie Ihr und der tapfere Ritter des heiligen Tempels. Aber mein Haushofmeister hat Euch den Grund mitgeteilt, warum ich so unhöflich erscheinen muss. Ich muss Euch gleichfalls ersuchen, es mir nicht zu verübeln, wenn ich mich meiner Muttersprache bediene und Euch bitte, mir auch in ihr zu antworten. Doch wenn Ihr ihrer nicht mächtig seid, so verstehe ich vom Normannischen genug, dass ich Euern Worten folgen kann.«



»Gelübde,« sagte der Abt, »müssen gehalten werden, würdiger Franklin, oder lasst mich lieber sagen würdiger Thane, obschon dieser Titel jetzt veraltet ist. Gelübde sind Bande, die uns an den Himmel knüpfen. Was die Sprache betrifft, so will ich mich gern in der unterhalten, die meine Großmutter gesprochen hat.«



Nach diesen versöhnlich gemeinten Worten des Priors sagte sein Gefährte in kurzem nachdrücklichem Tone:



»Ich spreche stets Französisch, die Sprache Richards und seiner Edeln, doch verstehe ich auch Englisch genug, um mich mit den Eingeborenen unterhalten zu können.«



Cedric warf ihm einen raschen unruhigen Blick zu, aber er gedachte seiner Pflichten als Wirt und unterdrückte jede weitere Äußerung seines Unwillens. Er winkte seinen Gästen, zwei Sitze neben ihm einzunehmen, die nur ein wenig niedriger waren als der seine. Dann gab er das Zeichen, das Abendessen aufzutragen. Während die Befehle des Herrn ausgeführt wurden, gewahrte Cedric den Schweinehirten Gurth, der eben mit Wamba hereintrat.



»Warum habt Ihr so lange draußen herumgebummelt?« rief ihnen der Sachse zu. »Ist deine Herde in Sicherheit oder ist sie Räubern zur Beute gefallen?«



»Sie ist in Sicherheit,« antwortete Gurth.



»In Sicherheit, Spitzbube!« schalt Cedric. »Hab ich nicht hier zwei Stunden lang in Angst geschwebt und auf Rache gegen meine Nachbarn gesonnen wegen eines Unrechtes, das sie mir nun gar nicht zugefügt haben? Prügel und Kerker sind dir sicher, wenn du mirs noch einmal so treibst.«



Gurth, der seines Herrn Jähzorn kannte, wagte nicht, sich zu entschuldigen. Das Abendessen, das jetzt aufgetragen wurde, machte dem Wirt alle Ehre. Mannigfaltig zubereitetes Schweinefleisch stand am unteren Ende der Tafel, Geflügel-, Hasen-, Bock- und Hirschbraten, verschiedene Fische, große Kuchen und eingemachte Früchte. Die Herrschaft hatte silberne Becher, auf der Gesindetafel standen große Trinkhörner. Als eben die Mahlzeit beginnen sollte, hob der Haushofmeister den Stab und rief laut:



»Platz für Lady Rowena!«



Am oberen Ende der Halle ging eine Seitentür auf und Rowena trat, von vier Zofen begleitet, herein. Cedric war nicht angenehm überrascht, dass sein Mündel an diesem Abend doch kam, er erhob sich aber sofort und ging ihr rasch entgegen, um sie ehrfurchtsvoll zu dem für die Herrin des Hauses bestimmten erhöhten Platz zu seiner Rechten zu geleiten. Nun standen alle auf, sie zu begrüßen, die Lady erwiderte diese Höflichkeit mit einer stummen Verbeugung und schritt voller Anmut zu ihrem Platz am Tische, aber noch ehe sie ihn erreicht hatte, flüsterte der Templer dem Prior zu:



»Ich werde beim Turnier kein goldenes Halsband von Euch tragen, Ihr habt den Chioswein gewonnen.«



»Hab' ich es Euch nicht gleich gesagt?« versetzte der Abt, »doch mäßigt Euch in Euerm Entzücken, der Franklin hat Euch im Auge.«



Rowena war von hoher Gestalt. Sie hatte eine außerordentlich feine und zarte Haut, aber bei ihrer edeln Haltung und dem erhabenen Ausdruck ihres Angesichts fehlte der inhaltlose Zug, der oft vollendeten Schönheiten eigen ist. Ihre Augen waren blau und klar und schienen ebenso gut flammen wie schmachten, befehlen wie bitten zu können. Ihr reiches Haar spielte zwischen braun und blond und war in phantastischer und zugleich geschmackvoller Art in zahllose Locken gekräuselt, wobei die Natur durch Kunst unterstützt worden zu sein schien. Diese Locken waren mit Edelsteinen geschmückt, eine goldene Kette mit einer Reliquie von gleichem Metall zierte ihren Nacken, an den bloßen Armen trug sie Armbänder. Ihr Anzug bestand aus Unterkleid und Mieder von blasser, seegrüner Seide, darüber trug sie ein langes, weites Gewand, das fast bis auf den Boden reichte. Das Kleid war aus reinster Wolle und von karmoisinroter Farbe. Ein seidener golddurchwirkter Schleier konnte entweder über Busen und Gesicht gezogen oder um die Schultern geschlungen werden. Als Rowena sah, dass die Augen des Templers voll Feuer auf sie geheftet waren, zog sie würdevoll den Schleier über ihr Gesicht, wie um anzudeuten, dass ihr ein so kecker Blick unangenehm sei.



»Herr Templer,« sagte Cedric, der diese Gebärde sah und ihre Ursache erkannte, »die Wangen unserer Jungfrauen im Sachsenland sind zu wenig an die Sonne gewöhnt, als dass sie den dreisten Blick eines Kreuzfahrers ertragen könnten.«



»War ich beleidigend, so bitte ich um Verzeihung, das heißt, ich bitte Lady Rowena um Verzeihung,« erwiderte der Templer, »denn weiter geh ich in der Demut nicht.«



»Spart Euch die Artigkeiten, Herr Ritter,« sagte Rowena, ohne den Schleier wieder zu lüften, »oder erlaubt mir vielmehr, sie so hoch anzurechnen, dass ich Euch um Nachrichten aus Palästina ersuche, die englischen Ohren lieber sind als alle Komplimente, die Euch französische Galanterie gelehrt haben mag.«



»Da habe ich wenig Nennenswertes zu erzählen, Mylady,« antwortete Sir Brian de Bois-Guilbert, »außer dass sich die Nachricht von dem Waffenstillstand mit Saladin bestätigt hat.«



In diesem Augenblick wurde das Gespräch unterbrochen, denn der Türhüter trat herein und meldete, es sei ein Fremder vorm Tor, der um Unterkunft bitte.



»Wer es auch sein mag,« sagte Cedric, »lass ihn herein. Solch eine Nacht, wo das Wetter fessellos wütet, treibt selbst wilde Tiere dazu, bei den zahmen Schutz zu suchen und zu ihrem Todfeinde, dem Menschen, zu flüchten, ehe sie im Sturme zugrunde gehen. Sieh danach, Oswald, dass es ihm an nichts fehle.«



Der Haushofmeister ging hinaus, um dafür Sorge zu tragen, dass seines Herrn Weisungen befolgt würden.



Oswald kam wieder und flüsterte seinem Herrn ins Ohr: »Es ist ein Jude, der sich Isaak von York nennt. Darf ich ihn hereinführen?«



»Gib dein Amt an Gurth ab,« sagte Wamba mit seiner gewohnten Keckheit. »Der Schweinehirt passt besser zum Zeremonienmeister für Juden.«



»Heilige Maria!« rief der Abt. »Soll ein ungläubiger Jude in unsere Gemeinschaft?«



»Ein Hund von einem Juden soll einem Verteidiger des heiligen Grabes nahe kommen?« setzte der Templer hinzu.



»Meiner Treu!« meinte Wamba, »mir scheint, die Templer lieben mehr das Gold der Juden als ihren Umgang.«



»Gemach, meine werten Gäste!« rief Cedric. »Euer Unwille kann meine Gastfreiheit nicht beeinträchtigen. Der Himmel hat das ganze Volk der Ungläubigen schon viele Jahre lang geduldet, also werden wir wohl die Gegenwart eines Juden auf ein paar Stunden ertragen können. Es soll auch niemand gezwungen sein, mit ihm zu essen oder zu reden. Er soll seinen Tisch und seine Schüssel für sich allein haben. Er kann bei Wamba sitzen,« fügte er launig hinzu, »der Narr und der Gauner passen gut zusammen.«



»Der Narr,« antwortete Wamba, indem er einen Schinkenrest emporhielt, »wird sich ein Bollwerk gegen den Gauner errichten.«



»Still!« sagte Cedric, »der Jude kommt.«



Ohne irgendwelche Umstände hereingelassen, trat ein langer, hagerer Greis ein, furchtsam und zaghaft und mit mancherlei Bückling – vom gewohnheitsmäßigen Verneigen des Oberkörpers hatte er viel von seiner natürlichen Größe verloren – und schritt auf die niedrige Tafel zu. Seine scharfgeschnittenen Züge, seine Adlernase, die stechenden, schwarzen Augen, die hohe, gefurchte Stirn und das lange, graue Haupt- und Barthaar hätten schön genannt werden können, hätte nicht sein Gesicht all jene charakteristischen Kennzeichen eines Geschlechtes getragen, das in diesem unaufgeklärten Zeitalter vom vorurteilsvollen Pöbel verachtet und vom räuberischen Adel ausgebeutet wurde, und das zufolge der beständigen Unbilden, denen es ausgesetzt war, einen Nationalcharakter angenommen hatte, der, gelinde gesagt, erbärmlich und verabscheuungswürdig war. Der Anzug des Juden, den das Unwetter sehr mitgenommen hatte, bestand aus einem weiten faltigen Bauernrock, unter dem er ein dunkelrotes Untergewand trug. Er ging in hohen Pelzstiefeln und hatte einen Gürtel um den Leib, in dem ein kleines Messer und ein Schreibzeug steckte. Ein hoher, viereckiger Hut von gelber Farbe und ganz besonderer Form – wie ihn die Juden zum Unterschied von den Christen kraft Gesetzes tragen mussten – wurde von ihm in aller Demut an der Tür abgenommen.

 



Diesem Mann wurde in der Halle Cedrics des Sachsen ein Empfang bereitet, mit dem selbst der vorurteilsvollste Feind der Israeliten hätte zufrieden sein müssen. Cedric selbst hatte auf seine wiederholten Verneigungen nur ein flüchtiges Kopfnicken. Er winkte ihm, am unteren Tische Platz zu nehmen, dort fiel es aber niemand ein, ihm Platz zu machen, und als er mit schüchtern flehendem Blick die Reihe hinunterging, zuckten die sächsischen Diener die Achseln und aßen ruhig weiter, die Diener des Abtes bekreuzten sich und sahen mit einem Ausdruck frommen Abscheus nach ihm hin, die Sarazenen gar wühlten grimmig in ihren Knebelbärten und griffen nach den Dolchen, als seien sie entschlossen, sich vor der Verunreinigung durch seine Person bis zum äußersten zu schützen. Während Isaak hier von der Gesellschaft ebenso ausgeschlossen wurde wie sein Volk von der Nation, erbarmte sich seiner der Pilger am Kamin, bot ihm seinen Platz an und sagte zu ihm: »Alter, meine Kleider sind trocken, mein Hunger gestillt, du aber bist durchnässt und hungrig.« Damit schürte er die zerstreuten Brände zusammen, blies das Feuer an, holte Suppe und Gemüse, stellte sie ihm auf den Tisch, an dem er selber gegessen hatte, und ging dann, ohne auf den Dank des Juden zu hören, nach dem oberen Ende der Halle. Ob er mit dem Manne weiter keine Gemeinschaft wünschte, oder ob er nur einen Vorwand suchte, in die Nähe der oberen Tafel zu kommen, sei dahingestellt.



Inzwischen unterhielten sich der Abt und Cedric weiter über die Jagd, und Rowena besprach sich mit einer ihrer Zofen, und der Templer, dessen Blicke von dem Juden zu der sächsischen Schönheit wanderten, schien in tiefes Sinnen versunken.



»Ich denke, würdiger Cedric,« sagte der Abt, »bei aller Vorliebe für Eure männliche Sprache werdet Ihr doch auch ein wenig übrig haben für das Normännisch-Französisch, wenigstens was das edle Weidwerk anbetrifft.«



»Guter Vater Aymer,« versetzte der Sachse, »dass Ihrs nur wisst, ich frage nichts nach diesen überseeischen Verfeinerungen, ich komme ohne sie aus.«



Der Templer fiel ihm in hochfahrendem Ton ins Wort.



»Französisch,« sagte er, »ist nicht allein die natürliche Sprache der Jagd, es ist auch die Sprache der Liebe und des Krieges. Damen müssen erobert werden in ihr und Feinde geschlagen werden in ihr.«



»Herr Templer,« versetzte Cedric, »tut mir Bescheid auf diesen Becher Weins und schenkt auch den des Herrn Abtes voll! Dann will ich um dreißig Jahre zurückgehen und Euch ein Stück erzählen. Als damals Cedric der Sachse in echtem Englisch seiner Schönsten anvertraute, wie ihm ums Herz war, da brauchte es keines französischen Troubadours, und das Schlachtfeld von Northallerton kann Zeugnis dafür ablegen, dass das sächsische Kriegsgeschrei ebenso vernichtend in die Reihen des schottischen Heeres gedrungen ist, wie des kühnsten normannischen Barons cri de guerre. Tut mir Bescheid, werte Gäste, die Manen derer, die dort gefallen sind, zu ehren!« Er trank und fuhr in steigender Wärme fort: »Das war ein Tag, das war ein Schildespalten! Hundert Banner flatterten zu Häupten der Tapferen, in Strömen floss das Blut, und der Tod war willkommener als schmachvolle Flucht. Ein sächsischer Barde nannte diesen Tag das Fest der Schwerter, er pries das Klirren der Schilde und Helme höher als das Jauchzen auf einer Hochzeit. Aber diese Barden sind nicht mehr, unsere Taten versinken in einem fremden Strome, unsere Sprache, unser Name selber verschwinden, und niemand trauert darum als ein einsamer alter Mann. Mundschenk gieß ein! Herr Templer, aufs Wohl der Tapferen – welches auch ihr Stamm und ihre Sprache sei – die jetzt am eifrigsten in Palästina für das heilige Kreuz streiten!«



»Für einen Ritter,« antwortete Brian de Bois-Guilbert, »der das Zeichen des Ordens trägt, geziemt es nicht, hierauf zu erwidern. Doch sagt mir, welche haltet Ihr neben den Streitern des Heiligen Grabes für die besten Kämpfer dort unten?«



»Die Hospitalritter,« sagte der Abt, »ich habe unter ihnen einen Bruder.«



»Ihren Ruhm will ich nicht schmälern,« antwortete der Templer. »Indessen . . .«



»Waren in der englischen Armee,« unterbrach ihn Lady Rowena, »keine, deren Name neben denen der Templer und Johanniter genannt zu werden verdient?«



»Verzeiht, Mylady,« erwiderte Brian, »der englische Fürst hat in der Tat eine Schar von Helden nach Palästina gebracht, und sie haben nur denen nachgestanden, deren Brust von jeher ein Bollwerk des heiligen Landes war.«



»Keinem standen sie nach,« fiel ihm hier der Pilger ins Wort, der n

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