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Das Brautkleid

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VIII.
Gott überall

Dank diesem isolierten Leben, welches die Baronin und dem exzentrischen Leben, welches die Marquise führte, wurde die kleine Cäcilie unter ganz eigenthümlichen Verhältnissen erzogen.

Es wurde bereits gesagt, daß in Folge des Erziehungssystems der Baronin kein Lernen dem Kinde als Arbeit vorgestellt wurde; wenn indessen die Mutter, nachdem sich ihr Geist mit Lesen, oder durch den Unterricht auf dem Piano oder im Zeichnen beschäftigt hatte, glaubte, daß sie einer Zerstreuung bedürfe, dann öffnete sich die Thüre des Gartens dem Kinde.

Dieser Garten war für dasselbe das Paradies.

Die Baronin beaufsichtigte ihre Tochter auch hier, und sie hatte dort die schönsten Blumen vereinigt, die man finden konnte. Es waren da Lilien, Rosenstöcke, großer, starker Hagedorn und Schneeballen, um das Auge und den Geruch zu entzücken. Die kleine Cäcilie mit ihren halb nackten Beinen, ihrem kurzen Rocke, ihren blonden, fliegenden Haaren, und ihren samtenen Wangen schien eine Blume mehr in diesem Blumengarten. Dieser schien überdies nicht bloß ein Gut der Lilien und der Rosen, er war ganz und gar eine kleine Welt; die schönsten Insekten waren auf dem Rasen sichtbar, oder durchzogen von Zeit zu Zeit die Allee, gleich lebenden Brillanten; glänzende Schmetterlinge schienen vom Himmel zu regnen und flatterten in ungleichem und launenhaftem Fluge über diesen Pracht«vollen Teppich; endlich hüpften die Distelfinken und die Grasmücken von Ast zu Ast, reichten den Schnabel ihren Jungen, welche die Hälse aus den Nestern heraus«streckten und die Schnäbel aufsperrten, um die ihnen gebrachten Moose und trockenen Kräuter aufzunehmen.

Da die Baroness Niemand empfing, damit die kleine Cäcilie von der Gesellschaft der Kinder ihres Alters ganz ausgeschlossen sei, so wurde der Garten ihre Welt. Die Blumen, die Schmetterlinge und die Vögel wurden ihre Freunde. Bei dem ersten Worte, welches sie davon zu ihrer Mutter sprach, hatte diese ihr erklärt, daß jedes Ding von Gott komme und von Gott sein Leben erhalte. Sie hatte ihr gezeigt, wie der Blick der Sonne die Natur belebe, und sie machte sie darauf aufmerksam, daß die Blumen, welche sich des Morgens öffneten, sich Abends schlössen, daß die Schmetterlinge, welche während der heißen Stunden des Tages herbeikamen, lange vor dem Ende der Nacht verschwanden, daß die Vögel, welche mit der Morgendämmerung «wachten, mit der Abenddämmerung schliefen, die Nachtigall ausgenommen, deren Gesang wie ein Gebet, wie eine nächtliche Hymne, wie ein melodisches Echo durch die Nacht schallte. Nun dieses Zwitschern des Morgens und des Abends, das lebendige Aufschwingen dieser fliegenden Blumen, welche man Schmetterlinge nennt, dieses Alles war, Dank dem religiösen und poetischen Gefühle der Baroness, nichts anders, als das Beten der Wesen und der Dinge, nichts anders als die Art, in welcher die Vögel, die Schmetterlinge und die Pflanzen Gott priesen und ihm Lob sangen.

Aber die Freunde, welche Cäcilie am meisten unter ihren Freunden liebte, waren die Blumen. Wenn sie nach irgend einem schönen Schmetterlinge mit goldenen Flügeln lief, da entwischte ihr der Schmetterling aus ihren Händen, wenn sie irgend einen Vogel überraschen wollte der in einem Strauch zwitscherte, flog der Vogel davon und vollendete feinen Gesang auf irgend einem Baum, wo ihn das Kind nicht erreichen konnte; aber ihre Blumen, ihre geliebten Blumen, die ließen sich umarmen, liebkosen, sogar pflücken. Wohl verloren sie, einmal gepflückt, ihre Farbe und ihren Duft, sie welkten traurig dahin, und starben endlich.

So geschah es mit einer Rose auf ihrem Stengel, von welcher die Baroness ihrem Mädchen begreiflich machen wollte, was das Leben sei, wobei sie ihr mittelst eines abgebrochenen Stiels zeigte, was der Tod sei.

Von jetzt an pflückte Cäcilie keine Blume mehr. Die Überzeugung von einem wirklichen Leben, welches unter einer scheinbaren Gefühllosigkeit verborgen war, begründete zwischen dem Kinde und den Blumen, seinen Freunden, Beziehungen, durch welche sich vermöge feiner jungen Einbildungskraft Alles erklärte; so waren die Blumen für sie bald gesund und bald krank, traurig oder freudig; sie betrübte sich mit den einen; sie freute sich mit den andern; wenn sie krank waren, sorgte sie für sie und unterstützte sie; wenn sie traurig waren, gab sie ihnen Trost. Eines Tages, als sie zu einer früheren Stunde als gewöhnlich in den Garten gegangen war, und ihre Lilien und Hyazinthen ganz' mit Tau bedeckt sah, kam sie weinend zurück, und sagte, daß ihre Blumen einen Kummer haben und weinen; an einem andern Tage überraschte sie die Baronin, als sie einer Rose, an welche sie angestoßen hatte, ein Stück Zucker zu essen geben, und sie dafür trösten wollte, daß sie ihr das Abfallen einiger Blätter verursachte. So waren auch unter den Zeichnungen, die aus ihrem Bleistifte hervorgingen, unter den Phantasiegebilden, welche ihre Nadel erzeugte, die Blumen immer die Auserwählten. Wenn sie eine Lilie schöner blühen sah, als die andere, so zeichnete sie dieselbe ab, wie man das Bild eines Freundes zeichnet, wenn sie eine Rose sah, viel lebhafter an Farbe, viel reicher an Knöpfen, so stickte sie dieselbe in ihre Stickerei, um sie nicht zu vergessen. So lebte sie während des Frühlings, während des Sommers und während des Herbstes mit der Wirklichkeit, während des Winters aber lebte sie mit dem Bilde fort.

Nach den Blumen liebte Cäcilie am meisten die Vögel. Wie die Sperlinge der Johanne d'Arc, welche herbeikamen, sich auf ihre Schulter setzten und ihr Futter sogar in dem Korsett der Jungfrau von Vaucouleurs suchten, so hatten die Vögel des Gartens des kleinen Hauses nach und nach Cäcilie gewohnt. Cäcilie kam in der Tat zwei oder dreimal des Tags um Getreidekörner unter den Bäumen auszustreuen, auf welchen ihre gesangreichen Gäste ihre Nester gebaut hatten, und da sie die Jungen schonte, so fürchteten sich Vater und Mutter nicht vor ihr; so kam es, daß die Vögelchen, welche an das Kind gewohnt wurden, vor demselben durchaus keine Furcht hatten, und daß der Garten für Cäcilie eine wahrhafte Voliére geworden war, deren Bewohner ihre sanften Gesänge begannen, so wie sie ihrer ansichtig wurden, die ihr folgten, wie die Küchlein der Pächterin folgen, und um sie herflogen, wenn sie mit ihren Blumen plauderte, oder unter ihrem Bogengange las.

Was die Schmetterlinge betrifft, so waren sie ihr' trotz ihrer lebhaften Farben bald gleichgültig geworden und so sehr auch das Kind versucht hatte, diesen unbeständigen Juwelen der Lüfte entgegen zu kommen, so hatte sie immer gleichgültig hiergegen geschienen; zweimal hatte sie versucht, sich ihrer zu bemächtigen, einmal eine prachtvolle Atalante mit ihrem Samtkleid, ein andermal einen herrlichen Apoll mit seinem goldenen Leib, und jedes mal waren die Überbleibsel ihrer Flügel in den Händen des Kindes geblieben, welches, nachdem sie es losgelassen, erkannt hatte, daß ihr Flug ungewiss, daß das, was sie als eine Liebesbezeugung betrachtet habe, für sie eine Verwundung sei.

So haben wir also die Welt geschildert, in welcher Cäcilie lebte; ihre Großmutter, die sie mit adeligem Stolze liebte, und sie zuweilen durch die Ausdrücke ihrer Liebe erschreckte; ihre Mutter, immer ruhig, heiter, religiös, gebeugt; ihre Blumen, deren Schmerzen und deren Freuden sie begriff; ihre Vögel, deren Gesang sie lauschte, ihre Schmetterlinge, deren Flug sie folgte.

Von Zeit zu Zeit wurde indessen die Einsamkeit der kleinen Familie entweder durch die Ankunft der Herzogin de Lorges gestört, welche vorzüglich wegen der Marquise kam, oder durch die Ankunft der Madame Duval, welche hauptsächlich der Baronin wegen sich einfand. In der ersten Zeit waren diese Besuche der Madame Duval ein kleines Fest für Cäcilie, denn immer brachte sie Eduard mit. Dann gingen diese beiden Kinder spazieren, spielten, liefen in dem Garten umher, pflückten Kräuter, pflanzten Blumen, versteckten sich in den Gebüschen, brachen die Äste von den Bäumen, auf welche sie zu steigen versuchten, störten die Vögel auf und verfolgten die Schmetterlinge. Aber nach und nach war Cäcilie, wie wir gesehen haben, in ein gewisses Verhältnis mit den Gästen ihres Paradieses gesetzt worden, so daß sie, wenn Eduard kam, ihn nur mit großer Unruhe in ihre kleine Welt einführte. Sie wollte ihrem stürmischen Gefährten sogleich die Gefühle ihrer Blumen, das Zwitschern ihrer Vögel und die Unbeständigkeit der Schmetterlinge begreiflich machen, allein der flatterhafte Schüler begann zu lachen, und sagte ihr, daß die Blumen leblose Dinge seien, und weder Liebe noch Haß, weder Schmerz noch Freude haben.

Die Vögel wollte Eduard fangen und sie in den Käfig stecken, obgleich ihm Cäcilie vorhielt, daß der gute Gott, welcher ihnen die Flügel gegeben, ihnen ein solches Geschenk nicht gemacht habe, um von einem Stäbchen zum andern in dem engen Raume eines vergitterten Gefängnisses zu hüpfen, sondern um sich in die Lüfte zu schwingen und sich auf die Wipfel der Bäume und auf die Dächer der Häuser zu setzen. Endlich hatte ein zweiter Umstand Eduard im Geiste seiner jungen Freundin vernichtet.

Eines Tages, während sie mit einer ihrer Rosen so wichtige Sachen plauderte, daß sie ihren Gesellschafter darüber vergessen hatte, kam dieser mit einem prächtigen Pfauenauge zu ihr, dessen Körper mit einer Nadel durchstochen war und der sich schrecklich auf seinem Hute, an den er ihn gesteckt hatte, abzappelte. Cäcilie stieß einen Schrei aus, aber darüber erstaunte Eduard höchlich und versicherte, daß er schon mehr als dreihundert Schmetterlinge habe, die so angeheftet, symmetrisch geordnet und in Schachteln aufbewahrt seien, in welchen sie sich so schön erhielten, als waren sie noch am Leben.

Von diesem Tage an hatte sich Cäcilie gelobt, daß Eduard nie wieder in ihren Garten kommen solle, und in der Tat hatte sie ihn bei seinem ersten Besuche unter verschiedenen Vorwänden in dem Zimmer zurückgehalten, indem sie all ihr Spielgeräte zu seiner Verfügung stellte, ihm erlaubte, Puppen, Kaufläden und Küchen zusammenzubrechen, aber durchaus nicht mehr haben wollte, daß er über ihre Blumen spotte, ihre Vögel beunruhige und ihre Schmetterlinge quäle.

 

Die Frau von Marsilly bemerkte dieses Streben ihres Kindes, Eduard vom Garten entfernt zu halten, und als er fort war, fragte sie, aus welcher Ursache sie ihm den Eintritt in den Garten verweigert habe: Jetzt erzählte Cäcilie ihrer Mutter, was während der früheren Besuche vorgegangen sei, und fragte sie, ob sie Unrecht gehabt, so zu handeln.

»Nein, meine Tochter,« antwortete die Baronesse, »im Gegenteil billige ich es, und Du hast recht, es ist einer von den Missgriffen unseres Stolzes, wenn wir glauben, daß die Welt nur wegen uns geschaffen sei. Jedes Ding hienieden ist, wie der Mensch, ein Werk, Gottes, Gott ist in der Blume, in dem Vogel, in dem Schmetterlinge, in dem ephemeren Tropfen Wasser, wie in dem Weltmeer, das unendlich ist, in dem hellen Grün, das aus dem Grase leuchtet, wie in der Sonne, die die Welt erhellt.«

Gott ist überall.

IX.
Die Zeit enteilt

Während die exilierte Familie ferne von der Welt in einem kleinen Winkel Englands sich niederließ, trugen sich ungeheure Ereignisse in dem übrigen Teile Europa's zu.

Der Tod des Königs und der Königin hatte seine Früchte getragen; ihre Mörder hatten gleich den aus den Drachenzähnen des Cadmus entstandenen alten Kriegern, sich selbst zu Grunde gerichtet. Der Konvent hatte die Girondisten proscribirt, dann hatten die Guillotineurs die Septembriseurs aufgefressen, endlich war der neunte Thermidor gekommen, und das durch die revolutionären Zuckungen noch ganz erschöpfte Frankreich ruhte einen Augenblick.

Nachdem das Schreckensystem verkündet worden war, hatte Ludwig Duval, der, wie wir gesehen haben, von ganzem Herzen Royalist war, nicht mehr den Mut gehabt, in Frankreich zu bleiben. Er opferte den Teil seines Vermögens, den er noch nicht Zeit gehabt hatte, flüssig zu machen, er war nach England abgereist und an einem schönen Tage, zur großen Freude seiner Gattin in London angekommen. Aber da die Herzogin de Lorges in London keinen Intendanten, notwendig hatte, indem sie nicht mehr über 500,00 Livre Renten herrschte, und da Herr Duval noch zu jung war, um dem Nichtstun sich ergeben zu können, auch nicht genug besaß, um von seinen Renten zu leben, trat er als Kassier in ein Banquierhaus ein, wobei die vierzig oder fünfzig tausend Franken, die er besaß, ihm als Kaution dienten. Bald wurde seine Redlichkeit so gut erkannt und seine Kenntnisse bewährten sich so, daß der Banquier ihm einen kleinen Anteil an den Geschäften gab. Inzwischen verließ die Gräfin Artois England, und führte die Herzogin de Lorges mit sich; Madame Duval bat, bei ihrem Manne bleiben zu dürfen, und dieses wurde um so lieber bewilligt, als die Emigration sich verlängerte und die Emigrierten zum Ökonomisieren zwang. Die gute Familie blieb daher ganz zu London, während die Herzogin de Lorges nach Deutschland abreiste.

Während dieser Zeit regte die plebejische Familie derselbe Umstand auf, welcher die adelige Familie aufregte. Gegen die Erwartungen der Marquise waren die Alliierten über die Grenze zurückgetrieben worden und die Emigrierten konnten nicht nur keine Unterstützung aus Frankreich beziehen, im Gegenteil waren ihre Güter konfisziert, Eigentum der Nation und bereits verkauft worden. Das erste, woran die Baronin dachte, war, dem armen Peter Durand den zweijährigen Pacht zurückzuerstatten, welchen er ihr im Augenblick ihrer Rückreise vorgeschossen hatte; die zehntausend Frank wurden daher dem ehrlichen Pächter mit einem Briefe zurückgeschickt, in welchem die Baronin versicherte, daß sie Dank den Hilfsquellen, die sie sich in der Fremde zu öffnen gewusst, nicht nur an nichts Mangel leide, vielmehr im Überfluss lebe. Die Baronin hatte mit Grund vorausgesetzt, daß es dieser Versicherung bedürfe, um den braven Mann zu bestimmen, eine Summe zurückzunehmen, die er mit so viel Zartheit und Ergebenheit angeboten hatte.

Die Baronin sah sich hierdurch allein auf die Bemühung der Diamanten, die sie persönlich besaß und auf jene ihrer Mutter beschränkt.

Sie war damals zu der Marquise gegangen, hatte sie in Mitte ihrer Lektüre des »Sopha«unterbrochen und ihr eine ungeschmückte Darstellung ihrer Lage gemacht. Nachdem diese Darstellung geendigt war, fragte die Marquise:

»Nun, meine Tochter?«

»Nun, meine Mutter,« antworte die Baronesse, »mein Rath ist, daß wir beide das zusammenwerfen, was wir noch an Diamanten besitzen, daß wir sie auf einmal verkaufen, um so eine Summe zu erringen, die hinlänglich genug ist, um sie bei der Bank von London anzulegen, worauf wir dann so viel als möglich von den Erträgnissen derselben leben werden.«

Dieser Vorschlag war wohl einer der vernünftigsten, allein um in Vollzug gesetzt zu werden, mußte sich die Marquise von ihren Diamanten trennen. Aber die Diamanten der Marquise waren Alles, was ihr von ihrem ehemaligen Glanze blieb. Von Zeit zu Zeit nahm sie sie aus ihrem Schmuckkästchen, und obgleich sie niemand als Mademoiselle Aspasia bewundern konnte, so war doch auch dieses ein Trost für sie.

»Aber,« antwortete die Marquise, indem sie die Frage zu umgehen suchte, »wäre es nicht vernünftiger, wenn wir diese Diamanten, welche Familiendiamanten sind, und auf die wir viel halten müssen, immer gerade nur in der erforderlichen Quantität verkaufen würden? So würden wir denn bei unserer Rückkehr nach Frankreich immer das finden, was uns in unserem Unglücke geblieben ist.«

»Nach der Art, wie die Sachen gehen,« antwortete die Baronin, »ist unsere Rückkehr nach Frankreich nicht nahe, und wenn wir so fort leben, wie bisher, werden wir unaufhörlich unser kleines Kapital angreifen, während, wenn wir Alles auf einmal verkaufen, im Stande sein werden, von unsern Interessen zu leben.«

»Aber,« sagte die Marquise, indem sie es versuchte, ihre Tochter bei der natürlichen Liebe anzugreifen, »ich muß Dir gestehen, daß ich diese Diamanten aufhob, damit sie eines Tags die Mitgift meiner Enkelin werden sollen. Armes Kind,« fuhr die Marquise fort, indem sie den Kopf schüttelte, und in einem Winkel ihrer Augenlider eine Träne suchte, die nicht da war; vielleicht hatte sie nie andere.

»Meine Mutter,« entgegnete die Baroness, indem sie traurig lächelte, »ich muß Ihnen bemerken, daß Cäcilie nicht älter als sieben Jahre ist, daß wir sie aller' Wahrscheinlichkeit nach nicht vor zehn Jahren, von jetzt an, verheiraten werden, und daß in zehn Jahren von jetzt an ihre Diamanten, wenn Sie meine Vorschläge nicht annehmen, gleich den meinigen einer nach dem andern verschwunden sein werden, und das teilweise und ohne nur die geringsten Interessen zu tragen.«

»Aber so wird denn,« rief die Marquise, indem sie sich erhitzte, gerade weil sie die Richtigkeit der Bemerkung ihrer Tochter begriff; »aber so wird denn dieses arme Kind keine Mitgift haben.«

»Seine Mitgift, meine Mutter,« erwiderte die Baroness mit jener unveränderlichen Milde, welche aus ihr das Muster eines Engels auf Erden machte, »seine Mitgift wird ein Name ohne Makel, eine religiöse Erziehung und, wenn man zu diesen vorzüglichen Gütern ein zerbrechliches hinzufügen darf, etwas Schönheit sein, eine Schönheit, sage ich, welche immer noch, steigen zu wollen scheint.«

»Gut, gut, meine Tochter,« bemerkte die Marquise, »ich werde darüber nachsinnen.«

»Sinnen Sie darüber nach, meine Mutter,« entgegnete die Baroness und ging, indem sie die Marquise ehrfurchtsvoll grüßte, weg.

Acht Tage später kam die Baroness wieder auf diesen Gegenstand zurück, aber wahrend dieser acht Tage hatte sich die Marquise, welche Zeit gehabt, über ihre Lage nachzudenken, ein solches Arsenal von schlechten Gründen gesammelt, daß die Baroness einsah, daß es ein vergebliches Bemühen bei ihrer Mutter sein würde, und sie bestand nicht langer darauf. Die Diamanten, welche die Baronin forderte, waren das Eigentum der Marquise, sie hatte das Recht, sie ihr zu geben und zu verweigern. Nur deswegen zog sich die arme Frau mit zerrissenem Herzen zurück, weil sie erkannte, daß das einzige Mittel, um auf vernünftige Weise gegen das Schicksal zu kämpfen, ihr durch eine ihrer Launen geraubt sei, welche die Erziehung in den Geist, nicht aber in das Herz ihrer Mutter gelegt hatte.

Am nämlichen Tage schrieb die Baroness an Herrn Duval, daß sie am nächsten Sonntage ihn, seine Frau und ihren Sohn, wenn sie nichts besseres zu tun hätten, einlade, den Tag in Hendon zuzubringen.

Die gute Familie kam gegen Mittag an. Ob«gleich die Angelegenheiten des Herrn Duval mehr und mehr sich verbesserten und er bereits Associé des Hauses geworden war, in welchem er früher als Commis stand, war er das geblieben, was er früher war, das heißt ein einfacher und ehrbarer Mann, der das Vertrauen der Herzogin de Lorges und die Freundschaft der Frau von Marsilly verdiente.

Die Marquise sah indessen mit Missvergnügen das, was sie eine Neigung ihrer Tochter, zu den kleinen Leuten hinabzusteigen, nannte. Sie hatte ihr schon oft ihr viel zu intimes Verhältnis mit Duvals vorgeworfen und als ihr die Baronin den außerordentlichen Dienst in das Gedächtnis zurückrief, welcher den Grund zu diesem Verhältnis gelegt hatte, da war die Marquise gezwungen, die Verpflichtungen anzuerkennen, welche sie gegen den würdigen Officianten hatte, suchte sie aber zu schwächen, indem sie sagte, daß er nichts anders getan habe, als was jeder ehrbare Mann an seiner Stelle getan haben würde. Und doch war dieses gewiss noch ein Verdienst in jener Epoche, in welcher es so wenig ehrbare Leute gab.

So kam es, das, nachdem die Marquise am Abende' zuvor von dem Besuche in Kenntnis gesetzt worden, der am folgenden Tage stattfinden sollte, sie in dem Augenblicke, in welchem die Familie Duval in den Salon eintrat, ihrer Tochter sagen ließ, daß sie sie bei ihren Gästen entschuldigen möchte, daß sie' aber die Migräne bekommen habe.

Ihrer Gewohnheit gemäß schloss Cäcilie die Türe ihres Gartens vor Eduard, welcher damals ein großer Junge von neun oder zehn Jahren, und unfähiger als je war, das Leben der Blumen zu begreifen, die Vögel in Ruhe zu lassen, und mit dem Schmerze der Schmetterlinge Mitleid zu haben.

In Folge der besonderen Sorgfalt, welche Herr Duval auf die Erziehung Eduards verwendet hatte, und die, wenn sie auch nicht so poetisch, doch wenigstens ebenfalls so vollkommen, als jene war, welche Frau von Marsilly Cäcilien gegeben hatte, machte Eduard auf der Stelle nicht bloß die verwickelsten Multiplikationen, sondern er dividierte auch auf die schwierigste Weise, nicht bloß mit der Feder in der Hand, auch im Kopfe.

So war das teure Kind der Stolz seines Vaters.

Nach dem Mittagessen bat die Baronesse Herrn Duval, mit ihr in ihr Kabinett zu gehen.

Dort angelangt, bat sie ihn, sich niederzulassen; sie zog dann ein Fach heraus, nahm aus demselben ein Kästchen, welches ihre einzigen Diamanten enthielt; d. h. zwei paar Ohrenringe und ein Kreuz, und setzte ihm mit aller Einfachheit der Seelengröße aus einander, in welcher Verlegenheit sie sich befinde, und daß sie ihn bitte, bei seiner Rückkehr nach London diese Edelsteine bei irgend einem ehrbaren Juwelier zu Geld zu machen, und ihr dieses Geld zu über schicken.

Herr Duval beeilte sich, zur Verfügung der Baronin dieselbe Summe zu stellen, ohne daß sie notwendig hätte, die Diamanten zu verkaufen, und wiederholte ihr das, was ihr die Herzogin de Lorges und ihre Mutter schon zwanzigmal gesagt hatten, daß nämlich ein solcher Zustand nicht von Dauer sein könne. Aber die Baronin lehnte dieses Anerbieten mit jenem Danke ab, welcher nicht verletzen kann, und. mit jener Bestimmtheit, welche nicht erlaubt, daß man darauf bestehe. Als die Baronesse sich der verbindenden Delikatesse des Herrn Duval ganz hingab und ihm sagte, daß die Diamanten ganz neu mit fünfzehntausend Franken bezahlt worden seien, fügte sie bei, daß sie jetzt keinen höheren Werth als von acht- bis neuntausend haben werden, wie sie bestimmt glaube.

Das hieß dem Herrn Duval sagen, daß er nichts gewinnen würde, wenn er es versuchen wollte, sie über den wahren Wert der Diamanten zu täuschen.

Herr Duval war daher gezwungen, sogleich auf die Hoffnung zu verzichten, der Baronesse mehr zuzustellen, als die Diamanten wirklich wert waren.

Nachdem diese kleine Angelegenheit geordnet war, kehrten die Baronesse und Herr Duval m den Salon zurück, in welchem die beiden Kinder unter der Aufsicht der Madame Duval spielten, und die Unterhaltung lenkte sich nun natürlich auf die Ereignisse der Zeit.

Die Epoche der Expedition nach Ägypten war eingetreten; indem sich Bonaparte aus Frankreich entfernte, schien er die Natur des Sieges mitgenommen zu haben. Die ihres Anführers beraubten Franzosen ließen sich in Italien und in Deutschland schlagen. Das Direktorium beging gewaltige Albernheiten in Frankreich. Die auswärtigen Niederlagen und diese innerlichen Albernheiten wurden in der Ferne noch vergrößert, es ging daraus hervor, daß die Hoffnungen der Emigranten sich vergrößerten, und daß die Baronin nicht ganz an der Zukunft zweifeln konnte. Überdies hieß, an der Zukunft mit der Überzeugung zweifeln, daß sie die gute Sache nicht unterstützen würde, fast so viel, als an Gott zweifeln.

 

Am folgenden Tage erhielt die Baronesse durch Madame Duval die Bezahlung für ihre Diamanten, die Summe von neuntausend Franken.

Um keinen Zweifel übrig zu lassen, war dieser Summe die Schätzung eines der ersten Juweliere Londons beigefügt.

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