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Der Chevalier von Maison-Rouge

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IV.
Sitten der Zeit

Als Maurice Lindey wieder zu sich kam und umher schaute, sah er nur düstere Gäßchen, welche sich rechts und links hinzogen; er suchte zu forschen, zu erkennen, doch sein Geist war verwirrt; die Nacht war düster, der Mond, der einen Augenblick früher vorgetreten, um das reizende Gesicht der Unbekannten zu beleuchten, hatte sich wieder, hinter Wolken verborgen. Nach einem Augenblick grausamer Ungewißheit schlug der junge Mann den Weg nach, seinem Hanse ein, das in der Rue du Roule lag.

Als Maurice in die Rue Saint-Avoye kam, staunte er über die Menge der Patrouillen, welche in dem Quartiere des Temple kreisten.

»Was gibt es denn, Sergent?« fragte er den Anführer einer sehr geschäftigen Patrouille, welche die Rue des Fontaines durchsucht hatte.

»Was es gibt?« versetzte der Sergent; »mein Officier man hat in dieser Nacht die Frau Capet und ihr ganze Geniste entführen wollen.«

»Und wie dies?«

»Eine Patrouille von Ci-devant, welche sich, ich weiß nicht wie, das Losungswort verschafft hatte, war in de Tracht von Chasseurs der Nationalgarde in den Tempel gedrungen und sollte sie entführen. Derjenige, welche den Corporal vorstellte, nannte zum Glück den Officier der Garde, als er mit ihm sprach, mein Herr; so hat sich der Aristokrat selbst verkauft!«

»Teufel!« rief Maurice. »Und man hat die Verschwörer festgenommen?«

»Nein; die Patrouille erreichte die Straße und zerstreute sich von da aus.«

»Hat man Hoffnung, diese Bursche einzufangen?«

»Oh! es ist Einer dabei, welchen zu bekommen von großer Wichtigkeit wäre, der Anführer, ein magerer, langer Mensch, der unter die Leute der Wache durch einen der Municipale vom Dienst eingeführt wurde. Hat uns der Schurke laufen gemacht! Doch er wird eine Hinterthüre gefunden haben und durch die Madelonnettes entflohen sein.«

Unter allen andern Umständen wäre Maurice bei den Patrioten geblieben, welche über dem Heile der Republik wachten; doch seit einer Stunde war die Liebe für das Vaterland nicht mehr sein einziger Gedanke. Er setzte also seinen Weg fort, die Neuigkeit, welche er erfahren, zerschmolz allmählig in seinem Geiste und sie verschwand unter dem Ereigniß, das ihm begegnet war. Uebrigens waren diese angeblichen Entführungsversuche sehr häufig geworden, die Patrioten selbst wußten, daß mau sich derselben bei gewissen Veranlassungen als politischer Mittel bediente, weshalb diese Nachricht dem jungen Republikaner keine große Unruhe einflößte.

Als Maurice nach Hause kam, fand er seinen Willjährigen: zu dieser Zeit hatte man keine Bedienten mehr; Maurice, sagen wir, fand seinen Willjährigen, der ihn erwartete und in der Erwartung eingeschlafen war und im schlafe vor Unruhe schnarchte.

Er weckte ihn mit allen Rücksichten, die man seines Gleichen schuldig ist, ließ sich seine Stiefeln ausziehen, schickte ihn weg, um nicht in seinen Gedanken gestört zu 5in, legte sich zu Bette und entschlummerte, da es spät und er jung war, trotz aller Gedanken, welche seinen Geist durchkreuzten.

Am andern Morgen fand er einen Brief auf seinem Nachttisch.«

Dieser Brief war von einer zarten, zierlichen, unbekannten Schrift., Er betrachtete das Siegel, es hatte als Devise, nur das einzigliche Wort: Nothing, Nichts.

Er öffnete den Brief, er enthielt nur folgende Worte:

»Dank!«

»Ewige Erkenntlichkeit gegen ein ewiges Vergessen!«

Maurice rief seinen Bedienten: die wahren Patrioten läuteten nicht, die Glocke erinnerte an die Knechtschaft auch machten viele Willjährige, wenn sie bei ihren Herrn eintraten, dies zur Bedingung bei den Diensten, die sie ihnen zu leisten einwilligten.

Der Willjährige von Maurice hatte ungefähr dreißig Jahre vorher aus dem Taufsteine den Namen Jean erhalten; doch im Jahre 92 entkaufte er sich, da Jean nach der Aristokratie und dem Deismus roch, und nannte sich Scävola.

»Scävola,« fragte Maurice, »weißt Du, was dieser Brief bedeutet?«

»Nein, Bürger.«

»Wer hat ihn Dir übergeben?«

»Der Concierge.«

»Und wer hat ihn demselben gebracht?«

»Ohne Zweifel ein Commissionär, da kein Stempel der Station daraus ist.«

»Gehe hinab und bitte den Concierge, herauszukommen.«

Der Concierge kam heraus, weil ihn Maurice darum bat, und weil Maurice bei allen Willjährigen, mit denen er in Verbindung stand, sehr beliebt war; doch der Concierge erklärte, jeden andern Miethsmann würde er gebeten haben, herabzukommen.

Der Concierge nannte sich Aristides.

Maurice befragte ihn. Ein unbekannter Mann hatte den Brief gegen acht Uhr Morgens gebracht.

Der junge Mann mochte immerhin seine Fragen verdoppeln, sie unter allen möglichen Seiten darstellen, der Concierge konnte ihm nichts Anderes antworten. Maurice bat ihn, zehn Franken anzunehmen, und forderte ihn auf, diesem Mann, wenn er sich wieder zeigen würde, zu folgen, ohne daß es absichtlich zu sein scheine, und ihm dann zu sagen, wohin er gegangen sei.

Wir müssen sogleich bemerken, daß der Mann zur größten Zufriedenheit von Aristides, der durch den Auftrag, einem von seines Gleichen zu folgen, sich etwas gedemüthigt fühlte, nicht wieder kam.

Sobald Maurice allein war, zerknitterte er den Brief voll Aerger, zog den Ring von seinem Finger, legte ihn mit dem zerknitterten Brief aus den Nachttisch und wandte sich mit der Nase gegen die Wand um, in der tollen Anmaßung, abermals einschlafen zu wollen; doch nach Verlauf einer Stunde kam Maurice von dieser Prahlerei zurück, küßte den Ring und las den Brief abermals: der Ring war ein sehr schöner Saphir.

Der Brief war, wie gesagt, ein reizendes kleines Billet, das aus eine Meile nach der Aristokratie roch.

Als Maurice sich dieser Prüfung hingab, öffnete sich seine Thüre. Maurice steckte seinen Ring wieder an seinen Finger und verbarg den Brief unter seinem Kopfkissen. War es die Scham einer entstehenden Liebe? War es die Beklommenheit eines Patrioten, welcher nicht will, daß man erfahre, er stehe in Verbindung mit Leuten, die so unklug seien, ein Bittet zu schreiben, dessen Wohlgeruch allein sowohl die Hand, die es geschrieben, als die, welche es entriegelte, gefährden konnte?

Der Eintretende war ein als Patriot gekleideter junger Mann, doch als Patriot von der höchsten Eleganz, seine Carmagnole war von feinem Tuch, seine Hose von Casimir und seine Strümpfe von feiner Seide. Was seine phrygische Mütze betrifft, so hätte sie in Beziehung auf ihre zierliche Form und ihre schöne Purpurfarbe die von Paris selbst beschämt.

Er trug dabei in seinem Gürtel ein Paar Pistolen aus der königlichen Exfabrik von Versailles und einen geraden, kurzen Säbel, dem der Zöglinge des Marsfeldes ähnlich.

»Ah! Du schläfst, Brutus, und das Vaterland ist in Gefahr,« sagte der Eintretende. »Pfui doch!«

»Nein, Lorin,« versetzte Maurice lachend, »ich schlafe nicht, ich träume.«

»Ja, ich begreife.«

»Wohl, ich, ich begreife nicht.«

»Bah!«

»Von wem sprichst Du? Wer ist diese Eucharis?«

»Nun! die Frau.«

»Was für eine Frau?«

»Die Frau der Rue Saint-Honoré, die Frau der Patrouille, die Unbekannte, für welche wir, Du und ich, gestern Abend unsern Kopf gefährdet haben!«

»Oh! ja,« sprach Maurice, der vollkommen wußte, was sein Freund sagen wollte, aber sich nur den Anschein gab, als verstünde er ihn nicht, »die unbekannte Frau!«

»Nun! wer war es?«

»Ich weiß es nicht,«

»War sie hübsch?«

»Bah!« machte Maurice, verächtlich die Lippen verziehend.

»Eine bei irgend einem Liebesrendezvous vergessene arme Frau.

 
»Zu uns arme Menschenkinder
Plagt die Liebe unabläßig.«
 

»Es ist möglich,« murmelte Maurice, dem der Gedanke, welchen er Anfangs gehabt hatte, zu dieser Stunde gewaltig widerstrebte, und der lieber in seiner schönen Unbekannten eine Verschwörerin, als eine verliebte Frau sehen wollte.

»Und wo wohnt sie?«

»Ich weiß es nicht.«

»Gehe doch! Du weißt es nicht, unmöglich!«

»Warum?«

»Du hast sie zurückgeführt.«

»Siehst mir aus dem Pont Marie entkommen.«

»Dir entkommen!« rief Lorin mit einem ungeheuren Gelächter.

»Eine Frau Dir entkommen, gehe doch.«

 
»Kann die Taub dem Geier entfliehen,
Wenn der Lüfte Tyrann in den Krallen sie hält?
Umsonst wird die Gazell zu retten sich mühen,
Wenn brüllend das Tigerthier über sie fällt.«
 

»Lorin,« sprach Maurice, »wirst Du Dich denn nie daran gewöhnen, zu sprechen wie alle andere Menschen? Du peinigst mich furchtbar mit Deiner grausamen Poesie.«

»Wie, ich soll sprechen wie alle andere Menschen! mir scheint, ich spreche besser als jeder Andere. Ich spreche wie der Bürger Demoustier in Prosa und in Versen. Was meine Poesie betrifft, mein Lieber, so kenne ich eine Emilie, die sie nicht schlecht findet; doch kommen wir aus die Deinige zurück.«

»Aus meine Poesie?«

»Nein, aus Deine Emilie.«

»Habe ich eine Emilie?«

»Gehe doch, Deine Gazelle wird sich zur Tigerin gemacht und Dir die Zähne gezeigt haben, so daß Du zwar geplagt, aber verliebt bist.«

»Ich verliebt?« versetzte Maurice, den Kopf schüttelnd.

»Ja, Du verliebt.«

 
»Nun kein Geheimnis mehr
Cytberens Streiche treffen sicherer
Als die von Zeus dem Donnerfürsten.«
 

»Lorin,« sagte Maurice, indem er sich mit einem gebohrten Schlüssel bewaffnete, der auf dem Nachttisch lag, »ich erkläre Dir, daß ich pfeife, sobald Du noch einen einzigen Vers sprichst.«

»So laß uns von Politik sprechen. Ich bin übrigens!« diesem Behufe gekommen; weißt Du das Neueste?«

»Ich weiß, daß die Witwe Capet entspringen wollte.«

»Bah! nur dieses.«

»Was gibt es noch mehr?«

 

»Der berüchtigte Chevalier von Maison-Rouge ist in Paris.«

»In der That!« rief Maurice, indem er sich aufsetzte.

»Er selbst, in Person.«

»Wann ist er gekommen?«

»Gestern Abend.«

»Wie dies?«

»Verkleidet als Chasseur der Nationalgarde. Eine Frau, von der man glaubt, sie sei eine als Frau aus dem Volk verkleidete Aristokratin, brachte ihm Kleider in die Barrière; einen Augenblick nachher kamen sie Arm in Arm herein. Erst als sie vorübergegangen waren, sah die Schildwache Verdacht. Der Mann von der Wache hatte die Frau mit einem Päckchen hinausgehen sehn und sah sie mit einer Art von Militär am Arm zurückkommen; das war verdächtig; er machte Lärm und in lief ihnen nach. Sie verschwanden in einem Hotel der Rue Saint-Honoré, dessen Thüre sich wie durch ein Zauber öffnete. Das Hotel hatte einen zweiten Ausgang nach den Champs-Elysees. Guten Abend. . . der Cevalier von Maison-Rouge und seine Mitschuldige sind verschwunden. Man wird das Hotel niederreißen und den Eigenthümer guillotiniren; doch das wird den Chevalier nicht abhalten, den Versuch zu erneuern, der bereits vor vier Monaten zum ersten und zum zweiten Male gescheitert ist.«

»Er ist also nicht verhaftet?«

»Ah! ja wohl, verhafte Protheus, mein Lieber, Du weißt, was Aristäus durchzumachen hatte, um damit zum Ziele zu gelangen.

»Pastor Aristäus fuiegens Peneïa tempe.«

»Nimm Dich in Acht,« sprach Maurice, indem er den Schlüssel an den Mund setzte.

»Nimm Dich bei Gott selbst in Acht, denn diesmal wirst Du nicht mich sondern Virgil auspfeifen.«

»Es ist richtig, und so lange Du ihn nicht übersetzest habe ich nichts zu sagen. Doch kehren wir zu dem Chevalier von Maison-Rouge zurück.«

»Ja, wir müssen gestehen, daß es ein tüchtig! Mann ist.«

»Um solche Dinge zu unternehmen, bedarf es eines großen Muthes.«

»Ja, eines großen Muthes.«

»Ja, oder einer großen Liebe.«

»Glaubst Du an die.Liebe des Chevalier für die Königin?«

»Ich glaube nicht daran, ich sage es nur wie Jedermann.« Uebrigens hat sie so viele Andere verliebt gemacht, daß man nicht staunen dürfte, wenn sie auch ihn verführt hätte. Sie hat wohl Barnave verführt, wie man sagt,.

»Gleichviel, der Chevalier muß ein Einverständniß m Temple selbst haben.«

»Das ist möglich:

 
»Denn es sprengt die heiße Liebe
Schloß und Gitter.«
 

»Lorin!«

»Ah! es ist wahr.«

»Du glaubst das also wie die Andern?«

»Warum nicht?«

»Weil Deiner Rechnung nach die Königin zweihundert Liebhaber gehabt hätte.«

»Zweihundert, dreihundert, vierhundert. Sie ist schön genug hierzu. Ich behaupte nicht, sie habe dieselben geliebt, aber die Leute haben sie geliebt. Jedermann sieht die Sonne, und die Sonne sieht nicht Jedermann.«

»Du sagst also, der Chevalier von Maison-Rouge?«

»Ich sage, daß man in diesem Augenblick ein wenig Treibjagen auf ihn hält, und wenn er den Leithunden Republik entgeht, muß er ein feiner Fuchs sein.«

»Und was macht die Gemeinde bei allem dem?«

«Die Gemeinde wird ein Decret verkündigen, in Folge dessen jedes Haus wie ein offenes Register aus seiner Facade den, Namen der Bewohner und Bewohnerinnen aufzuweisen hat. Das ist die Verwirklichung jenes Traumes der Alten. Warum gibt es nicht ein Fenster an den Herzen der Menschen, damit Jedermann sehen könnte, was darin vorgeht!«

»Oh! ein vortrefflicher Gedanke,« rief Maurice.

»Ein Fenster an das Herz des Menschen zu setzen?«

»Nein, sondern eine Liste an die Thüre der Häuser zu hängen.«

Maurice dachte in der That, es wäre dies ein Mittel, seine Unbekannte oder wenigstens eine Spur zu finden die ihn weiter leiten würde.

»Nicht wahr?« versetzte Lorin. »Ich habe bereits gewettet, diese Maßregel werde uns fünfhundert Aristokraten in die Hände liefern. Ah! bald hätte ich vergessen, wir haben diesen Morgen im Club eine Deputation von Freiwilligen empfangen; sie kamen, geführt von unsern Gegnern in der vergangenen Nacht, welche ich erst verließ, als sie ganz und gar betrunken waren; sie kamen, sage ich, mit Blumengewinden und Immortellenkränzen.«

»In der That!« versetzte Maurice lachend; »und wie viel waren es?«

»Dreißig; sie hatten sich rasiren lassen und trugen Sträuße am Knopfloch. »»Bürger des Clubs der Thermopylen,«« sprach der Redner, »»als wahre Patrioten wünschen wir, daß die Einigkeit der Franzosen nicht durch ein Mißverständniß gestört werde, und wir kommen, um auf's Neue Brüderschaft zu schließen.««

»Sodann . . .«

»Sodann schloßen wir auf's Neue Brüderschaft, und bei der Wiederholung machte man einen Altar für das Vaterland mit dem Tisch des Secretaire und zwei Flaschen, in welche man Sträuße steckte. Da Du aber Held des Festes warst, so rief man Dich dreimal aus, um Dich zu bekränzen, und als Du nicht antwortetest, insofern Du nicht da warst, indeß man immer etwas bekränzen muß, so bekränzte man die Büste von Washington. Das ist die Ordnung, in der die Ceremonie stattgefunden hat.«

Als Lorin diese wahrhaftige Erzählung beendigte, welche zu jener Zeit nichts Burleskes hatte, hörte man Geräusch auf der Straße, und Anfangs entfernte, bald aber immer näher kommende Trommeln ließen den damals so gewöhnlichen Lärmen des Generalmarsches vernehmen.

»Was ist das?« fragte Maurice.

»Es ist eine Verkündigung des Beschlusses der Gemeinde,« antwortete Lorin.

»Ich laufe nach der Section,« rief Maurice, indem er aus dem Bette sprang und seinen Willfährigen rief, um sich ankleiden zu lassen.

»Und ich, ich gehe zu Bette,« versetzte Lorin: »ich habe in dieser Nacht wegen Deiner wüthenden Freiwilligen nur zwei Stunden geschlafen. Schlägt man sich bloß ein wenig, so läßst Du mich schlafen, schlägt man sich viel, so kommst Du und holst mich.«

»Warum hast Du Dich denn so schön gemacht?« fragte Maurice, einen Blick aus Lorin werfend, der eben ausstand, um sich zu entfernen.

»Weil ich, um zu Dir zu kommen, genöthigt bin, durch die Rue Béthisy zu gehen, und weil es in der Rue Béthisy im dritten Stocke ein Fenster gibt, das sich immer öffnet, wenn ich vorübergehe.«

»Und Du befürchtest nicht, man könnte Dich für einen Muscadin1 halten?«

»Ich ein Muscadin! oh, ja wohl! ich bin im Gegentheil als ein tüchtiger Sans-culotte bekannt. Doch, man muß dem schönen Geschlecht« ein Opfer bringen. Der Cultus des Vaterlandes schließt den der Liebe nicht aus. Der eine heischt im Gegentheil den andern.«

 
»Beschlossen hat die Republik,
Daß man der Griechen Vorbild folge,
Der Freiheit Alter sei ein Seitenstück
Für den der Grazien beim Volke.
 

Wage es, dies auszupfeifen, und ich zeige Dich als Aristokraten an und lasse Dich so rasiren, daß Du nunmehr eine Perrücke trägst. Guten Tag, mein Freund.«

Lorin reichte Maurice herzlich seine Hand, die der junge Secretaire ebenso herzlich drückte, und ging dann ein Lied an Chloris trällernd, weg.

V.
Was für ein Mann der Bürger Maurice Lindey war

Während sich Maurice Lindey, nachdem er sich hastig angekleidet, auf die Section der Rue Lepelletier begibt deren Secretaire er ist, wie man weiß, versuchen wir es vor den Augen des Publikums die Vorgänge dieses Mannes zu schildern, der sich aus der Scene durch eine von jenen Aufschwingungen des Herzens gezeigt hat, wie sie bei edlen und mächtigen Naturen häufig vorkommen.

Der junge Mann hatte am Tage zuvor die Wahrheit gesprochen, als er sagte, er heiße Maurice Lindey und wohne in der Rue du Roule. Er hätte beifügen können, er sei ein Kind jener Halbaristokratie, welche der Robe bewilligt wird. Seine Vorfahren hatten sich seit zweihundert Jahren durch die ewige parlamentarische Opposition ausgezeichnet, welche die Namen Molé und Maupon berühmt gemacht. Sein Vater, der gute Lindey, der sein ganzes Leben damit hinbrachte, daß er gegen den Despotismus seufzte, starb, als am 14. Juli 89 die Baistille in die Hände des Volkes fiel, vor Schrecken darüber, daß er den Despotismus durch eine kriegführende Freiheit ersetzt sah, und hinterließ seinen einzigen Sohn, unabhängig durch das Vermögen und Republikaner durch das Gefühl.

Die Revolution, welche so bald auf dieses große Ereigniß folgte, fand Maurice mit allen Bedingungen der Stärke und der männlichen Reise, wie sie dem Athleten entsprechen, der aus den Kampfplatz zu treten im Begriff ist, und seine republikanische Erziehung verstärkte sich durch ein beständiges Besuchen der Clubs und das Lesen aller Pamphlete der Zeit. Gott weiß, wie viel Maurice dergleichen hatte lesen müssen. Tiefe und aus Schlüssen beruhende Verachtung der Hierarchie, philosophische Erwägung der Elemente, die den Körper bilden, absolute Ableugnung jedes Adels, der nicht persönlich ist, unparteiische Schätzung der Vergangenheit, glühender Eifer für die neuen Ideen, Sympathie für das Volk, gemischt mit der aristokratischsten der Organisationen, dies war in moralischer Hinsicht nicht derjenige, welchen wir gewählt haben, sondern der, welchen das Tagebuch, aus dem wir diesen Gegenstand schöpfen, uns als Helden dieser Geschichte gegeben hat.

In physischer Hinsicht war Maurice Linden ein Mann von fünf Fuß acht Zoll, fünf und zwanzig bis sechs und zwanzig Jahre alt, muskelig wie ein Herkules, schön in in jener französischen Schönheit, welche bei einem Franken eine besondere Race hervorhebt, das heißt eine reine Stirne, blaue Augen, kastanienbraune gelockte Haare, rosige Wangen und Zähne wie Elfenbein.

Nach dem Portrait des Mannes, die Stellung des Bürgers.

Maurice, wenn nicht reich, doch wenigstens unabhängig, Maurice, der einen geachteten und besonders populären Namen führte, Maurice, bekannt durch seine liberale Erziehung und durch seine Grundsätze, welche noch liberaler waren als seine Erziehung, Maurice hatte sich gleichsam an die Spitze einer Partei, bestehend aus allen jungen patriotischen Bürgern, gestellt. Vielleicht galt er bei den Sans-culottes für etwas lau und bei den Sectionären für etwas parfümiert. Doch er wußte sich Verzeihung für seine Lauheit bei den Sans-culottes dadurch zu verschaffen, daß er wie ärmliche Rohre die knotigsten Knüttel zerbrach, für seine Eleganz bei den Sectionären, daß er sie auf, zwanzig Schritte durch einen Faustschlag zwischen die zwei Augen fortschleuderte, wenn ihn diese zwei Augen auf eine Weise anschauten, die ihm nicht behagte.

In physischer, in moralischer, in bürgerthümlicher Beziehung hatte nun Maurice der Einnahme der Bastille beigewohnt; er war bei dem Zuge nach Versailles gewesen, er hatte wie ein Löwe am zehnten August gekämpft und an diesem merkwürdigen Tage, man muß ihm diese Gerechtigkeit widerfahren lassen, ebenso viele Patrioten als Schweizer getödtet: denn er wollte so wenig den Mörder unter der Carmagnole als den Feind der Republik unter dem rothen Kleide dulden.

Er hatte sich, um die Vertheidiger des Schlosses zu Uebergabe zu ermahnen und um ein weiteres Blutvergießen zu verhindern, vor die Mündung einer Kanone geworfen, welche ein Pariser Artillerist eben losbrennen wollte, er war zuerst durch ein Fenster in den Louvre eingedrungen, trotz des Kleingewehrfeuers von fünfzig Schweizern, und eben so vielen im Hinterhalt liegenden Edelleuten und als er die Zeichen der Capitulation erblickte, hatte sich sein furchtbarer Säbel bereits durch zehn Uniformen Bahn gebrochen; da er nun nach Muße seine Freunde Gefangene niedermetzeln sah, welche ihre Waffen wegwarfen, ihre Hände flehend ausstreckten und um ihr Leben baten, fing er an wie wüthend auf eben diese Freunde einzuhauen, was ihm einen Ruf, würdig der schönen Tag von Rom und Griechenland, verschaffte.

Sobald der Krieg erklärt war, trat Maurice unter die Schaaren und ging nach der Grenze mit den erste fünfzehn hundert Freiwilligen ab, welche die Stadt gegen die Feinde schickte, und denen jeden Tag fünfzehn hundert andere folgen sollten. In der ersten Schlacht, die er mitmachte, nämlich bei Jemappes, erhielt er eine Kugel, die sich, nachdem sie die stählernen Muskeln seiner Schulter getheilt, auf dem Knochen abplattete. Der Vertreter des Volkes kannte Maurice und schickte ihn zur Heilung nach Paris zurück. Einen ganzen Monat wälzte sich Maurice, vom Fieber verzehrt, auf seinem Schmerzenslager; doch der Januar fand ihn wieder auf den Beinen und er befehligte, wo nicht dem Namen, doch wenigstens in. Sache nach den Club der Thermopylen, das heißt, hundert junge Leute von der Pariser Bürgerschaft, welche sich bewaffnet hatten, um sich jedem Versuche zu Gunsten des Tyrannen Capet zu widersetzen; mehr noch: die Stirne gefaltet durch einen düsteren Zorn, das Auge erweitert, das Herz gepreßt durch eine seltsame Mischung von moralischem Haß und körperlichem Mitleid, wohnte Maurice, den Säbel in der Faust, der Hinrichtung des Königs bei und blieb, allein vielleicht von dieser ganzen Menge, stumm, als das Haupt dieses Sohnes vom heiligen Ludwig niederfiel, dessen Seele zum Himmel ausstieg; nur hob er, sobald dieses Haupt gefallen war, seinen furchtbaren Säbel in die Luft und alle seine Freunde riefen: »Es lebe die Freiheit!« ohne zu bemerken, daß diesmal seine Stimme ausnahmsweise sich nicht mit der ihrigen vermischt hatte.

 

«Dies war der Mann, der am Morgen des elften März nach der Rue Lepelletier ging, der Mann, dem unsere Geschichte mehr Relief in den Einzelheiten eines stürmischen Lebens geben wird, wie man es zu jener Zeit führte.

Gegen zehn Uhr kam Maurice in die Section, deren Secretaire er war.

Die Bewegung war groß. Es handelte sich darum, eine Adresse an den Convent zu Unterdrückung der Complotte der Girondisten zu beschließen. Man erwartete Maurice voll Ungeduld.

Es war nur von der Rückkehr des Chevalier von Maison-Rouge und von der Kühnheit die Rede, mit der dieser erbitterte, unermüdliche Verschwörer zum zweiten male nach Paris gekommen war, wo man doch, wie er wußte, einen Preis auf seinen Kopf gesetzt hatte. Man brachte mit dieser Rückkehr den Versuch vom vorhergehenden Tag in Verbindung, und Jeder drückte seinen Haß und seine Verachtung gegen die Aristokraten und Verräther aus.

Doch gegen die allgemeine Erwartung war Maurice, unempfindlich und schweigsam, faßte geschickt die Proclamation ab, beendigte in drei Stunden sein ganzes Geschäft, fragte, ob die Sitzung ausgehoben sei, nahm auf eine bejahende Antwort seinen Hut, ging hinaus und wanderte der Rue Saint-Honoré zu.

Als er in diese Straße gelangte, kam ihm Paris ganz neu vor. Er sah die Ecke der Rue du Coq, wo ihm in der Nacht die schöne Unbekannte, sich unter den Händen der Soldaten sträubend, erschienen war. Dan, folgte er, von der Rue du Coq bis zum Pont Marie, demselben Wege, den er an ihrer Seite durchlaufen hatte blieb stehen, wo sie von den verschiedenen Patrouillen aufgehalten worden waren, und wiederholte an den einzelnen Stellen, die ihn daran erinnerten, als hätten sie ein Echo ihrer Worte behalten, das Gespräch, das sie miteinander gepflogen; nur war es ein Uhr Nachmittags und die Sonne, welche diesen ganzen Spaziergang beleuchtete machte aus jedem Schritte die Erinnerungen der Nacht hervorspringend.

Maurice schritt über die Brücken und trat bald in die Rue Victor, wie man sie damals nannte.

»Arme Frau!« murmelte Maurice, »sie bedachte gestern nicht, daß die Nacht nur zwölf Stunden währt und daß ihr Geheimnis wahrscheinlich nicht länger als du Nacht dauern würde. Bei der Helle der Sonne werde ich die Thüre wiederfinden, durch die sie geschlüpft ist, und wer weiß, ob ich sie nicht selbst an irgend einem Fenster erblicke.«

Er trat sodann in die alte Rue Saint-Jacques und stellte sich, wie die Unbekannte am Tage zuvor gestanden hatte. Einen Augenblick schloß er die Augen: der arme Narr glaubte vielleicht, der Kuß vom vorhergehenden Abend würde zum zweiten Male auf seinen Lippen brennen. Doch er fühlte nichts davon, als die Erinnerung. Die Erinnerung brannte allerdings immer noch.

Maurice öffnete die Augen wieder, sah die zwei Gäßchen, das eine rechts, das andere links. Sie waren kothig, schlecht gepflastert, mit Schranken versehen und von kleinen, über einen Bach gesprengten Brücken durchschnitten. Man sah hier Arkaden von Balken, Schlupfwinkel, zwanzig schlicht befestigte, verfaulte Thüren. Es war die plumpe Arbeit in ihrem ganzen Elend, das Elend in seiner ganzen Häßlichkeit. Da und dort fand sich ein Garten, bald durch Hecken, bald durch Zäune von Weinpfählen, zuweilen auch durch Mauern geschlossen; Häute trockneten unter Schoppen und verbreiteten den abscheulichen Geruch der Lohgerberei, bei dem einem übel wird. Maurice suchte, stellte zwei Stunde lang zusammen und fand nichts, errieth nichts; zehnmal drang er in dieses Labyrinth, zehnmal kehrte er zurück, um sich zu orientieren. Doch alle seine Versuche waren vergeblich, alle seine Nachforschungen fruchtlos. Die Spuren der jungen Frau schienen durch den Nebel und den Regen verwischt worden zu sein.

»Vorwärts!« sprach Maurice zu sich selbst, »ich habe geträumt. Diese Cloake kann nicht einen Augenblick meine schönen Fee von der letzten Nacht als Aufenthaltsort gedient haben.«

Es lag in dem wilden Republikaner eine Poesie, viel wahrer, als die in seinem Freunde mit den anakreontischen Versen, denn aus diesen Gedanken kehrte er zurück, um die Glorie nicht zu trüben, die das Haupt seiner Unbekannten beleuchtete. Allerdings kehrte er in Verzweiflung zurück.

»Lebe wohl! schöne Geheimnisvolle,« sagte er, »Du hast mich als Dummkopf oder als Kind behandelt. Würde sie denn hierher gegangen sein, wenn sie wirklich hier wohne? Nein, sie ging nur hier durch, wie der Schwan über einen verpesteten Sumpf zieht. Und wie die des Vogels in der Luft, ist ihre Spur unsichtbar.«

1Muscadin nannte man während der Revolution in Frankreich die nach der Mode gekleideten Herren, besonders wegen der wohlgerüche, die sie verbreiteten, im Gegensatz zu den Sans-culottes.
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