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Der Graf von Bragelonne

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Es war, wie es scheint, nicht das erste Mal, daß die Augen des Officiers diesen Augen begegneten, und er kannte aus dem Grund den Styl und den Gedanken derselben, denn sobald er seinen Blick auf die Physiognomie des Königs geheftet und durch die Physiognomie gelesen hatte, was in seinem Herzen vorging, nämlich welcher Berg er, welcher Ueberdruß es bedrückte, wie der schüchterne Entschluß, wegzugehen, sich in der Tiefe dieses Herzens regte, begriff er, man müsse dem König einen Dienst leisten, ohne daß er es verlange, ihm einen Dienst leisten beinahe wider seinen Willen, und er rief kühn, als ob er die Cavalerie an einem Schlachttage befehligte, mit schallender Stimme:

»Der Dienst des Königs!«

Bei diesen Worten, welche die Wirkung des Donners machten, der mit seinem Tosen Orchester, Gesänge, Rauschen und Summen der Spaziergänger übertäubte, schauten der Cardinal und die Königin Mutter mit Erstaunen Seine Majestät an.

Bleich, aber entschlossen, unterstützt durch die Anschauung seines eigenen Gedankens, den er im Geist des Officiers der Musketiere wiedergefunden hatte, was ihm durch den Befehl, den dieser gab, sich geoffenbart, erhob sich Ludwig XIV. von seinem Fauteuil und machte einen Schritt gegen die Thüre.

»Ihr geht, mein Sohn?« fragte die Königin, während Mazarin sich begnügte, mit seinem Blick zu fragen, der sanft hätte scheinen können, wäre er nicht so durchdringend gewesen.

»Ja, Madame, ich fühle mich ermüdet und möchte überdies gern diesen Abend schreiben.«

Ein Lächeln schwebte über die Lippen des Ministers, der den König mit einem Zeichen des Kopfes zu entlassen schien.

Monsieur und Madame beeilten sich, den Officianten Befehle zu geben.

Der König verbeugte sich, durchschritt den Saal

An der Thüre erwartete den König ein Spalier von zwanzig Musketieren.

Am Ende dieses Spaliers stand der unempfindliche Officier, sein bloßes Schwert in der Hand.

Der König ging vorüber und die ganze Menge erhob sich auf die Fußspitzen, um ihn noch einmal zu sehen.

Zehn Musketiere, welche die Menge in dem Vorzimmer und auf den Stufen trennten, machten dem König Platz.

Die zehn andern umschloßen den König und Monsieur, der Seine Majestät hatte begleiten wollen.

Die Leute vom Dienst kamen hinten.

Dieser kleine Cortége begleitete den König bis zu den für Ihn bestimmten Gemächern.

Es waren dieselben, welche König Heinrich III. während seines Aufenthalts bei den Ständen bewohnt hatte.

Monsieur hatte seine Befehle gegeben. Die Musketiere begaben sich, geführt von ihrem Officier, in den kleinen Gang, der parallel von einem Flügel des Schlosses mit dem andern in Verbindung steht.

Dieser Gang bestand Anfangs aus einem kleinen viereckigen Vorzimmer, das selbst an schönen Tagen düster war.

Monsieur hielt Ludwig XIV. auf.

»Sire,« sagte er, »Ihr seid auf der Stelle, wo der Herzog von Guise den ersten Dolchstoß erhielt.«

Sehr unwissend in geschichtlichen Dingen, kannte der König zwar die Thatsache, ohne aber entfernt mit den Oertlichkeiten oder den einzelnen Umständen vertraut zu sein.

»Ah!« machte er schaudernd.

Und er blieb stehen.

Jedermann blieb vor und hinter ihm stehen.

»Sire,« fuhr Gaston fort, »der Herzog war ungefähr, wo ich bin; er ging in der Richtung, in der Eure Majestät geht; Herr von Loignes war an dem Ort, wo in diesem Augenblick Euer Lieutenant der Musketiere steht, Herr von Sainte-Maline und die Leute Seiner Majestät waren hinter ihm und um ihn. Hier wurde er getroffen.«

Der König wandte sich nach seinem Officier um und sah etwas wie eine Wolke über sein martialisches, kühnes Gesicht hinziehen.

»Ja, von hinten,« murmelte der Lieutenant mit einer Geberde erhabener Verachtung.

Und er suchte sich wieder in Marsch zu setzen, als ob es ihm unbehaglich zwischen diesen einst vom Verrath heimgesuchten Mauern gewesen wäre.

Doch der König, dem es wohl ganz genehm war, etwas zu erfahren, schien geneigt, diesem unseligen Ort noch einen Blick zu schenken.

Gaston begriff den Wunsch seines Neffen.

»Seht, Sire,« sagte er, indem er eine Kerze aus den Händen von Herrn von Saint-Remy nahm, »hier ist er gefallen. Es stand hier ein Bett, dessen Vorhänge er zerriß, da er sich daran halten wollte.«

»Warum scheint der Boden an dieser Stelle ausgehöhlt?« fragte Ludwig.

»Weil auf diese Stelle das Blut floß.« antwortete Gaston; »das Blut drang tief in das Eichenholz, und nur durch Aushöhlung gelang es, dasselbe verschwinden zu machen. Und,« fügte Gaston bei, indem er sein Licht dem bezeichneten Orte näherte, »und dabei widerstand noch diese röthliche Tinte allen Versuchen, die man machte, um sie zu tilgen.«

Ludwig XIV. erhob die Stirne. Vielleicht dachte er an die blutige Spur, die man ihm eines Tags im Louvre gezeigt hatte, und die, ein Seitenstück zu der in Blois, von dem König, seinem Vater, einst mit dem Blut von Cancini gemacht worden war.

»Vorwärts!« sagte er.

Man schritt sogleich weiter; denn die Erschütterung hatte ohne Zweifel der Stimme des jungen Prinzen einen befehlenden Ton gegeben, den man nicht bei ihm gewohnt war.

Als man bei der für den König bestimmten Wohnung ankam, zu der man nicht nur durch den Gang, dem wir gefolgt, sondern auch durch eine große, nach dem Hofe gehende Treppe gelangte, sagte Gaston:

»Wolle Eure Majestät diese Wohnung, so unwürdig sie ist, Euch zu beherbergen, Sire, gnädigst annehmen.«

»Mein Oheim,« erwiederte der junge Prinz, »ich danke Euch für Eure herzliche Gastfreundschaft.«

Gaston verbeugte sich vor seinem Neffen, der ihn umarmte, und entfernte sich.

Von den zwanzig Musketieren, die den König begleitet hatten, führten zehn Monsieur bis zu den Empfangssälen zurück, welche trotz des Abgangs Seiner Majestät nicht leer geworden waren.

Die zehn andern wurden von dem Officier ausgestellt, der selbst in fünf Minuten alle Oertlichkeiten mit dem kalten, sicheren Blick untersuchte, den die Gewohnheit nicht immer gibt, insofern dieser Blick dem Genie gehörte.

Als alle seine Leute aufgestellt waren, wählte er zu seinem Hauptquartier das Vorzimmer, wo er einen Lehnstuhl, eine Lampe, Wein, Wasser und trockenes Brod fand.

Er belebte die Lampe, trank ein halbes Glas Wein, drehte seine Lippen unter einem ausdrucksvollen Lächeln, richtete sich in seinem großen Lehnstuhl ein und traf alle Vorkehrungen, um zu schlafen.

IX.
Worin der Unbekannte aus dem Gasthof zu den Medicis sein Incognito verliert

Dieser Officier, der schlief oder zu schlafen sich anschickte, war trotz seiner sorglosen Miene mit einer schweren Verantwortlichkeit belastet.

Lieutenant der Musketiere des Königs, befehligte er die ganze Compagnie, welche von Paris gekommen war, und diese Compagnie bestand aus hundert und zwanzig Mann; doch mit Ausnahme der zwanzig, von denen wir gesprochen haben, waren die andern mit dem Wachdienst bei der Königin Mutter und besonders beim Herrn Cardinal beschäftigt.

Monsignore Giulio Mazarini sparte an den Reisekosten für seine Leibwachen; er benutzte daher die des Königs, und zwar in bedeutendem Umfang, da er fünfzig davon für sich nahm, ein Umstand, der Jedem, dem die Gebräuche dieses Hofes fremd gewesen wären, sehr unschicklich vorgekommen sein müßte.

Auch müßte es dem. mit den Gebräuchen dieses Hofes Nichtvertrauten, wenn nicht unschicklich, doch wenigstens sonderbar vorgekommen sein, daß die für den Herrn Cardinal bestimmte Seite des Schlosses glänzend beleuchtet und voll Bewegung war. Die Musketiere bezogen die Wache vor jeder Thüre und verwehrten Jedermann den Eintritt, die Couriere ausgenommen, welche selbst auf der Reise dem Cardinal wegen seiner Correspondenzen folgten.

Zwanzig Mann hatten den Dienst bei der Königin Mutter; dreißig ruhten aus, um ihre Kameraden am andern Tag abzulösen.

Auf der Seite des Königs im Gegentheil Dunkelheit, Stille, Einsamkeit. Sobald die Thüren geschlossen waren, kein Schein mehr von einem Königthum. Alle Leute vom Dienst hatten sich allmälig entfernt. Der Herr Prinz hatte fragen lassen, ob Seine Majestät seine Dienste begehre, und auf das herkömmliche Nein des Lieutenants der Musketiere, der die Gewohnheit der Frage und der Antwort hatte, fing Alles an zu entschlummern wie bei einem guten Bürgersmann.

Und dennoch konnte man leicht vom Corps du logis, das der junge König bewohnte, die Musiken des Festes hören und die reich beleuchteten Fenster des großen Saales sehen.

Zehn Minuten, nachdem er in seinem Zimmer war, konnte Ludwig XlV. an einer gewissen Bewegung, welche sich stärker ausprägte, als die bei seinem Abgang, den Abgang des Cardinals erkennen, der sich mit einer großen Escorte von Edelleuten und Damen nach seinem Bette begab.

Uebrigens brauchte man, um diese ganze Bewegung wahrzunehmen, nur durch das Fenster zu schauen, dessen Läden nicht geschlossen waren.

Seine Eminenz durchschritt den Hof, zurückgeleitet von Monsieur selbst, der ihm leuchtete; dann kam die Königin Mutter, der Madame vertraulich den Arm gab, und Beide flüsterten auf dem Wege mit einander wie zwei alte Freundinnen.

Hinter diesen zwei Paaren zog Alles einher, Ehrendamen, Pagen, Officiere; die Fackeln entzündeten den ganzen Hof wie durch einen Brand mit beweglichen Reflexen, dann verlor sich das Geräusch der Tritte und Stimmen in den obern Stockwerken.

Niemand dachte nun mehr an den König, der sich mit den Ellenbogen auf das Gesimse seines Fensters stützte, wo er all dieses Licht sich verlaufen gesehen, all dieses Geräusch sich entfernen gehört hatte; Niemand, wenn nicht der Unbekannte aus dem Gasthause zu den Medicis, der dort, in seinen schwarzen Mantel gehüllt, wie wir erzählten, weggegangen war.

Er war geraden Wegs zum Schloß hinaufgestiegen und mit seinem schwermüthigen Gesicht in der Gegend des Palastes, den das Volk noch umgab, umhergestreift, und als er sah, daß Niemand die große Pforte und die Halle bewachte, in Betracht, daß die Soldaten von Monsieur mit den königlichen Soldaten bei zahllosen Humpen Beaugency Brüderschaft schloßen, durchschritt der Unbekannte die Menge, ging durch den Hof und kam zum Ruheplatz der Treppe, welche zum Cardinal führte.

 

Was ihn aller Wahrscheinlichkeit nach veranlaßte, sich nach dieser Seite zu wenden, war der Glanz der Kerzen und Fackeln und das geschäftige, Wesen der Pagen und Leute vom Dienst.

Doch er wurde plötzlich durch eine Musketenbewegung und durch den Ruf einer Schildwache aufgehalten.

»Wohin geht Ihr, Freund?« fragte der Mann von der Wache.

»Ich gehe zum König,« antwortete ruhig und stolz der Unbekannte.

Der Soldat rief einen von den Officianten Seiner Eminenz, der mit dem Tone eines Kanzleibeamten, welcher einen Bittsteller im Ministerium bei seinen Nachfragen zurechtweist, die Worte fallen ließ:

»Die andere Treppe gegenüber.«

Und ohne sich weiter um den Unbekannten zu bekümmern, setzte der Officiant sein unterbrochenes Gespräch fort.

Der Fremde wandte sich, ohne etwas zu erwiedern, nach der bezeichneten Treppe.

Auf dieser Seite kein Geräusch, keine Lichter mehr.

Nur die Dunkelheit, unter der man eine Schildwache, einem Schatten ähnlich, umherirren sah; nur das Stillschweigen, bei dem man das Geräusch ihrer Tritte, begleitet von dem Klirren der Sporen auf den Platten, hören konnte.

Dieser Mann von der Wache war einer von den zwanzig Musketieren, die der Person des Königs beigegeben waren; er versah seinen Dienst mit der Steifheit und Gewissenhaftigkeit einer Statue.

»Wer da?« rief er.

»Gut Freund,« antwortete der Unbekannte.

»Was wollt Ihr?«

»Mit dem König sprechen.«

»Oh! oh! mein lieber Herr, das kann kaum sein.«

»Und warum nicht?«

»Weil der König zu Bette gegangen ist.« .

»Schon zu Bette gegangen?«

»Ja.«

»Gleichviel, ich muß ihn sprechen.«

»Und ich sage Euch, daß es unmöglich ist.«

»Doch . . . «

»Entfernt Euch,«

»Ist das der Befehl?«

»Ich habe Euch keine Rechenschaft zu geben. Entfernt Such.«

Diesmal begleitete die Wache das Wort mit einer drohenden Geberde; doch der Unbekannte rührte sich nicht mehr, als wenn seine Füße Wurzel gefaßt hätten.

»Herr Musketier,« sagte er, »Ihr seid Edelmann?«

»Ich habe die Ehre.«

»Wohl! ich bin es auch, und unter Edelleuten ist man sich einige Rücksicht schuldig.«

Der Musketier senkte das Gewehr, besiegt durch die Würde, mit der diese Worte gesprochen worden waren.

»Sprecht, mein Herr,« sagte er, »und wenn Ihr etwas von mir fordert, was in meiner Macht liegt. ..«

»Ich danke, Ihr habt einen Officier, nicht wahr?«

»Unsren Lieutenant, ja, mein Herr.«

»Ich wünsche mit Eurem Lieutenant zu sprechen.«

»Ah! das ist etwas Anderes. Geht hinauf, mein Herr.«

Der Unbekannte grüßte den Musketier auf eine, herablassende Weise und stieg die Treppe hinauf, während der Ruf:

»Lieutenant, ein Besuch!« von Wache zu Wache ihm voranging und den Officier im ersten Schlafe störte.

Seinen Stiefel schleppend, sich die Augen reibend und seinen Mantel zuhäkelnd, ging der Lieutenant dem Fremden drei Schritte entgegen. ,

»Was steht zu Dienst, mein Herr?« fragte er.

»Ihr seid der Officier vom Dienst, Lieutenant der Musketiere?«

»Ich habe die Ehre.«

»Mein Herr, ich muß nothwendig den König sprechen.«

Der Lieutenant schaute den Unbekannten aufmerksam an, und mit diesem Blick, so rasch er war, sah er Alles, was er sehen wollte: eine tiefe Distinction unter einem gewöhnlichen Kleid.

»Ich nehme nicht an, daß Ihr ein Narr seid, und dennoch scheint Ihr mir in der Lage, zu wissen, daß man nicht so bei einem König eintritt, ohne daß er die Einwilligung dazu gibt.«

»Er wird einwilligen.«

»Mein Herr, erlaubt mir, das zu bezweifeln; der König ist vor einer Viertelstunde erst zurückgekehrt und muß eben im Auskleiden begriffen sein. Ueberdies ist ein Verbot gegeben worden.«

»Wenn er erfährt, daß ich es bin,« erwiederte der Unbekannte sich emporrichtend, »so wird er das Verbot aufheben.«

Der Officier war immer mehr erstaunt, immer mehr unterjocht.

»Darf ich, wenn ich einwillige, Euch zu melden, wenigstens wissen, wen ich melde, mein Herr?«

»Ihr werdet Seine Majestät Karl II., König von England, Schottland und Irland melden.«

Der Officier stieß einen Schrei des Erstaunens aus, wich zurück, und man konnte auf seinem Gesicht eine der schmerzlichsten Bewegungen sehen, die je ein energischer Mann in die Tiefe seines Herzens zurückzudrängen gesucht hat.

»Oh! ja, Sire,« sagte er, »ich hätte Euch erkennen sollen.«

»Ihr habt mein Portrait gesehen?«

»Nein, Sire.«

»Ihr habt mich selbst früher gesehen, bei Hofe, ehe man mich aus Frankreich weg jagte?«

»Nein, Sire, das ist es auch nicht.«

»Wie hättet Ihr mich dann erkennen sollen, da Ihr weder mein Portrait, noch mich selbst gesehen?«

»Sire, ich habe Seine Majestät den König, Euren Vater, in einem furchtbaren Augenblick gesehen.«

»Am Tag . . . «

»Ja.«

Eine düstere Wolke zog über die Stirne des Prinzen. Dann sie mit der Hand entfernend, sprach er:

»Erscheint es Euch noch als eine Schwierigkeit, mich zu melden?«

»Sire, verzeiht mir,« erwiederte der Officier, »ich konnte nicht einen König unter diesem so einfachen Aeußeren vermuthen, und ich sah doch . . . ich hatte die Ehre, es Euerer Majestät so eben zu sagen, ich sah König Karl I . . . Doch verzeiht, ich eile, den König zu benachrichtigen.«

Dann noch einmal umkehrend, fragte er:

»Euere Majestät wünscht ohne Zweifel, daß diese Zusammenkunft geheim bleibe?«

»Ich verlange es nicht, doch wenn es möglich ist, sie geheim zu halten . . . «

»Es ist möglich, Sire, denn ich kann mich der Pflicht, den ersten Hofcavalier vom Dienst davon in Kenntniß zu setzen, überheben; doch Eure Majestät muß sich dann herbeilassen, mir ihren Degen zu übergeben.«

»Das ist wahr, ich vergaß, daß Niemand bewaffnet beim König von Frankreich eintreten darf.«

»Eure Majestät wird eine Ausnahme machen, wenn sie will; dann werde ich aber meine Verantwortlichkeit sicher stellen, indem ich den Dienstthuenden des Königs benachrichtige.«

»Hier ist mein Degen, mein Herr. Beliebt es Euch nun, mich Seiner Majestät zu melden, mein Herr?«

»Auf der Stelle, Sire.«

Und der Officier klopfte sogleich an die Verbindungsthüre, die ihm der Kammerdiener öffnete.

»Seine Majestät der König von England!« sagte der Officier.

»Seine Majestät der König von England!« wiederholte der Kammerdiener.

Bei diesen Worten öffnete ein Cavalier beide Flügel der Thüre des Königs, und man sah Ludwig XIV., ohne Hut und ohne Degen, in seinem offenen Wamms, mit den Zeichen des größten Erstaunens vorschreiten.

»Ihr, mein Bruder! Ihr in Blois,« rief Ludwig XIV, während er mit einer Geberde den Cavalier und den Kammerdiener entließ, welche in ein benachbartes Zimmer gingen.

»Sire,« erwiederte Karl II. »ich wollte mich nach Paris begeben, in der Hoffnung, Eure Majestät dort zu sehen, als ich durch das Gerücht Eure nahe bevorstehende Ankunft in dieser Stadt erfuhr. Ich verlängerte sodann meinen Aufenthalt, weil ich Euch etwas ganz Besonderes mitzutheilen habe.«

»Entspricht Euch dieses Cabinet, mein Bruder?«

»Vollkommen, Sire, denn ich glaube nicht, daß man uns hören kann.«

»Ich habe meinen Cavalier und meinen Wächter entlassen, sie sind in dem benachbarten Zimmer. Dort unter jenem Verschlag ist ein einsames Cabinet, das auf ein Vorzimmer geht, und im Vorzimmer habt Ihr Niemand gesehen, als einen Officier, nicht wahr?«

»Ja, Sire.«

»Nun, so sprecht, mein Bruder, ich höre Euch.«

»Sire, ich fange an, und möge Eure Majestät Mitleid mit dem Unglück unseres Hauses fassen.«

Der König von Frankreich erröthete und rückte sein Fauteuil näher zu dem des Königs von England.

»Mein Bruder,« sprach er, »es ist schmählich zu sagen, aber selten redet der Cardinal in meiner Gegenwart von Politik. Mehr noch: früher ließ ich mir historische Schriften von Laporte, meinem Kammerdiener, vorlesen,; doch er hat diese Vorlesungen eingestellt und mir Laporte genommen, so daß ich meinen Bruder Karl bitten muß, mir alle diese Dinge wie einem Menschen zu sagen, der nichts davon wüßte.«

»Wohl! Sire, wenn ich die Dinge so weit oben als möglich anfasse, habe ich eine Hoffnung mehr, das Herz Eurer Majestät zu rühren.«

»Sprecht, mein Bruder, sprecht.«

»Ihr wißt, Sire, daß ich im Jahr 1650, während der Expedition von Cromwell nach Irland, nach Edinburgh berufen, in Scone gekrönt wurde. Ein Jahr später, verwundet in einer der Provinzen, die er usurpirt hatte, marschirte Cromwell wieder gegen uns. Mit ihm zusammenzutreffen war meine Absicht, aus Schottland wegzukommen mein Wunsch.«

»Schottland war aber beinahe Euer Geburtsland?« versetzte der junge König.

»Ja, aber die Schottländer waren grausame Landsleute für mich! Sire, sie nöthigten mich, die Religion meiner Väter zu verleugnen; sie henkten Lord Montrose, meinen ergebensten Diener, weil er nicht Convenanter war, und da der arme Märtyrer, dem man vor seinem Tode eine Gnade anbot, verlangte, daß man seinen Körper in so viel Stücke zerreiße, als es Städte in Schottland gebe, damit man überall Zeugen seiner Treue finde, so konnte ich nicht aus einer Stadt heraus, oder in eine Stadt hinein, ohne an irgend einem Fetzen dieses Körpers vorüberzukommen, der für mich gehandelt, gekämpft, geathmet hatte.

»Ich zog also vermittelst eines verwegenen Marsches durch die Armee von Cromwell und kam nach England. Der Protector verfolgte mich bei dieser seltsamen Flucht, die eine Krone zum Ziel hatte . . . Hätte ich vor ihm London erreichen können, so wäre ohne Zweifel der Preis des Rennens mein gewesen, aber er holte mich in Worcester ein.

»Der Genius Englands war nicht mehr in uns, sondern in ihm, Sire; am 3. September 1651, am Jahrestag der für die Schottländer so unglücklichen Schlacht von Dunbar, wurde ich besiegt. Zweitausend Menschen fielen um mich her, ohne dass mir der Gedanke kam, einen Schritt rückwärts zu thun. Endlich mußte ich fliehen.

»Von da an wurde meine Geschichte ein Roman. Mit der größten Erbitterung verfolgt, schnitt ich mir die Haare ab und verkleidete mich als Holzhauer. Eine Nacht, die ich in den Zweigen einer Eiche zubrachte, gab diesem Baum den Namen der Königseiche, den sie noch hat. Meine Abenteuer in der Grafschaft Strafford, aus der ich die Tochter meines Wirthes auf dem Rücken tragend entkam, bilden immer noch den Gegenstand der Erzählungen am Abend und werden den Stoff zu einer Ballade geben. Dies Alles, Sire, werde ich eines Tages zur Belehrung der Könige, meiner Brüder, niederschreiben.

»Ich erwähne, wie ich, als ich bei Herrn Norton ankam, einen Kaplan des Hofes traf, der dem Kegelspiel zusah, und einen alten Diener, der mich, in Thrakien zerfließend, beim Namen nannte und mich beinahe eben so sicher durch seine Treue, getödtet hätte, als ein Anderer durch seinen Verrath. Ich erwähne endlich meiner Schrecknisse, ja, Sire, meiner Schrecknisse, als bei dem Obersten Windham ein Hufschmied, der unsere Pferde untersuchte, erklärte, sie seien im Norden beschlagen worden.«

»Das ist seltsam,« sagte Ludwig XIV» »ich wußte dies Alles nicht. Ich wußte nur, daß Ihr Euch in Brighelmsted einschifftet und in der Normandie landetet.«

»Oh, mein Gott!» sprach Karl, »wenn Du es gestattest, daß ein König so die Geschichte des andern nicht kennt, wie sollen sie dann einander beistehen?«

»Doch sagt, mein Bruder,« fuhr Ludwig XIV. fort, »wie könnt Ihr, da Ihr so schlimm in England aufgenommen worden seid, noch etwas von diesem unglücklichen Land und diesem rebellischen Volk hoffen?«

»Oh! Sire, seit der Schlacht von Worcester haben sich dort alle Dinge sehr verändert I Cromwell ist gestorben, nachdem er mit Frankreich einen Vertrag unterzeichnet hat, in welchem er seinen Namen über den Eurigen setzte. Er ist gestorben am 3. September 1658, einem neuen Jahrestag der Schlachten von Worcester und Dunbar.

»Sein Sohn wurde sein Nachfolger.

»Doch gewisse Menschen, Sire, haben Familie und keinen Erben. Die Erbschaft von Oliver lastete zu schwer auf Richard, der weder Republicaner noch Royalist war; Richard, der seine Leibwachen sein Mittagsbrod verzehren und seine Generale die Republik regieren ließ, Richard hat am 22. April 1659 dem Protectorat entsagt. Es ist etwas mehr als ein Jahr, Sire.

 

»Seit dieser Zeit ist England nur ein Spielhaus, wo Jeder um die Krone meines Vaters würfelt. Die zwei heftigsten Spieler sind Lambert und Monk. Nun, Sire, auch ich möchte mich gern in die Partie mischen, wo der Einsatz auf meinen königlichen Mantel geworfen wird. Sire, eine Million, um einen von diesen Spielern zu bestechen, um mir einen Verbündeten aus ihm zu machen, öder zweihundert von Euren Edelleuten, um sie aus meinem Palaste Whitehall zu verjagen, wie Jesus die Verkäufer aus dem Tempel verjagte.«

»Ihr begehrt also von mir . . . « sagte Ludwig XIV.

»Eure Hilfe, nämlich das, was sich die Könige nicht nur gegenseitig schuldig sind, sondern auch das, was sich die Christen einander schuldig sind; Eure Hilfe, Sire, sei es an Geld, sei es an Menschen; Eure Hilfe, und in einem Monat, mag ich nun Lambert dem Monk, oder Monk dem Lambert entgegenstellen, habe ich mein väterliches Erbe wiedererobert, ohne daß es mein Land eine Guinee, meine Unterthanen einen Tropfen Blut gekostet hat, denn sie sind nun berauscht von Revolution, Protectorat und Republik und verlangen nichts Anderes, als ganz schwankend zu fallen und im Königthum zu entschlummern. Eure Hilfe, Sire, und ich werde Eurer Majestät mehr schuldig sein, als meinem Vater. Armer Vater! der den Untergang unseres Hauses so theuer bezahlt hat! Ihr seht, Sire, ob ich unglücklich bin, ob ich trostlos bin, denn nun klage ich meinen Vater an!«

Und das Blut stieg Karl II. in sein bleiches Gesicht und er blieb einen Augenblick, den Kopf zwischen seinen beiden Händen und wie geblendet durch dieses Blut, das sich über die Blasphemie des Sohnes zu empören schien.

Der junge König war nicht minder unglücklich, als sein älterer Bruder; er bewegte sich in seinem Fauteuil unruhig hin und her und fand kein Wort der Erwiederung.

Endlich fand Karl II., dem zehn Lebensjahre mehr eine höhere Kraft zu Beherrschung seiner Gemüthsbewegungen gaben, wieder zuerst das Wort.

»Sire,« sagte er, »Eure Antwort? ich erwarte sie wie ein Verurtheilter seinen Spruch. Soll ich leben, soll ich sterben?«

»Mein Bruder,« antwortete der französische Prinz König Karl II.: »Ihr verlangt eine Million von mir, ich habe aber noch nie den vierten Theil dieser Summe besessen! ich besitze nichts! Ich bin nicht mehr König von Frankreich, als Ihr König von England seid. Ich bin ein Name, ich bin eine Ziffer mit Sammet bekleidet, worauf Lilien gestickt sind, mehr nicht. Ich bin auf einem sichtbaren Thron, das ist der einzige Vortheil, den ich vor Eurer Majestät habe. Ich besitze nichts, ich bin nichts.«

»Ist das wahr?« rief Karl II.

»Mein Bruder,« sprach Ludwig die Stimme dämpfend, »ich habe eine Dürftigkeit, ich habe Entbehrungen ertragen, wie sie meine ärmsten Edelleute nicht ertragen haben. Wenn mein armer Laporte bei Euch wäre, so würde er Euch sagen, daß ich in zerrissenen Leintüchern geschlafen habe, durch deren Löcher meine Beine durchgingen! er würde Euch sagen, daß man mir später, wenn ich nach meinen Carossen verlangte, halb von den Ratten in meinen Remisen zerfressene Wagen brachte; er würde Euch sagen, daß man, wenn ich mein Mittagsbrod begehrte, in der Küche des Cardinals fragte, ob zu essen für den König da sei. Und heute noch, da ich zwei und zwanzig Jahre alt bin, da ich das Alter der großen königlichen Volljährigkeit erreicht habe, heute, da ich den Schlüssel des Schatzes, die Leitung der Politik, die Suprematie des Kriegs und des Friedens haben sollte, schaut umher, seht, was man mir läßt; seht diese Verlassenheit, diese Geringschätzung, dieses Stillschweigen, während dort, seht dort, schaut diesen Eifer, diese Lichter, diese Huldigungen. Dort, dort, seht, dort ist der wahre König von Frankreich, mein Bruder.«

»Beim Cardinal?«

»Beim Cardinal, ja.«

»Dann bin ich verurtheilt.«

Ludwig XIV. erwiederte nichts.

»Verurtheilt ist das Wort, denn ich werde den nie bitten, der meine Mutter und meine Schwester, die Tochter und die Enkelin von Heinrich IV., vor Hunger und Kälte hätte sterben lassen, würden ihnen nicht Herr von Retz und das Parlament Holz und Brod geschickt haben.«

»Sterben!« murmelte Ludwig XIV.

»Nun!« fuhr der König von England fort, »der arme Karl II., der Enkel von Heinrich IV., wie Ihr, wird Hungers sterben, wie beinahe seine Mutter und seine Schwester gestorben wären.«

Ludwig faltete die Stirne und drehte heftig die Spitzen seiner Manchetten zusammen.

Diese Starrheit, diese Unbeweglichkeit, welche einer sichtbaren Gemüthsbewegung als Maske dienten, berührten schlagend König Karl II., der die Hand des jungen Mannes nahm.

»Ich danke, mein Bruder,« sagte er, »Ihr habt mich beklagt, das ist Alles, was ich in der Lage, in der Ihr Euch befindet, von Euch verlangen konnte.«

»Sire,« sprach plötzlich Ludwig XIV., das Haupt erhebend, »Ihr braucht, wie Ihr mir gesagt habt, eine Million oder zweihundert Edelleute?«

»Sire, eine Million wird mir genügen.«

»Das ist wenig.«

»Einem einzigen Menschen angeboten ist es viel. Man hat oft Ueberzeugungen minder theuer bezahlt; ich werde es nur mit käuflichen Menschen zu thun haben.«

»Zweihundert Edelleute, bedenkt, das ist nur ein wenig mehr als eine Compagnie.«

»Sire, es gibt in unserer Familie eine Tradition: Vier Männer, vier meinem Vater ergebene französische Edelleute haben meinen Vater, der vom Parlament verurtheilt, von einer Armee bewacht und von einer Nation umgeben war, beinahe gerettet.«

»Wenn ich also eine Million oder zwei hundert französische Edelleute für Euch bekommen kann, werdet Ihr zufrieden sein und mich für Euren guten Bruder halten?«

»Ich werde Euch für meinen Retter halten, und wenn ich den Thron meines Vaters besteige, soll England, wenigstens so lange ich regiere, eine Schwester Frankreichs sein, wie Ihr ein Bruder für mich werdet gewesen sein.«

»Nun, mein Bruder,« sprach Ludwig aufstehend, »was Ihr zu verlangen zögert, werde ich verlangen! was ich nie für mich selbst thun wollte, werde ich für Euch thun. Ich werde den König von Frankreich aufsuchen, den andern, den reichen, den mächtigen, und werde ihn um diese Million oder um die zweihundert Edelleute bitten; und wir werden sehen! . . . «

»Oh!« rief Karl, »Ihr seid ein edler Freund, Sire, ein Herz von Gott geschaffen! Ihr rettet mich, mein Bruder, und wenn Ihr das Leben braucht, das Ihr mir zurückgebt, verlangt es von mir!«

»Stille, mein Bruder, stille!« sagte Ludwig ganz leise. »Nehmt Euch in Acht, daß man uns nicht hört! Wir sind noch nicht am Ziele.. Von Mazarin Geld verlangen ist mehr als durch einen Zauberwald reiten, in dem jeder Baum einen Dämon enthält, ist mehr als eine Welt erobern.«

»Doch, Sire, wenn Ihr bittet? . . . «

»Ich sagte Euch, daß ich nie gebeten habe,« antwortete Ludwig mit einem Stolz, der den König von England erbleichen machte.

Und als dieser, einem verwundeten Menschen ähnlich, eine rückgängige Bewegung machte, sprach er:

»Verzeiht, mein Bruder, ich habe keine Mutter, keine Schwester, welche leiden. Mein Thron ist hart und nackt; aber ich sitze gut auf meinem Thron. Verzeiht, mein Bruder, werft mir dieses Wort nicht vor, es ist das eines Selbstsüchtigen. Ich werde es auch durch ein Opfer sühnen. Ich will den Cardinal aufsuchen. Erwartet mich, Sire, ich bitte Euch. Bald komme ich zurück.«

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