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Der Page des Herzogs von Savoyen

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Der Page des Herzogs von Savoyen
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Erster Theil

I.
Was man am 5. Mai 1555 gegen zwei Uhr Nachmittags von dem höchsten Thurme von Hesdin-Fert aus sehen konnte

Versetzen wir sofort, ohne Vorrede, diejenigen unserer Leser, welche mit uns einen Sprung von dreihundert Jahren in die Vergangenheit thun wollen, zu den Männern, mit denen wir sie bekannt zu machen haben, und in die Ereignisse, denen sie beiwohnen sollen.

Es ist der 5. Mai des Jahres 1555.

Heinrich II. regiert über Frankreich.

Maria Tudor über England.

Carl V. über Spanien, die Niederlande, Deutschland, Italien und die beiden Indien, also über ein Sechstheil der Erde.

Der Schauplatz ist in der Nähe der kleinen Stadt Hesdin-Fert, welche Emanuel Philibert, Fürst von Piemont, statt des alten Hesdin wieder aufbaute, welches er im vorigen Jahre eingenommen und rasirt hat. Wir befinden uns also in dem Theile des ehemaligen Frankreichs, welches damals das Artois hieß und jetzt das Departement Pas-de-Calais ist.

Wir sagen des »ehemaligen Frankreichs«, denn Artois war eine kurze Zeit durch Philipp August, den Sieger von St. Jean-d’Acre, mit dem Besitz der Könige von Frankreich vereinigt worden, wurde dann 1237 von Ludwig dem Heiligen seinem jungen Bruder Robert übergeben und kam in den Händen dreier Frauen, Mahaud, Johanna I. und Johanna II. an drei verschiedene Häuser. Mit Margarethe, Schwester Johanna’s II. und Tochter Johanna’s I., gelangte es an den Grafen Ludwig von Mâle, dessen Tochter es gleichzeitig mit den Grafschaften Flandern und Nevers dem Hause der Herzoge von Burgund zubrachte. Als endlich Carl der Kühne todt war, vereinigte Maria von Burgund , die letzte Erbin des riesigen Namens und der unermeßlichen Besitzungen ihres Vaters, als sie sich mit Maximilian, dem Sohne des Kaisers Friedrich II., vermählte, ihren Namen und ihre Reichthümer mit dem Besitz des Hauses Oesterreich.

Das war ein großer Verlust für Frankreich, denn Artois war eine schöne und reiche Provinz. Auch kämpften Heinrich II. und Carl V. seit drei Jahren mit wechselndem Erfolge, Carl V. um sie zu behalten, Heinrich II. um sie wieder zu erlangen.

Während dieses erbitterten Krieges, in welchem der Sohn den alten Gegner seines Vaters wieder fand und, wie sein Vater, sein Marignan und sein Pavia haben sollte, hatte ein Jeder seine guten und schlimmen Tage, seine Siege und seine Niederlagen gehabt. Frankreich hatte das Heer Carl’s V. in Unordnung die Belagerung von Metz aufgeben sehen und Marienburg, Bouvines und Dinant genommen, das Reich dagegen Thérouanne und Hesdin mit Sturm genommen und in Zorn über die Niederlage von Metz das eine verbrannt und das andere rasirt.

Wir haben Metz mit Marignan verglichen und übertreiben nicht. Ein durch die Kälte, Krankheiten und auch den Muth des Herzogs Franz von Guise und der französischen Besatzung geschwächtes Heer von fünfzigtausend Mann Fußvolk und vierzehntausend Reitern verschwand wie Dunst, wie Rauch und ließ als Zeugen seines Daseyns zehntausend Todte, zweitausend Zelte und hundertundzwanzig Geschütze zurück.

Die Entmuthigung war so groß, daß die Fliehenden nicht einmal sich zu vertheidigen versuchten. Carl von Bourbon verfolgte ein Corps spanischer Reiter; der Offizier, welcher dasselbe befehligte, hielt sein Pferd an, ritt dann zu dem feindlichen Anführer und sagte:

»Prinz, Herzog oder blos Edelmann, wer Du auch seyn magst, suche eine andere Gelegenheit, wenn Du um Ruhm kämpfst, denn heute würdest Du Leute tödten, die zu schwach sind Dir zu widerstehen, ja zu schwach zu fliehen.«

Carl von Bourbon steckte das Schwert in die Scheide und gebot seinen Leuten dasselbe zu thun, der spanische Offizier aber konnte so mit seinen Leuten den Rückzug fortsetzen, ohne weiter belästigt zu werden.

Carl V. war weit entfernt diese Milde nachzuahmen. Als Thérouanne genommen war, hatte er befohlen, die Stadt zu plündern und bis auf den Grund zu rasiren; nicht blos die Privatgebäude, sondern auch die Kirchen, Klöster und Hospitäler zu zerstören, kurz keinen Stein auf dem andern zu lassen, und damit man die Steine nicht wieder auflege, ließ er Leute von Flandern und Artois kommen, dieselben wegzuholen.

Die Aufforderung zur Zerstörung wurde vernommen. Die Leute von Artois und in Flandern, welchen die Besatzung von Thérouanne großen Schaden zugefügt hatte, kamen mit Hacken, Schaufeln und Spaten herbei, und die Stadt verschwand wie Sagunt unter den Füßen Hannibals, wie Karthago vor Scipio.

Wie mit Thérouanne war es mit Hesdin ergangen.

Unterdeß aber wurde Emanuel Philibert zum Oberbefehlshaber der Reichstruppen in den Niederlanden ernannt, und wenn er auch Thérouanne nicht zu retten vermochte, erlangte er wenigstens die Genehmigung, Hesdin wieder aufzubauen.

Binnen einigen Monaten hatte er diese unermeßliche Arbeit vollendet, und wie durch Zauberei erhob sich eine neue Stadt etwa eine Viertelstunde weit von der alten. Diese neue Stadt, am Ufer der Canche, war so gut befestigt, daß Vauban sie noch hundertundfünfzig Jahre später bewunderte, obgleich in diesen anderthalbhundert Jahren die Befestigungskunst sich gänzlich verändert hatte.

Ihr Gründer hatte die Stadt Hesdin-Fert genannt, d. h. er hatte, um die neue Stadt stets an ihren Ursprung zu erinnern, dem Namen die vier Buchstaben F.E.R.T. hinzugefügt, welche der deutsche Kaiser dem dreizehnten Grafen von Savoyen, Amadeus dem Großen, nach der Belagerung von Rhodus nebst dem weißen Kreuze gegeben hatte und die bedeuteten: Fortitudo ejus Rhodum tenuit, d. h, sein Muth erhielt Rhodus.

Dies war indeß nicht das einzige Wunder, welches der junge Feldherr bewirkte, dem Carl V. die Führung seines Heeres anvertraut hatte. In Folge der strengen Mannszucht, die er herzustellen vermocht hatte, begann das unglückliche Land, welches seit vier Jahren der Schauplatz des Krieges gewesen, sich wieder zu erholen; er hatte Raub und Plünderung auf’s Strengste untersagt, der Offizier, welcher dawider handelte, wurde entwaffnet und, im Angesichte des ganzen Heeres, in seinem Zelte längere oder kürzere Zeit gefangen gehalten, jeder Soldat aber, der auf der That ergriffen, gehangen.

Da der Winter von 1554 zu 1555 auch die Feindseligkeiten unterbrochen, so hatten die Bewohner von Artois vier bis fünf Monate verleben können, welche im Vergleich zu den drei Jahren zwischen der Belagerung von Metz und dem Wiederaufbau von Hesdin, ein Stück goldenes Zeitalter erschienen waren.

Zwar wurde von Zeit zu Zeit bald hier bald da, entweder von den Franzosen, die Abbeville, Doulens und Montreuil am Meere besetzt hielten und Einfälle in das feindliche Gebiet machten, oder von den unverbesserlichen Plünderern, Lanzknechten und Zigeunern, irgend ein Schloß in Brand gesteckt, eine Meierei geplündert, ein Haus ausgeraubt; aber Emanuel Philibert machte so gut Jagd auf die Franzosen und hielt so strenge Justiz unter den Kaiserlichen, daß solche traurige Vorfälle von Tag zu Tag seltener wurden.

So stand es denn in der Provinz Artois und namentlich in der Gegend von Hesdin-Fert an dem Tage, an welchem unsere Erzählung beginnt, d. h. am 5. Mai 1555.

Nachdem wir den Lesern nur einen Ueberblick von dem politischen Zustande des Landes gegeben haben, müssen wir, um das Bild vollständig zu machen, auch das äußere Aussehen beschreiben, das sich in Folge der Entwicklung der Industrie und der Verbesserungen des Ackerbaues seit jener Zeit völlig verändert hat.

Um zu diesem schwierigen Resultate zu kommen, d. h. eine fast verschwundene Vergangenheit wieder hervorzurufen, wollen wir auszählen, was ein Mann gesehen hätte, der gegen zwei Uhr Nachmittags am 5. Mai 1555 auf den höchsten Thurm von Hesdin gestiegen wäre und den Rücken dem Meere zugewandt, und den Horizont überschaut hätte, der sich im Halbkreise vor seinem Blicke von dem nördlichen Ende der kleinen Hügelkette, hinter welcher sich Bethune verbirgt, bis zu den letzten südlichen Anhöhen derselben Kette hinzieht, an deren Fuße Doulens liegt.

Gerade vor sich hätte er zuerst, spitz nach dem Ufer der Canche vorlaufend, den dunkeln dichten Wald von Saint-Pol-sur-Ternoise gehabt, dessen großer grüner Teppich, gleich einem Mantel der Hügel, unten am entgegengesetzten Abhange den Saum an der Quelle der Scarpe netzte, welche für die Schelde das, was die Saône für die Rhone und die Mosel, für den Rhein ist.

Rechts von diesem Walde – folglich links von dem Umschauenden, den wir uns auf dem höchsten Thurme von Hesdin denken – in der Ebene, im Schirme derselben Hügel, welche den Horizont schließen, die Flecken Henchin und Fruges, im bläulichen Rauch ihrer Schornsteine versteckt, der sie wie ein durchsichtigen-Schleier umhüllte und andeutete, daß die frostigen Bewohner dieser nördlichen Provinzen, trotz dem Erscheinen der ersten Frühlingstage, dem Feuer, dem lustigen und getreuen Freunde ihrer Wintertage, noch nicht Lebewohl gesagt hatten.

Vor diesen beiden kleinen Ortschaften stand wie eine Schildwache, die sich ans dem Walde herausgewagt hätte, aber sich doch nicht hätte entschließen können weit davon hinwegzugehen, eine kleine hübsche Wohnung, halb Meierei, halb Schloß, Parcq geheißen.

Gleich einem goldigen Bande auf dem grünen Kleide der Ebene lag der Weg da, der unweit von dem einzigen Zugange dieser Wohnung sich in zwei theilte, von denen der eine gerade nach Hesdin ging, der andere aber sich um den Wald herumzog und den Verkehr der Bewohner von Parcq mit den Dörfern Frévent, Auxy-le-Château und Nouvion-en-Pouthieu andeutete.

Die Ebene, welche sich von diesen drei Orten nach Hesdin zog, bildete das dem beschriebenen entgegengesetzte Bassin, d.h. sie lag links von dem Bassin des Waldes von St. Pol und folglich rechts von dem Manne, den wir uns auf dem Thurme denken.

Dies war denn der bemerkenswertheste Theil der Landschaft, nicht ihrer natürlichen Beschaffenheit wegen, sondern wegen des zufälligen Umstandes, der ihr jetzt eben Leben gab.

 

Während die Ebene an der andern Seite nur mit grünenden Saaten bedeckt war, wurde diese von dem Lager des Kaisers Carl V. fast ganz eingenommen.

Dieses von Gräben umgebene und mit Palisaden bewehrte Lager enthielt eine ganze Stadt, nicht von Häusern, sondern von Zelten.

In der Mitte dieser Zelle, wie die Notre-Dame-Kirche von Paris in der Altstadt, wie das päpstliche Schloß in Avignon oder wie ein Dreidecker unter den kleinen Wogen des Oceans, erhob sich das Kaiserzelt Carls V. an dessen vier Seiten vier Standarten wehren, von denen eine einzige dem menschlichen Ehrgeize gewöhnlich genügt: die Standarte des deutschen Reiches, die Standarte Spaniens, die Standarte Roms und die der Lombardei, denn dieser Eroberer, dieser Tapfere, dieser Siegreiche, wie man ihn nannte, war viermal gekrönt: in Toledo mit der Diamantkrone als König von Spanien und Indien; in Aachen mit der Silberkrone als deutscher Kaiser und endlich in Bologna mit der goldenen Krone als römischer König und mit der eisernen als König der Lombardei. Wenn man seinem Willen entgegenzutreten versuchte, in Bologna sich krönen zu lassen, statt der Gewohnheit gemäß nach Rom und nach Mailand zu gehen, wenn man ihm das Breve des Papstes Stephan entgegenhielt, welches verbietet, die goldene Krone aus dem Vatican zu bringen, und das Decret Carls des Großen, welches verordnet, daß die eiserne Krone in Monza verbleibe, antwortete der Besieger Franz I., Solimans und Luthers stolz, er sey gewöhnt, daß die Kronen zu ihm kämen, nicht er zu den Kronen.

Auch bemerke man wohl, daß über jene vier Fahnen seine eigene Fahne hinwegragte, welche die Säulen des Herkules zeigte, nicht mehr als die Grenze der alten Welt, sondern als die Pforte der neuen und in allen Winden die ehregeizige Devise flattern ließ, die durch ihre Verstümmelung größer geworden war: Plus ultra!

Etwa fünfzig Schritte von dem Kaiserzelt stand das Zelt des Oberbefehlshabers Emanuel Philibert, das sich von denen der andern Anführer durch nichts als eine doppelte Fahne auszeichnete. Eine mit dem Wappen Savoyens – ein weißes Kreuz in rothem Felde mit den bereits erklärten vier Buchstaben F. E. R. T. – und eine zweite mit dem Wappen Emanuels selbst, eine Hand, welche eine Trophäe von Lanzen, Schwertern und Pistolen gen Himmel hob, mit der Devise: Spoliatis arma supersunt, das heißt: Den Beraubten bleiben die Waffen.

Das Lager, über welches diese beiden Zelte hinausragten, war in vier Quartiere oder Viertel getheilt, zwischen denen der mit drei Brücken überspannte Fluß sich hineinschlängelte.

Das erste Quartier (Viertel) war für die Deutschen, das zweite für die Spanier, das dritte für die Engländer bestimmt. Das vierte enthielt den Geschützpark, welcher seit der Niederlage von Metz vollständig erneuert und durch die in Thérouanne und Hesdin erlangten französischen Geschütze auf hundertundzwanzig Kanonen gebracht worden war.

Auf jedes der Geschütze von den Franzosen hatte der Kaiser seine Devise graben lassen: Plus ultra.

Hinter den Geschützen standen in drei Reihen die Pulver- und Kugelwagen und Schildwachen mit dem Säbel in der Hand, aber ohne Schießgewehr sorgten dafür, daß Niemand diesen Vulkanen sich nähere, die nach einem Funken ungeheure Flammen ausgeworfen haben würden.

Andere Wachen standen außerhalb des Raumes.

In den Lagergassen bewegten sich Tausende von Menschen mit militärischer Rührigkeit hin und her, welche indeß durch die deutsche Bedächtigkeit, den spanischen Stolz und das englische Phlegma gemildert wurde.

Die Sonne spiegelte sich auf allen Waffen, die ihr die Strahlen in Blitzen zurückwarfen, und der Wind spielte mit allen Fahnen, Bannern und Standarten, deren seidene glänzende Falten er bald zusammen-, bald aufrollte.

Diese Rührigkeit, diese Bewegung, dieses Geräusch, die stets über Menschenmengen und über dem Meere schweben, stachen seltsam von der Stille und Einsamkeit an der andern Seite der Ebene ab, wo die Sonne nur die Saatfelder in verschiedenem Grün beschien und der Wind nur mit den Feldblumen spielte, welche die Mädchen gar gern in Kränze zum Sonntagsputze flechten.

Nachdem wir so in dem ersten Capitel unseres Buches erwähnt haben, was man am 5. Mai 1555 von dem höchsten Thurme von Hesdin-Fert gesehen haben würde, werden wir im zweiten nachtragen, was dem schärfsten Blicke auf jenem Thurme sicherlich entgangen wäre.

II.
Das Abenteuer

Dem schärfsten Blicke eines Jeden wäre das entgangen, wer in dem dichtesten und folglich dunkelsten Theile des Waldes von Saint-Pol-sur-Ternoise in einer Höhle geschah, welche die Bäume mit ihrem Schatten deckten und Epheuranken mit ihren Blättern umschlangen, während zur größern Sicherheit der Inhaber dieser Höhle, eine Schildwache im Gebüsch, unbeweglich wie ein Baumstamm, daneben auf dem Bauche lag und darauf achtete, daß kein Uneingeweihter die wichtige Berathung störe, zu welcher wir als Romandichter, das heißt als Zauberer, vor dem sich alle Thüren öffnen, unsere Leser führen wollen.

Benutzen wir den Augenblick, in welchem die Schildwache, durch das Geräusch eines scheu vorüberspringenden Rehs aufmerksam gemacht, dahin blickt, uns also nicht sieht, schlüpfen wir unbemerkt in die Höhle hinein und beachten, hinter einem vorstehenden Felsenstück versteckt, genau alles was darin vorgeht.

In der Höhle befinden sich acht Männer von verschiedenem Gesicht, verschiedener Tracht und verschiedenem Temperament, obgleich sie nach den Waffen, die sie tragen oder die umherliegen, eine und dieselbe Laufbahn gewählt zu haben scheinen.

Der Eine, mit Tintenflecken an den Fingern und pfiffigem Gesichte, taucht eine Feder – von deren Schnabel von Zeit zu Zeit er eines der Fädchen nahm, die sich auf schlecht gearbeiteten Papiere finden – in eines der Tintenfässer von Horn, welche die Schreiber und Studenten am Gürtel tragen, und schreibt auf einer Art Tisch, einer auf zwei massiven Füssen ruhenden Steinplatte, während ein Anderer mit der Geduld und Unbeweglichkeit eines Leuchters, einen brennenden Fichtenzweig hält und nicht nur den Schreiber, den Tisch und das Papier beleuchtet, sondern auch mehr oder minder helle Lichter, je nach der Nähe oder Entfernung, auf sich selbst und selbst auf die andern Genossen fallen läßt.

Ohne Zweifel handelt es sich um etwas, das für die Gesellschaft von Wichtigkeit ist, wie man leicht an dem Eifer sehen kann, mit welchem Jeder an der Abfassung der Schrift Theil nimmt.

Drei der Männer indeß scheinen sich weniger mit dieser ganz materiellen Sorge zu beschäftigen.

Der Erste ist ein schöner junger Mann von vier- bis fünfundzwanzig Jahren in einem Büffellederkoller, das, wenn nicht vor Kugeln, doch vor Hieb und Stich sichert. Ein Wamms von braunem Sammt, das allerdings etwas verschossen, aber noch immer ansehnlich ist, mit spanisch geschlitzten Aermeln, also nach der neuesten Mode, geht vier Finger breit über das Lederkoller unten hinweg und fällt in ziemlich weiten Falten auf die ebenfalls geschlitzte Hose von grünem Tuch, welche sich in großen Stiefeln verliert, die so hoch heraufgehen, daß sie zu Pferd die Schenkel schützen und so weich sind, daß sie bei dem zu Fußegehen bis unter das Knie zurückgeschlagen werden können.

Er trällert ein Liedchen von Clément Marot, während er mit der einen Hand seinen feinen schwarzen Schnurrbart streicht und mit der andern das Haar kämmt, das er etwas länger trägt, als es die Mode verlangt, wahrscheinlich um die weichen Lockenwellen nicht zu verlieren, die ihm die Natur gegeben hat.

Der Zweite ist ein Mann von kaum sechsunddreißig Jahren, sein Gesicht aber von Narben nach allen Richtungen hin so durchzogen, daß man darnach unmöglich sein Alter bestimmen könnte. Der Arm und ein Theil der Brust ist bloß und auf dem was man so von seinem Körper sieht, kann man eine Reihe nicht minder zahlreicher Narben erkennen als in dem Gesicht. Er ist eben beschäftigt, eine Wunde zu verbinden, die ihm zum Theil den zweiköpfigen Muskel am linken Arme bloßgelegt hat, die aber für ihn nicht eben hinderlich ist, wie sie es seyn würde, wenn sie sich an dem rechten Arme befände. Mit den Zähnen hält er das Ende einer Leinwandbinde, mit der er eine Hand voll Charpie zusammendrückt, die er vorher in einem Balsam getränkt hat, den ihm ein Zigeuner gab und der ihm, wie er sagt, sehr gut thut. Uebrigens geht kein Klagelaut aus seinem Munde und er scheint gegen Schmerz so unempfindlich zu seyn, als wenn der Arm, mit dessen Heilung er sich beschäftigt, von Holz wäre.

Der Dritte ist ein Mann von vierzig Jahren, groß und hager, mit blassem Gesicht und frommer Haltung. Er kniet in einem Winkel, hat den Rosenkranz in der Hand und sagt mit nur ihm eigenthümlicher Zungenfertigkeit ein Dutzend Paternoster und ein Dutzend Ave her. Von Zeit zu Zeit läßt seine rechte Hand den Rosenkranz los und klingt auf der Brust wie der Schlägel des Böttchers auf einem leeren Fasse, nachdem er aber zwei- oder dreimal mea culpa gesprochen hat, greift er wieder nach dem Rosenkranze.

Die drei noch übrigen Personen haben, Gott sey Dank, keinen so hervortretenden Charakter als die fünf, welche wir den Lesern bereits vorgeführt haben.

Einer dieser letzten Drei stemmte beide Hände auf den Tisch, an welchem der Schreiber arbeitete, folgte jedem Zuge der Feder und macht die meisten Bemerkungen über die Abfassung; auch sind seine Bemerkungen, wenn auch etwas egoistisch gefärbt, fast alle durch Schlauheit und gesunden Verstand ausgezeichnet. Er ist fünfundvierzig Jahre alt und hat kleine kluge Augen, die tief unter blonden dicken Brauen liegen.

Ein Anderer liegt am Boden; er hat einen Stein gefunden, der zum Wetzen der Schwerter und Dolche dienen kann, und benutzt dies, um mit Aufwand von vielem Speichel und durch vielfaches Reihen auf dem Steine eine neue Spitze an seinen ganz stumpfen Dolch zu machen. Seine Zunge, die er fest zwischen den Zähnen hält und die am Mundwinkel heraussteht, verräth die große Aufmerksamkeit, wir möchten fast sagen das Interesse, das er an seiner Arbeit nimmt. Indeß ist seine Aufmerksamkeit nicht ausschließlich darauf gerichtet; er hört auch auf die Erörterung. Wenn das Schreiben seinen Beifall hat, so begnügt er sich mit dem Kopfe zu nicken; wenn es dagegen gegen seine Erwartung und Berechnung ausfällt, steht er auf, tritt zu dem Schreiber, weiset mit der Spitze seines Dolches auf das Papier und sagt; »mit Verlaub,… Ihr sagt?… « Den Dolch nimmt er nicht eher hinweg, bis er eine vollkommen befriedigende Auskunft erhalten hat, was er durch reichlicheres Ausspucken auf den Stein und eifrigeres Wetzen des Dolches zu erkennen gibt, der denn wirklich auch bald seine ursprüngliche spitze Form wieder zu erhalten scheint.

Der Letzte – und wir erkennen unser Unrecht, daß wir ihn zu Jenen gerechnet haben, welche sich mit den in Frage stehenden materiellen Interessen beschäftigen sollen – der Letzte lehnt an der Wand der Höhle, läßt die Arme herabhängen, sieht nach dem Himmel oder vielmehr nach der dunklen feuchten Höhlenwölbung hinauf, an welcher das flackernde Licht spielt, und sieht aus wie ein Träumer und Dichter. Was sucht er in diesem Augenblicke? Die Lösung eines Problems gleich dem, welches Christoph Columbus und Galilei gelöst hatten? Die Form einer der Terzinen, wie sie Dante schrieb, oder der Octaven wie sie Tasso sang? Das würde nur der Geist sagen können, der in ihm wacht und so wenig sich um das Materielle kümmert, daß er alles an dem Anzuge des Dichters, was nicht von Eisen, Stahl oder Kupfer ist, in Fetzen zerfallen läßt.

Das sind die wohl oder übel gezeichneten Porträts. Sehen wir nun die Namen darunter.

Der welcher die Feder führt, heißt Procop; er ist Normanne von Geburt und seiner Bildung nach fast Jurist; er spickt seine Reden mit Aussprüchen des römischen Rechtes und Aphorismen aus den Capitularien Carl des Großen. Sobald man aber etwas Schriftliches von ihm hat oder ihm gibt, muß man auf einen Prozeß gefaßt seyn; begnügt man sich mit seinem Worte, so findet man es treu wie Gold, nur stimmt die Art, es zu halten, nicht immer mit der gewöhnlichen Moral überein. Nur ein Beispiel davon und zwar das, welches ihn in das Abenteuerleben getrieben hatte, in welchem wir ihn finden. Ein Herr vom Hofe Franz I. hatte eines Tages ihm und dreien seiner Genossen ein Geschäft angetragen; er wußte, daß der königliche Schatzmeister denselben Abend tausend Goldthaler aus dem Arsenale nach dem Louvre bringen sollte. Das Geschäft bestand nun darin, den Schatzmeister an der Ecke der Straße St. Paul anzuhalten, ihm die tausend Goldthaler abzunehmen und sie so zu theilen, daß fünfhundert der vornehme Herr erhalte, welcher auf dem Königsplatze warten wollte, bis die Sache geschehen seyn würde, und eben als vornehmer Herr die Hälfte der Summe verlangte; die andere Hälfte sollte Procop mit seinen drei Gefährten theilen. Man gab einander gegenseitig das Wort und die Sache geschah, wie verabredet. Als aber der Schatzmeister beraubt, erschlagen und in den Fluß geworfen war, machten die Gefährten Procops den Vorschlag, nach der Notre-Dame zu statt nach dem Königsplatze zu gehen und die tausend Goldthaler zu behalten, statt die Hälfte an den großen Herrn abzugeben. Procop erinnerte sie an ihr Wort.

 

»Meine Herren,« sagte er ernsthaft, »Ihr vergesset, daß dies ein Bruch des Vertrages, eine Uebervortheilung eines Clienten wäre. Ehrlich währt am längsten. Wir wollen dem Herzoge (der vornehme Herr war ein Herzog) die fünfhundert Goldthaler übergeben, die ihm zukommen, so daß nicht einer fehle, aber,« fuhr er fort als er bemerkte, daß der Vorschlag mißbilligendes Gemurmel veranlaßte, »distinguimus; sobald er das Geld eingesteckt und uns für ehrliche Leute anerkannt hat, steht nichts entgegen, daß wir uns am Johannesgottesacker, an dem er vorüber muß, in Hinterhalt legen; es ist dies ein abgelegener und ganz passender Ort. Wir machen es dann mit dem Herzoge, wie wir es mit dem Schatzmeister gemacht haben, und da der Gottesacker gar nicht weit von der Seine entfernt ist, so kann man morgen Beide in den Netzen zu St. Clous finden. Wir bekommen dann ein jeder zweihundertfünfzig Goldthaler, über die wir ohne Gewissensbisse verfügen können, da wir dem guten Herzoge getreulich das Wort gehalten haben.«

Der Vorschlag wurde mit Begeisterung, angenommen und ausgeführt. Nur bemerkten die vier Verbündeten in ihrem Eifer nicht, daß der Herzog noch lebte, als sie ihn in den Fluß warfen; die Kühle in demselben gab ihm aber seine Kraft wieder, er gelangte an das Ufer, begab sich in das Châtelet und gab dem Prévot von Paris, der damals Herr von Estourville hieß, eine so genaue Beschreibung der vier Banditen, daß dieselben es am andern Morgen schon für gerathen hielten,Paris zu verlassen, um einem Prozesse zu entgehen, in welchem sie trotz der tiefen Rechtskenntnissen Procops recht wohl dasjenige verlieren konnten, auf welches man immer großen Werth legt, nemlich das Leben.

Unsere vier Helden hatten demnach Paris verlassen und sich nach verschiedenen Gegenden gewendet. Der Norden war unserem Procop zugefallen und deshalb haben wir das Glück , ihn mit der Feder in der Hand in der Höhle zu finden, wo er, nach der Wahl seiner neuen Genossen, die seine Verdienste anerkannten, das wichtige Schriftstück abfaßte, mit dem wir uns sogleich zu beschäftigen haben werden.

Der, welcher dem Schreibenden leuchtet, heißt Heinrich Scharfenstein und ist ein Anhänger Luther’s, welchen das üble Verfahren Carls V. gegen die Hugenotten in die Reihen, des französischen Heeres getrieben hat und zwar sogleich mit seinem Neffen Franz Scharfenstein, welcher in diesem Augenblicke draußen Wache hält. Sie sind zwei Riesen, die, könnte man sagen, Eine Seele bewegt und Ein Geist leitet. Viele behaupten, dieser Eine Geist genüge nicht für zwei so riesige Körper, sie selbst aber sind dieser Meinung nicht und finden Alles so wie es ist gut. In dem gewöhnlichen Leben halten sie es meist unter ihrer Würde, irgend eine Hilfe von Menschen, ein Werkzeug, in Anspruch zu nehmen, um ihren Zweck zu erreichen. Handelt es sich darum, irgend eine Masse zu bewegen, so sinnen sie nicht nach wie unsere neuen Gelehrten, durch welche Mittel Cleopatra ihre Schiffe aus dem Mittelmeere in das rothe Meer brachte oder mit welchen Maschinen Titus die riesigen Blöcke des Flavianischen Circus emporhob, sondern sie packen einfach den zu beseitigenden Gegenstand mit ihren Armen, bringen ihre Eisenfinger unauflöslich in einander, machen gleichzeitig eine Anstrengung mit jener Regelmäßigkeit, die alle ihre Bewegungen auszeichnet, und der Gegenstand kommt dahin, wohin sie ihn haben wollen. Ist eine Mauer zu ersteigen oder ein Fenster zu erreichen, so schleppen sie keineswegs, wie es ihre Gefährten thun, eine schwere Leiter, die sie nur im Gehen hindert, wenn das Unternehmen gelingt, und die sie im Stiche lassen müssen, wenn es mißlingt, sondern sie gehen mit leeren Händen an Ort und Stelle; der Eine, gleichviel welcher, lehnt sich an die Wand, der Andere steigt auf die Achseln und im Nothfalle auf die über den Kopf gestreckten Hände. Mit Hilfe seiner eigenen Arme erreicht der Zweite so eine Höhe von achtzehn bis zwanzig Fuß, welche fast immer genügt, um über eine Mauer oder in ein Fenster zu gelangen. Auch im Kampfe gilt dieses Associationssystem, sie gehen neben einander in gleichem Schritte, aber der Eine haut und der Andere eignet sich zu; ist der Eine des Dreinschlagens müde, so gibt er dem Andern das Schwert, die Streitaxt oder das Beil und sagt: »nun Du,« er und sie wechseln die Rollen; der, welcher erst hieb, eignet sich zu und der Andere haut. Uebrigens ist die Art des Zuschlagens bekannt und sehr geschätzt, indeß legt man, wie gesagt, überhaupt mehr Werth auf ihre Faust als auf ihren Geist. Deshalb hat denn auch der Eine den Auftrag erhalten Schildwache zu stehen und der Andere zu leuchten.

Der junge Mann mit dem Schnurrbarte und mit dem Lockenhaare, welcher den Bart streicht und das Haar kämmt, heißt Yvonnet und ist ein Pariser von Geburt, ein Franzose von ganzem Herzen. Seinen bereits erwähnten körperlichen Vorzügen sind noch zierliche Hände und Füße hinzuzufügen. Im Frieden klagt er fortwährend und über Alles; wie den Sybariten in der alten Zeit drückt ihn ein gerunzeltes Rosenblatt; er ist faul, wenn er gehen soll; er leidet an Schwindel, wenn zu steigen ist, und er hat Kopfschmerzen, wenn er denken soll. Er ist empfindlich und reizbar wie ein junges Mädchen und muß deshalb äußerst schonend behandelt werden. Um sich in das Dunkel zu wagen, das ihm zuwider ist, muß ihn eine starke Leidenschaft außer sich bringen. Am Tage fürchtet er sich vor Mäusen und der Anblick von Spinnen oder Kröten macht ihm übel. Uebrigens muß man ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er immer eine starke Leidenschaft hat, nur kommt er, wenn es in der Nacht ist, erschrocken und zitternd zu der Geliebten, und es bedarf so vieler beruhigender Worte, so warmer Liebkosungen und so schmeichelhafter Aufmerksamkeit, wie Hero dem Leander gewährt, wenn er triefend von dem Wasser der Dardanellen in ihren Thurm trat. Freilich, sobald er die Trompete hörte, sobald er Pulver roch, sobald er die Fahnen sah, ist Yvonnet nicht mehr derselbe und es geht in ihm eine vollständige Umwandlung vor. Der mädchenhafte Jüngling wird ein rauher Soldat, der um sich haut und sticht, ein wahrer Löwe mit eisernen Klauen und stählernen Zähnen. Er, der sich zögernd bedachte, eine Treppe hinaufzusteigen, um in das Schlafzimmer einer hübschen Frau zu gelangen, klettert auf eine Leiter, klammert sich an einen Strick, hängt sich an einen Faden, um zuerst auf die Mauer zu kommen. Ist der Kampf vorbei, so wäscht er sich mit der grüßten Sorgfalt die Hände und das Gesicht und, wechselt die Wäsche und den Anzug, dann wird er allmälig wieder der zarte Jüngling, den wir in diesem Augenblicke den Schnurrbart streichen, das Haar kämmen und Stäubchen von dem Anzuge blasen sehen.

Der, welcher die Wunde am linken Arme verbindet, heißt Malemort. Er ist ein finsterer, melancholischer Charakter, der nur eine Liebe, eine Leidenschaft, eine Freude kennt: den Krieg, eine unglückliche Leidenschaft, eine schlimm vergoltene Liebe, eine kurze, traurige Freude, denn kaum hat er sich an der Metzelei zu weiden begonnen, als er, wegen des blinden, wüthigen Eifers, mit dem er sich in das Gedräng stürzt, und wegen der wenigen Vorsicht zu seinem Schutze einen fürchterlichen Pikenstich oder einen Schuß bekommt, der ihn zu Boden streckt, wo er kläglich jammert, nicht aus Schmerz in der Wunde, sondern aus Verdruß, daß die Andern ohne ihn bei dem Feste bleiben. Zum Glück heilt bei ihm Fleisch und Knochen schnell. Jetzt zählt er fünfundzwanzig Wunden, drei mehr als Cäsar, und er hofft, wenn der Krieg fortdauert, noch fünfundzwanzig wie jene zu erhalten, welche dieser Laufbahn voll Ruhm und Schmerzen unfehlbar ein Ende machen müssen.

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