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Gabriele

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»Still!. . . da ist sie . . . der Notar kommt mit ihr!. . .«

»Lassen Sie uns eilen, Herr Notar, denn ich habe noch andere Geschäfte. Nach den Angelegenheiten dieser Welt die der anderen'!. . . Und ich erwarte den Herrn Prediger. Lassen Sie uns den Hokuspokus rasch beseitigen!. . .«

Der Notar setzte sich, und wollte vorlesen . . .

»Gut!. . . es ist ganz recht so,« sagte sie, »die Sache ist einfach: die Kinder hier erben Alles, so ist es gerecht, es kommt ihnen zu!. . . Der Vater Rémond hinterließ vor zehn Jahren vier Millionen, ich habe noch mehr als eine dazu gespart!. . . Sie werden das finden! Nur einige kleine Vermächtnisse habe ich gemacht Hunderttausend Franken an Nachbarn, die im Handel Unglück gehabt haben und zu alt sind, um von Neuem zu erwerben!. . . Einige kleine Geschenke an alte Freundinnen . . . und dann . . . und das wünschte ich von Euch, meine Kinder, gebilligt zu sehen, zweihunderttausend Franken an Georg Rémond!. . .«

Der Zustand der Kranken war jetzt so beruhigend) daß die Anordnungen, die sie jetzt traf, wirklich nur auf die Zukunft Bezug zu haben schienen. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und fuhr fort, als fühle sie sich zu diesem Geständniß verpflichtet:

»Der arme Georg!. . . ich mache mir Vorwürfe seinetwegen; ich habe die ihn betreffenden Absichten meines verstorbenen Mannes nicht erfüllt— Er war der Sohn seines Bruders, eines Bruders, den er liebte, und sein Wunsch in Betreff seiner war. . . daß unser Vermögen . . . unsere Tochter . . . Alles diesem Neffen gehören sollte, der ein sehr guter Junge ist. Wenn Gabriele nicht glücklich geworden wäre? wenn Sie, mein Schwiegersohn, sie nicht glücklich machten? Ich würde, die Wahrheit zu sagen, mit schrecklichen Selbstvorwürfen in die andere Welt gehen.«

Und als Madame Rémond schwieg, sahen Yves und Gabriele einander so sonderbar an, daß sie davon betroffen wurde.

»Was bedeutet denn dies?« sagte sie beunruhigt: »sollte nicht Alles in Ordnung sein?«

Die junge Frau fürchtete ihre Fragen und wollte ihnen zuvorkommen. Sich dicht an das Gesicht ihrer Mutter schmiegend, sagte sie ihr lächelnd und mit schmeichelndem Tone:

»Du bringst . . . Deine Kinder . . . in Verlegenheit . . . nachdem Du sie erst betrübt hast!. . . Beunruhige Dich über nichts! Du warst immer eine vortreffliche Mutter und Deine Tochter dankt Dir für Alles, was Du für sie gethan hast!«

Gabriele sprach so leise, daß Yves sie nicht verstehen konnte, er konnte nicht einmal ihr Gesicht sehen und ihre Empfindungen auf demselben lesen. . . Er vermuthete, daß das Geständniß ihrer Mutter ihr Kummer mache . .

Ihre Lage erschien ihm grausam . . . er litt wirklich . . . indessen ermannte er sich und sagte, nicht ohne Verwirrung:

»Seien Sie überzeugt, . . . daß ich . . . das Glück Ihrer Tochter wünsche . . . und Alles was in meinen Kräften steht. . . thun werde . . . um es zu sichern!«

»Nun gut!« erwiderte Madame Rémond, »ich glaube, wenn ich dem guten Georg ein kleines Vermögen hinterlasse, das ihm Wohlstand und Unabhängigkeit gewährt, werde ich dem lieben Manne da oben entgegentreten können, ohne seine Vorwürfe über meine Eitelkeit zu fürchten, die aus seiner Tochter eine große Dame machen wollte. Aber wenn ich sie nicht zugleich zu einer glücklichen Frau gemacht hätte . . . dann weiß ich nicht, wie er mich empfangen würde!. . . indessen, sie hat sich nie beklagt, wenn ich sie fragte, sie hat Sie immer gelobt . . . das beruhigt mich!. . .«

Yves von Mauléon erkannte jeden Augenblick mehr die Vortrefflichkeit und Güte von Gabriele's Charakter.

In diesem Augenblicke entfernte eine Anfrage der Marquise, die Gabriele schriftlich beantworten wollte, diese von dem Bett ihrer Mutter; Yves, der sah, daß Madame Rémond leise mit dem Notar sprach, entfernte sich auch und setzte sich an ein Fenster, um sie nicht zu stören. Indem er nun so auf die Menge herabsah, die auf dem Boulevard wogte und in der Straße Vivienne, die so geräuschvoll und frequent ist, daß man jeden Augenblick glauben muß, nur ein außergewöhnliches Ereigniß könne eine solche Bewegung veranlassen, dachte er nicht an das, was er sah, sondern nur an die sonderbare Lage, in die er sich versetzt, an das Versprechen, das er so eben gegeben hatte, und an die Mittel, dasselbe zu erfüllen. Madame Rémond hatte schon zwei Mal seinen Namen genannt und Gabriele war in das Zimmer zurückgekehrt, ohne daß er es bemerkt hatte.'

Sie sah sich also gezwungen, sich ihm zu nahem, um ihn seiner Träumerei zu entreißen und ihm anzukündigen, daß ihre Mutter mit ihm zu reden wünsche.

Als sie zusammen zum Bette traten, hatte Madame Rémonds Gesicht einen sonderbaren Ausdruck von Ueberraschung und Unzufriedenheit.

»Was höre ich, Herr Herzog von Mauléon?« So pflegte sie Yves mit viel Pathos und Feierlichkeit zu nennen, wenn sie von ihm auf irgend eine Weist beleidigt war. »Was höre ich? Sie haben, wie der Herr Notar mir sagt, die Einkünfte von der Mitgift Ihrer Frau nicht angreifen wollen? Denn Ihre Frau ist Gabriele Rémond! Ihre Einkünfte sind die Ihrigen! Ich wollte nicht, oder vielmehr, so unbewandert sie auch in allen Geschäften ist, sie wollte nicht, daß Ihre gemeinschaftliche Einnahme durch den Heirathscontract getheilt würde, wie es die meisten reichen Leute jetzt machen. Sie hat verlangt, das gute Kind! daß Sie Herr über Alles sein sollten und daß, selbst für den Fall des Todes, ein bedeutender Theil des Vermögens Ihnen allein zufallen soll, was man immer vorher bedenken und bestimmen muß, nicht wahr, Herr Notar?«

Der Notar verbeugte' sich, zum Zeichen der Uebereinstimmung mit den Anordnungen, auf die Madame Rémond anspielte.

»Und,« fuhr sie, wie erstickt durch die Idee, die sie ausgesprochen hatte, fort, »Sie, mein Herr, Sie haben nicht einen Sou von dem Allen angerührt! Sie haben dem Notar das Geld zurückgeschickt!. . . Pachtgelder . . . Zinsen . . . Alles hat er zurückerhalten!. . . Was soll das bedeuten? Glauben Sie. daß dieses Geld Ihnen die Finger verbrennen würde?. . . Es ist rechtschaffen erworbenes Gut, mein Herr Herzog, das Niemand schänden kann; man kann dies nicht von Manchen sagen, die stolz auf ihre Reichthümer sind!. . . und es ist besser, Handel mit Eisen zu treiben, als solchen Handel, wie er heut' zu Tage so häufig getrieben wird! Die Rémonds können Jeden dreist ansehen und wenn wir nicht Titel und Adel haben, so haben wir den Titel der Rechtschaffenheit, der, (ohne Sie, Herr Herzog, beleidigen zu wollen, sei es gesagt) mehr als mancher andere und höhere werth ist!. . .«

Die durch Madame Rémonds Empfindlichkeit hervorgerufene derbe Beredsamkeit derselben würde sich noch nicht mit diesen Worten begnügt haben, wenn Yves sie nicht unterbrochen hätte, durch die Versicherung von seiner tiefen Ueberzeugung von der tadellosen Rechtschaffenheit der Familie Rémond mit dem etwas verlegenen Hinzufügen, daß er dem Notar das Geld nur zurückgeschickt habe, weil er dessen nicht bedurft.

»Kein Geld bedurft haben,« entgegnete Madame Rémond immer verwunderter, »keins bedurft!. . . Und. womit wollen Sie Ihren fürstlich eingerichteten Haushalt bestreiten? Bedienten, gekleidet wie die Generale, und Pferde logiert wie Minister!. . . zwischen Marmor und Vergoldungen!. . . Und Sie wollen mir weiß machen, daß Sie kein Geld bedürfen?. . . aber ich lasse mich nicht betrügen, wie man ein Kind betrügt; und wenn Gott mich leben läßt, muß ich genau wissen, wie das zusammenhängt, und dafür sorgen, daß Alles wird, wie es sein muß.

»Aber das ist noch nicht Alles, mein armes Kind! Du weißt noch nicht, was geschieht? Ich glaubte Dich an einen großen Herrn zu verheirathen . . . und er ist ein Geschäftsmann!. . . Dein Mann hat sich in Speculationen eingelassen!. . . Er hat sogar schon Geld gewonnen!. . . O, mein Gott! man kann wohl mit Recht sagen, daß diese Revolutionen Alles umgestaltet haben!. . . Herr von Mauléon! ein junger Mann von Stande! ein Elegant!. . . ein Herzog!. . . macht Geschäfte wie ein Procurator! Wer hätte das gedacht?«

Die Ueberraschung und der Kummer der Madame Rémond bei dieser Vorstellung, selbst die Art Unwillen, den sie nicht zurückhalten konnte, riefen ein Lächeln des Notars, das er hinter dem Testamente, das er in der Hand hielt, zu verstecken suchte und einen so moquanten Zug auf dem Gesichte Mauléons hervor, daß die arme Madame Rémond davon ganz bestürzt wurde.

Gabriele allein blieb traurig und von tödtlicher Kälte durch und durch erstarrt. Sie glaubte, daß, nun entschlossen, nicht mehr mit ihr, sondern mit einer Anderen zu leben, Mauléons Zartgefühl auf diese Weise ihre Interessen gesondert und sich eine Unabhängigkeit geschaffen habe, die die letzten Bande, die sie mit einander vereinigten, zerriß.

Madame Rémond sah das traurige Gesicht ihrer Tochter.

»Und Du versicherst, glücklich zu sein, Gabriele?« sagte sie, mit sichtbarer Unruhe; »glücklich!. . . Aber welches Glück kann eine Ehe wie die Deinige darbieten, wo nicht Alles so ist, wie es Gebrauch und Sitte erfordert, wo nicht einmal, weder am Tage der Verheirathung noch später, Hochzeit war? Ich weiß wohl, daß in der Gesellschaft, die man die große und auch zuweilen »die schöne Welt« nennt, nicht Alles so zugehen kann, wie bei den kleinen Leuten Doch gibt es Gebräuche, die in jedem Stande beobachtet werden. Und es sind bei Eurer Ehe auf jeden Fall sonderbare Umstände, die ich mir nicht erklären kann. Was nicht klar ist, dem ist nicht zu trauen! Siehst Du.

»Nun!« fügte sie nach kurzem Schweigen hinzu. . . »Ihr sagt nichts? Ihr schweigt alle Beide, als ob Ihr stumm wäret, oder die Wahrheit nicht sagen könntet; und doch, wenn meine Tochter nicht zufrieden wäre . . . wenn sie mich täuschte? Wenn ich schlecht gewählt hätte?. . .«

Die matte Stimme der Madame Rémond war schon bei den letzten Worten immer schwächer geworden; sie wurde noch unverständlicher, je gerührter die Kranke wurde.

»Was werde ich denn dort oben sagen, wenn ich Rechenschaft von dem Glücke meines Kindes ablegen soll?«

 

Gabriele näherte sich zärtlich, küßte die Hand ihrer Mutter, drückte sie an ihr Herz, konnte aber kein Wort reden. Ihre Stellung zu ihrem Manne, die Unruhe, die die plötzliche Veränderung der Krankheit hervorgerufen hatte, bewegten sie so heftig, daß sie nicht reden konnte.

»Was! nichts? und ich fühle meine Kräfte schwinden . . . Ich muß es gestehen, ich habe in der besten Absicht die Zeit, die mir noch blieb, abgekürzt!. . . Ich wollte mit Dir reden, mein Kind . . . wollte mit diesem Manne reden, dem ich Dich lassen muß . . . und um meine Gedanken zusammenzuhalten . . . habe ich eine gute Herzstärkung nach meiner Art, ohne Wissen des Doktors genommen.«

Gabriele schauderte.

»Ja, ich habe mir Kräfte gegeben, wie Du siehst und doch noch zu wenig, denn was ich gehört habe, von dem Vermögen, das er nicht annehmen will . . . und Alles, was ich darüber gedacht und gesagt habe, hat mir nicht Zeit gelassen, Deinem Manne Alles, was ich wollte, an's Herz zu legen.«

Dieser näherte sich und sagte sanft und mit herzlichem Tone:

»Beurtheilen Sie mich nicht ungerecht, nein! ich weiß den ganzen Werth Ihrer Tochter zu schätzen, und, ich wiederhole es, sie soll glücklich sein! Niemals, ich schwöre es Ihnen, soll ihr Glück durch mich gestört werden!. . . Der Schwur, den ich hier ablege, ist der Schwur eines Mannes von Ehre, der noch nie sein Wort gebrochen hat.«

Gabriele weinte. Die Kranke reichte Yves die Hand Er drückte dieselbe mit einer Empfindung von Achtung und Zärtlichkeit; weit entfernt von den Empfindungen, die sie sonst in ihm erregt hatte.

Der Arzt kam; er fand Madame Rémond kränker als am Morgen, und sehr erschöpft. Er verlangte, daß Niemand als ihre Tochter und die zu ihrer Pflege nöthigen Frauen im Zimmer bleiben sollten; verbot ihr, zu reden, zeigte indessen noch Hoffnung genug, um Gabrielen Muth und Kraft zu geben.

Yves kehrte zu seiner Großmutter zurück, mit dem Vorsatze, oft zu schicken und selbst zu kommen, um von Allem unterrichtet zu sein. Denselben Abend erhielt Madame Rémond die Tröstungen der Religion. . . Zwei Tage vergingen noch im Wechsel von Furcht und Hoffnung. Yves kam zuweilen, kehrte zu seiner Großmutter zurück und schien sehr beschäftigt zu sein; dann nachdem er seine Befehle gegeben und seine Pflichten erfüllt hatte, ging er aus, und brachte den größten Theil seiner Zeit außer dem Hause zu, ohne je ein Wort darüber zu sagen, wie er sie anwendete.

Am dritten Abend kam er nach einer Abwesenheit von mehreren Stunden nach Hause und wunderte sich, die Marquise nicht in ihrem Zimmer zu finden, als Dieselbe kam und Gabrielen bleich und in Thränen zerfließend mitbrachte Madame Rémond war nicht mehr. —

Gabriele hatte Fieber. Kummer und Anstrengung hatten diese kräftige und blühende Gesundheit schon erschüttert. Mit so viel Mitteln zum Glücke in das Leben getreten, hatten zu viele Prüfungen sie schon bei den ersten Schritten getroffen. Unter einem Anschein von großem Glück hatten sich eine so große Menge moralische Leiden versteckt und diese zerstören zu schnell und grausam die physische Schönheit und Kraft, als daß die junge Frau nicht auf eine Zeitlang eine Abnahme des festen Muthes, den sie aus der Quelle von Allem, was gut und erhaben war, aus einem edlen Herzen, schöpfte, hätte fühlen sollen.

Aber in wenigen Tagen fand sich Gabriele wieder im Besitz ihrer Gesundheit und ihrer geistigen Kräfte. Nachdem sie ins Geheim alle Vorbereitungen zu einer Reise gemacht hatte, machte sie sich eines Tages, wo die Marquise ausgefahren und Yves, wie jetzt immer, abwesend war, auf den Weg nach Schloß Arnouville,, und ließ folgenden, an ihren Mann gerichteten Brief zurück:

»Ich reise ab nach Arnouville, und wenn ich Ihnen diesen Vorsatz nicht anzeigte, so geschah es, weil ich glaubte, daß dessen Ausführung Ihre Wünsche wie die meinigen befriedigen würde, und weil ich um Ihret-, wie um meinetwillen die Besorgnisse und Vorwürfe, die Sie vielleicht ausdrücken zu müssen geglaubt hatten, vermeiden wollte. Ja, für Sie, für Ihre Großmutter und für mich ist diese Reise nothwendig.

»Ihre Großmutter, gewohnt, ihre Abende der Gesellschaft zu widmen, die die Trauer mich zu meiden nöthigt, glaubt sich verpflichtet, um meinetwillen ihren Gewohnheiten zu entsagen, sie leidet darunter. Da meine Traurigkeit mir durchaus kein Mittel gewährt, diese Opfer durch Zerstreuung zu belohnen, fühle ich um so schmerzlicher, daß ich sie betrübe; daß man in ihrem Alter nichts in seiner Lebensweise ändern kann, ohne es mit Unbehaglichkeit gewahr zu werden und ich würde untröstlich sein, einer vortrefflichen Frau, die ich so zärtlich liebe als innig verehre, Kummer zu verursachen.

»Was Sie anbetrifft? meine Gegenwart drückt Sie! Erinnern Sie sich an den gestrigen Abend. Da ich meinen Schmerz nicht überwinden konnte, und keine Worte fand, Ihrer Großmutter, die sich umsonst mich zu trösten bemühte, zu antworten, erbot ich mich vorzulesen; aber wie bald mußte ich aufhören!. . . denn, wenn das Herz mit Schmerz erfüllt ist, scheint Alles, was man liest, sich auf denselben zu beziehen. Es gibt Gedanken, Situationen, Sätze, die für uns geschrieben zu sein scheinen und so, Alles wieder findend, was das Herz beschäftigt, kann man seine Thränen nicht zurück halten. Die meinigen störten mich unwillkürlich; ich mußte auf das Lesen Verzicht leisten, sah aber recht gut durch meine Thränen Ihre Angst, Ihre Ungeduld, mit mir allein zu sein, den Wunsch, mit mir zu reden. Ja, ich hatte Alles gesehen, Alles errathen! . . . und dennoch . . . als Ihre Großmutter sich zurückgezogen hatte, kamen Sie zwar eilig zu mir, . . . Ihre Hand nahm die meinige . . . ich glaubte, daß Ihr Herz endlich sein Geheimniß verrathen würde . . . daß Sie mir gestehen wollten . . . was? ich kann es nicht sagen! ich wage kaum, es zu denken!. . . aber, statt zu reden . . . wahrscheinlich durch die Furcht, mich zu betrüben, oder zu beleidigen, zurückgehalten . . . blieben Sie stumm, bestürzt!. . . meine Hand stießen Sie zurück! meine Bitte Hörten Sie nicht!. . . Sie gingen stürmisch fort, indem Sie sagten: Nein ich will noch nicht reden!. . . und kamen den ganzen Tag nicht nach Hause. »Sie sehe« also ein, daß ich auch um Ihretwillen abreisen muß! denn meine Gegenwart würde Ihre Pläne nur stören und deren Erfüllung verzögern. Sie werden leicht begreifen, wie traurig meine Lage wäre, wenn meine Gegenwart Denen, die mich umgeben, nur Langeweile, Zwang und Traurigkeit auferlegte. Sie werden mit mir finden, daß sie unerträglich wäre; ihr zu entgehen ist Pflicht, ist das nicht wahr? Ich gehe also wegen Ihrer Großmutter, die nun wieder alle Abende die ihr Bedürfniß gewordenen Gesellschaften besuchen kann; Ihretwegen, dem nun nichts mehr Zwang auflegt, und . . . meinetwegen auch!. . .

»Ich?. . . Sie wissen, daß ich auf dem Lande die vortreffliche Madame Ramel, meine Erzieherin, daß ich daselbst die Beschäftigungen meiner Kindheit finde . . . und die Freiheit, deren Verlust mir so schmerzlich war. Ja, es machte mir Schmerz, meinen Kummer zu verbergen, und Schmerz, ihn getheilt zu sehen, und ich fühlte in diesem beständigen Kampfe alle Kräfte meines Geistes, meines Herzens und meiner Gesundheit täglich schwächer werden. Ich armes, junges, in der Einsamkeit und so einfach erzogenes Mädchen, daß eine Wolke, welche die Sonne verdunkelte, ein am frühen Morgen singender Vogel, eine den Tag über aufgeblühte Blume, große Begebenheiten für mich waren, die meine einsamen Stunden ausfüllten! Wenn mein Geist in den wenigen Büchern, die ich besaß, eine neue Idee suchte, so fand ich zugleich in denselben irgend einen erhabenen und beruhigenden Gedanken, über unsere Bestimmung in dieser Welt und unsere Hoffnungen auf die künftige. Wie hatte ich ohne tödtliche Ermattung alle jene kleinen Details von dem, was man Vergnügungen nennt, wie die beständige Bemühung, meinen Kummer zu verbergen, ertragen können? Ach, ich begreife jetzt, wie sich alle Fähigkeiten der Seele abnutzen, wie alle lebendigen Eindrücke erlöschen. Wie haben die Frauen der Welt so jung alle Freuden und alles Leben erschöpft! Wie gelangweilt und gleichgültig schmachten sie dahin! Wie beleidigen, verletzen oder entzücken diese tausend widersprechenden Erzählungen, diese entgegengesetzten Ansichten, diese Worte und Handlungen, die sich in Masse gegen eure Ruhe anhäufen, ohne daß die Welt sich Zeit nimmt, sie zu beurtheilen, ohne daß Lob oder Tadel sie belohnt, oder bestraft; ich begreife, daß die Seele, so betäubt und ermattet, endlich gegen Gutes und Böses gleichgültig wird. Ich fing an, nicht mehr zu denken, als der Verlust, der mich jetzt betrübt, mir nur noch einen Gedanken ließ Ach! ich wollte der guten Mutter, die mich liebte, die siebzehn Jahre lang über mein Geschick wachte, um das sich künftig Niemand mehr bekümmern wird . . . ja ich wollte der guten Mutter in der Erinnerung eine Zeit meines Lebens bezahlen, die kein anderer Gedanke jemals erreichen kann. Ich werde den Ort wiedersehen, wo sie meine Kindheit pflegte, wo ich Niemand kannte als sie, wo ihre Güte mir das Leben so süß machte, wo das, was das Herz einer guten Mutter erfand, oft Alles übertraf, was der Geist begreifen kann. In Ruhe und Einsamkeit, von diesem lieben Bilde begleitet, werde ich ohne Zweifel meinen Muth und meine erschöpften Kräfte wieder gewinnen. . . Die traurigen Eindrücke, die die Welt in meiner Seele gelassen hat, werden erlöschen . . . denn man findet den Himmel in seinem Herzen, wenn man die Erde vergessen kann.

»Ich habe lange allein gelebt und kann vom Leben nur die Neigungen und die Gedanken beurtheilen. Alles Uebrige verwundert mich, ohne mir zu gefallen, und ich kann keinen Antheil daran nehmen. Wenn ich aber wieder so viel Energie werde gewonnen haben, um meinen Geschmack und meine Gewohnheiten beherrschen zu können, dann werde ich zurückkehren und sehr bereitwillig sein, Alles, zu thun, was Sie Beide wünschen! . . . Ich bitte den Himmel nur, daß er mich kein Hinderniß des Glückes Derer, die mich umgeben, sein lassen möge.

»Gabriele.«

Einige Tage nachher erhielt Gabriele einen Brief aus Paris. Ihre Hand zitterte, indem sie das Siegel erbrach, denn der Brief war von Yves von Mauléon. Eine traurige Ueberraschung zeigte sich auf ihrem Gesichte, als sie ihn erbrochen hatte; es waren so wenige Zeilen, so wenige Worte in folgendem Briefe:

»Ich habe Ihrer Mutter versprochen, Alles, was in meinen Kräften steht, zu thun, damit Sie glücklich werden und ich wünsche mein Versprechen zu halten. .Also wird Ihr Wille Ihr Loos bestimmen, Ihre Wünsche sind zu verständig und einfach, um nicht erhört zu werden . . . und der Himmel gibt zuweilen sogar mehr, als man zu bitten wagte!

»Yves.«

Gabriele las diesen Brief, und las ihn wieder, aber jedes Mal legte sie den Worten, die er enthielt, einen andern Sinn unter, denn der Sinn eines Briefes ist sehr verschiedenartig zu deuten. Ein Brief ist eine Hieroglyphe, deren Geheimnisse nur die Eingeweihten allein errathen können, und auch diese betrügen sich noch oft über die Geltung und Bedeutung dessen, was man sagen wollte. Dieselben Worte, dieselben Redensarten können einen so verschiedenen Sinn haben!

Wer stand nicht schon ungewiß und nachdenkend vor einem wichtigen Briefe und legte den Worten, die er enthielt, die verschiedenartigsten Bedeutungen unter? oder knüpfte in wenigen Augenblicken an dieselben Worte den entgegengesetztesten Sinn? Man denkt sich den Ausdruck des Gesichts des Schreibenden, denkt sich ihn gleichgültig, geringschätzend, dringend, liebevoll, zärtlich, oder leidenschaftlich, und findet, daß die Erklärungen, die man am meisten wünscht, sich eben so gut mit den hundert Mal wieder gelesenen Redensarten vereinigen lassen, als die, welche man am meisten fürchtet.

So machte es Gabriele mit dem Briefe von Yves; und als sie durch die triftigsten Gründe von der Welt die Empfindungen, die bei Abfassung dieses Briefes vorgewaltet hatten, genau zu kennen glaubte, fand sie wieder eben so viele und eben so triftige Gründe, um den Ausdrücken des Briefes ganz entgegengesetzte Empfindungen unterzulegen.

Da nahm die junge Frau das wunderbare Papier, das so viel Gedanken erweckte, warf es in ein schönes Kästchen von weißem Atlas, zwischen Bänder und Juwelen; dann um die Gedanken zu verjagen, presste sie die kleine Hand gegen die noch sorgenvolle Stirn und lief in den Park, oder beaufsichtigte die Arbeiter im Innern des Schlosses. Wenn man seinen Gedanken entfliehen will, muß man sich beschäftigen!

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