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Gabriele

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»Es wird mir süß sein . . . weil von hier. . . weit von Frankreich vielleicht. . .«

»Weit von Frankreich! haben Sie das wohl bedacht?« konnte sie sich nicht enthalten zu sagen.

»Was soll ich hier länger?« antwortete Yves; »leben? mit wem? Die Gesellschaft der Salons ist Erholung für Die, welche beschäftigt sind; aber Langeweile für Die, welche ein Geschäft daraus machen! Meine alten Freunde? Das war Jugendthorheit, und die ist für mich vorüber . . . und was das Glück des inneren Lebens. . . und der Familie. . .«

Er hielt inne.

Gabriele versuchte zu antworten:

»Wenn ich wagen dürfte. . . ich, die so wenig gelernt hat. . . die so wenig Verhältnisse kennt. . .«

»O, reden Sie! Warum habe ich Sie nicht eher gekannt!« sagte Yves mit zärtlicher Stimme; »ich hätte nicht. . .«

Die junge Frau glaubte, er denke an Elénore. Ihre Gedanken verwirrten sich, sie konnte sich nicht besinnen, was sie hatte sagen wollen.

»Ohne Zweifel,« sagte Mauléon, »gibt es viel Glück in der Welt, aber es steht nicht in unserer Macht, es zu erreichen. Man wird es erst in dem Augenblicke gewahr, wo es entschlüpft, und indem man seinen ganzen Werth erkennt, ist es auch schon für immer verloren!«

O, wie wahr ist das!« rief sie.

»Und was Sie nicht auszusprechen wagten. . .?« fragte Yves, der die Erinnerung an das Vergangene vermeiden wollte.

»Ich weiß es nicht mehr,« sagte sie verwirrt. »Aber . . . ich glaube, ich dachte. . . so eben, daß Jeder seine Existenz nützlich machen kann . . . schön und glücklich für sich und die Andern . . . und daß dies . . . dem Herzog von Mauléon noch viel leichter sein muß, als jedem Andern.«

»Es ist möglich,« sagte Yves, »aber. . .«

Eine tiefe Niedergeschlagenheit drückte sein Gesicht aus, als er fortfuhr:

»Es bedürfte dazu einer andern Lage. . . Die Kraft kommt aus dem Herzen. . . man kann Nichts unternehmen, wenn man unglücklich ist.«

Gabriele's Herz war gepreßt und ihre Stimme zitterte, denn sie glaubte, er beklage sich über sein Schicksal und stelle alle seine Schattenseiten hervor als Rechte und Entschuldigungen, daß er ihm zu entfliehen trachte.

»Aber,« sagte sie schmerzlich, »alle Hindernisse. . . Sie sehen ja, daß sie aus dem Wege geräumt werden können!«

»Man muß es, ist es nicht wahr?«

»Und Sie werden glücklich sein!«

Es war weder eine Frage, noch eine Antwort; Yves antwortete nicht. Gabriele bot seit dem schrecklichen Vorschlage der Trennung alle Kräfte auf, die Stolz und Vernunft geben können, um ihre heftige Bewegung zu verbergen.

Die dichten Wolken, die in diesem Augenblicke den Mond bedeckten, entzogen Yves den Anblick der brennenden Thränen, die an Gabriele's bleichen Wangen herabrollten. Sie war stumm vor Furcht und Kummer, versteckte ihr Gesicht, hielt ihr Schluchzen zurück, bemühte sich, zu reden, denn sie fürchtete, daß ihr Schweigen die wenigen Augenblicke noch abkürzen, daß er sich entfernen – daß seine Stimme zum letzten Male in diesem gebrochenen Herzen widergeklungen haben möchte, was sie zittern machte, und sie suchte nach Worten, um – ihn zum Bleiben zu zwingen und um noch zu antworten. Aber – wie reden, ohne sich zu verrathen, da ihr Geist nur noch einen Gedanken hatte, da ihre Stimme ihre Thränen verrathen mußte! – Dennoch, ein Wille, der aus dem Herzen kommt, hat so viel Gewalt, daß Gabriele endlich mit anscheinender Fassung fragen konnte, ob er schon den Ort gewählt habe, wo er das Glück suchen wolle, was Frankreich ihm nicht biete?

»Ich werde reisen,« antwortete er. »Wen Nichts an einen bestimmten Ort bindet, dem ist es gleichgültig wo er lebt, vorausgesetzt, daß es in seiner Macht steht, abzureisen, wenn es ihm nicht mehr gefällt.«

»Ach! gewiß,« rief sie bitter, unwillkürlich die Angst ihrer Seele und den Gedanken, der ihr Herz zerriß, verrathend, »gewiß . . . wenn man gleichgültig gegen die ist, die man verlassen hat und Alles was man liebte und was einen erfreuen kann, bei sich hat. . .«

»Das Glück! die Freude!« sagte Yves erstaunt. »Welche Freude kann man haben, wenn man traurig, verlassen und allein ist?«

»Allein? . . . Aber Sie werden ja nicht allein sein . . . Herr von Mauléon.»

»Allein! ganz allein! . . .«

»Was sagen Sie? . . .«

Und unwillkürlich entschlüpfte fast unverständlich der Name, der immer in ihren Gedanken, in ihrem Herzen war, ihren Lippen.

»Eleonore!« . . .entgegnete Mauléon verwundert; . . .

»aber die ist ja seit drei Monaten in's Kloster zurückgekehrt; und ich habe sie seit ihrer Abreise nicht gesehen!«

Nichts ist dem Erstaunen, der Freude, der plötzlichen Hoffnung zu vergleichen, die in Gabrielens vor Freude zitternder Stimme bebte, als sie lebhaft vortretend und sich mit einer raschen Bewegung ganz aufrichtend, fragte:

»Warum reisen Sie dann?«

Der junge Mann blieb betäubt stehen.

»Warum ich reise? Sie verlangen es ja!«

Sie begriff ihn nicht.

»Reden Sie, ich beschwöre Sie,« sagte sie . . . mit unbeschreiblicher Erwartung.

»Was habe ich zu sagen? . . . erinnern Sie sich nicht mehr unserer Heirath? Ihrer Gleichgültigkeit . . . Ihres Hasses? . . .«

»O! das ist es nicht! Herr von Mauléon.«

»Haben Sie denn meinen Brief vergessen, meine gerechten Vorwürfe? . . .«

»O! das ist es auch nicht! . . . Lassen Sie mich nicht glauben, daß dieser Brief. . .«,

»Es ist mein einziger Gedanke.«

Ein Strahl von Freude verklärte einen Augenblick Gabriele's unruhiges Gesicht, und mit einem unaussprechlichen Ausdrucke von Furcht und Hoffnung rief sie zitternd:

»Nehmen Sie sich in Acht . . . ich bitte Sie; . . . sagen Sie mir nicht so etwas . .. Dieser Brief, das war ja Eifersucht! Sie eifersüchtig! . . . das ist nicht möglich! es gibt Gedanken, die ich mir weder gestatten will noch kann . . . denn wenn ich nachher enttäuscht würde . . . was würde aus mir?«

»Wie?«

»Mein Gott! was habe ich gelitten! . . . aber nie hatte ich gehofft! . . . nein l . . . ich halte nie einen Augenblick Hoffnung! . . . aber jetzt! . . . kommt mir ein Gedanke! . . .«

Und zitternd vor Freude, während sie Thränen vergoß, entschlüpften ihren Lippen unzusammenhängende Worte.

»Gestatten Sie nicht einen solchen Irrthum! Mein Gott! ich würde nicht den Muth haben, ihn wieder aufzugeben!«

Und als sie die Hand auf ihre Augen legte und dieselben thränenlos fühlte, sagte sie:

»Warum denn diese Freude ohne Bewegungsgrund, dieses Glück ohne Ursachen? um eines Wortes willen, das er widerrufen wird, eines Wortes, das mich betrogen hat! . . . das er nicht hat sagen können!«

Gabriele sagte dies Alles leise zu sich selbst, nicht glaubend, gehört zu werden; aber das Licht des Mondes ergoß sich, die verhüllenden Wolken durchbrechend, rein und klar über ihr Gesicht; sein Glanz erleuchtete alle Gegenstände und man konnte sie wie beim Glänze der Sonne sehen. Das sanfte Mondlicht lieh ihnen nur einen köstlichen geheimnißvollen Reiz, dessen Gewalt das Schweigen der Nacht noch vermehrte.

Yves betrachtete mit Rührung Gabriele's belebtes Gesicht. Er horchte begierig diesen unverständlichen Worten, deren geringste Biegung er, fürchtend, sich über deren Bedeutung zu täuschen, ängstlich beobachtete. Er war im Begriff, zu ihr hin zu stürzen, sich zu ihren Füßen zu werfen; . . . noch einmal hielt er inne. . . Aber nicht mehr Furcht und Traurigkeit sprach sich in seinen Worten aus, seine ganze Seele war in seinen ausdrucksvollen Zügen und in seiner zitternden, leidenschaftlichen Stimme, als er sagte:

»Gabriele! jetzt müssen Sie Alles wissen! Sie kennen schon die Stimmung meines Herzens bei unserer Verheirathung, aber nicht die Gedanken und Empfindungen, die sich meiner später nach und nach bemächtigten. Zuerst erröthete ich vor einem Kinde, das alle Zartheiten der Seele begriff, die ich alle vernichtet hatte, Sie verachteten mich, und ich hatte mich verächtlich gemacht. Das zeigten mir Ihre Worte, das fühlte ich, . . . und zu gleicher Zeit . . . fühlte ich mich empört und gedemüthigt. Sie soll mich lieben, oder ich fliehe sie für immer, rief ich . . . Aber wenn ich fliehen wollte, wenn ich in meine Mutlosigkeit zurücksank, belebte ein Strahl von Hoffnung meinen fast vernichteten Geist. Ein Blick, ein Wort, ein Lächeln, die mein Herz heftiger schlagen machten, lehrten mich, daß dasselbe nicht unempfindlich war. Zorn, Wunsch zu gefallen, und Liebe, hatten mir ein neues Leben gegeben, ich begriff die Gleichgültigkeit, den Ueberdruß und die Langeweile nicht mehr . . . ich lebte endlich, und hatte ein Ziel, das ich erreichen wollte, und ich folgte, um dahin zu gelangen, einem neuen Wege . . . den ich noch nie betreten hatte.

»Da . . . ich wollte Alles mir selbst verdanken . . . stieß ich dieses Vermögen zurück . . . das meiner Empfindung gemäß, mir nicht angehören durfte. . . Ich arbeitete . . . ja, ich verband mich mit einigen Männern, deren bekannte Redlichkeit sie an die Spitze von Unternehmungen gestellt hat, durch die man mit Mühe und Arbeit, aber ohne Niederträchtigkeit, zu Vermögen gelangen kann.

»Der Himmel muß meinen Bemühungen günstig gewesen sein, oder die Thorheit einiger Speculanten kommt der Vorsicht Anderer zu Hilfe, denn ein unbedeutender Fond verwandelte sich unter meinen Händen in ein nicht unansehnliches Vermögen. Ich erwarb auf rechtlichem Wege mehr, als ich bedarf, um standesgemäß zu leben. Und während dieser Zeit suchte ich jene fleißigen Männer auf, die ihr Leben ernsten Studien gewidmet haben; ich lernte die politischen Kämpfe, die Discussionen der merkantilschen Geschäfte kennen und sah ein, daß neben den kleinlichen Combinationen des persönlichen Interesses, der Bewegung des privaten Ehrgeizes, mitten in den verschiedenen Parteien und unter allen Pannieren, es noch einen erhabenen Platz für Alle gibt; daß noch so viel für das allgemeine Wohl zu thun bleibt; daß jede Hand, die mit Kraft und Umsicht das Werk angreift, nützlich sein kann; daß jeder Mann auf diese Weise, wenn er klug und rechtschaffen, eine Stütze des Ganzen ist; daß er demselben die Macht der Vernunft unter dem Einfluß des Verstandes widmet; daß, die Gesetze und die Menschen verbessern, dem Unglück der Einen abhelfen, die verkehrten Ansichten der Anderen berichtigen, eine belehrende Aufgabe für den Allerehrgeizigsten ist und sein muß. Ein Umstand zeigte mir, welchen Haß der Hochmuth der Großen erregen, und was dieser Haß für Verbrechen und Gewissensbisse veranlassen kann. Ich sah, daß der arme Verachtete vor Kummer und Elend sterben kann, und fand in dem Wunsche, nützlich und hilfreich zu sein, ein Ziel für meine Thätigkeit, eine Freude für mein Herz, eine Befriedigung für meinen Geist. Und ich fühle, daß man alle diese ernsten Pläne und Ansichten, von denen man zu gewöhnlichen Frauen nicht reden darf, der würdigen Gefährtin eines Ehrenmannes, der darin seinen höchsten Lohn und seine größte Wonne findet, mittheilen kann. . . Denn ich gestehe es. . . durch sie. . . für sie habe ich nach und nach alle diese mir so neuen Gedanken und Vorsätze gefaßt und auszuführen gestrebt. Um ein einfaches, wahres, mich liebendes Weib zu verdienen, habe ich die falschen Ansichten zurückgestoßen und den Bestrebungen eines kleinlichen, lügenhaften Parteigeistes entsagt; habe ich ein vernünftiger und guter Mann werden wollen, weil ich durch ihr Beispiel gelernt habe, daß Vernunft und Güte in ihrer zartesten, erhabensten Auffassung allein die wahre Auszeichnung verleihen. Und zu dieser Frau, die ich liebe, zärtlich, leidenschaftlich liebe, bin ich gekommen, um ihr zu gleicher Zeil zu sagen, daß sie frei ist, daß nichts sie bindet, daß sie über ihr und mein Geschick entscheiden kann und daß ich sie nur ihrer Liebe verdanken will, daß in diesem Augenblicke von ihrem Worte mein ganzes Leben abhängt!. . . Kann Gabriele mich lieben? will sie die Meine sein?«

 

Gabriele hatte dagestanden . . . mit Angst zugehört, dann mit Entzücken jedes Wort Mauléon aufgefaßt. Freude, Rührung, Liebe, alle Nuancen der lebhaftesten und süßesten Eindrücke belebten nach und nach ihr ausdrucksvolles Gesicht; und als er schwieg, gestattete ihr die Rührung nicht, zu reden. Aber was kein Wort auszudrücken vermag, sagte ein Blick; alle Freude, Liebe und alles Vertrauen, dessen ein Herz fähig ist, lag in Einer Bewegung. Gabriele breitete ihre Arme nach ihm aus. Yves schloß sie mit Entzücken in die seinigen.

Er hatte sein Geheimniß ausgesprochen, sie hatte das ihrige verrathen.

Unzusammenhängende Worte als Verwirrung und Glück entströmten ihrer Seele.

»Ach,« rief Yves mit unaussprechlicher Freude, »dieser Haß, diese Gleichgültigkeit, die mich damals verstießen . . . sind also wirklich ganz verschwunden?«

Gabriele sah ihn lächelnd an.

»Gleichgültigkeit?« sagte sie erröthend und sich an Yves schmiegend, als hätte sie ihr Geheimniß in dem Herzendessen, den sie liebte, verbergen wollen: »Damals . . . Yves . . .« hauchte sie kaum hörbar. . . »liebte ich Dich ja schon!«

»Ach! sie ist köstlich, meine Gabriele!« rief der junge Mann in entzückter Bewunderung dieser einfachen, kindlichen und doch so starken Seele; denn aller einfache und natürliche Schwung einer edlen Seele und alle überspannte Leidenschaft eines jungen Herzens war in ihm erwacht. Diese Ueberspannung, welche Kraft gibt, Leiden zu ertragen, Gefahren zu trotzen, ja den Märtyrertod zu leiden . . . mit welchen glänzenden Farben muß sie nicht erst die Liebe schmücken! Auch vergötterte Yves die jungfräuliche Zartheit Gabrielas, ihren erhabenen Geist und ihre einfache Tugend, ihre hinreißende, mit so vielen Reizen geschmückte Schönheit, und denkend, wie viel Anmuth und Zauber sie dem Leben in der Welt, wie viel Glück dem in der Einsamkeit verleihen werde, sagte er mit lebhaftem Entzücken:

»Du hast es gesagt, Gabriel«!. . . Ja um Deiner würdig zu sein, mußte die Ehe so sein!. . . geehrt auf der Erde, vom Himmel gesegnet!«

Die Nacht war völlig angebrochen, dichte Wolken bedeckten Mond und Sterne, ein Gewitter zog heran; Yves und Gabriele waren es nicht gewahr geworden. Diese dunkle, stürmische Nacht schien ihnen tröstlich. Es gibt Augenblicke, wo das Herz, um die Welt schön zu finden, weder Sonnenschein, noch balsamische Luft bedarf, wo der Sitz des Lichtes und der Freude im Herzen alle Sterne des Himmels verdunkeln könnte, wo man Alles beleben, Alles verschönern kann; und vielleicht wurde dem Menschen diese Macht der Seele, ein Glück zu schaffen, das die Welt nicht geben kann, verliehen, um ihm zu zeigen, daß er von höherer Abstammung ist.

Indem die beiden Glücklichen sich dem ganzen süßen, nichts und doch so viel sagenden Geschwätz der Liebe überließen, riefen sie unwillkürlich beide zu gleicher Zeit und lachend aus:

»Und sechs Monate des Glückes haben wir verloren!«

—–

In diesem Augenblicke ertönten Stimmen und erglänzten Lichter von verschiedenen Seiten des Parks.

Erst jetzt erinnerten Yves und Gabriele sich der Finsterniß und des Gewitters, der Zeit, des Ortes, wo sie waren.

»Man sucht mich!« rief die junge Frau lachend, »man beunruhigt sich wegen meiner Abwesenheit! . . . man glaubt mich allein!«

Und sie eilten Beide zusammen nach dem Schlosse . . . eine bekannte Stimme nannte Gabriele's Namen, und Yves Hand loslassend, sank sie in die Arme der Marquise von Fontenoy-Mareuil, um sie zu beruhigen.

»Ach! da ist sie!« rief die Marquise noch ganz erschrocken. »Aber wo waren Sie so allein in der Nacht? . . .«

»Nicht allein,« sagte Gabriele sich erröthend zurückziehend; »aber mit ihm;« dabei zeigte sie auf Yves, der seine Großmutter umarmte, die über dieses Zusammentreffen so überrascht war, daß die Worte ihr fehlten.

Ein Herr stieg indessen langsam, aber mit scheinbarer Eile die Freitreppe herunter, wobei er unverständliche Worte murmelte; es war der Graf von Rhinville, der, die Gruppe erblickend, betäubt stehen blieb und mit dem Tone des Vorwurfs sagte:

»Wie, Frau Marquise, Tag und Nacht mit Extrapost gefahren!. . . und warum?. . . um. . . ein zärtliches téte-à-téte zwischen Mann und Frau zu stören! Wenn ich das gewußt hätte!. . .«

»Würden Sie nicht abgereist sein, und ich vielleicht auch nicht,« sagte die Marquise lachend.

»Was gibt es denn?« rief Yves . . .

»Du wirst es sehen,« antwortete die Marquise.

Aber ein großer Lärm unterbrach sie. Das Gewitter hatte an Heftigkeit zugenommen, man war

während obiger Erklärungen in den Salon getreten, als ein Bedienter zu melden kam, daß ein Wagen vor der Thür des Schlosses umgeworfen sei. Es befand sich in demselben eine ohnmächtige Dame, der ein junger Mann seine Dienste beim Aussteigen leistete. Wie groß war das allgemeine Erstaunen! . . . Es war Frau von Savigny und Heinrich von Marcenay.

Eine Dame von Welt hat so viel Geistesgegenwart, daß das Erstaunen der Frau von Savigny bald

einer scheinbaren Freude Platz machte, obgleich man ihr im ersten Augenblicke angemerkt hatte, daß Yves von Mauléons Anblick ihr eben so viel Verwunderung als Schmerz verursachte.

»Welches Glück,« sagte sie mit dem freundschaftlichsten Tone, »daß diese, unangenehme Zufall mich

gerade vor dem Schlosse Arnouville traf! . . . Ich wußte nicht, daß es auf dem Wege liegt, der nach dem Seebade führt, welches mir verordnet ist . . . und Herr von Marcenay. . .«

Dieser fuhr fort:

»Sie wissen, daß ich vom Ministerium präsentiert bin, bei der Wahl, die in diesen Tagen im Arrondissement von C*** stattfinden wird, und ich reise hin, um mich zu bedanken. . .«

»Daß man gestern Ihren Mitbewerber Georg Rémond gewählt hat,« sagte Yves lachend, indem er einen Brief aus der Tasche zog; »er selbst meldet mir diese Neuigkeit.«

Der Graf und die Marquise riefen zu gleicher Zeit:

»Wie! . . . Herr Georg ist fünfzig Meilen von hier?«

Und die Marquise wendete sich mehr erfreut, als erstaunt mit einem triumphierenden Blicke zu Frau von Savigny, indem sie sagte:

»Was sagen Sie denn? Auch Elénore ist ruhig und gesund im Kloster, ihr Vater sagte es mir im Augenblicke meiner Abreise . . . und Yves? . . . Mitten im Park Nacht und Gewitter vergessend, an der Seite . . . seiner Frau!«

Die Art, wie sie dieses Alles sagte, bewies, daß sie darüber ganz andere Nachrichten erhalten hatte.

Herr von Mauléon wenigstens dachte so; denn mit einer Mischung von feiner Spötterei und außerordentlicher Höflichkeit in Ton und Gesicht, dankte er Frau von Savigny, ihm seine Großmutter und den Herrn Grafen zugeschickt und besonders, so passend gerade vor seinem Schlosse umgeworfen zu haben, wo ihr alle mögliche Hilfe und Dienstleistung zu Gebote stehe.

»Wie glücklich trifft es sich,« sagte Gabriele, »daß alle Verschönerungen dieser so lange vernachlässigten Besitzung gerade heute unter meiner Leitung vollendet wurden! Sie werden Alle vortrefflich logirt sein und sehen, wie schon es ist!. . . Wirtlich, nur das Schloß Ihrer Väter noch mehr von ihrem Ruhme, als von ihrem Reichthum Zeugniß gebend, war würdig, von Ihnen bewohnt zu werden,« sagte sie sanft zu Yves und wendete sich dann freudestrahlend zur Marquise, zu der sie sagte:

»Meine Mutter, Sie werden die weitläufigen Gemächer erhalten, die die Marquise von Fontenoy-Mareuil zu der Zeit Ludwigs des Vierzehnten bewohnte. Sie, Herr Graf von Rhinville, finden ein nicht ganz weitläufiges, aber so bequemes Logis, daß Sie sich in demselben zu Hause glauben werden. . . Und Sie, gnädige Frau,« sagte sie, sich zu Frau von Savigny wendend. . .«

»Ich bin gezwungen, meinen Weg fortzusetzen, sobald der Wagen in Ordnung ist,« erwiderte diese mit dem graziösesten Tone . . . »und ich bitte Sie um Entschuldigung, daß ich Ihre Güte ablehnen muß.«

»So wird wohl auch Heinrich,« sagte Yves mit leichter Ironie, »keine Zeit haben, Georg zu sehen, der morgen früh hier sein wird . . . und der ihm sagen könnte, wie man es macht, um sich zum Deputirten wählen zu lassen?«

»Behalten Sie das für sich, Yves,« antwortete Heinrich, der bei gewissen Gelegenheiten vortrefflich Spaß verstand; »denn Sie denken, wie man sagt, auch daran.«

»Warum nicht?« sagte der Herzog von Mauléon, zur großen Verwunderung seiner Großmutter . . . welche die Worte . . . Meinung . . . Partei . . . stammelte.

»Eine Partei?« . . . wiederholte Heinrich von Marcenay lachend . . . »Frau Marquise, das Wort Partei ist nicht mehr Mode. . . Und Gott weiß, ob selbst die Sache in unserem Lande je wirklich existiert hat. . . Ich glaube, daß es in Frankreich immer nur zwei Parteien, die der Klugen und die der einfältigen Leute gegeben hat.«

»Es ist wohl möglich,« sagte die Marquise lächelnd, denn die Freude machte sie tolerant. . .. »Möge Yves dann, wenn er will, Deputierter, ja selbst Minister sein; wenn er durch die Macht rechtlicher Leute, ohne schmutzige Intriguen, ohne niedrige Ränke, ohne kleine persönliche Rücksichten und um sich nur dem allgemeinen Besten zu widmen, dazu gelangt, so will ich nichts dagegen haben. Wir haben so viel Sonderbares gesehen, warum nicht auch das noch?«

»Nicht wahr, meine Mutter?« sagte Yves, glücklich, seine Wünsche gebilligt zu sehen.

Da Gabriele sah, daß die Marquise das Glück ihres Enkels erhöhte, indem sie in seine Ideen einging, dankte sie ihr durch eine Liebkosung und sagte:

»Meine Mutter, bei unserer Rückkehr wird mein erster Weg zu Elénore sein« (denn sie fühlte das Bedürfniß, Yves ihre Achtung und ihr Vertrauen auf alle Weise zu zeigen.)

»Elénore,« erwiderte die Marquise, »beauftragte ihren Vater, meine liebe Tochter an ihre alte Freundschaft zu erinnern und ihr zu sagen, daß sie jetzt nichts vermisse, als ein kleines Pfand dieser gegenseitigen Anhänglichkeit. Einen Ring glaube ich?. . .«

»Ja, ich werde ihr denselben morgen durch Georg übersenden, »sagte die junge Frau, einen Blick mit Yves wechselnd, der in ihnen eine auf die beiden Genannten bezügliche Hoffnung zu erwecken schien.

Frau von Savigny, die Herrn von Marcenay geschickt hatte, um die Anstalten zu ihrer Weiterreise zu beschleunigen, erfuhr jetzt zu ihrer großen Freude, daß Alles zu ihrer Abreise bereit sei; sie sprach das lebhafteste Bedauern aus den so prachtvollen Ort verlassen zu müssen, dessen erneuerter Glanz die alten edlen Bewohner wenn sie ihn sehen könnten, in freudiges Erstaunen setzen würde.

»Und vorzüglich, nicht wahr? würde es sie entzücken,« sagte Yves, indem er die Hand seiner jungen Frau mit jener stolzen, edlen und eleganten Haltung voller Grazie, die ihm eigentümlich war, ergriff, »jetzt meine Gabriele darin gebieten zu sehen; denn gewiß machte niemals eine schönere und würdigere Burgfrau die Honneurs desselben.« Hierbei zog er mit einem lebhaften Ausdrucke von Liebe und Verehrung die zarten Finger des anmutigen Wesens an seine Lippen.

 

»Gewiß,« rief die Marquise, »sie ist eine Fee, . . . oder vielmehr der Engel unserer Familie; sie hat das Schloß unserer Väter wiederhergestellt, sie wird ihnen in demselben edle Söhne geben. Sie, die Yves zum glücklichen Manne gemacht hat, kann ihn auch zu einem berühmten Manne machen, und das ist vielleicht noch leichter.

»Ich fange an zu glauben, mein lieber Graf,« fügte sie, sich an den Grafen von Rhinville wendend, hinzu, »daß ich mich geirrt hatte und daß selbst in unserer Zeit »es noch Frauen gibt

Ende
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