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Gabriele

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Aber die junge Frau sammelte ihren Muth, indem sie ihre Bestürzung getheilt sah, und sagte mit plötzlicher, unerschrockener Entschlossenheit und immer fester werdender Stimme:«

»Mein Herr. . . Herr Herzog von Mauléon, hören Sie mich! . . . Ja, hören Sie mich! . . . Ich will . . . ich muß. . . mit Ihnen reden . . . Ihnen Alles sagen. . . und werde den Muth dazu haben. . .!«

Yves war so erstaunt, daß er auch nicht ein Wort finden konnte, um diese unerwartete Rede, welche der ernste und ungewöhnliche Ton dieser zitternden und doch entschiedenen Frau ihm unbegreiflich machte, zu beantworten.

Nach einigen Augenblicken tiefen Schweigens fuhr Gabriele fort:

»Vor einem Monate, mein Herr, als Sie in's Kloster kamen und diese unglückliche Heirath . . . beschlossen wurde. . .«

Yves von Mauléon machte eine Bewegung des Erstaunens.

»Diese unglückliche Heirath . . .!« wiederholte die junge Frau, »damals waren mir alle Verhältnisse des Lebens gänzlich fremd! . . . Die Vortheile der Geburt, die Ansichten der Welt, der Werth des Reichthums, die Freuden. . . und die zärtlichen Verbindungen, aus denen das Leben eines jungen Mannes besteht, Alles war mir unbekannt; . . . und als ich meine Einwilligung gab, wußte ich weder, was ich versprach, noch was ich zu fordern hatte. Für mich war Herr von Mauléon ein junger Mann, den. . . ich. . .«

Hier hielt Gabriele inne, ohne ihre Rede zu vollenden, und versuchte eine andere zu bilden.

»Für Sie, mein Herr,. . . war ich ein Mädchen aus dem Volke, das Sie verachteten. . . und deren Vermögen Sie mit einem Titel erkauften.«

»Madame. . .!« konnte der beleidigte junge Mann sich nicht enthalten, auszurufen; aber keine Worte findend, welche Gabriele's Anklagen widerlegten, hielt er inne.

»Versuchen Sie nicht, mir das Gegentheil beweisen zu wollen; Ihre heutigen Blicke haben mich viel zu sehr von Ihrer Verachtung überzeugt, denn seit einem Monate . . . habe ich viele Dinge errathen gelernt und die Wahrheit ist meiner Seele klar geworden. . .!«

»Herr von Mauléon! . . . Sie wußten, wer ich war, wie ich war!. . . Ich wußte Nichts!. . . und der Handel wurde ohne mich abgeschlossen, die ich keine einzige seiner Klauseln kannte. Wenn ich sie gekannt hätte, wenn ich die Welt und unsere beiderseitige Stellung in derselben gekannt hätte, . . . ich sage es Ihnen dreist, mein Herr Herzog, . . . so hätte ich meine Einwilligung nicht gegeben und diese Heirath würde nie zu Stande gekommen sein.

»Jetzt, wo meine Unerfahrenheit es dahin hat kommen lassen, daß wir vereinigt sind . . . kann ich . . . Ihnen nicht sagen, was dieses unglückliche Bündniß für. . . traurige und quälende Gedanken in mir erweckt . . . Ich kann auch nicht alle die unangenehmen und peinlichen Eindrücke beschreiben, die ich auf Ihrem Gesichte heute gelesen habe. . . Ich verstehe das Alles sehr gut . . . kann es aber nicht mit Worten ausdrücken. Noch weniger bin ich im Stande, Ihnen zu sagen,« fügte sie bei jedem Worte zögernd hinzu . . . »warum . . . mit Ihren Empfindungen und Ansichten . . . mit meiner Kenntniß der Ursachen dieser Heirath, mit meiner Ueberzeugung von Ihrer Liebe zu einer Andern, . . . Ihre Gegenwart. . . hier . . . in diesem Augenblicke, ganz unmöglich ist.«

Yves sah sie mit immer wachsendem Erstaunen an,. . . sie sah seine Blicke nicht, weil, wahrscheinlich um dieselben zu vermeiden, ihre Augen beständig zu Boden geschlagen waren . . . Ihre Blässe und Unbeweglichkeit und ihre fast geschlossenen Augen gaben ihrer ganzen Person ein finsteres, imponierendes Ansehen.

Etwas weniger zögernd fuhr sie fort:

»Es kann . . . es darf in dieser Welt keine auf Eigennutz beruhenden Gründe geben, die einen jungen Mann von Ehre, stolz und zart, wie der Herr Herzog von Mauléon, zwingen können, gegen eine Frau zu lügen, ihr eine Liebe zu heucheln, die er nicht empfindet!. . . Nein, das darf nicht sein!. . . Wenn ein Mann dessen fähig wäre. . . würde ich ihn verachten, und die Frau, die es ertrüge, würde er verachten; das fühle ich, ohne es erklären zu können. . . denn ich, ich weiß Nichts, ich kenne Nichts, ich handle nur aus Instinkt, werde aber nie Etwas thun, dem mein Herz widerstrebt, und ich kann und will nicht die Frau eines Mannes sein, der mich verachtet, mich um meines Vermögens willen geheirathet hat, ja, mich sogar vielleicht haßt und eine Andere liebt. . .!

»Herr von Mauléon,« fügte sie mit erhöhter Stimme und sehr schnell hinzu, »ich, das Mädchen ohne Bildung, ohne Erziehung, fühle das, ohne es erklären zu können. Wie viel mehr müssen Sie es nicht fühlen, Sie, den die feinste Weltbildung gelehrt hat, Alles mit Delikatesse zu beurtheilen! . . . Hören Sie,« fuhr sie, immer lebhafter redend, und mir abgesetzter, zitternder Stimme, Folge einer zurückgehaltenen lebhaften Bewegung, fort: »Hören Sie! . . . es ist ein Handel abgeschlossen worden . . . Gabriele Rémond, Tochter eines Handwerkers, hat den Titel einer Herzogin getauft. . . der, wie man sagt, jetzt wenig gilt und mir vielleicht nur den Vortheil gewähren wird, in einige vornehme Salons aufgenommen zu werden, wo ich ohne Zweifel von Ihren Freunden mich noch verächtlicher behandelt sehen werde, als von Ihnen. Aber das Arrangement ist einmal getroffen und ich bestätige es in diesem Augenblicke! Sie werden für den Titel, den Sie mir geben, das Vermögen, dessen Sie bedürfen, besitzen, aber damit ist der Handel zu Ende, mein Herr Herzog!. . . Es ist genug, daß Gabriele Rémond durch ihre Geburt Ihnen verächtlich erscheint, ihre Schwäche soll Ihnen wenigstens keine neuen Rechte geben! . . . Wenn ein armer Bauer eine eben so arme Bäuerin heirathet, so geschieht es, weil er sie liebt; wenn er sie an sein Herz drückt, so gehört dies Herz ihr, so ist er stolz darauf, ihr seinen Namen zu geben, sie zur Gefährtin seines Lebens, zur Mutter seiner Kinder zu haben, sein ganzes Leben mit ihr zu theilen. Und wenn die Heirath nicht das ist, wenn sie nicht auf Liebe gegründet ist, die der Himmel segnet und die Menschen ehren, was ist sie dann?. . . Was ist ein Mädchen, die sich einem Manne ergiebig den sie weder liebt noch achtet? Ich begreife es nicht, ich weiß nicht, ob die Heirathen in der Welt so sind, wohl aber weiß ich, daß es unter uns, mein Herr, nicht so sein darf,. . . Gehen Sie also in Ihr Zimmer zurück und lassen Sie mich in dem meinigen allein!«

Es ist unmöglich, die Ueberraschung zu schildern, die in diesem Augenblicke die Gedanken des jungen Mannes verwirrte; so viel Geschehenes und Unvorhergesehenes bewegte seine Seele, daß er Alles vergaß, was ihn noch einige Augenblicke vorher beschäftigt hatte. Die kalte Verachtung, die üble Laune, die Ungeduld und der Verdruß, Alles bis auf die anmuthigeren Ideen, die das schöne Kind von siebzehn Jahren in ihm hervorgerufen hatte. Alles war durcheinander geworfen, Alles verschwunden, und er stand da, unbeweglich und voll widerstreitender Empfindungen, vor dem Gegenstande einer Neugierde und eines Erstaunens, wovon er sich keine Rechenschaft ablegen konnte; und wirklich, hatte er je vorhersehen können, daß das sorgloseste und launenhafteste Kind, dem das Leben in der Welt so völlig fremd war, dieses plötzlich in seinen feinsten Nuancen begreifen könne? – Denn Gabriele hatte durch den bloßen Instinkt ihrer Seele so eben sich und ihn genau würdigen gelernt; sie hatte von selbst herausgefunden, was ihre Heirath zu einem beschämenden Handel machte. Die unmerklichen Uebergänge von der Verachtung zur Unzufriedenheit und Beschämung auf dem Gesichte des jungen Herzogs hatten sie vollends aufgeklärt, und ohne zergliedern zu, können, was sie erkannte, ohne sich beantworten zu können, ob ihre Eindrücke richtig waren, hatte sie begriffen, daß sie nicht geliebt ward, daß die Liebe stolz unglücklich ist.über Das, was 'sie gewährt und empfängt, und daß die Liebe des Mannes, der über seine Frau erröthet, nur von einer Art sein kann, über die sie selbst erröthen muß, und mit edlem Stolze hatte das verachtete junge Mädchen die Lügen von Liebe, die man sie gezwungen hatte, zu glauben, und durch die sie Beide erniedrigt wurden, durch einen festen Entschluß zerstört und vernichtet.

Dieser Entschluß, der nicht vorher überlegt, sondern Folge plötzlicher Eingebung war, hatte dem jungen Herzoge eine ganz andere Vorstellung von Gabriele beigebracht, hatte ein gemeines und verachtetes Wesen zu einem geachteten, ihm Ehrfurcht einstoßenden gemacht; die zarte Weiblichkeit, die in dem Herzen des Kindes erwachte, hatte dieses für ihn verwandelt, denn das unwissende Mädchen aus dem Volke beherrschte in diesem Augenblicke den Erben eines berühmten Geschlechts und flößte demselben eine unwillkürliche Ehrfurcht ein, der er sich ohne Ueberlegung. hingab.

Was sollte er sagen, was thun? Wenn er unter dem bloßen Einflusse der vergänglichen Ideen eines Weltmannes gestanden hatte, würde er sich bloß lächerlich gefunden haben; wenn er nicht von Natur eine zarte und empfängliche Seele gehabt hätte, die alle Eindrücke eher fühlte, als zergliederte, hätte er vielleicht versucht, Gabrielen zu widersprechen; aber die junge Frau hatte, was er selbst einige Augenblicke vorher empfunden hatte, so richtig ausgedrückt, sie hatte alle Wunden seines Herzens so genau sondiert, daß seine tiefe und lebhafte Ueberraschung sich nur durch einig: unzusammenhängende Worte aussprach, denen Gabriele nur durch eine gebieterische Bewegung antwortete, indem sie nach der Thür deutete, durch die er eingetreten war, und als hätte sie das Unangenehme dieses Befehls mildern wollen, sprach sie folgende sanfte und zärtliche Worte:

»Adieu, Herr von Mauléon . . . ich klage Sie nicht an!. . . Was geschehen, ist für uns Beide traurig . . . aber. . . adieu. . . bis morgen!«

Yves stand an der Thür; er zögerte und blieb einen Augenblick stehen, als hätte er Etwas sagen wollen; aber in der ganzen Stellung des jungen Mädchens den Ausdruck ihres festen Willens und die Erwartung seiner Entfernung sehend, gehorchte er ihr.

 

Kaum hatte er das Zimmer verlassen, als Gabriele eben so rasch, als sie bis dahin unbeweglich gewesen war, die Thür von Innen zu verschließen eilte und mit heftiger Bewegung in dem einsamen Zimmer umher ging. Ihr während Yves von Mauléons Gegenwart ruhiges und selbst strenges Gesicht drückte plötzlich die lebhafteste Angst und tiefste Verzweiflung aus; heiße Thränen begleiteten ihr Schluchzen, und mit dem Ausbruche eines blutenden Herzens auf die Kniee stürzend, rief sie aus:

»O mein Gott! mein Gott! erbarme Dich meiner!. . . Wer wird mir helfen, wenn Du mich verlässest, denn wer wird mir sagen, ob ich Recht oder Unrecht habe? Ich weiß nicht, welcher Instinkt mir eingab, so zu handeln, aber ich fühle, daß ich recht gehandelt habe; und wenn das Leben mir armem, unwissendem Mädchen noch mehr solche schwierige Fragen vorlegt, werde ich immer die Stimme meiner Seele antworten lassen; was sie zurückstößt, werde ich verwerfen, was sie gutheißt, werde ich thun. Mein Herz muß mein einziger Führer sein, ich habe keinen andern; ich habe Niemanden auf der Welt, den ich fragen könnte: Was soll ich thun? – Meine Mutter?. . . O nein! . . . ihr kann ich Nichts sagen. . .!«

Und Gabriele wagte nicht, den Gedanken zu verfolgen, der sich ihr aufdrang, wagte nicht, sich zu gestehen, wie sehr diese Mutter, die sie liebte und verehrte, unfähig sei, sie zu leiten; sie sagte also blos mit tiefer Traurigkeit:

»Nein, ich darf meiner Mutter Nichts sagen. . . Elénore. . .«

Bei diesem Namen bemächtigte sich ihrer ein schmerzliches Gefühl.

»Wie würde er sie geliebt haben, wenn sie an meiner Stelle wäre. . .!« sagte sie; »aber wie mag sie leiden, mein Gott! . . . ich habe keine Freundin mehr; diese, mit der allein . . . nie werde ich sie wiedersehen, nie mit ihr reden können. . .!

»Und er?. . . Ach, wir sind getrennt!. . . getrennt auf immer!« rief sie; und lebhaft aufstehend, drückte sie ihr Herz mit ihrer zitternden Hand, wie um seine zu heftigen Schläge zu hemmen »Er, den ich so innig liebte,« sagte sie mit Schrecken, dann warf sie eilig das leichte Gewand, das sie umhüllte, von sich, trocknete und unterdrückte ihre Thränen mit Gewalt, denn lebhafte Energie war vorherrschend in allen ihren Bewegungen; um einem Gedanken, den sie verdrängen wollte, zu entgehen, legte sie sich nieder, im Schlummer eine Ruhe suchend, die ihrem Herzen fremd war.

Sei es nun, daß die durch so verschiedenartige geistige Anstrengungen des Tages veranlaßte Bewegung die Ruhe herbeirief, sei es, daß nach einem schnell gefaßten und ausgeführten wichtigen Entschlüsse ein Gefühl des Friedens das leidende Herz erquickte, oder daß der Schmerz, der Gabriele's Kindheit so plötzlich geendet, ihr noch nicht deren ganzes Glück geraubt hatte, ihr schöner Kopf ruhte noch kaum auf dem weißen Arme, ihr geschmeidiger Körper, von den edelsten Umrissen, hatte sich kaum auf dem leichten Daunenlager ausgestreckt, das sich kaum unter ihm bog, als ein sanfter Schlummer mit seinen verwirrten, aber süßen Bildern allen Kummer, den sie an diesem Tage empfand, verscheuchte. Ihre Augen, die an diesem einen Tage mehr Thränen, als in ihrem ganzen Leben, vergossen hatten, schlossen sich so sanft, als sollten sie nie wieder welche vergießen; das Incarnat, welches der Tag ihren Lippen geraubt, kehrte auf dieselben zurück, durch die zwischen dem sanften und leichten Athmen der Jugend zuweilen nur noch die Worte säuselten:

»Wenn ich ihn dennoch liebte. . .!«

Und bald lösten sich alle Schmerzen der Frau in dem friedlichen und tiefen Schlummer des Kindes auf.

Zweiter Theil

Erstes Kapitel
Hochzeits – Visiten

Am Hochzeitsabend fand die Marquise von Fontenoy-Mareuil, indem sie in ihr Zimmer trat, dasselbe ganz angefüllt mit sehr schönen, geschmackvollen Meubles und andern eleganten und prachtvollen Kleinigkeiten, bei deren Auswahl ein sehr feiner Geschmack und große Sorgfalt obgewaltet haben mußte. Zugleich war das Alter und der Geschmack der Marquise sehr zart berücksichtigt. Auf einem der eleganten Tischchen fand die Marquise ein zierliches Briefchen, welches sie zu öffnen eilte und Folgendes las:

»Gnädige Frau!

»Jetzt, wo ich Ihre Tochter werden soll, wünschte ich mit diesem Namen auch einen Platz in Ihrem Herzen zu erhalten, und bitte Sie, mir vorläufig das Recht zuzugestehen, mich aller Mittel, ihn zu erringen, bedienen zu dürfen. Besonders wünsche ich, daß Alles um Sie her Sie erinnern möge, daß Sie jetzt ein Kind mehr haben, welches Sie liebt und Sie zu pflegen wünscht. Erlauben Sie also, daß diese Kleinigkeiten zu Ihrem Gebrauch dienen und in Ihrem Zimmer bleiben.

»Doch habe ich eine noch viel größere Gunst zu erbitten, nämlich, daß Ihre Güte mir rathen und mich leiten wolle in einer Welt, deren Gewohnheiten mir noch ganz fremd sind und in der ich doch nichts thun möchte, was Ihnen mißfallen oder diejenige lächerlich machen könnte, die von Ihnen gewürdigt wurde, in Ihre Familie einzutreten und Ihren edlen Namen zu tragen.

»Meine Dankbarkeit, gnädige Frau, wird Ihnen den Werth beweisen, den ich auf Ihre Lehren lege, sowie die tiefe Verehrung Ihrer Tochter

»Gabriele.«

Die Marquise empfand Freude und Zärtlichkeit, indem sie diese einfachen, aber durch das gute Herz, welches sich in denselben aussprach, so rührenden Worte las. Sie hatte wenig häusliches Glück in ihrem Leben genossen. Ihre einzige Tochter, die Mutter Yves von Mauléon, war in den ersten Tagen der Revolution geboren. Nach dem blutigen Tode ihres Gemahls, ohne irgend eine Stütze und zur Flucht gezwungen, trennte sie sich von ihrem Kinde und vertraute es fremden, aber sichern Händen an, um es auf diese Weise vor den Gefahren der Verbannung zu bewahren; . . . einige Jahre später brachte man sie ihr nach London und sie vermählte sie, kaum 14 Jahre alt, mit dem Herzoge von Mauléon, um ihr eine Stütze zu sichern in dieser Zeit, wo die wechselnden Ereignisse sie fürchten ließen, zu sterben und ihr Kind schutzlos zurückzulassen. Als es später wieder erlaubt war, kehrte sie nach Paris zurück; der Herzog von Mauléon blieb mit seiner Frau in England und kam erst 1814 wieder nach Paris, wo die junge Herzogin, schon krank, nur eben noch Zeit hatte, ihrer Mutter ihren einzigen Sohn Yves anzuvertrauen, und in ihren Armen zu sterben. Ihr Mann überlebte sie nur wenige Monate. Yves gewährte seiner Großmutter nicht die Freuden, sondern nur die Sorgen einer Mutter. Frau von Fontenoy-Mareuil war alt und arm; die hohe Achtung für ihre Wünsche, die zarte Hinneigung und herzliche Berücksichtigung waren also ihr neue und unerwartete Freuden, die ihr zu Theil zu werden schienen, um ihre letzten traurigen Tage mit ihrem sanften Lichte zu erhellen. So, durch diesen liebevollen Brief bewegt, erwartete sie mit Ungeduld den andern Morgen, um ihr Kind zu umarmen.

Nicht aus Zärtlichkeit hatte die Marquise diese Heirath veranstaltet, nur aus Pflichtgefühl hatte sie ihre friedliche Wohnung im Hotel der Prinzessin verlassen, um mit den jungen Leuten zu leben; nur der Schicklichkeit wegen hatte sie eingewilligt, mit ihrer Erfahrung und ihrem Alter der unwissenden jungen Frau zur Stütze zu dienen. Seit vielen Jahren hatte sie nichts von dem Leben gehofft, als was es ihr geben konnte, nahm aber mit Freude und Dankbarkeit an, was es ihr noch Gutes bot. Das Glück und die Freude im Alter sind wie die Strahlen der Wintersonne: man freut sich um so mehr ihres wohlthuenden Einflusses, weil man nicht darauf gerechnet hatte.«

Frau von Fontenoy-Mareuil freute sich also darauf, Gabriele, die schon keine Fremde mehr für sie war, den andern Morgen zu sehen. Die Hoffnung, ein freundliches, jugendliches Wesen um sich zu haben, entzückte sie und sie fühlte sich hingezogen zu dem scheuen Kinde, dessen Herz errathen hatte, was mancher feingebildeten Dame nicht eingefallen sein würde. Es ist mit der Güte wie mit dem Seelenadel, Beides hat nur Werth, wenn es von selbst entsteht, denn nur dann hat es Kraft und Gewalt.

Bei ihrem Erwachen fand Gabriele eine Botschaft von der Marquise, die sie veranlaßte, zu ihr zu kommen, und sobald die junge Frau, durch einen ruhigen Schlummer gestärkt, ihre einfache, aber elegante Morgentoilette beendigt hatte, eilte sie nach dem Zimmer ihrer Schwiegermutter. Frau von Fontenoy-Mareuil, durch ein Gefühl von Wohlwollen, welches man so leicht für die annimmt, die man anfangt, zu den Seinigen zu rechnen, veranlaßt, fand die junge Herzogin von Mauléon tausend Mal schöner, als ihr Mademoiselle Rémond je erschienen war. Sie reichte ihr die Hand, sobald sie sie eintreten sah, und Gabriele fand so viel Güte in dem Lächeln, mit dem sie sie empfing, daß sie beinahe vor der alten Dame niederkniete, indem sie die ihr dargereichte Hand mit Verehrung küßte. Die Marquise drückte das schöne Kind mit mütterlicher Zärtlichkeit an sich und ließ sie sich auf Kissen niedersetzen, die zu ihren Füßen lagen, und ihre Hände in einer der ihrigen haltend, betrachtete sie zum ersten Male genau alle einzelnen Schönheiten ihres reizendes Gesichtes.

Yves von Maulion trat in diesem Augenblicke in das Zimmer. Weit entfernt von dem Gedanken, Gabriele da zu finden, blieb er an der Thür stehen und betrachtete mit eben so viel Ueberraschung als Neugierde diese Gruppe, welche diejenigen vereinigte, die mit ihm durch die stärksten und innigsten Bande verbunden und ihm doch in diesem Augenblicke fast fremd waren.

Alle Eindrücke, welche in dieser schlaflosen Nacht in der Seele des jungen Mannes einander verdrängt hatten, zu beschreiben, würde unmöglich sein; er konnte sich von denselben selbst keine Rechenschaft geben: es waren eben so schnell gefaßte als aufgegebene Pläne, Empfindungen des Zorns gegen seine junge Frau, des Unmuths gegen seine Großmutter, die diese Heirath gewünscht hatte, der Übeln Laune gegen sich selbst, die sie sich gefallen ließ. Haß und Liebe wogten in seinem Herzen, das sich gegen ihn selbst auflehnte. Seit langer Zeit hatte er bei allen seinen Handlungen nur den Eingebungen des Augenblicks gefolgt; auf welchen Grundsatz, auf welche Ansicht, auf welche Pflicht sollte er sich jetzt stützen in den Ungewißheiten, die seine Seele zerrissen? Er war noch in dieser Stimmung, als er sich entschloß, seine Großmutter aufzusuchen, um wenigstens der, seiner schon traurigen Stimmung so ungünstigen Einsamkeit zu entfliehen. Der Zorn, den er gegen Gabriele empfand, indem er sie argwöhnisch, mißvergnügt und strenge wiederzufinden glaubte, war wenigstens grundlos, obgleich diese gleichgültig ihn verachtende Frau sich über ihn beklagen zu müssen glaubte.

Indessen drückte sein ruhiges, dem Einflusse seines Willens unterworfenes Gesicht nur Heiterkeit aus und zeigte eine angenehme Ueberraschung, als er die fand, deren Gegenwart er vermeiden wollte.

Frau von Fontenoy-Mareuil reichte ihm die Hand zum Kusse, ohne sich in ihrer liebevollen Prüfung unterbrechen zu lassen, legte sie aber bald auf Gabriele's reizende Stirn, durch Stimme und Geberde ihren Enkel auffordernd, mit ihr diese anmuthigen Umrisse, dieses glänzende, seidenweiche Haar und allen Glanz der Jugend und Schönheit, der sie bezauberte, zu bewundern.

»Ja, es ist ein edles Gesicht,« sagte sie mit heiterem, liebevollem Tone, »das unserer Gabriele.«

Dieses Wort unser erregte in dem jungen Manne eine unangenehme Empfindung; Gabriele sah darin einen Ausdruck von Liebe und ihr Blick wurde noch schmeichelnder.

Die ausgezeichneten und zarten Manieren der Marquise übten einen angenehmen Einfluß auf sie aus. Sie waren ihr entzückend, anziehend und imposant zugleich. Der Respect, den die junge Frau so kindlich zeigte, hatten denselben Einfluß auf die Marquise; sie gefielen einander also gegenseitig und wunderten sich darüber.

»Madame,« sagte Gabriele mit kindlichem Tone, »ich muß Ihnen meine ganze Unwissenheit bekennen; ich bin nicht nur gänzlich unbekannt mit der Welt, sondern ich weiß auch nicht einmal, was man mit dem Worte die Welt bezeichnet . . . Was versteht man darunter?«

Die Marquise lächelte.

»Sie fangen mit einer Frage an, mein liebes Kind,« sagte sie, »die schwerer zu beantworten ist, als Sie wohl glauben und setzen fast mit dem ersten Worte meine alte Erfahrung in Verlegenheit. Als ich in Ihrem Alter war, nannte man den Hof der Königin Marie Antoinette die Welt, die, welche daran Theil nahmen und sich nachher auch unter sich vereinigten, gehörten nur dem Adel an. Aus diesem ziemlich abgeschlossenen Centrum gingen die Moden und die Sitten hervor, in ihm wurde über den Ruf entschieden, aus ihm kamen Verfolgungen und Gnadenbezeigungen, In diesem Zirkel Zutritt zu haben, oder seine Manieren nachzuahmen, war das Ziel Aller; wer nicht dazu gehörte oder nicht seine Sprache und Gewohnheiten hatte, galt nichts. Jetzt, ich muß es gestehen,« fügte die Marquise seufzend hinzu, »gibt es noch einige Zirkel im Foubourg St, Germain, die zur großen Welt zu gehören glauben, aber es ist ein Irrthum. Das Hotel der Gewalthabenden ist überfüllt mit Pairs, Deputirten, Ministern und Gesandten. Im Hotel des reichen Finanziers findet man die Notabilitäten des Reichthums; in dem Hotel des großen Herrn aus alter Zeit findet man.Emporkömmlinge, mit ihnen vereinigt zuweilen auch Andere, die aber zu keiner bestimmten Gesellschaft gehören. So ist die Welt jetzt, kann aber unmöglich so bleiben. Im Mittelpunkt von diesem Allen erheben sich einige allgemein bekannte Namen. Wenn man also 5 oder 600 Personen, die allen Gassen der Gesellschaft angehören, vereinigt hat, wenn die Thüren sich abermals öffnen, um einen neu Angekommenen eintreten zu lassen, und bei der Nennung seines Namens kein Mitglied dieser glänzenden Menge zu fragen braucht, wer es ist, wenn derselbe bei Allen eine Erinnerung an alten, historischen Adel, an eine neue politische Laufbahn, an kriegerische Ehren, an literarische Erfolge, oder an Künstlerruf erweckt; . . . nun wohl, mein Kind, ich muß es zugestehen, das ist die jetzige große Welt, die Berühmtheiten aller Arten, die Aristokratie unserer Tage.«

 

»Und das scheint mir sehr richtig,« sagte lächelnd Gabriele, ohne zu merken, daß das Herz der Marquise nicht ganz freudig in diesen Ausspruch mit einstimmte,

»So ausgedehnt und zerstückelt, kann die Gesellschaft sich nur in Fragmente zerlegen,« entgegnete die Marquise, »und wir wollen es dem kindlichen Urtheil unserer kleinen Unwissenden überlassen, selbst ihre Beobachtungen anzustellen, denn wir werden sie in die glänzendsten und ausgezeichnetsten Salons von Paris führen,« sagte sie, indem sie Gabriele's frische Wangen streichelte.

»Zu meiner Zeit hätte man, um Sie die Welt kennen zu lehren, Sie nur bei Hofe vorzustellen zu brauchen und in einem oder zwei Salons, wo einige jener Frauen die Honneurs machten, deren Stimme in der Gesellschaft entschied und von denen aufgenommen, eine junge Frau überall Zutritt fand, weil sie über Ruf, Ehre, Gunst und sogar Vertheilung von Stellen entschieden. Sie, lehrten die Männer liebenswürdig zu sein, begeisterten und beschützten die Dichter und sogar mancher große Mann wurde unter ihrem Einflüsse zu dem, was er war. Aber jetzt gibt es keine Frauen mehr!. . .« fügte die Marquise traurig hinzu, auf ihr gewöhnliches Kapitel kommend, »jetzt müssen die großen Männer sich selbst bilden, müssen allein für ihr Glück und ihre Ehre sorgen, allein, fordern, bitten, ja sogar allein sich bewundern und sich rühmen.«

Alle drei lachten, das Alter spöttelt gern ein wenig über die Gegenwart, die unglücklicherweise ihm gewöhnlich nichts schuldig bleibt.

»Ich weiß nicht, wie es zugeht,« sagte Gabriele, »aber das, was man Feste und Vergnügungen nennt, reizt durchaus weder meinen Neid noch meine Neugierde. Das Theater, welches ich kaum kenne, (zweimal nur hat meine Mutter mich hingeführt,) das Theater allein hat meinen Geist durch edle und schöne Ideen entzückt, und die Handlung, die sich so kunstvoll vor dem Zuschauer entwickelt, mir ein sehr lebhaftes Interesse eingeflößt. Ich habe gelacht, geweint, aber was mein Herz unwillkürlich höher schlagen macht, ist die Hoffnung, Einige von denen kennen zu lernen, die der Ruf großer Thaten oder Werke der allgemeinen Verehrung und Huldigung.würdig macht. Wie muß man so ehrfurchtsvoll mit denen reden, die so Wichtiges vollbracht haben; wie muß man die lieben, deren Schriften unsere einsamen Stunden entzückend ausfüllen; die, welche in unserm Herzen den Wunsch, gut zu sein, erweckten und uns helfen, unsern Geist zu erleuchten und zu schmücken!. . .

»Als ich auf dem alten Schlosse Arnouville war, in den großen, unermeßlichen und finsteren Sälen, wo ich mich gern Abends aufhielt, las ich oft, wenn ich ganz allein war, mit lauter Stimme in einigen Büchern, die ich in dem Winkel einer weitläufigen Gallerie, (der ehemaligen Bibliothek des Schlosses,) gefunden hatte; ich habe diese Bücher unzählige Mal gelesen und liebte sie, wie Freunde, die mir meine Einsamkeit kürzten.«

»Und was waren das für Bücher?. . .« konnte der junge Mann sich nicht enthalten, neugierig zu fragen.

»Diese Bücher,« entgegnete Gabriele, »waren nicht zahlreich; einige historische Werke, eine Uebersetzung des Homer, das Leben berühmter Männer, die Werke des Montesquieu und Bossuet, einige Trauerspiele von Corneille und Racine und Milton's verlorenes Paradies, das war Alles, was ich fand.

»Eines Tages sagte ich zu Madame Ramel, der Gouvernante, die Mama mir gegeben hatte, wahrscheinlich um Tapisseriearbeit bei mir zu machen, denn ich habe sie nie etwas Anderes thun sehen, oder bemerkt, daß sie an etwas Anderes gedacht hätte. Eines Tages also sagte ich zu ihr: »Diese Bücher sind alle schon sehr alt, sind denn seitdem keine geschrieben?«

»Sie sah mich lachend an und sagte, daß man im Gegentheil jetzt fast weiter nichts thäte, als Bücher schreiben.

»– Nun gut!« sagte ich, »so will ich alle Bücher haben, die seit 100 Jahren gedruckt sind.« Sie lachte noch mehr und behauptete, daß Schloß Arnouville nicht groß genug sein würde, sie alle zu fassen, und daß ein großer Theil dieser, Bücher eine theils sehr unpassende, theils schädliche Lektüre für ein junges Mädchen gewährte.

»—So kaufen Sie mir denn ein einziges, aber das Beste von Allen; nämlich das, in welchem die schönsten Gedanken besser als in jedem andern ausgedrückt sind. Darauf ließ sie mir aus Paris alle Werke Chateaubriand's kommen, das sind die einzigen neueren Bücher, die ich gelesen habe.«

Yves betrachtete sie voll Erstaunen; dieses unwissende Kind, das nur die ernsten Werke der Alten kannte; dies ausgelassene junge Mädchen, das nichts gethan hatte, als hüpfen, singen und über ernste und erhabene Ideen nachdenken; diese offene Seele, die sich unter dem Einflusse der größten Geister entwickelt hatte und sich abwechselnd mit ihrer Puppe und den erhabensten Schöpfungen der ersten Schriftsteller beschäftigte; die endlich bis zu ihrem siebzehnten Jahre nur unter Blumen und Büchern gelebt hatte.

Von diesem Augenblicke an waren alle Worte Gabriele's der Gegenstand einer beständigen und antheilvollen Aufmerksamkeit ihres Gemahls; doch unwillkürlich und ohne daß er selbst den Einfluß seiner jungen Frau auf sein ganzes Wesen ahnte. Seine Blicke verließen sie kaum und seine Gedanken gar nicht; er hatte seinen Zorn vergessen, jede sie betreffende unangenehme Erinnerung verwischt; er fühlte, daß er sie nicht wie eine Andere beurtheilen, daß ihn von ihr das nicht beleidigen durfte, was ihn von Andern beleidigt haben würde.

Sie wurde für ihn ein besonderes Wesen, welches er kennen, prüfen und studieren mußte, und weit entfernt, sich jetzt noch darüber zu erzürnen, daß er diese Natur mit keiner andern vergleichen konnte, versprach er sich von ihrer Erforschung, der er sich widmete, eben so viel Vergnügen, als er davon erwartete, diese poetische und unschuldige Phantasie, dieses so edle und reine Frauenherz vor jedem gefährlichen Angriff von außen, jedem gemeinen Gedanken und jedem unangenehmen Eindruck zu bewahren.

Er betrachtete jetzt mit einer Art Furcht, Verwirrung und Ehrfurcht das reine, unschuldige Mädchen, dem er seinen Namen gegeben hatte.

Es war die Rede davon, sie in die Welt einzuführen, schon fürchteten die Marquise und er nicht mehr, daß sie sich in derselben lächerlich machen und gemein betragen, mehr fürchteten sie dagegen, daß die Welt ihr lächerlich und gemein erscheinen würde. Die hohe Weisheit der Großmutter und des Enkels hatte die Hochzeits-Visiten folgendermaßen arrangiert. Alle Personen von der Bekanntschaft der Marquise, Alle, welche durch irgend einen Grad der Verwandtschaft, durch alte oder neuere Verhältnisse sich zu ihrer edlen Familie zählten, erhielten eine Visite des jungen Ehepaars in Begleitung der Marquise von Fontenoy-Mareuil,

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