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La San Felice Band 9

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Zehntes Capitel.
Luisa's Geheimnis

Als Luisa sich allein sah, sank sie wieder auf ihren Stuhl zurück und verhielt sich, in einen Abgrund von Betrachtungen versinkend, still und unbeweglich.

Wer konnte vor allen Dingen jener verborgene, anonyme Feind sein, welcher von Allem, was in dem Hause vorging, so gut unterrichtet war und in einer an das royalistische Comité gerichteten Denunciation die geringsten Einzelheiten in Luisas Privatleben erwähnt hatte? Nur vier Personen kannten die in der Denunciation angeführten näheren Umstände.

Es waren dies der Doctor Cirillo, Michele der Narr, die Wahrsagerin Nanno und Giovannina die Zofe.

Der Doctor Cirillo! Von einem Verdachte gegen diesen konnte nicht im Entferntesten die Rede sein.

Michele der Narr hätte für seine Milchschwester das Leben gelassen.

Es blieben daher noch die Wahrsagerin Nanno und die Zofe Giovannina übrig.

Die Wahrsagerin Nanno hätte Salvato und Luisa zu einer Zeit denunciren können, wo diese Denunciation, ihrem vollen Werthe nach, das heißt gut bezahlt worden wäre; sie hatte es aber nicht gethan.

Der Habgier konnte man die von Backer entdeckte Denunciation folglich nicht zuschreiben, sondern sie konnte nur eine Wirkung des Hasses sein.

Giovannina! Auf dieser mußte der Verdacht, wenn auch in unsicherer Weise, zuletzt haften bleiben.

Welchen Grund konnte Giovannina aber haben, ihre Herrin zu hassen? Luisa wußte keinen, dennoch aber hatte sie schon seit langer Zeit in der Laune ihrer Zofe Veränderungen bemerkt, welche, da sie sich dieselben nicht weiter erklären konnte, ihr als einfache Bizarrerien des Charakters erschienen waren.

Jetzt jedoch fielen ihr dieselben wieder ein und erweckten in ihr Zweifel, ohne ihr eine Erklärung zu geben. Sie hatte an Giovannina verstohlene Blicke, heimtückisches Lächeln, bittere Worte bemerkt und dies ganz besonders seit der Nacht, wo sie, Luisa, anstatt sich einzuschiffen, wieder nach Hause zurückgekommen war.

Diese Anzeichen von Unzufriedenheit waren seit dem Einzuge der Franzosen in Neapel und ganz besonders seitdem sie Salvato wiedergesehen, noch häufiger geworden.

In ihrer zu großen Verachtung der bescheidenen Stellung Giovannina's fiel es Luisa nicht im entferntesten ein, daß ihre Zofe Salvato lieben und eifersüchtig sein, daß dieselben Leidenschaften, welche das Herz der vornehmen Dame bewegen, sich auch in dem Herzen der Bäuerin regen könnten.

Gleichwohl erhielt der Verdacht des Hasses von Seiten Giovannina's sich in Luisa, wenn dieser auch nicht die Ursache desselben bekannt war.

Sie ergriff die Karte mit der Lilie, steckte sie in den Busen, nahm den Leuchter selbst in die Hand, verließ das Cabinet des Chevalier, schloß die Thür desselben und begab sich in ihr Schlafzimmer.

In ihrem Schlafzimmer fand sie Giovannina, welche sich zur Nachttoilette bereithielt.

Eingenommen, wie sie jetzt gegen ihre Zofe war, erhaschte sie den Blick, womit diese sie bei ihrem Eintritt in das Zimmer empfing. Auf diesen böswilligen Blick folgte sofort ein freundliches Lächeln, aber dennoch war dasselbe nicht so rasch, daß in Luisa's Herzen nicht der erste Eindruck zurückgeblieben wäre.

Nina, welche von dem, was vorgegangen, keine Ahnung und folglich auch von dem Argwohn, der in dem Herzen ihrer Gebieterin keimte, keine Idee hatte, wollte ein Gespräch anknüpfen. Dieses Gespräch wäre, welche Umwege es auch genommen hätte, wenn Luisa es hätte fortdauern lassen, zuletzt sicherlich auf den Besuch, den sie so eben erst empfangen, gekommen; Luisa aber schnitt ihr kurz das Wort ab, indem sie erklärte, sie bedürfe ihrer Dienste nicht.

Nina stutzte. Sie war nicht daran gewöhnt, in so schroffer Weise verabschiedet zu werden. Abermals heimtückisch vor sich hinlächelnd begab sie sich auf ihr Zimmer.

Der Besuch des jungen Bankiers gab ihr viel Stoff zum Nachdenken. Nachdem Luisa ihm das Haus verboten, hatte sie sich nicht blos dazu verstanden, ihn um zwei Uhr Morgens zu empfangen, sondern diesen Empfang auch noch obendrein fern von den Blicken Aller, bei verschlossenen Thüren und in dem Cabinet des Chevalier stattfinden lassen.

Allerdings hatte sie der junge Mann anfangs mit strenger Miene begrüßt, nach seinem Weggange aber war sie nicht blos gedankenvoller, sondern auch gerührter in ihr Zimmer zurückgekehrt. Man sah, daß ihre Augen, wenn auch nicht geweint, wenigstens die Feuchtigkeit der Thränen gefühlt hatten.

Wer hatte diese stolze Luisa zu sanfteren Gefühlen bewegen können?

Hatte die Liebe des schönen jungen Mannes endlich Gnade in ihrem Herzen gefunden und hatte dieses Herz neben der alten Liebe auch noch Platz für eine neue?

Dies konnte man unmöglich glauben, aber dennoch war das, was soeben geschehen, sehr außerordentlich.

Luisa hatte, wie wir bereits erwähnt, Giovannina's bösen Blick bemerkt, sie hatte jedoch über etwas noch Ernsteres nachzudenken, als der Name des unbekannten Denuncianten war.

Sie mußte überlegen, welchen Gebrauch sie von diesem Geheimniß machen sollte, ohne den Mann, der es ihr anvertraut, zu compromittieren, oder mit anderen Worten, wie sie Salvato retten sollte, ohne Backer ins Verderben zu stürzen.

Vor allen Dingen mußte die Salvato sprechen. Diesen bekam sie aber niemals anders zu sehen, als des Abends bei der Herzogin. Hier war ihre Begegnung eine ganz natürliche, denn der Salon der Herzogin war, wie Backer gesagt hatte, ein förmlicher Club.

Nun aber wäre viel Zeit verloren gegangen, wenn Luisa erst drei Tage hätte warten wollen. Sie mußte daher Salvato zu sich rufen lassen, und eine Botschaft dieser Art konnte sie Niemanden weiter als Michele anvertrauen.

Sie streckte den Arm aus, um der Zofe zu klingeln, diese aber hatte sich wahrscheinlich schon zu Bett begeben. Luisa meinte daher, es sei einfacher, wenn sie sich selber in das Zimmer der Zofe verfügte und ihr den Befehl brächte, als wenn sie Nina nöthigte, sich denselben zu holen.

Das Zimmer der Zofe war von dem der Herrin nur durch den Corridor getrennt, welcher in das Haus der Herzogin Fusco führte.

Ninas Zimmer war nur durch eine Glasthür geschlossen. Man sah, daß noch Licht im Zimmer brannte, und sei es nun, daß Luisa's Tritt zu leicht war, um von Nina gehört zu werden, sei es, daß die Beschäftigung, der sie sich gewidmet, ihre Gedanken ausschließlich in Anspruch nahm, kurz, als Luisa die Glasthür erreichte, sah sie durch den dünnen Mousselinvorhang hindurch, welcher das Glasfenster der Thür bedeckte, ihre Zofe an einem Tische sitzen und eifrig schreiben.

Da Luisa sich wenig darum kümmerte, an wen Giovannina schriebe, so öffnete sie ganz einfach und natürlich die Thür.

Ohne Zweifel aber lag Giovannina sehr viel daran, ihre Herrin nicht wissen zu lassen, daß sie schrieb, denn sie stieß einen schwachen Schrei der Ueberraschung aus und erhob sich, um sich zwischen Luisa und ihren Brief zu stellen.

Obschon sehr erstaunt, daß Nina um drei Uhr Morgens noch schrieb, anstatt sich niederzulegen und zu schlafen, richtete Luisa doch deswegen keine Frage an sie, sondern begnügte sich, zu ihr zu sagen:

»Ich möchte Michele heute Morgen so zeitlich als möglich sprechen. Setze ihn davon in Kenntniß.«

Dann machte sie die Thür wieder zu, zog sich in ihr Zimmer zurück und stellte es ihrer Zofe frei, an ihrem Briefe weiterzuschreiben.

Man kann sich leicht denken, daß Luise sehr wenig schlief. Gegen sieben Uhr Morgens hörte sie Geräusch im Hause.

Es war Giovannina, welche aufstand und das Haus verließ, um den Auftrag ihrer Herrin zu vollziehen.

Es dauerte beinahe anderthalb Stunden, ehe Giovannina wiederkam. Allerdings brachte sie auch dann Michele gleich selbst mit. Ohne Zweifel war sie selbst gegangen, damit der Auftrag ihrer Herrin auch ordentlich ausgerichtet werde.

Gleich der erste Blick, welchen der Lazzarone auf Luisa warf, verrieth ihm, daß etwas Ernstes vorgegangen sei.

Luisa war gleichzeitig bleich und fieberhaft; ihre Augen waren von jenem bläulichen Ring umgeben, welcher Schlaflosigkeit verräth.

»Was ist Dir, Schwesterchen?« fragte Michele mit dem Ausdruck der Besorgniß.

»Nichts, antwortete Luisa, indem sie zu lächeln versuchte. »Ich muß blos so schnell als möglich Salvato sprechen.«

»Das wird nicht sehr schwer sein, Schwesterchen. Ein Sprung von hier nach dem Palast Angri ist bald gethan.«

Salvato wohnte nämlich wirklich mit dem General Championnet in der Toledostraße in demselben Palast, wo sechzig Jahre später Garibaldi wohnte.

»Nun dann geh,« sagte Luisa, »und komm schnell wieder.«

Michele that, wie er gesagt, nur einen Sprung; ehe er aber noch wiederkam, brachte ein Ordonnanzoldat einen Brief von Salvato.

Dieser Brief lautete:

»Geliebte Luisa!

»Diesen Morgen um fünf Uhr habe ich von dem General Befehl erhalten, nach Salerno zu gehen und dort eine Colonne zu organisieren, welche ich nach der Basilicata schicken soll, wo, wie es scheint, einige Unruhen stattfinden. Ich glaube, diese Organisation wird mich, wenn ich dabei mit möglichster Beschleunigung zu Werke gehe, zwei Tage aufhalten und ich gedenke daher Freitag Abend wieder zurück zu sein.

»Wenn ich hoffen könnte, bei meiner Rückkehr das Fenster in dem Gäßchen offen zu finden, und wenn ich dann mit Dir ein Stündchen in dem glücklichen Zimmer zubringen könnte, so würde ich beinahe meine zweitägige Verbannung segnen, die mir eine so hohe Gunst verschaffen würde.

»Im Palast Angri habe ich Männer zurückgelassen, welche beauftragt sind, mir die an mich eingehenden Briefe zu bringen. Ich erwarte deren mehrere, hoffe aber nur auf einen.

»Ha, anbetungswürdiger Abend, den ich gestern verlebt! O langweiliger Abend, den ich heute verleben werde!

»Auf Wiedersehen, meine schöne Madonna vom Palmbaume. Ich warte und ich hoffe.

 
»Dein Salvato.«

Luisa machte eine Geberde der Verzweiflung. Wen Salvato erst den Freitag Abend zurückkam, wie sollte j dann Zeit gewinnen, ihn vor dem nächtlichen Blutbad zu retten?

Sie konnte ja dann kaum noch Zeit haben, mit ihm zu sterben.

Der Soldat wartete auf Antwort.

Was sollte sie antworten? Sie wußte es nicht. In Salerno war die Verschwörung ohne Zweifel eben so organisiert wie in Neapel. Hatte André Backer nicht gesagt, daß sie in Neapel und in der Umgegend zum Ausbruch kommen würde?

Einen Augenblick lang glaubte sie wahnsinnig wer den zu müssen.

Giovannina, welche unversöhnlich war wie der Haß, erinnerte sie wiederholt daran, daß der Bote auf Antwort warte.

Luisa ergriff eine Feder und schrieb:

»Geliebter Bruder!

»So eben habe ich deinen Brief empfangen. Unter allen anderen Umständen würde ich mich begnügt haben Dir zu antworten: »Du wirst dein Fenster offen finden und ich werde Dich in dem glücklichen Zimmer erwarten.« Jetzt muß Dich aber noch vor Ablauf von zwei Tagen sprechen. Ich werde heute Michele nach Salerno schicken. Er wird Dir einen Brief von mir bringen, den ich sofort schreiben werde, sobald ich meine Ideen ein wenig geordnet habe.

»Wenn Du dein Hotel oder den Palast der Intendanz, mit einem Worte das von Dir gewählte Quartier, wo Michele Dich suchen wird, verlässest, so sage dann, wo Du sein wirst, damit er Dich überall aufsuchen und treffen kann.

Deine Schwester

Luisa.«

Sie faltete diesen Brief zusammen, siegelte ihn zu und übergab ihn dem Soldaten.

Dieser begegnete, in dem Garten angelangt, dem rückkehrenden Michele.

Der ehemalige Lazzarone kam, um Luisa zu melden, was diese schon wußte, das heißt Salvatos Abwesenheit und den von diesem zurückgelassenen Befehl, ihm seine Briefe nach Salerno nachzuschicken.

Luisa bat Michele, dazubleiben. Ohne Zweifel, sagte sie, würde sie ihm im Laufe des Tages einige wichtige Aufträge zu erheilen haben, ja ihn vielleicht selbst nach Salerno schicken.

Dann kehrte sie aufgeregter als je in ihr Zimmer zurück und schloß sich in dasselbe ein.

Michele, welcher gewohnt war, eine Milchschwester immer so ruhig zu sehen, drehte sich nach der Zofe herum.

»Was fehlt Luisa nur heute Morgen?« fragte er. »Hat vielleicht, seitdem ich vernünftig geworden bin, der Wahnsinn sich ihrer bemächtigt?«

»Das weiß ich nicht,« antwortete Giovannina. »Sie ist aber so seit dem Besuche, welchen Signor André Backer ihr in der vergangenen Nacht gemacht hat.«

Michele sah das boshafte Lächeln, welches Giovannina's Lippen umspielte. Es war nicht das erste Mal, daß er dasselbe bemerkte, diesmal aber hatte es einen solchen Ausdruck von Haß, daß er vielleicht eine nähere Erklärung verlangt hätte, als Luisa in einen Reisemantel gehüllt wieder aus ihrem Zimmer heraustrat. Ihr festeres, wenn auch nicht ruhigeres Gesicht lieh ihren Zügen den Ausdruck eines gefaßten Entschlusses, gegen welchen jeder Widerstand vergebens gewesen wäre.

»Michele,« sagte sie, »nicht wahr, Du kannst über deinen ganzen Tag verfügen?«

»Nicht blos über meinen ganzen Tag, sondern auch über meine ganze Nacht und meine ganze Woche.«

»Nun dann komm mit.«

Sich hierauf zu Giovannina wendend, setzte sie hinzu:

»Wenn ich diesen Abend nicht wiederkomme, so beunruhigt Euch deshalb nicht. Wartet aber die ganze Nacht auf mich.«

Dann forderte sie Michele durch eine Geberde auf, ihr zu folgen, und verließ ihm voranschreitend das Haus.

»Zum ersten Male in ihrem Leben hat Signora mich nicht Du genannt,« sagte Giovannina zu Michele. »Versuch zu erfahren, was der Grund davon ist.«

»Nun,« sagte der Lazzarone, »wahrscheinlich hat sie Dich lächeln gesehen.«

Und rasch ging er die Rampe hinunter, um Luisa ein zuholen, welche ihn ungeduldig an der Thür des Gartens erwartete.

Die Transportmittel sind in Neapel sehr leicht und bequem, eben weil in dieser Beziehung kein öffentlich fest organisiertes System vorhanden ist.

Wenn man z.B. nach Salerno will und der Wind günstig ist, so setzt man in einem Boote über den Golf nimmt in Castellamare einen Wagen und ist in vierthalb oder vier Stunden in Salerno,

Ist dagegen der Wind ungünstig, so nimmt man in Neapel auf dem ersten Platze, an der ersten Straßenecke oder Durchfahrt einen Wagen, umfährt den Golf über Resina, Portici, Terro del Greco, passiert über Cava das Gebirge und langt ungefähr in derselben Zeit in Salerno an.

Kaum auf dem Quai angelangt, erkundigte Michel sich nach dem Ziel der Reise, und als er hörte, daß dieses Ziel Salerno sei, fragte er, welchem Fortkommen seine Milchschwester den Vorzug gäbe.

»Dem raschesten,« antwortete Luisa.

Michele befragte mit den Augen den Horizont. Der Horizont war rein und versprach einen herrlichen Tag. In Neapel beginnt der Frühling im Januar und mit dem Frühling beginnen die schönen Tage.

Ein leichter sanfter Wind kräuselte die Fläche des Golfes, auf welchem man nach allen Richtungen hin eine Menge Gondeln, Tartanen, Felucken und andere Fahrzeuge hin- und hergleiten sah, deren Bestimmung man an ihrer Größe, eben so wie ihre Nationalität an ihrer Form oder an ihrem Segelwerk erkannte.

Michele schlug Luisa vor, den Seeweg zu wählen, und sie war ohne Widerspruch damit einverstanden.

Michele ging an den Strand der Mergellina hinab und unterhandelte. Für zwei Piaster bekam er die Barke auf vierundzwanzig Stunden.

Hätte man rudern müssen, so hätte die Barke das Doppelte gekostet. Man konnte aber mit dem bloßen Segel fahren und diese Ersparniß an körperlicher Anstrengung ward auf zwei Piaster veranschlagt.

Luisa stieg, in ihren Reisemantel gehüllt, welcher ihr Gesicht vollständig verdeckte, in die Barke und setzte sich auf Micheles vierfach zusammengelegten Mantel.

Das kleine dreieckige Segel ward gestellt und die Barke stieß ab, graziös und weiß wie eine Möve, welche ihre Schwingen ausbreitet.

Man kam dicht an der Spitze des Castells d'Uovo vorbei, auf welchem die dreifarbige französische Fahne neben der dreifarbigen neapolitanischen Fahne flatterte, und durchschnitt in schräger Richtung den Golf, so daß das Kielwasser des Bootes die Sehne des Bogens bildete.

Die beiden Ruderer hatten Michele erkannt. Trotz seiner glänzenden Uniform, oder vielleicht eben deshalb, kam das Gespräch auf die Angelegenheiten des Augenblickes.

Michele war einer der eifrigsten Zuhörer von Michelangelo Ceccone, jenes guten patriotischen Priesters, welcher, von Cirillo abgesendet, dem durch Salvato verwundeten Sbirren die letzten Tröstungen der Religion gespendet hatte. Er hatte das Evangelium in den neapolitanischen Dialekt übersetzt und erklärte den Lazzaroni den Inhalt dieses Buches, die Quelle aller Moral, die ihnen noch vollkommen unbekannt war.

Das empfängliche Gemüth des jungen Lazzarone ward sehr bald von dem demokratischen Geist durchdrungen, dessen göttlicher Hauch dieses erhabene Buch beseelt, und Proselyt der Revolution, versäumte er nie eine Gelegenheit, seinerseits ebenfalls Proselyten zu machen.

Sobald daher die Barke richtig im Gange war und die beiden Ruderer sie, nachdem sie den Horizont betrachtet, dem Nordwestwinde überlassen, richtete Michele das Wort an sie.

»Wohlan,« fragte er sie, indem er sich die Hände rieb, »Ihr seid nun wohl zufrieden, lieben Freunde, hoffe ich?«

»Zufrieden, womit?« fragte der älteste der beiden Ruderer, welcher sein Glück nicht mit demselben Maßstabe wie Michele zu messen schien.

»Nun, ohne Zweifel könnt Ihr jetzt überall in dem Golf, vom Pausilippo an bis zum Cap Campanella, fischen, ohne daß der Tyrann Euch daran verhindert?«

»Welcher Tyrann?«, fragte wieder der älteste Ruderer.

»Wie, Du fragst, welcher Tyrann? Welcher andere als Ferdinand ?«

»Wenn man in seinem Eigenthum fischt und Anderen verbietet, ebenfalls darin zu fischen, so ist man deswegen nach kein Tyrann, antwortete der jüngere Ruderer, welcher die Ansichten des älteren vollständig zu theilen schien.

»Wie, Du behauptet, das Meer gehöre dem König?«

»Allerdings behaupte ich das.«

»Wohlan, ich für meine Person behaupte, daß das Meer Dir, mir, der ganzen Welt gehört.«

»Da hast Du eine drollige Idee.«

»Ich kann sie Dir beweisen.«

»Nun, so laß den Beweis sehen.«

»Höre mich aufmerksam an.«

»Wir hören.«

»Das Land gehört den Reichen.«

»Dies gibt Du also zu?«

»Ja, und der Beweis, daß es ihnen gehört, liegt darin, daß es durch Mauern, Gräben, Grenzsteine oder sonstige Grenzen zwischen sie getheilt ist. Nun aber mache mir einmal das Vergnügen, mir die Grenzen, die Hecken und die Mauern des Meeres zu zeigen!«

Einer der beiden Ruderer wollte eine Bemerkung machen.

»Warte,« sagte Michele; »ich bin noch nicht fertig. Das Land muß, damit es Früchte trage, bearbeitet und besäet werden. Das Meer dagegen bearbeitet sich ganz allein und befruchtet sich von selbst. Mögen wir daraus noch so viele Ernten an Schollen, Lampreten, Rochen, Hummern, Steinbutten, Wellen und Seezungen holen – je mehr wir deren holen, desto mehr sind da. Die Ernten folgen eine auf die andere, ohne daß man nöthig hätte, das Meer zu düngen. Dies ist der Grund, aus welchem ich sage: Das Land gehört den Reichen, das Meer aber den Armen und Gott. Nun aber muß man ganz gewiß ein Tyrann und zwar ein abscheulicher Tyrann sein, wenn man den Armen das nimmt, was Gott ihnen gegeben, denn das Evangelium sagt: Wer den Armen gibt, der leihet dem Herrn!«

»Hm, hm!« sagte der beredteste der beiden Ruderer, einen Augenblick verlegen.

»Nun, antworte mir einmal hierauf,« sagte Michele, der schon den Sieg errungen zu haben glaubte.

»Wohlan, ja, ich antworte.«

»Und was antwortet Du?«

»Ich antworte, daß der König in Mergellina ein Haus hat.«

»Ja, das, worin er seine Fische verkaufte.«

»Er hat ferner in Neapel einen Palast, in Portici ein Schloß, in der Favorita eine Villa und alles dies am Rande des Golfes.«

»Nun, und was beweist dies?«

»Es beweist, daß, wo nicht das Meer, doch wenigstens der Golf ihm gehört. Haben wir vielleicht Schlösser am Rande des Golfes.«

»Ja,« wiederholte der zweite Ruderer, durch die Polemik des ersteren ermuthigt, »haben wir Schlösser am Rande des Golfes? Und Du vor allen Dingen mit deinen schönen Kleidern, hast Du vielleicht deren? Antworte doch!«

»Aber, entgegnete Michele, »warum baut er dann nicht von der Spitze des Pausilippo bis zum Cap Campanella eine große Mauer mit großen Thüren, um die Barken und die Schiffe hindurchzulassen?«

»O, wenn er es sonst thun wollte, reich genug ist er dazu.«

»Ja, aber nicht mächtig genug, denn gleich bei dem ersten Sturme würde Gott, wenn er ihn auf diese Mauern losließe, dieselben über den Haufen werfen wie die von Jericho.«

»Man behauptete, es würden, sobald die Franzosen Herren von Neapel wären, sich unsere Umstände in jeder Beziehung bessern. Wie kommt es aber dann, daß das Brod und die Maccaroni gegenwärtig noch immer denselben Preis haben wie zu Zeit des Tyrannen?«

»Das ist allerdings wahr; die Municipalität hat aber ein Decret erlassen, welches vom nächstkünftigen 15. Februar an den Preis des Brodes und der Maccaroni billiger stellt, als er bis jetzt gewesen.«

»Warum erst vom 15. Februar an und nicht sogleich?«

»Weil der Tyrann sämtliche aus der Berberei angelangte mit Getreide beladene Schiffe an seine Freunde, die Engländer, hat verkaufen lassen. Man muß deshalb doch den anderen erst Zeitlassen, anzukommen. Was müssen wir mittlerweile thun? Wir müssen ihn hassen, ihn bekämpfen und eher sterben, als unter seine Herrschaft zurückkehren. Haben die Franzosen nicht Alles gethan, was sie gekonnt haben? Haben sie nicht das Privilegium des Fischfangs abgeschafft? Kann nicht jetzt Jedermann in den Revieren des Königs fischen?«

»Ja, das ist wahr.«

»Und findet Ihr nicht Fische in Hülle und Fülle?«

»Allerdings läßt sich voraussetzen, daß er die schönsten und besten für sich gewählt hatte.«

»Haben die Franzosen nicht auch die Salzsteuer abgeschafft?«

»Das ist wahr.«

»Und die Oelsteuer?«

»Das ist auch wahr.«

»Und die Abgabe auf getrocknete Fische?«

»Ist ebenfalls wahr. Aber warum haben sie auch den Titel Excellenz abgeschafft? Was hat diese arme Excellenz ihnen gethan? Sie kostete ja Niemanden etwas.«

»Das haben sie wegen der Gleichheit gethan.«

»Was ist das die Gleichheit? Was wissen wir davon?«

 

»Das ist eben das Unglück, daß Ihr sie nicht kennt. Früher gab es Prinzen und Herzöge, gegenwärtig gibt es nur noch Bürger. Du bist Bürger so gut wie der Fürst von Maliterno, wie der Herzog von Rocca Romana, wie die Minister, wie der Maire, wie die Municipalräthe.«

»Aber was nützt mir das?«

»Was Dir das nützt?«

»Ja, das frage ich eben.«

»Sieh mich einmal an.«

»Ich sehe Dich an.«

»Bin ich wohl gekleidet wie Du?«

»Nein, das ist durchaus nicht der Fall.«

»Wohlan, das ist eben die Gleichheit, Giambardella. Die Gleichheit ist die Möglichkeit, daß man, obschon als Lazzarone geboren, doch Oberst werden kann. Früher wurden die vornehmen Herren schon im Mutterleibe zu Obersten ernannt. Bist Du vielleicht mit einem Pergamente in der Tasche und goldenen Treffen auf den Aermeln zur Welt gekommen? Hast Du unsere Frauen solche Kinder gebären sehen? Nein, dies geschah nur bei den Edelleuten. Ich bin jetzt Oberst, aber wem habe ich das zu danken? Nur der Gleichheit. Unter der Herrschaft der Gleichheit kannst Du Marinelieutenant und dein Sohn kann Capitän, dein Enkel General werden. «

Giambardella machte eine Geberde, welche Zweifel zu erkennen gab.

»Ehe es so weit kommt, wird wohl einige Zeit vergehen müssen,« sagte er.

»Ja wohl,« antwortete Michele, »denn man kann nicht Alles auf einmal verlangen. Der gute Gott selbst, der doch allmächtig ist, hat die Welt in sieben Tagen geschaffen. Die gegenwärtige Regierung ist, wie man es nennt, eine provisorische; es ist noch nicht die Republik. Die Constitution, welche uns glücklich machen soll, wird erst noch festgestellt. Erst wenn dies geschehen ist, können wir je nach unserem Wohlbefinden oder unseren Leiden einen Vergleich zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit ziehen. Die Gelehrten, wie der Chevalier Felice, der Doctor Cirillo oder Signor Salvato, wissen, warum die Jahreszeiten wechseln. Wir Dummköpfe wissen blos, ob uns friert oder ob wir schwitzen. Wir haben unter dem Tyrannen noch ganz andere Leiden durchgemacht und dieselben, Gott sei Dank, überstanden. Vieles haben wir erlebt, Kriege, Pest, Hungersnoth, die Erdbeben ungerechnet. Die Gelehrten sagen, unter der Republik werden wir glücklich sein. Sie vereinigen sich und arbeiten für unser Bestes. Laffen wir ihnen Zeit, ihr Werk zu vollenden.«

Dann setzte er in salbungsvollem Tone hinzu:

»Wer rasch ernten will, säet Rettige und kann nach Verlauf eines Monats auch wirklich Rettige essen. Wer aber Brod will, der säet Getreide und wartet ein Jahr. So ist es auch mit der Republik. Sie ist das Getreide des Volkes. Warten wir geduldig, bis es wächst, und wenn es reif sein wird, dann werden wir ernten.«

»Amen!« sagte Giambardella, durch Michelles Beweisführung sehr wankend gemacht, wenn auch nicht überzeugt. »Doch gleichviel, setzte er mit einem Seufzer hinzu, »so lange der Mensch arbeiten muß, um leben zu können, so lange wird er auch nicht vollkommen glücklich sein.«

»Ja,« sagte Michele, »darin liegt etwas Wahres, aber was hilft es? Wie es scheint, kann dies nicht anders sein, und der Beweis hierfür ist der, daß jetzt der Wind sich legt und Du genöthigt sein wirst, dein Segel zu reffen und uns bis nach Castellamare zu rudern.«

In der That war der Wind seit einigen Minuten immer schwächer geworden und das Segel klappte gegen den Mast. Die Bootführer holten es nieder, griffen zu ihren Rudern und begannen seufzend dieselben zu handhaben.

Zum Glück befand man sich auf der Höhe von Torre del Greco und nach dreiviertelstündigem Rudern landete man in Castellamare.

Nachdem Michele die Bootführer bezahlt, sah er sich nach einem Wagen um, und dann fuhr man weiter nach Salerno, wo man zwei Stunden später anlangte.

Vor der Intendanz machte der Wagen Halt. Hier zog Michele Erkundigungen ein und erfuhr, daß Salvato dieses Haus vor kaum einer halben Stunde verlassen habe, daß er ihn aber im Stadthause treffen würde.

Der Kutscher erhielt demgemäß Befehl, nach dem Stadthause zu fahren.

Salvato war in seinem Zimmer und hatte gesagt, daß, wenn Jemand von Neapel käme, man denselben augenblicklich zu ihm führen sollte.

Es war augenscheinlich, daß er die Antwort auf den an Luisa geschriebenen Brief erhalten, und daß er Michele erwartete.

Als die Thür sich öffnete, erhob er sich daher rasch, um dem Boten entgegenzugehen.

Als er aber, anstatt wie er erwartete, einen Mann, eine Frau eintreten sah, stieß er einen Ruf der Ueberraschung, und dann als er Luisa erkannte, einen Ruf der Freude aus.

Seine erste Bewegung war, auf Luisa zuzueilen, sie an sein Herz und seine Lippen auf die ihrigen zu drücken.

Nun war es an Luisa, einen Ruf des Erstaunens und des Glückes auszustoßen. Noch nie hatte sie sich so vollständig den Armen ihres Geliebten hingegeben gesehen, und unter der Flamme dieses Kusses hatte sie ein so gewaltig wollüstiges Gefühl empfunden, daß dieses nur an den Schranken des Schmerzes stehen geblieben war.

Michele hatte die Schwelle der Thür nicht überschritten. Ohne gesehen worden zu sein, zog er sich auf den Fußspitzen zurück und blieb in dem Zimmer, aus welchem man in das der beiden Liebenden gelangte.

»Du! Du!« rief Salvato; »Du bist selbst gekommen?«

»Ja, ich selbst, mein geliebter Salvato, denn kein auch noch so gewandter Bote und kein noch so eiliger Brief hätten mich ersetzen können.«

»Du hast Recht, geliebte Schwester. Wer könnte, wäre er auch der Engel der Liebe selbst, deine gesegnete Nähe ersetzen? Wären wohl alle Flammen der Erde zusammengenommen im Stande, einen Sonnenstrahl zu ersetzen? Indessen welchem Umstand habe ich ein solches Glück zu verdanken? Du weißt, theure Luisa, daß ich mich von deiner Gegenwart nicht eher wirklich überzeugen kann, als bis ich die Ursache kenne, welche Dich hierher führt.«

»Du willst wissen, was mich herführt, Salvato?« entgegnete Luisa. »Höre wohl, was ich sage. Was mich hierher führt, ist nichts Anderes als die Gewißheit, daß Du mir nicht eine Bitte abschlagen wirst, die ich auf meinen Knieen an Dich richten will, eine Sache, an welcher mein Leben hängt. Du wirst mir diese Bitte bewilligen, ohne wissen zu wollen, warum ich sie an Dich stelle, und wenn ich Dir sage: thue das! so wirst Du es blindlings thun – ohne Widerspruch, ohne Verzug, augenblicklich.«

»Und Du thust wohl daran, auf meinen Gehorsam zu rechnen, Luisa, sobald Du von mir nichts verlangt, was meiner Pflicht oder meiner Ehre widerstreitet.«

»Ha! ich ahnte wohl, daß Du mir einen Einwurf von dieser Art entgegenhalten würdest. Gegen deine Pflichten, gegen deine Ehre! Hast Du nicht bis auf den heutigen Tag stets deine Pflicht, ja mehr als deine Pflicht gethan? Hast Du deine Ehre nicht so hoch gestellt, daß kein Angriff sie erreichen kann ? Es handelt sich hier aber nicht um deine Ehre, es handelt sich nicht um deine Pflicht. Es handelt sich einfach darum, zu wissen, ob Du mir in einer Sache, wo es mein Leben gilt, blindlings gehorchen willst.«

»Dein Leben! Welche Gefahr kann deinem Leben drohen?«

»Glaubst Du an mich, Salvato?«

»Ja, wie ich an den Engel der Wahrheit glauben würde.«

»Nun gut, dann thue, was ich Dir sagen werde – ohne Widerspruch und ohne Widerstreben.«

»Sprich!«

»Bitte deinen General heute noch, Dich mit einem Auftrage, welcher Dich noch vor Freitag Abends aus dem Königreiche entfernt, irgendwohin, zum Beispiel nach Rom zu senden.«

Salvato betrachtete Luisa mit dem Ausdruck des tiefsten Erstaunens.

»Ich sollte eine Mission verlangen, welche mich aus dem Königreiche entfernt, das heißt, welche mich von Dir trennt?« antwortete Salvato. »Weshalb willst Du mich fern von Dir wissen?»

»Höre mich an, mein Salvato. Dich niemals zu verlassen, Dich fortwährend vor Augen zu haben, ewig an deiner Seite weilen zu können, dies wäre der innigste Wunsch meines Herzens, das Glück meines Lebens. Es gibt aber einmal geheimnißvolle und absolute Dinge, welchen man gehorchen muß. Glaube mir, wenn ich Dir sage: wir sind von einem großen Unglück bedroht. Erspare uns dieses Unglück dadurch, daß Du Dich entfernt.«

»Ein Unglück, welches uns bedroht, sagt Du, denn wie mir scheint, meine geliebte Luise, sprichst Du nicht blos von mir, sondern auch von Dir.«

»Von mir und von Dir, Salvato, obschon die Gefahr für mich noch drohender ist als für Dich.«

»Kommt das Unglück, welches uns droht, von Sicilien?« hob Salvato wieder an. »Hat der Chevalier San Felice Argwohn geschöpft und kehrt er nach Neapel zurück?«

»Der Chevalier hegt keinen Argwohn und kommt nicht nach Neapel zurück. Wenn der Chevalier Verdacht hätte und mir denselben zu erkennen gäbe, so würde ich bei dem ersten Worte, welches er hierüber spräche, mich ihm zu Füßen werfen und sagen: »Verzeihe mir, mein Vater! Eine unwiderstehliche Liebe, ein unabwendbares Verhängniß hat mich zu diesem Manne hingezogen. Ich liebe ihn mehr als mein Leben, denn ich liebe ihn mehr als meine Pflicht. Jenes Unglück, welches Du in deiner unendlichen Weisheit am Sterbebett meines Vaters vorausgesehen, dieses Unglück ist eingetroffen. Verzeihe mir, verzeihe uns!« Und er würde uns verzeihen. Nein, die Drohung, von der ich spreche, ist weit schrecklicher und kommt nicht von dieser Seite.«

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