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Olympia von Clèves

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LI.
Ein nächtliches Abenteuer

Kaum hatte Frau von Prie zehn Schritte ihrem Wagen entgegen gemacht, der sie in einiger Entfernung erwartete und sich näherte, als sie der Kutscher herauskommen sah, Raffé, der ihr aus Furcht vor einem Unfall mit den Augen folgte, hatte noch nicht die Thür geschlossen, als plötzlich drei aus Leibeskräften laufende Männer sich in die Mitte dieser Thür warfen, wie sich drei durch Windhunde verfolgte Kaninchen in denselben Bau merken.

Raffé suchte ihnen dadurch Widerstand zu leisten, daß er die Thür von seiner Seite zudrückte; doch drei gegen die seinige vereinigte Kräfte trugen den Sieg davon. Raffé war also nahe daran, bezwungen zu werden, als er zu parlamentiren verlangte.

Da antwortete der Größte von den drei Männern, die Zeit dränge, die Unterhandlung würde lange dauern, und er fordere ihn daher auf, gutwillig ihn und seine Gefährten einzulassen, sonst würden sie mit Gewalt eindringen.

»Aber, meine Herren! meine Herren!« rief der Lackei.

»Ei! schreie, so viel Du willst! die Patrouille verfolgt uns, und wir haben nicht Lust, auf die Wache zu gehen.«

»Ein Grund mehr, meine Herren; wenn die Patrouille Sie verfolgt, so sind Sie Missetäter. Meine Herren, ich rufe! meine Herren, ich schreie!«

»Ah! dreifacher Dummkopf!« sagte derselbe Mann, der schon gesprochen hatte, »für wen des Teufels hältst Du uns denn?«

»Ei! Ei! meine Herren, die Diebe kleiden sich zuweilen sehr gut.«

Die Patrouille machte ihren Weg; man hörte sie rasch herbeikommen.

»Auf,« rief der Kleinste und wahrscheinlich der Jüngste von den drei Flüchtigen, »auf, lassen Sie uns Gewalt brauchen, meine Herren.«

Und diese Stimme verlieh den zwei Andern einen solchen Mut, daß sie unmittelbar über den Leib des Lackeien von Richelieu gingen.

Der Größte von den drei Männern schloß indessen behend und fest die Thür wieder, wahrend sich Raffé, ganz betäubt aus seine Beine erhob und mit seinem schnellsten Schritt nach dem Erdgeschoß lief, wobei er zu sich selbst sagte:

»Ist das möglich, mein Gott! ist das möglich!«

Raffé trat in das Zimmer des Herzogs gerade in dem Augenblick ein, wo dieser sich wieder zu Bette gelegt hatte und einzuschlafen versuchte.

Raffé trat ein, haben wir gesagt; wir irren uns, Raffé stürzte hinein.

»Nun, was gibt es noch, Raffé?« fragte der Herzog.

»Oh! gnädigster Herr.«

»Was geht vor?«

»Ein Abenteuer, wie sie nur Ihnen begegnen, Herr Herzog.«

»Sollte mich die Königin besuchen?«

»Etwas Besseres, gnädigster Herr, etwas Besseres als dies, wenigstens, wie ich glaube. Kleiden Sie sich rasch an, kleiden Sie sich an.«

»Bah! ist es notwendig?«

»Hurtig! Herr Herzog, hurtig!«

Der Herzog sprang aus seinem Bette, wie er es bei einem Überfall im Felde gethan hätte.

»In große Gala, gnädigster Herr,« sagte Raffé, »in große Gala.«

»Erkläre Dich doch, Schlingel!»

»Herr Herzog, sie sind zu drei.«

»Gut, und Du glaubst sie zu kennen?«

»Masken, Herr Herzog, Masken.«

»Ho! ho! die Bälle der Oper haben allerdings angefangen; doch wo sind die Drei?«

»Im Hofe, Herr Herzog, im Hofe.«

»Sie haben also die Thür forciert?«

»Ja, gnädigster Herr.«

»Und Du Hast sie machen lassen?«

»Ich habe ihnen Widerstand geleistet, doch sie sind mir über den Bauch gegangen.«

»Ei! einen Musketon also?«

»Oh! Herr Herzog, hüten Sie sich wohl.«

»Wie! drei Männer forcieren meine Thür und misshandeln einen Diener von mir, um zwei Uhr Morgens, und . . .«

»Herr Herzog, unter diesen drei Männern ist eine gewisse Stimme.«

»Eine Frauenstimme?« fragte lebhaft Richelieu.

»Gnädigster Herr, ich will Ihnen nicht mehr sagen, denn ich befürchte, für einen Dummkopf in den Augen des Herrn Herzogs zu gelten, wenn ich mich irre.«

»Dann lass mich in Ruhe.«

»Nein, Herr Herzog, nein; bemühen Sie sich an den Ort, wo sie sind, und Sie werden sehen . . .«

»Was?«

»Was Sie sehen werden.«

Der Herzog schlüpfte abermals in seine Hose und in seinen Schlafrock, nahm seinen Degen in seine linke Hand und folgte Raffé nach.

Die drei Männer waren hinter die kleine Thür gekauert und horchten lachend aus die Aufforderungen, die ihnen von der andern Seite der Straße die Scharwache zurief.

»Ah!« sagte der Sergent, »gut! gut! gut! Es ist im Hotel des Herrn Herzogs von Richelieu!«

»Nun wohl! ja, es ist im Hotel des Herrn Herzogs von Richelieu. Was dann?« fragte einer von den drei Flüchtigen.

»Es ist gut! es ist gut!« erwiderte der Sergent; »kaum angekommen, fängt der Herr Herzog seine mutwilligen Streiche wieder an.«

»Ei!« sagte Richelieu, der herbei kam, »es scheint, man arbeitet hier unter meinem Namen.«

Das Trio brach in ein Gelächter aus.

»Oh!« versetzte der Sergent, »die ehrlichen Frauen aus den Straßen beleidigen und den Leuten des Königs ins Gesicht lachen. Ein Herzog, ein Gesandter! Ich notiere das!«

»Teufel! Teufel!« sagte der Herzog; »das ist nicht meine Rechnung! Wie, meine Herren, es handelt sich um Beleidigungen, welche ehrlichen Frauen aus der Straße angethan worden sind?«

»Sie haben viel geschrien, um ehrlich zu sein versetzte eine von den Masken.

»Sie nehmen es sehr leicht, meine Maske,« sagte der Herzog, indem er sich demjenigen von den drei Unbekannten, welcher gesprochen hatte, näherte; »man sieht wohl, daß Sie nicht Richelieu heißen, wie ich, und daß Sie nicht das Bedürfnis fühlen, sich einen Ruf hoher Sittlichkeit zu gründen.«

»Der Herzog! es ist der Herzog!« flüsterten die zwei anderen Männer.

»Meine Herren,« fuhr Richelieu fort, »ich will Sie wohl für Edelleute halten; das sind so meine Manieren, und ich verstehe mich darauf. Gleichwohl wünsche Ich, – und Sie werden das begreifen, – Gleichwohl wünsche ich zu wissen, in welchem Grade Sie es genug sind, daß ich brüderlich den Misskredit, den Sie mir gemacht, aus mich nehme. Ich bitte also, legen Sie die Masken ab.«

Bei diesen Worten entstand unter den drei Männern eine sehr deutliche Bewegung des Zögerns.

»Meine Herren,« sagte der Herzog, »Ich hoffe, Sie werden mich nicht nötigen, selbst meine Thür den Leuten von der Scharwache zu öffnen?«

Da trennte sich der Größte von den Dreien von der Gruppe, ging gerade auf den Herzog zu und sagte, indem er seine Maske aushob;

»Erkennst Du mich?«

»Pecquigny!« rief Richelieu.

»Er selbst.«

»Was Teufels! treibst Du Empörung gegen die Scharwache, Du, Kapitän der Chevaulegers Seiner Majestät?«

»Höre. Wir sind nach dem Schauspiel aus dem Balle der Oper gewesen; nach dem Balle haben wir zu Nacht gespeist; nachdem wir gespeist hatten, fühlten wir uns ein wenig erhitzt und liefen in den Straßen umher.«

»Ja, das ist es, und Ihr habt ehrliche Frauen insultirt?«

»Ei nein! eine Erbärmlichkeit, mein Lieber.«

»Mein lieber Pecquigny, erlaube mir nur, eine Frage an Dich zu machen.«

»Welche?«

»Du hast Deine Maske abgenommen.«

»Ei! Du flehst es wohl.«

»Warte doch! . . Du hast Deine Maske abgenommen, und ich kenne in Frankreich keinen besseren Edelmann als Dich. Worum, da Du sie abgenommen hast, behalten Deine Gefährten ihre Maske?«

»Sie haben Gründe.«

»Mir scheint, diese Gründe könnte man mir wohl sagen.«

»Bestehe nicht hierauf, Herzog.«

»Sind es Frauen? Nein, das ist unmöglich, sie sind zu groß.«

»Herzog . . .«

»Sind es vielleicht Prinzen von Geblüt?«

»Ich schwöre Dir . . .«

»Mein Lieber, wenn es weder Frauen, noch Prinzen von Geblüt sind, so kenne ich keinen Grund, der sie abhält, die Maske abzunehmen, wie Du es gethan hast.«

Pecquigny zögerte noch. Wüthend, daß man ihnen auf ihre Aufforderungen nur mit Gelächter antwortete, fingen die Schützen indessen an die kleine Thür des Hotels mit den Kolben ihrer Musketen zu erschüttern.

Ungeduldig, zupfte der Herzog Pecquigny an seinem Manchette und sagte zu ihm:

»Höre«, Pecquigny, ich bin von Wien sehr vernünftig, sehr gemäßigt, sehr philosophisch, aber zugleich zornwüthig wie ein Truthahn, wenn ich schlecht schlafe, zurückgekommen. Du weckst mich nun auf, Du mystifizierst mich, Du lässest mir Skandal durch die Scharwache machen; wohl denn, ich, Richelieu, erkläre Dir, daß ich, wenn Du mir nicht die zwei anderen unverschämten Masken nennst, welche hartnäckig bei mir bedeckt bleiben, Euch alle Drei mit Raffé angreife, der bei gegebenem Anlass mein Prevot ist. Auf, Raffé, nimm einen Degen! und zugestoßen! zugestoßen!«

»Ah! ah!»rief Pecquigny, welcher den wunderlichen Charakter von Richelieu kannte und schon die Degen glänzen sah, »ah! gemäßigter Philosoph, vernünftiger Gesandter, wie, Du errätst nicht, wer der Kleinste von uns Dreien ist?«

»Ei! wie Teufels soll ich das erraten? Ich bin kein Ödipus.«

»Der Kleinste von uns Dreien. . .«

»Nun?«

»Das ist der Größte.«

»Der König!« konnte Richelieu auszurufen sich nicht erwehren, .

»Stille!«

»Wie, dieser vernünftige und unschuldige Monarch läuft in den Straßen umher und insultirt die Frauen?«

»St!«

»Wie ist denn das zugegangen? Wahrhaftig, mein Lieber, je mehr Du mir davon sagst, desto unbescheidener machst Du mich,«

»Bei Gott! das ist ganz einfach: während wir Abenteuer suchten, begegneten wir einer Frau und ihrer Dienerin.»

»Warte, mein Lieber, ich will zuerst diese Schlingel von Schützen wegschicken; sie werden am Ende das ganze Quartier aufwecken.«

Pecquigny begriff die Notwendigkeit dieser Maßregel und trat in den Schatten.

Der Herzog öffnete die Thür im Schlafrock und seine Laterne in der Hand haltend.

«Was gibt es, meine Herren?« sagte er mit gebieterischem Tone, »und was macht man zu dieser Stunde an meiner Thür?«

 

»Oh! verzeihen Sie, Herr Herzog,« erwiderte der Sergent, von der Höhe seines Zornes herabfallend, der vor einer verschlossenen Thür anwuchs und vor einer offenen Thür verschwand.

»Nun! was willst Du vom Herrn Herzog, daß Du ihn so aufweckst, wie Du es tust?«

»Monseigneur! . . es sind . . .«

»Was?'' fragte majestätisch der Herzog.

»Drei von Ihren Leuten haben Lärm auf der Straße gemacht, und wir suchten sie.«

»Woher wisst Ihr. daß es meine Leute sind?'

»Wir haben gesehen, wie sie sich zu Ihnen geflüchtet.«

»Das ist kein Grund.«

»Gleichviel, Herr Herzog, mögen sie Ihre Leute sein oder nicht sein, diejenigen, welche Skandal machten, sind nichtsdestoweniger bei Ihnen, und Ihr Hotel, um ein Asyl zu sein, gilt nicht für eine Kirche.«

»Seht doch! Witz, Herr Bursche! Wir haben so viel ausgestreut, daß. bei meinem Ehrenwort, Jedermann davon aufhebt. Und was für einen Skandal machten diese Herren? lasst hören.«

»Nicht wahr, Monseigneur kennt alle schöne Frauen von Paris?«

»Ja, so ungefähr.«

»Prinzessinnen von Geblüt, Damen vom Adel, Bürgerinnen?«

»Nun! Sergent?«

»Monseigneur muss also die schöne Paulmier kennen?«

»Die Wirtin zum Sprechenden Löwen? Ich kenne das.«

»Das ist eine ehrliche Frau.«

»Hm!« machte der Herzog; »weiter!«

»Nun! sie ging mit ihrer Dienerin durch die Rue Saint-Honoré. Da kamen Ihre Leute.«

»Sergent, ich habe Ihnen schon gesagt, daß diese Herren nicht meine Leute waren.«

»Diese Herren,« fuhr der Sergent fort, »diese Herren traten ganz kavaliersmäßig auf sie zu, und der Kleinste von den Dreien fing an sie zu umarmen, aber zu umarmen, daß es demütigend war.«

»Seht doch!« rief Richelieu.

«Der Größte streichelte indessen der Dienerin das Kinn. Die zwei ehrlichen Personen schrien auch zum Herzzerreißen.«

»Aber was machten sie denn zu einer solchen Stunde aus der Straße?«

»Ei! Herr Herzog, sie suchten die Wache.«

»Wie! sie suchten die Wache! sie errieten also, man würde sie insultiren?«

»Ei! nein, Herr Herzog, es geschah, um Leute von Stande zu trennen, die sich im Gasthaus von Mademoiselle Paulmier schlugen.«

»Warum haben sie das dem Kleinen nicht gesagt? Das hätte ihn vielleicht besänftigt.«

»Ah! ja wohl, der Kleine! ein wütender Teufel, Herr Herzog! »»Die Wache!«« rief er. »»Ah! Sie suchen die Wache! Gut, warten Sie!«« Und er nahm Mademoiselle Paulmier um den Leib und zog sie trotz ihres heldenmütigen Widerstands bis zum Posten der Schweizer des Louvre fort. Hier, Herr Herzog, fing das wahre Bergehen an, denn Sie begreifen, eine Demoiselle umarmen, und wäre sie auch sehr hübsch, hübscher noch als Mademoiselle Paulmier, was übrigens schwer sein dürfte, ist kein Vergehen; doch der kleine Ruchlose ahmte eine erhabene Stimme nach und fing an zu rufen . . .«

»Wen zu rufen?«

»»Forestier,«« rief er, »»Forestier!««

»Wer ist das, Forestier?« fragte Richelieu.

»Herr Herzog, das ist der Kommandant der Schweizer von diesem Posten, der wahre Kommandant.«

»Gut.«

»Nein, im Gegenteil schlecht, denn Herr Forestier glaubt die Stimme des Königs zu erkennen; er zieht seinen Degen in der Mitte des Posten und schreit:

»»Es ist der König, der ruft, bei Gott! es ist der König!««

»Und alle Schweizer springen nach ihren Degen und ihren Karabinern. Man läuft, man wirst sich nieder, man sucht aus der Straße.«

»Und man findet?«

»Mademoiselle Paulmier und nichts Anderes; der kleine Ruchlose, der kleine Fälscher hatte mit seinen Genossen die Flucht ergriffen.«

»Und die Schweizer?« fragte Richelieu, unwillkürlich ein Gelächter ausschlagend.

»Ah! Herr Herzog, die Schweizer waren im höchsten Grade wütend; da aber Mademoiselle Paulmier ihre Geschichte erzählte, da das vernünftige Wesen unseres viel geliebten Königs bekannt ist, da auch der Posten leer geblieben war und Herr Forestier einen Überfall befürchtete, so gab er Befehl zum Rückzug.«

»Das war klug.«

»Da kehrten die Schweizer nach dem Posten zurück, doch zum Glück hatten sie uns gerade in dem Augenblick getroffen, wo wir Mademoiselle Paulmier, welche ganz in Tränen zerfloss, trösteten. Sie gab uns Auskunft über den Weg, den die Delinquenten genommen hatten, und wir eilten, sie zu verfolgen. Nach fünf Minuten erblickten wir diese Leute, welche ganz ruhig durch die Straße gingen, als ob sie nicht das Quartier in Aufruhr gebracht hätten. Wir griffen sie an, und sie entkamen uns nur dadurch, daß sie in Ihr Hotel eintraten.«

»Nun! das ist eine schöne Geschichte,« sagte der Herzog freundlich zu dem Sergenten, »schlimm für Jedermann, Dich, mein Freund, und Deine würdigen Soldaten ausgenommen, denn wenn ich auch nicht will, daß meine Leute verhaftet werden, wie sie es verdienen würden, so will ich doch, daß sie die Kosten ihrer Unbesonnenheit bezahlen. Auf, aus, meine Herren, man besteuere sich,« rief der Herzog, indem er sich nach der Seite der Schuldigen umwandte.

Und er streckte die Hand aus.

Drei ziemlich gut gespickte Börsen fielen in diese Hand.

»Meine Kinder,« sagte der Herzog zu den Schützen, »nehmt dies und seid verschwiegen, selbst nachdem Ihr Alles, was diese Börsen enthalten, zu Ehren meiner glücklichen Rückkehr vertrunken habt.«

Der Sergent betastete das Gold mit Befriedigung und theilte es redlich mit seinen Leuten, das heißt, er gab ihnen eine Börse für Alle und behielt zwei für sich allein; dann verschwand er, gefolgt von seiner Mannschaft.

»Nun, meine edle Herren,« sprach der Herzog mit vollkommener Liebenswürdigkeit, »entschuldigen Sie, daß ich Sie nicht empfangen habe, wie ich es wünschte: unter der Maske ist jeder Mensch frei und gestattet die Freiheit den Andern.«

Und nach diesen Worten machte der Herzog eine Verbeugung, welche ungezwungen genug, daß sie Pecquigny gelten konnte, und dennoch ausdrucksvoll genug, daß sie noch höher adressiert sein konnte.

Die drei Männer erwiderten seinen Gruß, und nachdem Pecquigny die Straße wohl erforscht hatte, gingen sie auch weg.

Der Kleinste, als er hinausging, machte Richelieu ein Zeichen, in welchem sich die auf das zarteste ausgedrückte Dankbarkeit offenbarte.

Dann blieb der Herzog allein in seinem Hofe mit Raffé. Beide schauten sich an.

»Nun! Herr Herzog,« fragte Raffé, »was denken Sie hiervon?«

»Bei Gott! Du hattest Recht,« erwiderte der Herzog nachdenkend.

»Habe ich eine gute Nase, Herr Herzog?«

»Oh! Raffé, ich habe nie daran gezweifelt.«

»Herr, Herzog, Sie können sich nun wieder zu Bette legen.«

»Du glaubst, Raffé?«

»Ich bin fest davon überzeugt. Es gibt bei den Abenteuern wie bei den Spielgeheimnissen eine Progression, deren Ziel der Culminationspunkt bezeichnet. Nachdem, was vorgefallen ist, erwarten Sie nichts mehr, oder erwarten Sie vielmehr Alles.«

»Raffé, Du bist ein reizender Geist. Kannst Du lesen und schreiben?«

»Wie, Herr Herzog?«

»Ich frage Sie,« Herr Raffé, ob Sie lesen und schreiben können?«

»Ich kritzle und schmier.«

»Raffé, von diesem Augenblick an bist Du mein Secretaire, und werde ich je in der Akademie aufgenommen . . .«

Richelieu machte eine Pause.

»Nun! So wirst Du meine Rede verfassen.«

»Oh! Herr Herzog!«

»Du wirst sie verfassen. Oder der Teufel soll mich hohlen!«

»Legt sich der gnädige Herr wieder zu Bette?« Fragte der Secretaire gewordene Lackei.

»Nein, unmöglich, ich habe zu viel zu denken; nein lass mich allein, Raffé.«

»Sie haben Feuer, Herr Herzog; ich verlasse Sie.«

Richelieu blieb allein.

»Das ist der Charakter, welchen zu moralisiren Frau von Prie mich beauftragt! Wie! ich sollte mir so viel Mühe geben, um diesem reizenden jungen Manne beschwerlich zu sein, statt ihm Vergnügen mit so geringen Kosten zu machen!«

Er träumte noch einige Augenblicke und sagte dann:

»Andere mögen sich an den Flammen der Tugend verbrennen. Ich bin offenbar nicht für den Dienst des Löschhorns geboren; ich habe einen guten Hauch, der Funke glänzt, der Stoff ist brennbar; blasen wir, alle Teufel! blasen wir; überdies würde ich nicht auslöschen.«

LII.
Das Spiel der Königin

Trotz aller seiner Betrachtungen, verfehlte Herr von Richelieu nicht, am Abend desselben Tages zum Spiele der Königin zu gehen: er hatte ein Versuchen geleistet, dem er nicht untreu werden konnte, ohne sich mit der Marquise zu entzweien.

Man erwartete ihn. Die ganze zurückgehaltene Ungeduld des Hofes kam zum Ausbruch, als er eintrat. Die Königin allein schien ihn nicht zu bemerken.

Diese vortreffliche Prinzessin hatte aus Richelieu ihr Schreckbild gemacht. Die Heldentaten des Herzogs waren ihr zu Ohren gekommen, als sie noch ein demütiges junges Mädchen, und all dieser Reiz des Lasters, den man in Versailles so glänzend fand, hatte der tugendhaften Prinzessin ein ungeschickter, Verbrechen bedeckender Firniß geschienen.

Sie hatte auch einen tödtlichen Haß diesem Verderber gelobt. Der Herzog seinerseits konnte sie nicht lieben. Aus dem Zusammenstoß dieser zwei Feindseligkeiten musste nichts Vorteilhaftes für die Politik von Frau von Prie hervorgehen, welche im Gegenteil aus der Vereinigung von Herrn von Richelieu und der Königin beruhte.

Die Königin wurde, so zu sagen, gezwungen, Herrn von Richelieu anzuschauen, den sie nicht sehen wollte. Der Herzog grüßte sie mit jener vollkommenen Höflichkeit, welche alle Nuancen enthielt. Mit seinem wunderbaren Takt hatte Richelieu schon von der Schwelle des Zimmers aus die Feindseligkeit der Fürstin an der beinahe unmerklichen Bewegung erkannt, welche die Schultern von Maria Lesczinska gemacht, als sie ihn hatte melden hören.

»Guten Tag, mein Herr,« sagte kalt die Königin, und sie setzte sich wieder zu ihrem Cavagnole-Spiel.

Der Herzog war nicht der Mann, der um die Gunst bettelte: er wusste zu wohl, daß sie den Hochmütigen zufällt: er war nicht der Mann, der sich übermäßig vor einer Frau erniedrigte, und wäre diese Frau Königin gewesen: er wusste zu wohl, daß die Frauen mehr die Stolzen, als die Demütigen lieben.

Aber es war für seinen Ruf als Hofmann und als Mann von Geist von Belang, es nicht bei einem so kalten, so schlechten Empfang beruhen zu lassen.

Was hätte man in der Diplomatie gesagt? Ein schon bei der ersten Verbeugung verächtlich abgewiesener Diplomat wäre sogleich aus der Liste gestrichen worden.

Der Herzog brachte sein Gedächtnis voll von einer Menge von deutschen Prinzessinnen, polnischen Portraits, – für Maria Lesczinska theure Erinnerungen, – zurück; er war überzeugt, beim ersten Worte dieser guten Familienplaudereien würde die hoffärtige Prinzessin sogleich das Ohr drehen. Herr von Richelieu spekulierte auf Alles, selbst auf die guten Eigenschaften.

»Madame,« sprach er, »ich kann mich nicht von Eurer Majestät entfernen, so sehr sie von ihrem Spiele in Anspruch genommen zu sein scheint, ohne ihr Alles zu melden, was mir Zärtliches für die Frau und Ehrerbietiges für die Königin die Prinzessinnen von Braunschweig, Wolfenbüttel und Nassau gesagt haben.«

Die Königin wandte sich rasch um.

»Ah!« sagte sie mit einem Lächeln, »man denkt dort noch an mich?«

Das war die Gelegenheit für Richelieu, eines von den reizenden Worten anzubringen, wie er sie oft fand; er beschränkte sich darauf, daß er sich verbeugte und, nachdem der Pfeil abgeschossen war, an seinen Platz zurückkehrte.

Die Königin sah ihn sich entfernen und wurde nachdenkend: sie hätte dieser Unterredung einen Fortgang gewünscht. Lange kämpfte sie gegen diesen Wunsch. Minder stark als ihr Herz, unterlag sie endlich.

Es war nicht nur eine gute Prinzessin, sondern auch eine vortreffliche Frau, diese arme Königin.

»Herr Herzog,« sagte sie, »haben Sie in Wien nicht die Gräfin von Königsmark, meine zärtliche Freundin, gesehen?«

»Doch wohl, Madame,« erwiderte der Herzog, Indem er mit einem ehrfurchtsvollen Eifer zur Königin zurückkehrte, »die Frau Gräfin spricht immer nur mit Tränen in den Augen von Eurer Majestät: Oh! das ist rührend.«

»Gut!« rief die Königin, »Rührend! Herzensgedanken für Männer; ich glaubte, das sei nur lächerlich.«

»Madame,« erwiderte Richelieu mit ernstem Tone, »wollen Sie glauben, daß Alles das, was ein aufrichtiges Herz zeigt, die Männer von Herz sehr tief ergreift, und wenn es sich um die Bewunderung handelt, die seine Fürstin einflößt, setzt jeder gute Franzose, jeder Edelmann seine Ehre darein, nie gleichgültig zu sein.«

Diese Antwort brachte eine große Wirkung aus die Königin hervor, welche verstohlen einen Blick aus den Herzog warf und schwieg.

Richelieu hatte seine Sache gewonnen.

 

Sicherlich konnte der Herzog, wenn ihm viel daran gelegen gewesen wäre, in diesem Augenblick die Unterhandlungen im Sinne der Pläne des Herrn Herzogs von Richelieu anknüpfen.

Die Tugend war inthronisirt.

Doch der König trat ein. Der König war glänzend von Jugend und Schönheit. Nichts, die ganze Welt stimmte darin überein, kam in Frankreich der anmutsvollen Majestät des jungen Königs gleich.

Als der Herzog Ludwig XV. so schön sah, wollte er die Wirkung beurteilen, die er aus die Königin hervor brächte.

Der König schien in der Tat sehr besorgt über die Haltung seiner Frau,

Maria Lesczinska stand auf, machte die üblichen Verneigungen und setzte sich wieder, nachdem sie der Etiquette gegeben hatte, was die Etiquette forderte, nicht mehr.

Der König errötete im Gegenteil, da er die Königin, wenn nicht schön, doch wenigstens interessant mit ihrer leidenden, schmachtenden Miene sah.

Als er aber statt des Feuers, das in seinen Augen glänzte, bei der Königin nichts Sympathetisches gewahr wurde, wie er es gewünscht hätte, zog eine Wolke, beinahe den Zornanfällen ähnlich, über seine Stirne; er seufze und schaute die schönen, errötenden Frauen an, die sich um ihn verneigten.

»Maria Lesczinska hat nicht einmal die Eifersucht,« dachte Richelieu.

Die Königin fuhr in der Tat fort, ganz friedlich ihre Marken zu ordnen.

Mit einer keuchenden Brust atmete Ludwig XV. gierig die Wohlgerüche und die Anbetungen der Frauen ein.

Er erblickte den Herzog, der sich ehrfurchtsvoll beiseite hielt, bereit, zu grüßen, wenn der König an ihm vorbei käme.

Als er sich Richelieu näherte, richtete der König an ihn ein kleines Lächeln voll Feinheit und guter Laune.

Dann wurde das Gespräch, das so beschränkt und so kalt von Seiten der Königin gewesen war, sehr lebhaft und sehr freundlich von Seiten des Königs.

Über seine Reisen befragt, antwortete Richelieu immer auf eine Art, um die Einbildungskraft und den Geschmack des Königs zu entflammen. Aber am Ende, als er bemerkt hatte, mit welcher stummen Undurchdringlichkeit es der Herzog vermied, eine Anspielung aus die Abenteuer der Nacht zu machen, legte der König, der sehr schüchtern war und wie die schüchternen Leute alle diejenigen liebte, welche ihn nicht in Verlegenheit setzten, legte der König, sagen wir, eine Hand aus den Arm von Richelieu und sagte zu ihm:

»Herzog, Sie haben die Königin gesehen, Sie haben mich gesehen; Sie müssen nun den Herrn Kardinal aussuchen.«

»Das war meine Absicht und mein Wunsch, Sire, und ich erwartete hierzu nur die Erlaubnis Eurer Majestät.«

»Gut! Sie werden dem Herrn Kardinal ungemein gefallen, ich bin fest davon überzeugt.«

»Meine Achtung wird mir das Vermögen geben.«

»Der Herr Kardinal ist ein sehr unterrichteter Mann und ein guter Ratgeber. Sie haben viel Erfahrung, Herr Herzog.«

Dieses Wort: Erfahrung, bei dem jungen König, bedeutete Alles, was das Jünglingsalter an Wünschen und an Anbetung für die Wissenschaft des Guten und des Bösen hat, mit der das reifere Alter vertraut ist, und die Herrn von Richelieu besonders eigentümlich war, da er so frühzeitig in den Baum, welcher sie trägt, gebissen hatte.

»Genug, Sire,« antwortete der Herzog, »um im Stande zu sein, meine Dienste für Seine Majestät wirksamer zu machen.«

»Herzog, ich werde es nicht vergessen; suchen Sie also den Kardinal auf und sagen Sie ihm, daß . . .«

Er schaute umher. Richelieu horchte. Der König fuhr fort:

»Sagen Sie ihm, daß ich mich langweile,« sprach er mit einem düsteren Blick und mit einem Falten der Stirne, das den Olymp von Versailles zittern gemacht hätte, wäre dieses Falten von der Stirne von Ludwig XIV. ausgegangen.

»Eure Majestät langweilt sich!« rief Richelieu, der den Erstaunten spielte.

»Ja, Herzog.«

»Mit Ihrem Alter, mit Ihrer Schönheit, mit dem Königreiche Frankreich?«

»Gerade deshalb langweile ich mich, Herzog: mein Alter verhindert mich, zu regieren, wie ich gern möchte. Das Königreich Frankreich verhindert mich, mich zu belustigen, wie ich könnte.«

»Sire, die Langweile ist eine tödtliche Krankheit; ich werde es nicht dulden, daß Eure Majestät des Arztes entbehrt.«

»Gut, der Herr Kardinal würde lachen, wenn er Sie hörte; er hat mir immer wiederholt, ein Mensch könne sich auf Erden nicht langweilen.«

»Sire,« erwiderte der Herzog, »das ist so, weil Ihnen der Herr Kardinal offenbar nicht alle Mittel mitgeteilt, die er hat, um sich zu belustigen.«

Es war das erste Mal, daß ein Höfling es wagte, einen Scherz vor dem König über diesen angebeteten Erzieher von Ludwig XV. zu machen. Herr von Richelieu fühlte wohl, daß er sich gefährdete; doch er wollte ein großes Spiel spielen, um mehr zu gewinnen.

Der König ärgerte sich nicht; im Gegenteil, nachdem er einen Augenblick geschwiegen, sagte er mit sanftem Tone:

»Herzog, Herr von Fleury hat Recht gehabt, mich nicht sogleich alle Belustigungen der Welt zu lehren; bleibt mir Zeit, zu leben, so werde ich wenigstens Versuche zu machen haben.«

»Ich stehe dafür,« sagte Richelieu.

»Sie werden mir helfen, Herzog?«

»Ich bin zu den Befehlen Eurer Majestät.«

»Besuchen Sie also den Herrn Kardinal.«

»Schon morgen.«

«Und sagen Sie ihm . . .«

»Ja, Sire, Euere Majestät langweile sich.«

»Und ich wolle Krieg führen, um mich zu unterhalten,« fügte der König mit einer Heuchelei bei, die den Herzog mit tiefer Bewunderung erfüllte, nach den Freiheiten dieses Gespräches, in welchem er das Herz des Königs und seine mehr verliebten, als kriegerischen Neigungen zu erschauen geglaubt hatte.

»Sire,« sagte er, indem er sich in die Rolle einschloss, die man, ihm vorgezeichnet hatte, »ich werde meinen Ruhm darein setzen, Eurer Majestät in dem, was sie wünscht, zu dienen. Auf meiner Zusammenkunst mit dem Herrn Kardinal geht, wie ich hoffe, die Lösung hervor, welche Eure Majestät zufriedener machen wird.«

Der König drehte sich aus den Fersen um. Richelieu vollendete seine tiefe Verbeugung.

»Ah!« sagte er, »wenn sich Frau von Prie nicht mit mir versteht, so werde ich nicht mit ihr sein, das ist entschieden.«

Sein Wagen erwartete ihn, er wechselte einige Zeichen mit Pecquigny, der ihm zu der kleinen Thür nachfolgte.

»Nun! Pecquigny?« sagte er.

»Nun! Herzog, Du wirst vom König angebetet.«

»Gut. Sage mir: Wer war die dritte Maske heute Nacht?«

»Bachelier, der erste Kammerdiener des Königs.«

»Ich danke,« sprach Richelieu.

Und er kehrte allein nach Hause zurück.

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