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Tausend und Ein Gespenst

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– Und Sie. was gedenken Sie zu thun?

– Mit meinem Vater abzureisen, wenn das möglich ist; wenn es unmöglich ist, ihn allein abreisen zulassen und ihm später zu folgen.

– Und heute Abend, als Sie verhaftet worden sind, kehrten Sie von Ihrem Vater zurück?

– Ich kehrte von ihm zurück.

– Hören Sie mich an, liebe Solange!

– Ich höre Sie an.

– Sie haben gesehen, was sich heute Abend zugetragen hat?

– Ja, und das hat mir einen Maßstab Ihres Ansehens gegeben.

– O! Mein Ansehen ist unglücklicher Weise nicht groß. Ich habe indessen einige Freunde.

– Ich habe heute Abend die Bekanntschaft des einen von ihnen gemacht.

– Und wie Sie wissen, gehört dieser mit zu den minder mächtigen Männern der Zeit.

– Sie gedenken keinen Einfluß anzuwenden, um die Flucht meines Vaters zu unterstützen?

– Nein, ich behalte ihn für Sie vor.

– Und für meinen Vater?

– Für ihren Vater habe ich ein anderes Mittel.

– Sie haben ein anderes Mittel! ruf Solange aus, indem sie sich meiner Hände bemächtigte und mich voll Bangigkeit anblickte.

– Werden Sie mich in gutem Andenken behalten, wenn ich Ihren Vater rette?

– O! Ich werde Ihnen mein ganzes Leben lang dankbar sein.

Und sie sprach diese Worte mit einem liebenswürdigen Ausdrucke im Voraus gehegter Dankbarkeit aus.

Indem sie mich hierauf anblickte, fragte sie mit einem bittenden Tone:

– Aber wird Ihnen das genug sein?

– Ja, antwortete ich.

– Nun denn! Ich hatte mich nicht geirrt, Sie sind ein edles Herz. Ich danke Ihnen im Namen meines Vaters und dem meinigen, und wenn es Ihnen in der Zukunft nicht gelingen sollte, so bin ich Ihnen nichts desto weniger für die Vergangenheit verpflichtet.

– Wann werden wir uns wiedersehen, Solange?

– Sobald Sie mich wieder zu sehen nöthig haben.

– Ich hoffe, daß ich Ihnen morgen irgend etwas Gutes mitzutheilen habe.

– Wohlan! sehen wir uns morgen wieder.

– Wo das?

– Hier, wenn Sie wollen.

– Hier, auf der Straße?

– Ei! mein Gott! Sie sehen, daß das noch das Sicherste ist; seit einer halben Stunde, welche wir vor dieser Thür sprechen, ist keine einzige Person vorübergekommen.

– Warum sollte ich nicht zu Ihnen hinaufkommen, oder warum sollten Sie nicht zu mir kommen?

– Weil, wenn Sie zu mir kommen, Sie diese wackeren Leute compromittiren, welche mir eine Zuflucht gewährt haben; weil, wenn ich zu Ihnen komme, ich Sie compromittire.

– Wohlan! es sei, ich werde die Karte einer meiner Verwandten nehmen, und sie Ihnen geben.

– Ja, damit man Ihre Verwandte guillotinirt, wenn ich zufällig vethaftet würde.

– Sie haben Recht, ich werde Ihnen eine Karte auf den Namen Solange bringen.

– Vortrefflich! Sie werden sehen, daß Solange am Ende mein einziger und wahrer Name werden wird.

– Ihre Stunde?

– Dieselbe, zu welcher wir uns heute getroffen,hoben.

– Um zehn Uhr, wenn Sie wollen.

– Es sei, um zehn Uhr.

– Und wie werden wir uns begegnen?

– O! das ist nicht sehr schwierig. Sie werden um fünf Minuten vor zehn Uhr an der Thür sein; um zehn Uhr werde ich herabkommen.

– Also morgen um zehn Uhr, liebe Solange.

– Morgen um zehn Uhr, lieber Albert.

Ich wollte ihr die Hand küssen, sie bot mir die Stirn.

Am folgenden Abend war ich um halb zehn Uhr in der Straße.

Ein Viertel vor zehn Uhr machte Solange die Thür auf.

Jeder von uns war der Stunde zuvorkommen.

Ich that nur einen Sprung bis zu ihr.

– Ich sehe, daß Sie gute Nachrichten haben, sagte sie lächelnd.

– Vortreffliche; zuvörderst ist hier Ihre Karte.

– Zuvörderst mein Vater, und sie wies meine Hand zurück.

– Ihr Vater ist gerettet, wenn er es will.

– Wenn er es will, sagen Sie? was muß er thun?

– Er muß Vertrauen zu mir haben.

– Das ist eine abgemachte Sache.

– Sie haben ihn gesehen?

– Ja.

– Sie haben sich der Gefahr ausgesetzt?

– Das ist nicht zu ändern, es muß sein; aber Gott ist da!

– Und Sie haben Ihrem Vater Alles gesagt,?

– Ich habe ihm gesagt, daß Sie mir gestern das Leben gerettet hätten, und daß Sie ihm vielleicht morgen das Leben retten würden.

– Morgen, – ja, gerade morgen rette ich ihm das Leben, wenn er will.

– Wie das? sagen Sie, lassen Sie hören, sprechen Sie. Welche wundervolle Begegnung ich gemacht hätte, wenn Alles das gelänge!

– Nur, sagte ich zögernd zu ihr.

– Nun denn?

– Sie werden nicht mit ihm abreisen können.

– Was das anbetrifft, habe ich Ihnen nicht gesagt, daß mein Entschluß gefaßt wäre?

– Außerdem bin ich sicher, späterhin einen Paß für Sie zu erhalten.

– Sprechen wir zuvörderst von meinem Vater, wir werden nachher von mir sprechen.

– Wohlan! ich habe Ihnen gesagt, daß ich Freunde hätte, nicht wahr?

– Ja.

– Ich habe heute einen derselben besucht.

– Weiter?

– Einen Mann, dessen Namen Sie kennen, und dessen Name eine Bürgschaft des Muthes, der Rechtschaffenheit und der Ehre ist.

– Und dieser Name ist. . .

– Marceau.

– Der General Marceau?

– Ganz recht.

– Sie haben Recht, wenn dieser versprochen hat, so wird er Wort halten.

– Nun denn! er hat versprochen.

– Mein Gott! wie glücklich Sie mich machen! lassen Sie hören, was hat er versprochen? sagen Sie.

– Er hat versprochen uns zu dienen.

– Wie das?

– Ah! auf eine sehr einfache Weise. Kleber hat ihn zum kommandirenden General des Westens ernennen lassen. Er geht morgen Abend ab.

– Morgen Abend; aber wir werden nicht Zeit haben, irgend etwas vorzubereiten.

– Wir haben nichts vorzubereiten.

– Ich verstehe Sie nicht.

– Er nimmt Ihren Vater mit.

– Meinen Vater?

– Ja, als Secretär. In der Vendée angelangt, gibt Ihr Vater Morceau sein Wort, nicht gegen Frankreich zu dienen, und eines Nachts erreicht er das Vendéeische Lager; von der Vendée geht er nach der Bretagne, und von da nach England. Wenn er in London angekommen ist, läßt er Ihnen Nachrichten zukommen; ich verschaffe Ihnen einen Paß, und Sie gehen zu ihm nach London.

– Morgen! rief Solange aus. Mein Vater würde morgen abreisen!

– Aber es ist keine Zeit zu verlieren.

– Mein Vater ist nicht benachrichtigt.

– Benachrichtigen Sie ihn.

– Heute Abend?

– Heute Abend.

– Aber wie, zu dieser Stunde?

– Sie haben eine Karte und meinen Arm.

– Sie haben Recht, – meine Karte.

Ich gab sie ihr; sie steckte sie in ihren Busen.

– Jetzt, Ihren Arm.

Ich gab ihr meinen Arm, und wir brachen auf.

Wir gingen bis noch dem Platze Taranne hinab, das heißt bis nach dem Orte, wo ich ihr am Abende zuvor begegnet war.

– Erwarten Sie mich hier, sagte sie zu mir.

Ich verneigte mich und wartete.

Sie verschwand an der Ecke des ehemaligen Hotels Matignon; – dann erschien sie nach Verlauf einer Viertelstunde wieder.

– Kommen Sie, sagte sie, mein Vater will Sie sehen und Ihnen danken.

Sie nahm meinen Arm wieder, und führte mich in die Straße Saint Guillaume dem Hotel Mortemart gegenüber.

Dort angelangt, nahm sie einen Schlüssel aus ihrer Tasche, schloß eine kleine Thür auf, nahm mich bei der Hand, führte mich bis auf den zweiten Stock und klopfte auf eine eigenthümliche Weise an.

Ein Mann von acht und vierzig bis fünfzig Jahren machte die Thür auf. Er war als Arbeiter gekleidet, und schien das Gewerbe eines Buchbinders zu betreiben.

Aber bei den ersten Worten, welche er mir sagte, bei den ersten Danksagungen, die er an mich richtete, hatte sich der vornehme Herr verrathen.

– Mein Herr, sagte er zu mir, die Vorsehung sendet Sie uns, und ich empfange Sie wie einen Abgesandten der Vorsehung. Ist es wahr, daß Sie mich retten können, und besonders, daß Sie mich retten wollen?

Ich erzählte ihm Alles, ich sagte ihm, wie Marceau es übernehme, ihn als Secretär mitzunehmen, und nichts Anderes von ihm verlangte, als das Versprechen, nicht die Waffen gegen Frankreich zu tragen.

– Dieses Versprechen gebe ich Ihnen von ganzem Herzen, und ich werde es ihm erneuern.

– Ich danke Ihnen dafür in seinem Namen und in dem meinigen.

– Aber wann geht Marceau ab?

– Morgen.

– Muß ich mich heute Nacht zu ihm begeben?

– Wann Sie wollen, er wird Sie immer erwarten. Der Vater und die Tochter sahen einander an.

– Ich glaube, daß es weit vorsichtiger sein würde, sich heute Abend zu ihm zu begeben, mein Vater, sagte Solange.

– Es sei. Aber wenn man mich anhält, ich habe keine Bürgerkarte.

– Hier ist die meinige.

– Aber Sie?

– O! ich bin bekannt.

– Wo wohnt Marceau?

– Strafe der Universität, Nr. 40, bei seiner Schwester, Mademoiselle Desgraviers Marceau.

– Werden Sie mich dorthin begleiten?

– Ich werde Ihnen folgen, um Mademoiselle zurück führen zu können, sobald Sie eingetreten sind.

– Und wie wird Marceau wissen, daß ich der Mann bin, von dem Sie mit ihm gesprochen haben?

– Sie werden ihm diese dreifarbige Kokarde geben, sie ist das Erkennungszeichen.

– Was werde ich für meinen Retter thun?

– Sie werden mich mit der Rettung Ihrer Tochter beauftragen, wie sie mich mit der ihrigen beauftragt hat.

– Gehen wir.

Er setzte seinen Hut auf und löschte die Lichter aus.

Wir gingen bei dem Scheine des Mondes hinab, der durch die Fenster der Treppe fiel.

An der Thür nahm er den Arm seiner Tochter, wandte sich rechts und erreichte durch die Straße des Saint Pères die Straße der Universität.

Ich folgte ihnen immer in der Entfernung von zehn Schlitten.

Man gelangte an die Nr. 40, ohne irgend Jemand begegnet zu sein.

Ich näherte mich ihnen.

 

– Das ist von guter Vorbedeutung, sagte ich; wollen Sie jetzt, daß ich warte, oder daß ich mit Ihnen hinaufgehe?

– Nein, compromittiren Sie Sich nicht weiter; erwarten Sie meine Tochter hier.

Ich verneigte mich.

– Haben Sie nochmals Dank und leben Sie wohl, sagte er zu mir, indem er mir die Hand reichte. Die Sprache hat keine Worte, um die Gefühle auszudrücken, die ich Ihnen gewidmet habe. Ich hoffe, daß mich Gott eines Tages in den Stand setzen wird, Ihnen meine ganze Dankbarkeit auszudrücken.

Ich antwortete ihm durch einen einfachen Händedruck.

Er trat ein. Solange folgt ihm, aber auch sie drückte mir die Hand, bevor sie eintrat.

Nach Verlauf von zehn Minuten öffnete sich die Thür wieder.

– Nun denn? sagte ich zu ihr.

– Nun denn? erwiderte sie, Ihr Freund ist ganz würdig, Ihr Freund zu sein; – das heißt, daß er jedes Zartgefühl besitzt. – Er sieht ein, daß ich glücklich sein würde bei meinem Vater bis zu dem Augenblicke seiner Abreise zu bleiben. Seine Schwester läßt mir ein Bett in ihrem Zimmer zurecht machen. Morgen Nachmittag um drei Uhr wird mein Vater außer aller Gefahr sein. Wenn Sie glauben, daß der Dank einer Tochter, welche Ihnen ihren Vater verdanken wird, der Mühe werth ist sich zu bemühen, so kommen sie morgen Abend um zehn Uhr, ihn in der Straße Fèrou zu holen.

– O! gewiß, ich werde hingehen. Hat Ihnen Ihr Vater nichts für mich gesagt?

– Er dankt Ihnen für Ihre Karte, die ich Ihnen hier zurückbringe, und bittet Sie, mich so bald als es Ihnen möglich sein würde, ihm nachzusenden.

– Das wird geschehen, wann Sie es wünschen, Solange, antwortete ich mit beklommenem Herzen.

– Ich muß zum Mindesten wissen, wo ich meinen Vater finde, sagte sie, dann fügte sie lächelnd hinzu: – O! Sie sind meiner noch nicht entledigt.

Ich ergriff ihre Hand und drückte sie an mein Herz. Aber, indem sie mir wie am Abende zuvor die Stirn bot, sagte sie:

– Auf morgen.

Und indem ich meine Lippen auf ihre Stirn drückte, drückte ich nicht mehr allein ihre Hand an mein Herz, sondern ihr bebender Busen, ihr klopfendes Herz berührte das meine.

Ich kehrte von Herzen so vergnügt nach Haus zurück, wie ich es niemals gewesen war. War es das Bewußtsein der guten That, welche ich vollbracht hatte, oder liebte ich bereits das liebenswürdige Wesen?

Ich weiß nicht ob ich schlief, oder ob ich wachte; ich weiß nur, daß alle Harmonien der Natur in mir sangen; ich weiß nur, daß die Nacht mir endlos, der Tag mir unermeßlich schien; ich weiß nur, daß, indem ich immerhin die Zeit drängte, ich sie hätte zurückhalten mögen, um nicht eine Minute der Tage zu verlieren, die ich noch zu leben hatte.

Am folgenden Tage war ich um neun Uhr in der Straße Fèrou.

Um halb zehn Uhr erschien Solange.

Sie kam auf mich zu, und schlang mir die Arme um den Hals.

– Gerettet, sagte sie, mein Vater ist gerettet, und Sie sind es, dem ich seine Rettung verdanke! O! wie ich Sie liebe!

Vierzehn Tage nachher empfing Solange einen Brief, welcher ihr meldete, daß ihr Vater in England war.

Am folgenden Tage brachte ich ihr einen Paß.

Indem sie ihn empfing, brach Solange in Thränen aus.

– Sie lieben mich also nicht? sagte sie.

– Ich liebe Sie mehr als mein Leben, antwortete ich; aber ich habe Ihrem Vater mein Wort verpfändet, und ich muß vor Allem mein Wort halten.

– Dann, sagte sie, bin ich es, die ich das meinige brechen wird. Wenn Du den Muth hast mich abreisen zu lassen, Albert, so habe ich nicht den Muth, Dich zu verlassen.

Ach! sie blieb.

VII.
Albert

Wie bei der ersten Unterbrechung der Erzählung des Herrn Ledru entstand ein Augenblick des Schweigens.

Ein noch mehr als das erste Mal geehrtes Schweigen, denn man fühlte, daß man sich dem Ende der Geschichte nähere, und Herr Ledru hatte gesagt, daß er vielleicht nicht die Kraft haben würde diese Geschichte zu endigen.

Aber fast sogleich begann er wieder.

Drei Monate waren seit diesem ersten Abende verflossen, an welchem die Rede von der Abreise Solanges gewesen war, und seit diesem Abende war kein Wort von Trennung ausgesprochen worden.

Solange hatte eine Wohnung in der Straße Taranne gewünscht. Ich hatte sie unter dem Namen Solange gemiethet; ich kannte keinen andern von ihr, wie sie keinen andern als Albert von mir kannte. Ich hatte sie in eine Erziehungsanstalt junger Mädchen als Unterlehrerin eintreten lassen, und das, um sie weit sicherer den Nachforschungen der Revolutionspolizei zu entziehen, die weit thätiger als jemals geworden war.

Die Sonntage und die Donnerstage brachten wir mit einander in dieser kleinen Wohnung der Straße Taranne zu; von dem Fenster des Schlafzimmers aus sahen wir den Platz, auf welchem wir einander zum ersten Male begegnet waren.

Jeden Tag empfingen wir einen Brief, sie unter dem Namen Solange, ich unter dem Namen Albert.

Diese drei Monate waren die glücklichsten meines Lebens gewesen.

Ich hatte indessen nicht auf diesen Plan verzichtet, den ich in Folge meiner Unterhaltung mit dem Knechte des Scharfrichters gefaßt hatte.

Ich hatte die Erlaubniß verlangt und erhalten, Versuche über die Fortdauer des Lebens nach der Hinrichtung anzustellen, und diese Versuche hatten mir bewiesen, daß der Schmerz die Hinrichtung überlebte und schrecklich sein müßte.

– Ah! dem widerspreche ich! rief der Doctor aus.

– Sagen Sie an, begann Herr Ledru wieder, werden Sie leugnen, daß das Beil an dem Orte unseres Körpers trifft, welcher wegen der Nerven, die dort vereinigt sind, am Empfindlichsten ist? Werden Sie leugnen, daß der Hals alle Nerven der oberen Glieder enthält; den Nervus sympathicus, den Vagus, den Phremius, endlich das Rückenmark, aus denen alle Nerven entspringen, welche den untern Gliedern angehören? Werden Sie leugnen, daß die Brechung, daß die Zerschmetterung der knochigen Wirbelsäule einen der gräßlichsten Schmerzen hervorbringen muß, welche ein menschliches Geschöpf zu empfinden vermag?

– Es sei, sagte der Doctor; aber dieser Schmerz dauert nur einige Sekunden.

– O! dem widerspreche ich nun meinerseits, lief Herr Ledru mit inniger Ueberzeugung aus, und dann, wenn er auch nur einige Sekunden dauern sollte, so bleiben wahrend dieser wenigen Sekunden das Gefühl, die Persönlichkeit, das Ich lebendig; der Kopf hört, sieht, fühlt und beurtheilt die Trennung von seinem Dasein, und wer vermag zu sagen, ob die kurze Dauer des Leidens den gräßlichen Schmerz dieses Leidens ausgleichen kann.1

– Nach Ihrer Meinung war also die constituirende Versammlung, welche die Guillotine an die Stelle des Galgens hat treten lassen, in einem menschenfreundlichen Irrthume, und es wäre besser, gehangen als enthauptet zu werden?

– Ohne allen Zweifel, viele sind gehangen oder gehangen gewesen, die wieder in das Leben zurückgekehrt sind. – Nun! diese haben die Empfindung schildern können, welche sie empfunden haben. – Es ist die eines Schlagflusses, – das heißt eines tiefen Schlafes ohne irgend einen besonderen Schmerz, ohne irgend das Gefühl irgend einer Angst, eine Art von Flamme, die vor den Augen sprüht, und die allmählig sich in eine blaue Farbe, dann in Dunkelheit verwandelt, wenn man in Ohnmacht fällt. Und in der That, Doctor, Sie wissen das besser als irgend Jemand. Der Mensch, dessen Gehirn man mit dem Finger an einer Stelle drückt, wo ein Stück des Schädels fehlt, dieser Mensch empfindet keinen Schmerz, nur schläft er ein. Nun denn! dasselbe Phänomen ereignet sich, wenn das Gehirn durch eine Aufhäufung des Blutes zusammengedrückt ist. – Nun aber häuft sich bei den Gehangenen das Blut auf, zuvörderst, weil es durch die Adern des Rückgrates in das Gehirn dringt, welche, da sie durch die knochigen Kanäle des Halses gehen, nicht zusammengedrückt werden können, und dann, weil es, indem es wieder durch die Adern des Halses zurückzuströmen sucht, durch die Bande aufgehalten wird, welche den Hals und die Adern zuschnüren.

– Es sei, sagte der Doctor, aber lassen Sie uns auf die Versuche zurückkommen. Es drängt mich, zu diesem merkwürdigen Kopfe zu kommen, der gesprochen hat.

Ich glaubte einen Seufzer aus der Brust des Herrn Ledru entschlüpfen zu hören. – Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, denn es war gänzlich stacht. —

– Ja, sagte er, ich komme in der Thal von meinem Gegenstand ab, Doctor kommen wir auf meine Versuche zurück.

Unglücklicher Weise fehlten die Gegenstände dazu nicht.

Wir waren in der Zeit, wo die meisten Hinrichtungen stattfanden, man guillotinirte dreißig bis vierzig Personen täglich, und es floß eine so große Masse von Blut auf dem Revolutionsplatze, daß man genöthigt gewesen war, einen drei Fuß tiefen Graben um das Schaffot herum anzubringen.

Dieser Graben war mit Brettern zugedeckt.

Eines dieser Bretter drehte sich unter dem Fuße eines Kindes von acht bis zehn Jahren, das in diesen abscheulichen Graben fiel und darin ertrank.

Es versteht sich von selbst, daß ich mich wohl hütete, Solange zu sagen, womit ich mich am Tage, wo ich sie nicht sah, beschäftigte; übrigens muß ich gestehen, daß ich Anfangs einen so heftigen Widerwillen gegen diese armen menschlichen Ueberreste empfand, daß mich der nachträgliche Schmerz, welchen meine Versuche vielleicht der Hinrichtung hinzufügten erschreckte. – Aber am Ende hatte ich mir gesagt, daß die Studien, denen ich mich hingab, der ganzen menschlichen Gesellschaft zum Nutzen gereichen könnten, weil, wenn es mir jemals gelänge, meine Überzeugungen einer Versammlung von Gesetzgebern theilen zu lassen, es mir vielleicht gelingen würde, die Todesstrafe abschaffen zu lassen.

In dem Maße, als meine Versuche Resultate lieferten, schrieb ich sie in einer Denkschrift nieder,

Nach Verlauf von zwei Monaten hatte ich über die Fortdauer des Lebens nach der Hinrichtung alle die Versuche angestellt, welche man machen kann. Ich beschloß, diese Versuche mit Hilfe des Galvanismus und der Electricität noch weiter zu treiben, wenn es möglich wäre.

Man überließ mir den Friedhof von Clamart, und stellte alle Köpfe und alle Leichen der Hingerichteten zu meiner Verfügung.

Man hatte eine kleine Kapelle, welche in der Ecke des Friedhofes erbaut war, für mich in ein Laboratorium umgewandelt. Wie Sie wissen, verjagte man Gott aus seinen Kirchen, nachdem man die Könige aus ihren Palästen verjagt hatte.

Ich hatte dort eine Electrisirmaschine und drei bis vier jener Instrumente, welche man Auslader (electrische Flaschen) nennt.

Gegen fünf Uhr langte der schreckliche Leichenwagen an. Die Leichen befanden sich bunt durcheinander auf dem Karren, die Köpfe bunt durcheinander in einem Sacke.

Ich nahm auf den Zufall hin ein bis zwei Köpfe und ein bis zwei Leichen; die übrigen warf man in die gemeinsame Gruft.

Am folgenden Tage wurden die Köpfe und die Leichen, an denen ich am Tage zuvor Versuche angestellt hatte, den neuesten Transporten hinzugefügt. Mein Bruder half mir fast immer bei diesen Versuchen.

Unter diesen Berührungen mit dem Tode, wuchs meine Liebe für Solange mit jedem Tage. Das arme Kind liebte mich ihrer Seits mit aller Kraft ihres Herzens.

Sehr oft hatte ich daran gedacht, sie zu meiner Gattin zu machen, sehr oft hatten wir das Glück einer solchen Verbindung ermessen; aber, um meine Gattin zu werden, mußte Solange ihren wahren Namen nennen, und ihr Name, der Name eines Ausgewanderten, eines Aristokraten, eines Geächteten, hatte den Tod im Gefolge.

Ihr Vater hatte ihr verschiedene Male geschrieben, um ihre Abreise zu beschleunigen, aber sie hatte ihm unsere Liebe gestanden. Sie hatte ihn um seine Einwilligung zu unserer Verheirathung gebeten, welche er bewilligt hatte; es ging daher von dieser Seite Alles gut.

Unter alle den schrecklichen Processen hatte uns indessen ein Proceß, der noch weit schrecklicher war, als die andern, beide tief betrübt.

Es war der Proceß der Königin Maria Antoinette.

Am 4. October begonnen, wurde dieser Proceß mit Tätigkeit betrieben; am 14. October war sie vor dem Revolutionstribunale erschienen; am 16. war sie um vier Uhr Morgens verurtheilt worden, und um eilf Uhr des selben Tages hatte sie das Schaffot bestiegen.

 

Am Morgen hatte ich einen Brief von Solange erhalten, welche mir schrieb, daß sie einen solchen Tag nicht vorübergehen lassen wollte, ohne mich zu sehen.

Gegen zwei Uhr kam ich nach unserer kleinen Wohnung der Straße Talanne, und fand Solange ganz in Thränen. Ich war selbst über diese Hinrichtung tief erschüttert. Die Königin war in meiner Jugend so gütig gegen mich gewesen, daß ich eine tiefe Erinnerung an diese Güte bewahrt hatte.

O! Ich werde mich dieses Tages immer erinnern; es war ein Mittwoch, es herrschte in Paris mehr als Traurigkeit, es herrschte Schrecken.

Ich selbst empfand eine seltsame Entmuthigung, Etwas wie die Ahnung eines großen Unglückes. Ich hatte versuchen wollen. Solange wieder Kräfte zu verleihen, welche in meine Arme zurückgeworfen weinte, und die tröstenden Worte hatten mir gefehlt, weil kein Trost in meinem Herzen war.

Wir brachten die Nacht wie gewöhnlich mit einander zu; unsere Nacht war noch weit trauriger als unser Tag. Ich erinnere mich, daß ein in einem Zimmer über den unsrigen eingeschlossener Hund bis gegen zwei Uhr Morgens heulte.

Am folgenden Morgen erkundigten wir uns; sein Herr war ausgegangen, indem er den Schlüssel mitnahm, auf der Straße war er verhaftet und vor das Revolutionstribunal geführt, um drei Uhr verurtheilt, und um vier Uhr schon hingerichtet worden.

Wir mußten uns trennen, die Unterrichtsstunden Solanges begannen um neun Uhr Morgens. Ihr Pensionat befand sich in der Nähe des Jardin des Plantes. Ich zögerte lange sie gehen zu lassen. – Sie selbst konnte sich nicht entschließen mich zu verlassen. – Aber zwei Tage außerhalb zu bleiben, hieß sich Nachforschungen aussetzen, welche in der Lage Solanges immer gefährlich waren.

Ich ließ einen Wagen kommen, und begleitete sie bis an die Ecke der Straße des Fossés-Saint-Bernard; – dort stieg ich aus, und sie setzte ihren Weg fort. Während des ganzen Weges hatten wir uns umarmt gehalten, ohne ein Wort auszusprechen, indem wir die Bitterkeit unserer Thränen, welche bis auf unsere Lippen flossen, mit dem Schmerze unserer Küsse vereinigten.

Ich stieg aus dem Fiaker; aber statt mich nach meiner Wohnung zu entfernen, blieb ich auf denselben Platz gefesselt, um länger den Wagen zu sehen, der sie fortführte. – Nach Verlauf von zwanzig Schritten hielt der Wagen, Solange streckte ihren Kopf aus dem Schlage, wie als ob sie errathen hätte, daß ich noch da wäre. – Ich eilte zu ihr. Ich stieg wieder in den Fiaker und verschloß die Fenster. Ich drückte sie noch ein Mal m meine Arme, aber es schlug neun Uhr am Thurme Saint-Etienne-du-Mont. – Ich trocknete ihre Thränen ab, – ich verschloß ihre Lippen mit einem Kusse, und indem ich aus dem Wagen sprang, entfernte ich mich im Laufe.

Es schien mir, daß Solange mich zurückriefe, aber diese Thränen, all dieses Zögern, konnte bemerkt werden. Ich hatte den unglückseligen Muth, mich nicht umzuwenden.

Ich kehrte verzweifelt nach Haus zurück. Ich brachte den Tag damit zu, an Solange zu schreiben; am Abend sandte ich ihr einen Band.

Ich hatte soeben meinen Brief auf die Post geworfen, als ich einen von ihr erhielt.

Es war sehr mit ihr gezankt worden; man hätte eine Menge Fragen an sie gerichtet und ihr gedroht ihr ihren nächsten Ausgang zu nehmen.

Ihr nächster Ausgang war der bevorstehende Sonntag; aber Solange schwor mir, daß sie in jedem Falle, sollte sie auch mit der Vorsteherin der Erziehungsanstalt brechen, mich an diesem Tage sehen würde.

Auch ich schwor es; es schien mir, wenn ich sie sieben Tage lang nicht sehen würde, was geschähe, wenn sie ihren ersten Ausgang nicht benutzte, ich wahnsinnig werden würde.

Um so mehr, als Solange einige Besorgniß ausdrückte. Ein von ihrem Vater angekommener Brief, den sie bei ihrem Nachhausekommen gefunden hatte, schien ihr erbrochen gewesen zu sein.

Ich brachte eine schlimme Nacht zu und nach ihr einen noch schlimmeren Tag. Ich schrieb wie gewöhnlich an Solange, und da es der Tag meiner Versuche war, so ging ich gegen drei Uhr zu meinem Bruder, um ihn mit nach Clamart zu nehmen.

Mein Bruder war nicht zu Haus; ich ging allein. Es war ein gräßliches Wetter; die verwaiste Natur ergoß sich in Regen, in diesen kalten und strömenden Regen, der den Winter meldet. Auf meinem ganzen Wege hörte ich die öffentlichen Ausrufer mit heiserer Stimme die Liste der Verurtheilten des Tages kreischen; sie war zahlreich; es befanden sich darunter Männer, Frauen und Kinder. Die blutige Ernte war reich, und es konnte mir nicht an Gegenständen für die Sitzung fehlen, welche ich für den Abend zu machen im Begriffe stand.

Die Tage endigten frühzeitig. Um vier Uhr kam ich nach Clamart; es war fast Nacht.

Der Anblick dieses Friedhofes mit seinen ungeheuren frisch aufgehäuften Gräbern, mit seinen seltenen und in dem Winde wie Skelette klappernden Bäumen, war traurig und fast abscheulich.

Alles, was nicht umgegrabene Erde war, war Gras, Disteln oder Brennnesseln. Jeden Tag erfüllte die aufgegrabene Erde die grüne Erde.

Unter allen diesen Hügeln des Bodens stand das Grab des Tages weit offen und erwartete seine Beute; man war von dem Zuwachse der Verurteilten benachrichtigt, und das Grab war weit größer als gewöhnlich.

Ich näherte mich ihm unwillkürlich. Der ganze Grund war voller Wasser; arme, nackte und kalte Leichen, welche man in dieses wie sie kalte Wasser werfen würde!

Als ich an das Grab gelangte, glitt mein Fuß aus, und ich wäre beinahe hinein gefallen; meine Haare sträubten sich. Ich war durchnäßt, ich hatte Fieberschauder; ich ging nach meinem Laboratorium.

Es war, wie ich gesagt habe, eine ehemalige Kapelle; ich suchte mit den Augen (warum suchte ich? Ich weiß es nicht), ich suchte mit den Augen, ob nicht an der Wand oder auf dem,, was der Altar gewesen war, irgend ein Zeichen des Gottesdienstes geblieben wäre. Die Wand war nackend, der Altar kahl. An der Stelle, wo sich ehemals der Tabernakel, das heißt Gott, das heißt das Leben, befunden halte, befand sich ein seines Fleisches und seiner Haare beraubter Schädel, das heißt der Tod, das heißt das Nichts.

Ich zündete mein Licht an, stellte es auf den Tisch, der zu meinen Versuchen diente, und dem ganz mit jenen Werkzeugen von seltsamer Form bedeckt war, die ich selbst erfunden hatte, und setzte mich tiefsinnig; – an was dachte ich? – an die arme Königin, welche ich so schön, so glücklich, so geliebt gesehen hatte; die am Tage zuvor, von den Verwünschungen eines ganzen Volkes verfolgt, auf einem Karren nach dem Schaffotte geführt worden war, und die jetzt, mit dem Rumpfe ohne Kopf, in dem Sarge der Armen schlief; sie, welche unter dem vergoldeten Getäfel der Tuilerien, von Versailles und von Saint-Cloud geschlafen hatte.

Während ich mich in diese traurigen Träumerein versenkte, verdoppelte sich der Regen, der Wind zog in gewaltigen Stößen vorüber, indem er seine schaurige Klage zwischen den Zweigen der Bäume, zwischen den Stengeln der Kräuter verbreitete, die er erbeben ließ.

Mit diesem Getöse vereinigte sich bald etwas wie ein schauriges Rollen des Donners; nur statt in den Wolken zu grollen, rollte dieser Donner auf dem Boden, den er erbeben ließ.

Es war das Rollen des rothen Karrens, der von dem Revolutionsplatze zurückkehrte, und in Clamart einfuhr.

Die Thüre der kleinen Kapelle ging auf, und zwei von Regen triefende Männer traten mit einem Sacke ein.

Der eine war derselbe Legros, den ich im Gefängisse besucht hatte, der Andere war ein Todtengräber.

– Hier, Herr Ledru, sagte der Knecht des Scharfrichters zu mir, hier ist Ihre Sache; – Sie haben heute Abend nicht nöthig sich zu eilen; – wir lassen Ihnen den ganzen Pack da; – morgen wird man sie begraben; – es wird Tag sein; – sie werden sich keinen Schnupfen dadurch zuziehen, eine Nacht im Freien zugebracht zu haben.

Und mit einem abscheulichen Gelächter stellten diese beiden Besoldeten des Todes ihren Sack in die Ecke neben den ehemaligen Altar zu meiner Linken vor mich.

Hierauf entfernten sie sich, ohne die Thüre wieder zuzumachen, welche in ihrer Einlassung zu schlagen begann, indem sie Stöße des Windes eindringen ließ, welche die Flamme meines Lichtes bewegten, die bleich und so zu sagen sterbend längs ihrem geschwärzten Dochte aufstieg.

Ich hörte sie das Pferd abspannen, den Friedhof verschließen und sich entfernen, indem sie den Karren voller Leichen zurückließen.

Ich hatte große Lust gehabt mit ihnen fortzugehen; aber ich weiß nicht, warum mich irgend Etwas, – ganz schaudernd, – auf meinem Platze zurückhielt. Gewiß hatte ich keine Furcht; aber das Tosen des Windes, das Peitschen des Regens, das Knarren der Bäume, welche sich biegen, das Pfeifen dieser Luft, welche mein Licht zittern ließ, – alles das verbreitete über mein Haupt ein unbestimmtes Entsetzen, das sich von der feuchten Wurzel meiner Haare über meinen ganzen Körper verbreitete.

Plötzlich schien es mir, als ob eine sanfte und zugleich klagende Stimme, eine Stimme, welche aus dem inneren Raume der Kapelle selbst erschallte, den Namen Albert ausspräche.

O! dieses Mal erbebte ich. – Albert!. . . Eine einzige Person auf der Welt nannte mich so.

Meine verwirrten Augen machten langsam die Runde der kleinen Kapelle, deren Wände zu erleuchten mein Licht nicht ausreichte, so eng sie auch war, und verweilten auf dem an die Ecke des Altares gestellten Sacke, dessen blutige Leinwand den grausigen Inhalt andeutete.

1Wir verweilen nicht bei einem solchen Gegenstande, um mit kaltem Blute das Gräßliche zu schildern, aber es scheint uns, daß in dem Augenblicks, wo man sich ernstlich mit Abschaffung der Todesstrafe beschäftigt, eine solche Abhandlung nicht überflüssig sein mögte.
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