Deutsche Sprachwissenschaft. Eine Einführung

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Deutsche Sprachwissenschaft. Eine Einführung
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Ingo Reich / Augustin Speyer

Deutsche Sprachwissenschaft

Eine Einführung

Reclam

2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung nach einem Konzept von zero-media.net

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2020

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961715-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-011276-2

www.reclam.de

Inhalt

 1 Deutsche Sprachwissenschaft: Einführendes1.1 Sprachwissenschaft als Teil der Germanistik1.2 Teilgebiete der (Germanistischen) Linguistik1.3 Weiteres zur Konzeption dieser Einführung

  2 Textlinguistik: Alltägliches 2.1 Sprachliche Kommunikation 2.2 Aspekte sprachlicher Kodierung 2.3 Von der Äußerung zum Text 2.4 Zur Mikrostruktur von Texten: Kohärenz und Kohäsion 2.5 Zur Makrostruktur von Texten: Diskurstopiks 2.6 Vom Text zur Textsorte Empfohlene Literatur

  3 Pragmatik: Gemeintes 3.1 Ausdrucksbedeutung und Äußerungsbedeutung 3.2 Äußerungssituation und deiktische Interpretation 3.3 Äußerungsbedeutung und kommunikativer Sinn 3.4 Gesagtes und Gemeintes 3.5 Sprechakte 3.6 Zwischen Semantik und Pragmatik Empfohlene Literatur

 4 Syntax: Gruppiertes4.1 Grundbegriffe der Syntax4.2 Topologie und Wortstellung4.3 Konstituenten – Wortgruppen von außen betrachtet4.4 Valenz4.5 Die ›Baumschule‹ der Syntax: Phrasen und X-bar-Theorie4.6 Der komplexe SatzEmpfohlene Literatur

 5 Wortbildung: Kreatives5.1 Neue Wörter braucht das Land5.2 Das Morphem5.3 Wortbildungsarten5.4 Komposition5.5 Derivation5.6 KonversionEmpfohlene Literatur

 6 Flexionsmorphologie: Gebeugtes6.1 Wozu brauchen wir Flexion?6.2 Ausdruck grammatischer Funktionen6.3 Wortarten, Konjugation und Deklination6.4 Flexion im Deutschen I: Die deklinierbaren Wortarten6.5 Flexion im Deutschen II: Das VerbEmpfohlene Literatur

  7 Semantik: Gesagtes 7.1 Ausdrucksbedeutung und Lexikoneintrag 7.2 Bedeutung und Wirklichkeitsbezug 7.3 Kompositionalität und (strukturelle) Ambiguität 7.4 Referenz, Prädikation und Modifikation 7.5 Intension und Extension 7.6 Bedeutung und Kognition 7.7 Bedeutungsrelationen 7.8 Zur Semantik von Verben, Nomen und Adjektiven Empfohlene Literatur

 8 Graphematik: Geschriebenes8.1 Zwischen Satz und Diskurs8.2 Zwischen Wort und Wortgruppe8.3 Die Wortebene8.4 »Laut-Buchstaben-Zuordnungen«8.4.1 Die morphologische Ebene8.4.2 Die silbische Ebene8.4.3 Die phonematische EbeneEmpfohlene Literatur

 9 Phonologie: Gesprochenes9.1 Von Düsen und Explosionen – wie Laute entstehen9.2 Phonologische Merkmale und Regeln9.3 Silben9.4 Prosodie und BetonungEmpfohlene Literatur

  10 Sprachverarbeitung: Kognitives 10.1 Auf dem Holzweg 10.2 Vom Gedanken zur Äußerung 10.3 Das mentale Lexikon 10.4 Aphasien und Hirnareale 10.5 Grammatik und Gebrauch Empfohlene Literatur

  11 Erstspracherwerb: Erworbenes 11.1 Eine erste Ein- und Abgrenzung 11.2 Rezeption und Produktion 11.3 Erste Äußerungsprodukte 11.4 Voraussetzungen für den L1-Erwerb 11.5 Einfache Äußerungen 11.6 Komplex(er)e Äußerungen 11.7 Strukturerwartung oder Mustererkennung? Empfohlene Literatur

 12 Sprachwandel: Historisches12.1 Alles fließt …12.2 Wandel in Bedeutung und Verwendung12.3 Syntaktischer Wandel12.4 Morphologischer Wandel: Grammatikalisierung12.5 Phonologischer WandelEmpfohlene Literatur

 13 Variation: Regionales13.1 ›Das‹ Deutsche?13.2 Diatopische Variation13.3 Ausprägungsebenen diatopischer VariationEmpfohlene Literatur

  Literaturhinweise

  Zu den Autoren

  Sachregister

[7]1 Deutsche Sprachwissenschaft: Einführendes
1.1 Sprachwissenschaft als Teil der Germanistik

Wenn Sie sich für dieses Buch interessieren, ist die Annahme nicht ganz unbegründet, dass Sie entweder bereits Germanistik studieren oder sich zumindest mit dem Gedanken tragen, sich für dieses Fach zu entscheiden. Und als angehende Germanist*innen werden Sie auch inzwischen festgestellt haben, dass sich die Germanistik als Fach nicht alleine mit deutschsprachiger Literatur beschäftigt, sondern auch mit der deutschen Sprache. Da beide Gegenstände auch in ihrer historischen Dimension untersucht werden, gliedert sich die Germanistik in der Regel in drei Teilgebiete der GermanistikAbteilungen: die Neuere deutsche Literaturwissenschaft, die Neuere deutsche Sprachwissenschaft (auch Germanistische Linguistik genannt) und die Ältere Abteilung (auch mediävistische Abteilung genannt), die sich sowohl mit der älteren Literatur als auch mit der älteren Sprache beschäftigt (vgl. Abbildung 1.1).

 

Abb. 1.1: Teilbereiche der Germanistik

Der Gegenstand der Germanistischen Gegenstand der Germanistischen LinguistikLinguistik ist die deutsche Gegenwartssprache in all ihren Dimensionen. Damit grenzt sie sich deutlich von anderen Philologien wie der Anglistik, der Romanistik oder der Slawistik ab, die sich mit dem Englischen, den romanischen bzw. den slawischen Sprachen und Literaturen beschäftigen. Nicht wenige Berührungspunkte hat die Germanistische Linguistik mit der stärker theoretisch ausgerichteten Allgemeinen Linguistik bis hin zur Computerlinguistik, in der es primär um die automatische Verarbeitung großer Mengen sprachlicher Daten geht. Diese Fächer können aber eine vertiefte Auseinandersetzung mit einer Einzelsprache nicht ersetzen, und genau darin besteht der Reiz der Germanistischen Linguistik.

[8]1.2 Teilgebiete der (Germanistischen) Linguistik

Nähern wir uns also unserem Gegenstand an. Wir haben gerade formuliert, dass dies die deutsche Sprache in all ihren Dimensionen ist. Damit stellt sich sofort die Frage: Was genau sind diese Dimensionen? Um die Gliederung der (Germanistischen) Linguistik in ihre Teilgebiete nachvollziehen zu können, sollte man sich zunächst bewusst machen, was Sprache eigentlich ausmacht. Sprache dient offenbar der Kommunikation. Wir wünschen uns einen guten Morgen, indem wir »Guten Morgen!« sagen, wir bestellen uns mit den Worten »Ich hätte gerne einen Cappuccino« einen Cappuccino und wir entnehmen der Schlagzeile »Frankreich ist Weltmeister« auf z. B. Zeit Online (15. 7. 2018), dass Frankreich Weltmeister ist. Form und Inhalt sprachlicher AusdrückeSprache hat also zunächst eine inhaltliche Seite: Mit »Ich hätte gerne einen Cappuccino« bestelle ich eben einen Cappuccino und keinen Apfelsaft, ganz einfach weil ich mich mit dem Wort Cappuccino auf Cappuccino beziehe und nicht auf Apfelsaft. Die sprachlichen Äußerungen haben dabei aber immer auch eine bestimmte Form oder Struktur. Ich kann nicht sagen: »Frankreich bist Weltmeister«. Diese Äußerung würden wir als nicht akzeptabel, als ungrammatisch bezeichnen, auch wenn wir die damit verbundene Aussage vielleicht verstehen. Das Problem ist, sprachwissenschaftlich gesprochen, dass der Eigenname Frankreich in der dritten Person steht, die Kopula bist aber in der zweiten Person. »Frankreich, du bist Weltmeister« wäre dagegen wieder akzeptabel. Sprachwissenschaftler stehen also vor mindestens zwei Herausforderungen: Sie müssen zum einen die Struktur, den Aufbau sprachlicher Ausdrücke beschreiben, also die Regeln, nach denen diese Ausdrücke gebildet werden. Zum anderen müssen sie den inhaltlichen Bezug, also die Bedeutung dieser Ausdrücke beschreiben. Und am Ende wird man auch erklären wollen, wie die Ausdrücke zu ihrer Bedeutung kommen. Für ein Wort wie Cappuccino ist das vielleicht noch recht naheliegend: Wir haben einfach gelernt, dass wir uns mit dem (eigentlich italienischen) Wort Cappuccino auf Cappuccino beziehen. Nicht ganz so einfach zu erklären ist aber, was die Bedeutung des Satzes ich hätte gerne einen Cappuccino ist und wie diese Bedeutung auf der Basis der einzelnen Wörter zustande kommt.

Was die Struktur sprachlicher Ausdrücke betrifft, werden in der Linguistik im Wesentlichen drei Ebenen unterschieden: die Struktur von Sätzen, die Struktur von komplexen Wörtern und der lautliche Aufbau sprachlicher Ausdrücke. Mit der Struktur von Kerngebiete der (Germanistischen) LinguistikSätzen beschäftigt sich die SyntaxSyntax, mit der Struktur von komplexen Wörtern die MorphologieMorphologie und mit dem lautlichen Aufbau die PhonetikPhonetik und die PhonologiePhonologie. (Was genau der Unterschied ist zwischen Phonetik und Phonologie, darauf werden wir in Kapitel 9 noch zu [9]sprechen kommen.) Fragen des inhaltlichen Bezugs, der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke, sind schließlich Gegenstand der SemantikSemantik. Untersucht man die Bedeutung von Wörtern, dann spricht man von der lexikalischen Semantik. Wird die Bedeutung komplexerer Ausdrücke untersucht, spricht man von Satzsemantik.


Abb. 1.2: Kerngebiete der (Germanistischen) Linguistik

DieGrammatikKompetenz genannten Bereiche der Linguistik werden in dem Sinne als Kerngebiete bezeichnet, als sie das Grammatik und Kompetenzgrundlegende grammatische System einer Sprache beschreiben, das die Basis unserer sprachlichen Kompetenz darstellt. Mit ›grammatisches System‹ ist hier aber keine präskriptive Grammatik gemeint, also eine Grammatik, die wir aus dem Regal nehmen können und in der steht, was ›richtiges‹ Deutsch ist. Was wir hier meinen, ist das System, das wir als Kinder gewissermaßen nebenbei erwerben und das in unserem Gehirn in irgendeiner Form als eine mentale Grammatik repräsentiert sein muss. Da wir zu diesem System leider keinen direkten Zugang haben, muss das Ziel sprachwissenschaftlicher Forschung sein, dieses System auf der Grundlage sprachlicher Äußerungen zu rekonstruieren, zu beschreiben und letztlich zu modellieren.

Eine GebrauchFunktionweit verbreitete Vorstellung ist dabei, dass diese mentale Grammatik in einer konkreten Situation den Gedanken eines Sprechers gewissermaßen ›in Worte kleidet‹, also einen sprachlichen Ausdruck generiert (erzeugt), der den Gedanken des Sprechers möglichst präzise wiedergibt. Von diesem sprachlichen Ausdruck selbst ist dann zu unterscheiden, wie der Sprecher diesen Ausdruck in der konkreten Situation verwendet, welche Funktion der Ausdruck in der konkreten Situation hat. So werde ich in der Regel mit der Äußerung »Guten Morgen!« jemanden morgens begrüßen. Wenn ich aber »Guten Morgen!« zu meinen Studierenden sage, denen gerade in meiner Vorlesung die Augen zugefallen sind (was natürlich ein rein hypothetischer Fall ist), dann hat diese Äußerung sicherlich eine ganz andere Funktion (und wäre auch zum Beispiel an einem Nachmittag angemessen). Mit Fragen des Gebrauch und FunktionGebrauchs [10]und der Funktion von sprachlichen Ausdrücken beschäftigt sich die PragmatikPragmatik und bis zu einem gewissen Grad auch die TextlinguistikTextlinguistik. Die Pragmatik fällt im Allgemeinen auch unter die Kerngebiete der Linguistik, ist aber nicht Teil des grammatischen Systems im engeren Sinne.

Neben den genannten Kerngebieten gibt es noch eine Reihe weiterer Weitere zentrale TeilgebieteGebiete, die Berührungspunkte zu allen Kerngebieten aufweisen. (Man sagt auch, dass sie quer zu den Kerngebieten liegen.) So untersucht der ErstspracherwerbErstspracherwerb zum Beispiel, wie wir als Kinder zu unserer Muttersprache kommen. Zum Erwerb unserer Muttersprache gehört aber natürlich nicht nur der Erwerb von bestimmten Lauten oder von bestimmten Wörtern, sondern auch die Kompetenz zur Bildung von Sätzen und deren angemessene Verwendung in einer konkreten Situation (dass man jemanden mit »Guten Morgen!« eben normalerweise morgens begrüßt und nicht abends). Ähnlich ist es im Fall der OrthographieOrthographie: Wenn ich das Schriftsystem des Deutschen untersuche, dann kann das bei der Worttrennung die Struktur von Wörtern betreffen und bei der Zeichensetzung die Struktur von Sätzen. Und so weiter und so fort. Während wir im ersten Teil dieser Einführung die Kerngebiete in ihren Grundzügen darstellen, werden wir im zweiten Teil auf einige dieser quer liegenden Gebiete eingehen. Neben dem Erstspracherwerb und der Orthographie sind dies Sprachverarbeitung, Sprachwandel und dialektale Variation: Die SprachverarbeitungSprachverarbeitung beschäftigt sich mit den kognitiven Prozessen, die bei der Produktion und bei der Rezeption von sprachlichen Ausdrücken ablaufen. In der SprachgeschichteSprachgeschichte wird untersucht, wie sich Sprache über die Zeit verändert, vom Alt- über das Mittel- und Frühneuhochdeutsche bis hin zum Gegenwartsdeutschen. Und unter dialektaler VariationDialektologie sollte sich jeder etwas vorstellen können, der nicht gerade im Raum Hannover/Braunschweig aufgewachsen ist. Es ist klar, dass wir hier aus verschiedenen Gründen eine Auswahl treffen mussten (so konnte z. B. der Bereich des Zweitspracherwerbs nicht berücksichtigt werden), aber wir denken dennoch, ein so breites Feld abgedeckt zu haben, dass man einen guten Eindruck von der Vielfalt des Faches bekommt.


Abb. 1.3: Weitere Gebiete der (Germanistischen) Linguistik

[11]1.3 Weiteres zur Konzeption dieser Einführung

Im letzten Abschnitt wurde bereits angedeutet, dass diese Einführung inhaltlich in Zweiteilungzwei größere Teile gegliedert ist: Kernbereiche und Querschnittsbereiche. Diese Einteilung ergibt sich daraus, dass die Querschnittsbereiche auf die Kernbereiche aufbauen. Ergänzt werden diese beiden Bereiche durch ein methodisches Kapitel »Projektorientiertes Arbeiten«, das über die Webseite des Verlags zur Verfügung gestellt wird.

Bei der Anordnung der Kernbereiche gibt es im Allgemeinen zwei Möglichkeiten. Der klassische Aufbau beginnt bei den kleinsten sprachlichen Einheiten, den Lauten und schreitet fort zu den größeren Einheiten wie Wort, Satz und Text. Die Alternative ist, diesen Vom Großen zum KleinenAufbau auf den Kopf zu stellen und mit Texten zu beginnen. Wir haben uns in dieser Einführung bewusst für diese Möglichkeit entschieden, da wir Texte in unserem Alltag (mehr oder weniger) bewusst wahrnehmen und der Einstieg in die Linguistik damit an etwas anknüpft, womit wir zumindest vortheoretisch vertraut sind. Außerdem haben wir die Hoffnung, dass sich die verschiedenen Begriffsbildungen wie Phrase, Morphem oder Phonem auf diese Weise besser motivieren lassen. Diese Vorgehensweise erfordert allerdings, dass man an der ein oder anderen Stelle schon Begriffe andeutet, ohne sie an Ort und Stelle gleich präzise einführen zu können.

Wie schon bei der Auswahl der Teilgebiete haben wir uns auch bei der Auswahl der Phänomene in diesen Teilgebieten bewusst Bewusste Beschränkungbeschränkt, um die einzelnen Kapitel nicht zu umfangreich werden zu lassen und damit noch verdaulich zu gestalten. Das Ziel war, dass man mit den kürzeren Kapiteln ein bis zwei und mit den längeren Kapiteln zwei bis drei Sitzungen einer einführenden Vorlesung gestalten kann. Mit insgesamt zwölf Kapiteln sollte also eine Einführungsvorlesung komplett abgedeckt werden können. Unser Ziel war dezidiert nicht, dass in jedem Kapitel alle relevanten Phänomene zur Sprache kommen. So haben wir im Kapitel zu Text und Diskurs zum Beispiel vollständig auf die Gesprächsanalyse verzichtet (die ein eigenes Kapitel rechtfertigen würde) und im Kapitel zur Pragmatik haben wir den Bereich der Informationsstruktur und den der (pragmatischen) Präsupposition ausgespart. Ähnliches gilt für die anderen Kapitel. Das kann man sicher auf der einen Seite bedauern. Auf der anderen Seite wird so aber vermieden, dass die einzelnen Kapitel überfrachtet oder Themen nur oberflächlich angesprochen werden. Unseres Erachtens sollte man sich immer bewusst sein, dass die Darstellungen in den Einzelkapiteln keine Einführungen in die Teilgebiete ersetzen, sondern einen ersten, dabei gerne auch tiefergehenden Einblick in das Gebiet geben sollen. [12]Und denjenigen, die auf den Geschmack gekommen sind, empfehlen wir jeweils die weiterführende Literatur.

Was die Strukturierung innerhalb der Kapitel betrifft, sollten wir noch darauf hinweisen, dass sich dort immer wieder abgesetzte und grau hinterlegte VertiefungsboxenBoxen finden. Diese Vertiefungsboxen sind für weiterführende Diskussionen (oder fortgeschrittene Studierende) gedacht und können beim ersten Lesen übersprungen werden.

 

Die eine oder der andere wird außerdem schon festgestellt haben, dass wir in diesem einführenden Kapitel nicht überall Geschlechtergerechte Sprachegeschlechtergerecht formuliert haben. Wir haben von dem Sprecher und dem Adressaten gesprochen, aber von den Germanist*innen. Im Sinne einer besseren Lesbarkeit haben wir uns bewusst entschieden, bei technischen Begriffen (die keine guten Alternativen zulassen) wie Sprecher oder Adressat das generische Maskulinum zu verwenden. Bei (im linguistischen Kontext) nicht-technischen Begriffen wird auch das generische Femininum verwendet (z. B. Ärztin). Bei nicht-generischen Verwendungen und dort, wo sich die Leser*in oder ein konkreter Personenkreis mehr oder weniger direkt angesprochen fühlen könnte, machen wir jedoch vom Gendersternchen Gebrauch, das sich gegenüber anderen Binnenvarianten immer mehr durchzusetzen scheint.

Wie bei jeder größeren Arbeit waren auch an dieser Einführung mehr Menschen beteiligt, als am Ende auf dem Buchdeckel stehen. Und hier ist der Ort, allen DanksagungDank zu sagen für die großartige Unterstützung, ob in Form von Kommentaren und Anregungen, ob beim Erstellen des Literaturverzeichnisses oder beim Korrekturlesen oder am Ende in Form von Kürzungsvorschlägen. Namentlich danken wollen wir in alphabetischer Reihenfolge: Oliver Bott, Jenny Diener, Heiner Drenhaus, Fabian Ehrmantraut, Luise Ehrmantraut, Anne Eiswirth, Peter Gallmann, Nele Hartung, Julia Hertel, Natascha Immesberger, Sergey Kulakov, Robin Lemke, Philipp Rauth, Lisa Schäfer, Jessica Schmidt, Katrin Schneider, Josef Schu, Sophia Voigtmann und Magdalena Wojtecka. Zwei Personen möchten wir an dieser Stelle aber ganz besonders danken. Das ist zum einen Julia Stark, die mit ihren Illustrationen den streckenweise sicherlich auch etwas dichten Text aufgelockert hat, und zum anderen Marga Reis, ohne die wir beide ganz sicher heute nicht dort wären, wo wir sind. Danke.

Ingo Reich & Augustin Speyer

Im März 2020

[13]2 Textlinguistik: Alltägliches

Sprache ist für uns (im Normalfall) etwas sehr Selbstverständliches, etwas wovon wir im Sprache im AlltagAlltag einfach Gebrauch machen, ohne groß darüber nachzudenken: Wir lesen zum Frühstück unsere Zeitung, wir schreiben im Büro einige Mails, wir diskutieren in unseren Lehrveranstaltungen, wir tauschen in der Mittagspause Neuigkeiten aus, wir schreiben an einer Hausarbeit oder einer Publikation, wir verabreden uns mit unseren Freunden zum Essen und lesen abends noch etwas in einem spannenden Buch.

2.1 Sprachliche Kommunikation

Sprache dient uns im Alltag also (vor allem) zur Kommunikation, das heißt in erster Annäherung, sie dient der gezielten Vermittlung Information und Kommunikationvon Information. Der Begriff der sprachlichen KommunikationKommunikation steht damit im Zentrum des Sprachgebrauchs. Nähern wir uns diesem Begriff eher deskriptiv an (und verweisen hier nur nebenbei auf komplexe Modelle wie das Organon-Modell von Bühler 1934 oder das Sender/Empfänger-Modell von Shannon & Weaver 1949), indem wir eine nicht untypische Situation betrachten: Erna ist bei Lisbeth zu Besuch. Lisbeth bietet ihr zunächst einen Platz an und fragt dann:


Abb. 2.1: Eine typische Kommunikationssituation. – © Julia Stark

Halten wir zunächst das (mehr oder weniger) Offensichtliche fest: Kommunikation erfolgt typischerweise zwischen zwei oder mehreren Kommunikationspartnern, Sprecher und Adressateinem SprecherSprecher (in unserem Fall Lisbeth) und einem (oder mehreren) AdressatenAdressat (in unserem Fall Erna). Die Unterscheidung zwischen Sprecher und Adressat bildet dabei die Basis für die Unterscheidung zwischen [14](sprecherseitiger) Sprachproduktion und (adressatenseitiger) Sprachverarbeitung in der Psycholinguistik.

Der Sprecher äußert in der fraglichen Situation (der ÄußerungssituationÄußerungssituation) einen sprachlichen Ausdruck (in unserem Fall »Eine Tasse Kaffee?«) mit einem bestimmten kommunikativen Zielkommunikatives Ziel, das heißt, er verfolgt Kommunikative Intention und kommunizierte Informationeine kommunikative Intentionkommunikative Intention (Absicht). Der Adressat hört und verarbeitet diese Äußerung und kommt am Ende dieses Prozesses zu einer begründeten Hypothese darüber, warum der Sprecher diesen sprachlichen Ausdruck geäußert hat und was er ihm, dem Adressaten, mit dieser Äußerung sagen möchte. (In unserem Fall wäre das die Annahme, dass Lisbeth mit ihrer Äußerung Erna eine Tasse Kaffee anbieten möchte.) Entspricht das, was der Adressat auf diese Weise verstanden hat, im Wesentlichen dem, was der Sprecher tatsächlich kommunizieren wollte, dann sprechen wir von erfolgreicher Kommunikation.

Ein Sprecher hat mit seiner Äußerung eine bestimmte Information (erfolgreich) kommuniziert, wenn (i) der Sprecher diese Information kommunizieren wollte und (ii) der Adressat aufgrund der Äußerung (und weiterer Überlegungen) auch annimmt, dass der Sprecher ihm genau diese Information kommunizieren wollte.

Bei diesem adressatenseitigen Verstehensprozess muss man nun offenbar zwei Ebenen der Kommunikation unterscheiden. Ausgangspunkt der Hypothesenbildung ist natürlich das Verstehen der sprachlichen Äußerung selbst: Die Äußerung besteht aus einzelnen Wörtern mit einer (mehr oder weniger) festen und gelernten Bedeutung. Diese einzelnen Wortbedeutungen verbinden sich in der Äußerung zu einer komplexen Bedeutung. In diesem Sprachlich kodierte InformationSinne kodiertkodiert der komplexe Ausdruck sprachlich eine bestimmte Information: Die Äußerung »Eine Tasse Kaffee?« wird aufgrund der Bedeutung von eine Tasse Kaffee immer in irgendeiner Form mit einer Tasse Kaffee zu tun haben (und nicht etwa mit einem Stück Holz). Diese Information wird explizit kommuniziert. Wie einzelne Wortbedeutungen sprachlich kodiert werden und wie sie sich zu komplexen Bedeutungen kombinieren, untersucht die SemantikSemantik.

Das Dekodieren der Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks reicht aber im Allgemeinen noch nicht aus, um eine Hypothese darüber bilden zu können, warum der Sprecher die Äußerung vollzogen hat und was er damit sagen möchte. In unserem Beispiel liegt es natürlich nahe anzunehmen, dass Lisbeth ihrer Freundin Erna eine Tasse Kaffee anbieten möchte und wir werden ihre Äußerung entsprechend in der Art von Möchtest du eine Tasse Kaffee? [15]verstehen. Diese Annahme kommt aber nicht alleine auf der Basis sprachlich kodierter Information zustande. Erna weiß, dass Lisbeth weiß, dass Erna gerne Kaffee trinkt. Außerdem ist es in unserem Kulturkreis üblich und höflich, Gästen etwas zum Trinken anzubieten. Daher ist es eben eine plausible Annahme, dass Lisbeth Erna eine Tasse Kaffee anbieten möchte. (Das sind die weiteren Überlegungen, von denen in der obigen Definition die Rede ist.) Diese Annahme, so plausibel sie in der gegebenen Situation auch ist, ist jedoch äußerst abhängig von nicht-sprachlichen Faktoren: Davon, was Sprecher und Adressat voneinander wissen. Davon, was man in solchen Situationen üblicherweise tut. (In einer Situation, in der Erna gerade etwas auf ein Blatt Papier malt und Lisbeth dies beobachtet, würden wir die gleiche Äußerung eher in der Art von Malst du da gerade eine Tasse Kaffee? interpretieren.) Diese Informationen werden also Kontextuell inferierte Informationkontextuell inferiertinferiert (erschlossen) und implizit kommuniziert. Derartige Inferenzprozesse sind Gegenstand der PragmatikPragmatik.

Kommunikation muss dabei natürlich immer über Kommunikationskanal und -mediumeinen KanalKommunikationskanal und ein MediumKommunikationsmedium erfolgen. Bei sprachlicher Kommunikation ist dies nicht selten ein auditiver Kanal mit Schallwellen als Medium (oder auch Träger). Wir sprechen dann von mündlicher KommunikationKommunikationmündliche. Das ist aber nicht die einzige Form sprachlicher Kommunikation. Sprachliche Kommunikation kann auch gestischKommunikationgestische (z. B. im Fall von Gebärdensprachen) oder schriftlichKommunikationschriftliche über einen visuellen Kanal erfolgen. Vor allem bei schriftlicher Kommunikation wird man darüber hinaus elektronischeKommunikationelektronische von nicht-elektronischer Kommunikation unterscheiden. Schriftliche Kommunikation erfolgt meist asynchronKommunikationasynchrone, d. h., die Produktion (das Senden) und die Rezeption (das Empfangen) erfolgen grundsätzlich zeitlich versetzt.

Darüber hinaus kann Monologische und dialogische KommunikationKommunikation unidirektional (monologisch)Kommunikationmonologische oder bidirektional (dialogisch)Kommunikationdialogisch erfolgen. Von unidirektionaler Kommunikation können wir in erster Annäherung dann sprechen, wenn die Äußerung grundsätzlich keine sprachliche Reaktion des Adressaten erfordert. Typische Beispiele sind oft schriftlicher Natur (z. B. Romane oder Zeitungsartikel), können aber natürlich auch mündlicher Natur sein (z. B. Radionachrichten, Reden oder Vorträge). Umgekehrt ist bidirektionale Kommunikation häufig mündlicher Natur (z. B. in alltäglichen Gesprächen), kann aber natürlich auch schriftlicher Natur sein (z. B. in einem Briefwechsel).

Auf der Basis dieser grundlegenden Eigenschaften sprachlicher Kommunikation kann man eine Eine erste Klassifikation von KommunikationsformenKlassifikation verschiedener KommunikationsformenKommunikationsformen versuchen: Die Unterscheidung zwischen dialogischer und monologischer Kommunikation resultiert zunächst in zwei großen Klassen: verschiedene Formen des Gesprächs (dialogisch) und verschiedene Formen der [16]Mitteilung (monologisch). Diese können dann jeweils weiter in synchrone und asynchrone Formen untergliedert werden, die digital oder analog und schriftlich oder mündlich vermittelt werden. In Abbildung 2.2 wird diese Klassifikation tabellarisch zusammengefasst. Dabei ist anzumerken, dass die Bezeichnungen der Kommunikationsformen (mangels präziser Begrifflichkeiten) nicht immer ganz überzeugen und sie an der ein oder anderen Stelle eher als (mehr oder weniger) typische Repräsentanten der fraglichen Kommunikationsform aufzufassen sind.


Abb. 2.2: Eine erste Klassifikation von Kommunikationsformen

In dieser Klassifikation wird nicht explizit berücksichtigt, dass von der ursprünglichen Konzeption her genuin unidirektionale (monologische) Kommunikationsformen wie die Kurznachricht (über SMS oder Twitter) natürlich auch für bidirektionale (dialogische) Kommunikation genutzt werden können. Im Fall der SMS ist eine solche Verwendung inzwischen sicher üblich, wenn nicht sogar dominant. Aber auch bei Twitter gibt es inzwischen technisch die Möglichkeit der Antwort auf einen Tweet. Umgekehrt kann auch eine typische dialogische Kommunikationsform wie der Brief für Mitteilungen (wie z. B. einen Steuerbescheid oder eine Vorladung) genutzt werden.

In der Literatur werden nicht selten noch zwei weitere Kriterien genannt, die hier ebenfalls bewusst ausgeklammert werden. Zum einen ist das die Distanz zwischen Sprecher und Adressat, zum anderen die Frage, ob Kommunikation von Angesicht zu Face-to-face-KommunikationAngesicht, also face-to-faceKommunikationface-to-face, erfolgt oder nicht. Ist der Ort, an dem sich der Adressat befindet, im Wesentlichen identisch mit dem [17]des Sprechers, dann sprechen wir von lokaler Kommunikation. Ist er hinreichend weit von dem des Sprechers entfernt, sprechen wir von distalerdistal Kommunikation. Wird Face-to-face-Kommunikation jetzt so verstanden, dass Sprecher und Adressat am selben Ort physisch präsent sein müssen, dann fallen beide Kriterien zusammen und als distale Kommunikationsform könnte man dann das klassische Telefongespräch nennen. Wird aber lediglich gefordert, dass Sprecher und Adressat Zugang zu mimischer und gestischer Information über einen visuellen Kanal haben, dann kann man außerdem noch das Video-Telefonat (face-to-face und distal) vom klassischen Telefonat (distal, aber nicht face-to-face) unterscheiden. Auch wenn beide Faktoren (wie wir gleich noch sehen werden) großen Einfluss darauf haben, wie wir zu kommunizierende Information versprachlichen, spielen sie für die Klassifikation von Kommunikationsformen eine eher untergeordnete Rolle.

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