Expressions et locutions du français moderne
Von Brigitte Hamel Rodriguez und Berthe-Odile Simon-Schaefer
Reclam
2016, 2021 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2021
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 9-783-15-961079-5
ISBN der Buchausgabe 9-783-15-014103-8
www.reclam.de
Inhalt
Vorwort
Expressions et locutions du français moderne
Editorische Notiz
Endnote
Register
Hinweise zur E-Book-Ausgabe
Vorwort
Wer sich als Nicht-Muttersprachler bei der französischen Wendung »envoyer quelqu’un sur les roses« vom schönen Bild der Rose beeinflussen lässt, gar »auf Rosen gebettet« assoziiert (statt als Erstes an die Dornen zu denken), der kann eine Kommunikationssituation gründlich fehldeuten. Die bildsprachliche Entsprechung im Deutschen hingegen – »jemanden in die Wüste schicken« – scheint, da eindeutiger, für den Gesprächspartner weniger irritierende Verknüpfungen auszulösen: Was soll man in der Wüste anderes erwarten als sengende Sonne, Durst und Verderben?
Dieses Beispiel zeigt mehreres:
1. Eine Aussage (hier: sich einer Person entledigen) gewinnt Anschaulichkeit und Kraft durch die Übertragung ins Bildhafte (griech. metaphora = Übertragung). Wer ein Bild benutzt, tut es, um einen abstrakten Vorgang sinnlich fassbar zu machen und seine Aussage zu unterstreichen. Auf der Seite des »Senders« wie auf der Seite des »Empfängers« fordert die metaphorische Sprechweise Denk- und Vorstellungsvermögen.
2. Unsere Sprachen sind reich an Bildern und Metaphern, die wir mit großer Selbstverständlichkeit benutzen. Nietzsche spricht vom »Trieb zur Metapherbildung« als einem »Fundamentaltrieb« des Menschen, die »vorhandene Welt reizvoll und ewig neu zu gestalten« (Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873). Jede Sprachgemeinschaft hat und prägt zu jeder Zeit ihre eigenen Sprachbilder. Der im Einzelfall verwendete bildliche Ausdruck hängt von vielen Gegebenheiten ab: von der Lebenswirklichkeit der Gesprächspartner, von ihrem Lebensalter und ihrer Gruppenzugehörigkeit, von ihrem Bildungsniveau und ihrer Sprachtradition und von der besonderen Situation, in der sie miteinander kommunizieren.
3. Was für die Verständigung zwischen Muttersprachlern eine Verständigungsbrücke darstellen soll oder kann, erweist sich für den Sprachlernenden möglicherweise als Verstehenshindernis, und zwar dann, wenn der SINNGLEICHHEIT eines Ausdrucks keine BILDGLEICHHEIT entspricht. Das fremde Bild, die fremde Bildlichkeit kann ihn – für sich genommen – erheitern, aber sie kann ihn auch verwirren und sogar in eine peinliche Situation bringen, wenn der Schlüssel zur Übertragung fehlt. Dass man »Oma nicht in die Brennnesseln schubsen« sollte (»Faut pas pousser grand-mère dans les orties«), versteht sich selbstredend. Doch was ist der verborgene Sinn dieser derb-komischen Verhaltensregel? Für das deutsche Pendant (»Man muss die Kirche im Dorf lassen«) wird umgekehrt der französische Muttersprachler Hilfe bei der Entschlüsselung benötigen. Beide Redewendungen wollen mit ihren Metaphern vor Aufbauschung, Übertreibung, überzogenen Maßnahmen warnen.
Das figurative Sprechen, d. h. die Aneignung der sprachlichen Bildlichkeit, beginnt mit der Kindheit und ist ein lebenslanger Lern- und Bildungsprozess. Auf Bildlichkeit zu verzichten, ist unmöglich, denn sie hat eine kaum ersetzbare Funktion: Sie erlaubt es, Urteile, Bewertungen, Gefühle und Stimmungen zu übermitteln. Der Nicht-Muttersprachler, mag er über einen noch so differenzierten Wortschatz verfügen, wird dieses Maß an Vertrautheit schwerlich erreichen. In einem viel höheren Maße als Lexik und Grammatik ist somit die metaphorische Sprache eine Herausforderung für den Fremdsprachenlerner, nicht nur im Kontext der schönen Literatur, sondern in jedem Bereich der menschlichen Kommunikation, ob Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Sport oder Werbung. Am lebendigsten aber ist sie in der Alltagssprache vertreten, die Metaphern nicht nur tradiert, oft seit der Antike oder dem Mittelalter, sondern täglich neue metaphorische Ausdrücke hinzuerfindet. Nicht selten bildet das schöpferische Vermögen der Alltags- bzw. Umgangssprache erst die Voraussetzung für die spätere Verwendung der neuen Bilder in der Schriftsprache.
In Schulbuchtexten ist der metaphorische Sprachgebrauch gegenüber dem in der authentischen Sprache deutlich reduziert – aus vielerlei nachvollziehbaren Gründen –, doch führt die mangelnde Konfrontation mit den andersartigen Bildern der Nachbarsprache nicht nur zu einer Einschränkung des individuellen Ausdruckswillens, sondern auch zu einer Einschränkung der Fähigkeit, Anschaulichkeit und Lebendigkeit, Humor, Witz und Komik in der fremden Sprache zu erfassen. Letzten Endes sind es das Verständnis und die Anwendung der bildlichen Sprache, die den Unterschied ausmachen zwischen einer ausreichenden Beherrschung einer anderen Sprache und dem authentischen Sprachvermögen des Muttersprachlers.
In diesem Zusammenhang verfolgt das Wörterbuch ein klares Ziel:
Es will in erster Linie Schülern, Studenten, Lehrern, Freunden der französischen wie deutschen Sprache konkrete Entschlüsselungshilfen bieten.
Es will darüber hinaus die Benutzer dazu anregen, sich hier und da selbst der fremden Metaphorik zu bedienen.
Zu wünschen ist, dass der Leser nicht nur philologisch auf seine Kosten kommt, sondern dass ihn auch die Perspektivität der jeweiligen Bilderwelten bereichert: mal nachdenklich stimmt, mal erheitert.
Angesichts des (unüberschaubar) weiten Feldes feststehender bildlicher Redewendungen war es unerlässlich, Grenzen für die Auswahl zu ziehen. Das vorliegende kleine Wörterbuch berücksichtigt nur Metaphern im Kontext, d. h. in satzwertigen oder Mehrwort-Verbindungen. Ausgeschlossen sind somit konventionelle (sog. lexikalisierte) Metaphern, die einen erheblichen Anteil am Wortbestand jeder Sprache haben und deren metaphorischer Ursprung meist nicht mehr bewusst wahrgenommen wird. Wörter wie »pomme de terre«, »chou-fleur« oder »feu rouge« gehören zum Fundamentalwortschatz des Französischen und sind in jedem Standardwörterbuch zu finden; auch etwas entlegenere Bilder wie »gratte-ciel« oder »larmes de crocodile« sind ohne gedankliche Umwege verständlich.
Dieses Ausschlusskriterium gilt auch für metaphorische Wendungen, deren Sinn sich durch wörtliche Übertragung ins Deutsche ohne Weiteres erschließt – wie beispielsweise »être la cinquième roue du carrosse«, »peser le pour et le contre«, »avoir un cœur d’or«. Denn so wie sich in der Bildsprache einer Sprachgemeinschaft das unverwechselbar Besondere ihrer Erfahrungen niedergeschlagen hat, so gilt das umgekehrt für einen Grundbesitz an kulturellen Erfahrungen, die eine Sprachgemeinschaft mit anderen teilt.
Unberücksichtigt in dieser Sammlung bleibt auch die große Fülle an Spruchweisheiten (proverbes), die – schon vom traditionellen Wortsinn her – einen eigenen Bereich, gekennzeichnet durch ihre lehrhafte Intention, beanspruchen.1 Was ihre volkstümliche Bildhaftigkeit anlangt, berühren sie sich zwar stellenweise mit modernen bildlichen Redewendungen, doch erlauben es ihr Lehrstück-Charakter und ihre eigene sprachliche Gesetzlichkeit (d. h. ihre unveränderliche Formulierung), sie gegen diese abzugrenzen.
Eingang gefunden in die vorliegende Sammlung haben metaphorische Wendungen aller Sprachebenen, von der »hohen« Literatur bis zur derben Alltagssprache. Veraltete Bilder wurden dabei bewusst außer Acht gelassen.
Folgende Kriterien waren für die Aufnahme entscheidend:
Differenz zwischen Sinngleichheit und Bildgleichheit (im deutsch-französischen Sprachvergleich)
Originalität und innovativer Wert
Geläufigkeit bzw. Frequenz im Gebrauch
schwieriges Auffinden bzw. Nichtvorhandensein in Standardwörterbüchern.
Die Sammlung ist aus pragmatischen Gründen konsequent alphabetisch geordnet. Jede Wendung ist für sich glossiert, wobei Wiederholungen auf derselben Seite vermieden werden. Erklärt werden in der Regel alle Wörter, die im Thematischen Grund- und Aufbauwortschatz Französisch (Stuttgart: Klett 2000) nicht zum Grundwortschatz gehören. Da die meisten Wendungen der Umgangssprache angehören und mit übertragenen Bedeutungen spielen, wurde auf die Angaben »(fam.)« und »(fig.)« in der Regel verzichtet, zumal die Stilebene oft aus der Übersetzung hervorgeht. Wo eine Wendung als vulgär einzustufen ist, ist dies allerdings stets angegeben.
Berthe-Odile Simon-Schaefer
Expressions et locutions
A
abattre ses cartes / son jeu
die Karten auf den Tisch legen
accorder ses violons
sich einigen
accorder: (mus.) stimmen.
à corps perdu
mit Leidenschaft
aggraver son cas
sich selbst schaden
aggraver: verschlimmern.
agir/travailler sous le manteau
etwas heimlich tun, verdeckt ermitteln
sous le manteau: unter der Hand, hintenherum.
À la guerre comme à la guerre!
Augen zu und durch!
à la queue leu leu
im Gänsemarsch
la queue: Schwanz. | le leu: (vx.) le loup.
aller à la dérive
den Bach runtergehen
la dérive: das Abdriften.
aller à Pétaouchnoc
nach Hintertupfingen gehen
Pétaouchnoc: an russische Städtenamen angelehnter Phantasiename; belegt seit den 1940er Jahren.
aller cueillir des fraises / des pâquerettes
für ein Schäferstündchen in den Wald gehen
cueillir: pflücken, sammeln. | la pâquerette: Gänseblümchen.
aller dans le sens du vent
sein Fähnchen nach dem Wind richten/drehen
le sens: hier: Richtung.
aller de mal en pis
vom Regen in die Traufe kommen/geraten
pis (Komparativ von mal): schlechter, schlimmer.
aller planter ses choux ailleurs
seinen Wohnort wechseln, beruflich umsatteln
le chou: Kohlkopf.
aller plus vite que la musique
voreilig/vorschnell/übereilt handeln
aller se faire voir
Va-te faire voir!: Scher dich zum Teufel!
aller se rhabiller
Va-te rhabiller! / Il peut aller se rhabiller: Aufforderung, mit der man sich einer unerwünschten Person entledigt
ameuter le ban et l’arrière-ban
die ganze Sippschaft/Clique zusammentrommeln
ameuter: alarmieren. | le ban: letztes Aufgebot.
amuser la galerie
für Erheiterung sorgen
annoncer la couleur
mit offenen Karten spielen
appeler un chat un chat
das Kind / die Dinge beim Namen nennen
apporter de l’eau au moulin de qn
Wasser auf jds. Mühle geben
le moulin: Mühle.
apporter un ballon d’oxygène
frischen Wind / eine frische Brise in etwas bringen
le ballon d’oxygène (méd.): Atembeutel (l’oxygène, m.: Sauerstoff.)
arranger le portrait à qn
jdm. die Fresse polieren
arrêter les frais
ein Ziel aufgeben
les frais (m. pl.): Kosten, Ausgaben.
arriver à ses fins
seinen Willen durchsetzen
la fin: hier: Ziel.
arriver après la bataille
(erst) kommen, wenn alles getan ist
arrondir les angles
die Wogen glätten
arrondir: abrunden. | un angle: Winkel.
arroser ses obligés
Schmiergeld zahlen
arroser: begießen. | un obligé: Person, der man zu Dank verpflichtet ist.
assurer ses arrières
sich ein Hintertürchen offenhalten
les arrières (m. pl.): (mil.) Etappengebiet, Nachschubgebiet.
au cul du loup
weit weit weg, am Arsch der Welt
au saut du lit
in aller Herrgottsfrühe
le saut (zu sauter): Sprung.
avaler des couleuvres
so manche Kröte schlucken, in den sauren Apfel beißen
la couleuvre: Natter.
avaler son dentier
verblüfft sein
le dentier: Gebiss
avancer en regardant dans le rétroviseur
auf der Stelle treten
avancer: vorrücken. | le rétroviseur: Rückspiegel.
avec armes et bagages
mit Kind und Kegel / mit Sack und Pack
une arme: Waffe.
avec perte et fracas
mit großem Getöse
la perte: Verlust. | le fracas: Krach.
avec tout le clinquant
mit großem Brimborium
le clinquant: Flitterkram.
avoir avalé un manche à balai
einen Stock verschluckt haben, steif/humorlos sein
le manche à balai (m.): Besenstiel.
avoir bon dos
für Fehler eines anderen verantwortlich gemacht werden
J’ai bon dos!: Mit mir könnt ihr es ja machen!
avoir bon pied bon œil
sehr rüstig sein
avoir carte blanche
freie Hand haben
avoir crevé
einen Platten haben
crever: bersten.
avoir d’autres chats à fouetter
Wichtigeres zu tun haben, andere Sorgen haben
fouetter: peitschen.
avoir de beaux restes
gut in Schuss sein
avoir des casseroles
(auch: tirer/traîner des casseroles derrière soi)
Flecken auf der weißen Weste haben, etwas zu verbergen haben, (pol.) (schwarze) Flecken haben
la casserole: Topf. – Das Bild des durch die Straßen gejagten Hundes, dem böse Buben laut scheppernde Blechdosen an den Schwanz gebunden haben, spricht für sich.
avoir des vues sur qn
ein Auge auf jdn. gworfen haben; Absichten auf jdn. haben
avoir du bol / du pot
Schwein haben
avoir du nez
Spürsinn haben
avoir du pain sur la planche
viel zu tun haben
la planche: Brett.
avoir du répondant
(1) Geld im Rücken haben; (2) Rückgrat haben
le répondant: Bürge.
avoir du toupet / du culot
dreist, frech sein
le toupet: Frechheit. | le culot: Frechheit, Chuzpe.
avoir l’âge de ses artères
sich so alt fühlen, wi
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