Читать книгу: «Seewölfe Paket 28», страница 18
Ahmed befand sich übergangslos auf den Planken eines fremden Schiffes, und er sah Männer, wie er sie auch noch nie gesehen hatte. Riesige breitschultrige Männer waren es, mit roten dunklen oder seltsam blonden Haaren. Und zwei Jungen sah er, nein, Männer waren das schon eher, die sich so glichen wie ein Ei dem anderen. Es war einfach unmöglich, sie zu unterscheiden. Sie musterten ihn aus eisblauen Augen, wirkten aber sehr freundlich.
Ahmed schaute verwirrt von einem zum anderen, als sich ihm ein schlanker hagerer Mann näherte, der ihm lächelnd die Hand auf die Schulter legte.
„Du brauchst keine Angst zu haben, mein Junge“, sagte der Kutscher freundlich.
Aber das verstand Ahmed natürlich nicht. Die Sprache war ihm absolut fremd. Er hatte sie noch nie gehört.
„Dieser räudige Wurm ist über Bord gesprungen“, sagte Tarsa erbost. „Aber mit voller Absicht.“
„Der Lümmel geht mich einen Dreck an!“ brüllte Ali zurück. „Soll er ersaufen, sollen ihn die Haie fressen, das interessiert mich nicht.“
„Es sollte dich aber trotzdem interessieren“, sagte Tarsa mit kalter Stimme. „Dieser Bastard könnte von Moshu aufgenommen werden und ihm Verraten, wo das Schatzversteck ist. Schließlich weiß er genau, wo wir die Beute versenkt haben.“
Ali fuhr herum, blickte Tarsa an und stierte dann ins Kielwasser, wo ein kleiner Punkt sich rasch entfernte.
„Verdammt! Manchmal hast du ganz gute Gedanken. Den Bastard müssen wir unbedingt wiederhaben, wenigstens zum Abmurksen, damit er nichts mehr verraten kann.“
Ali steigerte sich wieder in einen Wutanfall hinein.
„Wir kriegen ihn aber nicht mehr“, knurrte der feiste Kerl. „Die Laus ist weg, und wir müssen ebenfalls zusehen, daß wir verschwinden.“
„Dann schießt sie ab!“ rief Ali wild.
Tarsa zuckte gleichmütig mit den Schultern und wandte den Blick ab.
„Dazu ist es auch zu spät, verdammt noch mal.“
„Vielleicht erzählt er auch gar nichts“, meinte Ali nach einer Weile. „Was hat er schließlich davon?“
Der Blick des Tonnenmannes war tückisch. Auf seinen wulstigen Lippen lag ein hämisches Grinsen.
„Ich glaube“, sagte er, „das war der kleine Bastard, dessen Vater wir mal erstochen haben. Genauer gesagt, du hast ihn erstochen, Sidi, was natürlich kein Vorwurf sein soll. Ich bin sicher, daß er es war, und er wird dich erkannt haben. Vielleicht hat er dir Rache geschworen, aber weil er dazu zu klein ist, versucht er es jetzt auf eine andere Art. Sicher wird er Moshu auch sagen, daß wir keine Drehbassen mehr an Bord haben und unbewaffnet sind.“
Ali blickte wieder ins Kielwasser. Diesmal war sein Blick wild und gehetzt, als er den winzigen Punkt sah. Trotzdem war er erleichtert, denn die Sambuke hatte nicht weiter aufgeholt. Er konnte Moshu und seiner Bande doch noch entwischen, zumal es auf den späten Nachmittag zuging und es in ein paar Stunden dunkel wurde. Dann konnte Moshu genausogut einen Sandfloh in der Wüste suchen.
Aber er sah noch etwas anderes in weiter Ferne. Das waren drei winzige Masten, die wie unbeweglich an der Kimm standen. Sie rückten nicht näher und fielen wieder ganz langsam zurück.
„Nimm den Kieker und glotz durch“, befahl er dem Tonnenmann. „Behalte den Bastard genau im Auge. Ich will wissen, ob er tatsächlich von der Sambuke aufgenommen wird. Vielleicht kümmern die sich einen Scheiß um den Lümmel und lassen ihn einfach ersaufen. Ach was, Moshu wird sich ganz sicher nicht die Zeit nehmen, einen räudigen Köter aus der See zu fischen, wenn er hinter uns her ist.“
„Die Möglichkeit besteht aber“, widersprach Tarsa. Er durfte sich als einziger an Bord diesen Ton herausnehmen, und hin und wieder machte er reichlich Gebrauch davon.
Trotzdem nahm er gehorsam den Kieker und suchte den winzigen Punkt im Wasser.
Nach einer Weile hatte er ihn wieder. Der Bengel schwamm ganz ruhig in der See, als sei nichts geschehen. Vor Haien, die sich hier herumtrieben, hatte er offenbar auch keine Angst. Wenn er so weiterschwamm, dann mußte er schon bald auf die Sambuke stoßen.
Ali drehte sich um und grinste tückisch.
„Moshu wird ihn nicht an Bord nehmen“, sagte er dann sehr bestimmt. „Aber das werde ich gleich ganz genau wissen.“
„Du bist deiner Sache sehr sicher, Sidi.“
„Klar, denn ich kann auch denken. Paß mal auf!“
Er trat dem Rudergänger kräftig in den Hintern, daß der mit einem überraschten Schrei auf den Planken landete, und übernahm es selbst.
Dann drehte er die Sambuke hart nach Steuerbord. Dabei grinste er über seinen Einfall bis zu den Ohren.
„Paß mal auf, was sie jetzt tun.“
Der Tonnenmann schluckte. An diese einfache Möglichkeit hatte er nicht gedacht. Gespannt peilte er durch das Spektiv.
Der Schwenk nach Steuerbord war noch nicht richtig vollzogen, als auch die Sambuke des anderen Piraten den Kurs wechselte. Damit geriet der schwimmende Junge zwangsläufig aus dem Kurs. Er hatte jetzt nicht mehr die geringste Chance, an Bord genommen zu werden.
Den Tonnenmann ärgerte es, daß dieser miese, aber wirkungsvolle Trick nicht ihm selbst eingefallen war.
Ali hielt sich den Bauch vor Lachen. Er zog den Rudergänger am Ohr herbei und stellte ihn wieder ans Ruder. Immer noch konnte er sich vor Lachen kaum beruhigen.
„So einfach geht das. Jetzt schwimmt der Bastard sehr weit an der Sambuke vorbei.“
Er riß Tarsa den Kieker aus der Hand, um sich an dem entsetzten Gebaren des Jungen zu erfreuen. Als er jedoch einen Blick hindurchwarf, wurde sein Gesicht immer nachdenklicher und ratloser.
Der „Bastard“ dachte überhaupt nicht daran, jetzt zu winken oder zu schreien. Er schwamm auch seltsamerweise nicht zum Land hin. Er nahm Kurs auf die drei Masten, die kaum an der Kimm zu sehen waren.
„Was soll das?“ flüsterte Ali kaum hörbar.
„Vielleicht läßt er sich von den Giaurs aufnehmen“, sagte Tarsa, „und zeigt den ungläubigen Christenhunden, wo es was zu holen gibt. Denn das sind ganz sicher die Kerle, mit denen wir zusammengetroffen sind.“
Ali dachte noch mit wilder Wut daran, wie die Christenhunde ihnen ganz unerwartet eine Breitseite gezeigt hatten.
Wenn das aber wirklich der Fall war, was Tarsa vermutete, dann wollte er auch diese Giaurs überlisten. Die ließen sich leichter übertölpeln als Moshu, denn sie kannten sich hier nicht aus. Davon war jetzt im Moment aber noch nicht die Rede. Ali wollte erst Moshu von seiner Fährte locken, dann war der Junge dran, den er zum Schweigen bringen würde.
„Na schön“, knurrte er bösartig. „Den Bengel kriegen wir schon noch, und wenn wir uns später an der Schatzstelle auf die Lauer legen. Dann haben wir auch gleich die anderen.“
Der Punkt in der See war nicht mehr zu erkennen. Er war immer kleiner geworden.
Ali segelte wieder in das Labyrinth der vielen kleinen Inseln hinein und versuchte, die Sambuke über die Untiefen zu locken.
Kurz bevor die Dunkelheit hereinbrach, zeigte sich ein Erfolg. Sie hatten die Sambuke abgeschüttelt, sie war nicht mehr zu sehen.
Erst viel später, als Ali ein paar Posten an Land geschickt hatte, wurde ihm gemeldet, daß Moshu auf Ostkurs gegangen wäre. Anscheinend hatte er aufgegeben und wollte sich nicht länger an der Nase herumführen lassen, damit sein Ansehen nicht litt.
Noch am späten Abend lief Ali den Ort Umm Said an und besorgte sich bei einem alten durchtriebenen Schlitzohr neue Drehbassen. Die versenkten Waffen konnte er später immer noch holen, die liefen ihm nicht davon. Jetzt war er vollauf zufrieden – bis auf den Jungen, von dem er nicht wußte, wo er sich befand.
Blieben noch die Giaurs, falls die ihn an Bord genommen hatten. Ali traute sich zu, auch mit denen fertig zu werden. Er hatte sich nur von ihnen überraschen lassen.
Ein zweites Mal würde ihm das nicht mehr passieren.
9.
Zunächst einmal wurde Ahmed verköstigt und kriegte zu essen und zu trinken. Dann versorgte ihn der Kutscher und war erstaunt, daß das Kerlchen sich so schnell erholte. Geradezu verblüfft waren sie über die Kondition des Jungen.
Danach stellte sich heraus, daß die Zwillinge wieder einmal unentbehrlich waren, was die Verständigung betraf. Sie konnten sich mit Ahmed zwar nicht fließend unterhalten, aber die Verständigung klappte nach einem kleinen Mißverständnis einwandfrei.
Ahmed erzählte den staunenden Zwillingen seine Geschichte, und die wiederum übersetzten und verklarten es den anderen, die ebenfalls am Staunen waren.
Das Schicksal des kleinen Ahmed bewegte sie jedoch alle.
„Hier spielen sich kleine Tragödien ab, an denen wir unbemerkt vorbeisegeln“, sagte Vater Hasard. „Aber jetzt haben wir einen Überblick und wissen, woran wir sind. Wir werden den Jungen zu seinem Onkel zurückbringen, falls dieser Selim noch lebt.“
Die Zwillinge grinsten bis an die Ohren, als sie sich weiter mit Ahmed unterhielten.
Die anderen standen daneben und kapierten kein Wort. Sie mußten immer auf die Übersetzung warten, auf die „Verklarung“, wie der Profos mißmutig sagte. Er lauschte und rieb sich das mächtige Amboßkinn.
„Da steht man rum wie ein Quallenkacker und kapiert kein einziges Wort“, motzte er. „Ich komme mir richtig bescheuert vor. Warum kann ich diese Sprache nicht auch sprechen?“
„Alles kann man eben nicht“, sagte der Kutscher. „Man muß ja auch nicht immer alles können, sonst wäre man ein großer Klugscheißer.“
„Bist du sowieso“, murrte Carberry. „Erzählen die sich jetzt Witze, weil sie dauernd so grinsen?“
„Vielleicht können die Herren Söhne mal wieder Laut geben“, sagte Vater Hasard. „Eine kleine Übersetzung hin und wieder würde erheblich mehr zur allgemeinen Erheiterung beitragen.“
„Gleich, Dad, Sir“, sagte Philip feixend. „Gleich erfahrt ihr einen ganz dicken Hund.“
Sie alle warteten auf den „ganz dicken Hund“, aber zwischen den dreien gab es noch ein endloses Palaver, bis es soweit war. Dann übersetzten die Zwillinge grinsend.
„Dieser Schnapphahn Ali hat einen Handelsfahrer überfallen, der nach Basra unterwegs war, und ihn ausgeraubt. Ali wiederum wurde von einem anderen Halunken gejagt, weil der in seinem Revier wildert. Und jetzt kommt der dicke Hund. Der Schnapphahn hat ein paar Truhen mit Silber, Gold und Perlen über Bord geworfen und seine Drehbassen gleich dazu, um dem anderen zu entkommen. Offenbar ist ihm das auch gelungen, denn die Sambuke mit den roten Segeln hat abgedreht und ging auf Ostkurs. Das haben wir ja noch so ungefähr gesehen.“
„Und das soll der dicke Hund sein?“ fragte der Profos enttäuscht. „Bei dem kann man aber die Rippen zählen.“
Jung Hasard zeigte auf Ahmed.
„Er kennt die Stelle genau, wo die Truhen und Drehbassen versenkt wurden. Er würde sie sogar bei Dunkelheit finden. Es scheint sich um eine ungeheure Beute zu handeln, einen richtigen Schatz.“
„Und in welcher Tiefe soll der liegen?“ fragte der Seewolf.
„An einer ziemlich seichten Stelle, ungefähr vier Yards tief. Dort liegt alles auf dem Grund.“
„Eine Menge Leute haben dafür ihr Leben hergeben müssen“, sagte Hasard nachdenklich.
„Stimmt, aber für den Tod dieser Leute ist der Pirat verantwortlich“, wandte der Kutscher ein. „Und er wird sich diese Beute früher oder später ganz sicher holen. Es geht mir gegen den Strich, das so einfach zuzulassen, Sir.“
„Mir auch“, sagte Hasard seufzend. „Aber ich habe da eine Idee. Wir werden morgen bei Tagesanbruch nachsehen, was es damit auf sich hat, und wenn wir das Zeug wirklich finden, dann, so meine ich jedenfalls, sollten wir es dem Jungen und seinem Onkel überlassen, damit sie ein sorgenfreies Leben führen können. Wir selbst sind schließlich keine armen Leute, und ich möchte auch nicht, daß sich die Blutsäufer und Schnapphähne daran schadlos halten. Was meint ihr dazu?“
Die Arwenacks waren wieder mal einhelliger Meinung und stimmten begeistert zu.
„Klar, das ist eine feine Sache“, ereiferte sich der Profos. „Sag dem Jungen, daß wir diesem Ali die Haut in Streifen von seinem Piratenarsch abziehen werden, wenn er unseren Kurs kreuzt oder uns in die Quere gerät.“
„Das läßt sich schwer übersetzen“, wandte Jung Hasard ein. „Es hört sich auch nicht besonders gut an.“
„Wie wär’s dann mit Affenarsch?“ schlug der Profos vor.
„Das versteht er vielleicht auch nicht.“
„Schade“, bedauerte Carberry. „Dabei hört sich das immer so eindrucksvoll an. Davon hat schon mancher das kalte Grausen gekriegt.“
„Stellt euch das nicht als einen Spaziergang vor“, warnte der bedächtige Ben Brighton. „Wir haben die Bekanntschaft mit der schwarzen Sambuke bereits geschlossen. Der Kerl, der sie befehligt, ist hinterhältig, bösartig und gemein. Er geht über Leichen, und er wird sich die Beute nicht entgehen lassen. Er wird alles dransetzen, um sie zu erwischen.“
Der Profos tat das mit einer Handbewegung ab.
„So schlimm kann das nicht werden. Hast du schon vergessen, daß es auf diesem Schlickrutscher keine Drehbassen mehr gibt? Der Halunke hat sie doch ebenfalls versenkt, um leichter und schneller zu sein. Der wird bereits die Flucht ergreifen, wenn er uns nur sieht.“
„Vielleicht ist er längst da“, sagte Hasard, „hat zuerst die Drehbassen geholt und kümmert sich dann um die Beute, damit ihm keine Überraschung bevorsteht. Seid ihr auch ganz sicher“, fragte er dann seine beiden Söhne, „daß es wirklich Schatztruhen sind? Wer weiß, was er in seiner Aufregung gesehen hat.“
Ahmed wurde noch einmal eindringlich befragt. Er war ein ernster und nachdenklicher Junge, der nichts übertrieb und der sich immer hart hatte durchs Leben schlagen müssen.
„Ich war dabei, und ich habe alles mit meinen eigenen Augen gesehen“, sagte er feierlich. „Das schwöre ich bei Allah.“
„Und aus welchem Grund gibt er uns das Geheimnis preis?“ erkundigte sich Vater Hasard. „Er kennt uns doch gar nicht. Wir könnten uns diese Truhen ja ebenfalls aneignen.“
Darauf hatte Jung Hasard auch schon eine Antwort.
„Er will seinen ermordeten Vater rächen, sagt er. Aber er selbst ist zu klein und unbedeutend, als daß er Ali etwas anhaben kann. Er will nicht, daß ihm diese Beute in die Hände fällt, weil Ali immer die Perlenfischer ausraubt.“
„Das ist natürlich ein Grund“, meinte Hasard. „Ich kann den Jungen in seiner Hilflosigkeit, aber auch in seinem Haß auf diese Bande durchaus verstehen. Ja, er ist völlig hilflos der Willkür dieser Halunken ausgesetzt. Gut, wir segeln zu der Stelle hin, aber nicht mehr heute nacht. Der Küstenverlauf ist mir zu tückisch. Wir werden uns das bei Tageslicht betrachten. Dann sieht auch alles ganz anders aus.“
Carberry rieb sich in der Vorfreude auf eine kräftige Holzerei schon wieder die Hände.
„Mit dem Rübenschwein, dem hinterhältigen, ist sowieso noch eine Rechnung offen“, erklärte er. „Und ich sitze nicht gern auf Rechnungen herum, die begleiche ich lieber bei der nächst besten Gelegenheit.“
Die anderen waren einverstanden, daß sie diesen Ali das Fürchten lehren wollten.
Die „Santa Barbara“ ging vor Anker, um bei Tagesanbruch loszusegeln.
Aber der Araberjunge Ahmed mußte an diesem Abend noch viel erzählen, und so vernahmen die staunenden Mannen zum ersten Male von den Schwarzen Tränen Allahs, die Ahmed einmal in seinem Leben gefunden und gleich wieder verloren hatte. Und sie erfuhren noch mehr über die Perlenfischer, Piraten und Schnapphähne, die es in dieser Gegend gab. Ahmed warnte sie auch vor Moshu el Kekir, der hier an der Küste und weiter oben sein Unwesen trieb.
Als sich die Sonne langsam über der östlichen Kimm in die Höhe tastete, wurde der Anker gehievt. Sie setzten die Segel und nahmen Kurs auf die „Schatzstelle“.
Es war nicht allzu weit bis dorthin, aber leider war das Gewirr der Inseln unübersichtlich, und eine schlanke Sambuke konnte sich dort hervorragend verbergen.
Eine Stunde später deutete Ahmed, der als Lotse fungierte, aufgeregt auf eine kleine Insel, die dicht bewachsen war.
„Gleich dahinter ist es!“ rief er. „Das Wasser wird da flacher, aber man kann hindurchsegeln!“
Die „Santa Barbara“ steuerte die Insel vorsichtig an. Die Ausgucks waren doppelt besetzt und suchten mit Spektiven alles ab.
Als die bezeichnete Stelle vor ihnen lag, war von einer schwarzen Sambuke weit und breit nichts zu sehen.
„Vielleicht haben sie heute nacht schon alles abgeräumt“, meinte Don Juan. „Oder sie lauern weiter hinten auf uns. Aber sie haben keine Drehbassen mehr, wie der Junge sagte.“
Hasard nickte flüchtig. Alles an ihm war gespannte Aufmerksamkeit. Er rechnete mit einem blitzartigen Überfall, trotz der fehlenden Drehbassen. Möglicherweise hatte Ali wieder welche.
Dann hatten sie die Stelle erreicht, und immer noch blieb alles verdächtig ruhig. Nur ein paar Vögel flogen kreischend auf.
Auf der „Santa Barbara“ war Gefechtsbereitschaft angeordnet. Alle Stücke waren geladen, die Rohre ausgerannt und feuerbereit. Etliche Arwenacks standen sprungbereit da.
Ahmed zeigte genau die Stelle, wo die Truhen versenkt worden waren. Smoky entdeckte auf dem kristallklaren Grund gleich darauf eine Drehbasse, die zwischen Korallen lag.
Als er seinen Fund meldete, rief der Ausguck: „Die Sambuke taucht auf!“
Sie kam fast aus dem Dickicht, und sie erschien von einem Augenblick zum anderen, obwohl vorher nichts zu sehen gewesen war. An Deck sah man sie immer noch nicht.
„Also doch“, sagte Hasard. „Dann ist der Schnapphahn auch wieder bewaffnet. Weiß der Teufel, wie er das geschafft hat. Feuer frei, sobald sie in Schußweite ist.“
Ali Ben Chufru tauchte auf, doch er schickte seine heißen Grüße schon los, als er immer noch nicht zu sehen war.
Drei Drehbassen wurden abgefeuert. Durch das Gestrüpp zuckten Blitze, ein Blei- und Eisenhagel fegte zwischen den Verhau, zerfetzte ihn und siebte durch das Wasser.
Der Bug der schwarzen Sambuke rundete die Spitze. Das wendige Schiff mußte ein wenig abfallen.
Hasard sah mit einem Blick, daß es den Schnapphähnen gelungen war, eine der Truhen bereits zu bergen. Jedenfalls stand eine große eisenbeschlagene Truhe wie zum Hohn an Deck. Vielleicht hatten sie die schon in aller Frühe nach oben geholt.
Ein Siebzehnpfünder donnerte mit Getöse und wildem Donner los. Al Conroy hatte gefeuert, und er traf grundsätzlich das, was er wollte, wenn die See so ruhig war wie jetzt.
Der Blitz hatte noch nicht richtig das Rohr verlassen, als der Bug der Sambuke splitterte. Eine ganze Ladung Holz flog in hohem Bogen davon und schien noch einmal in der Luft zu explodieren.
Die Sambuke krängte hart über und lief aus dem Kurs.
Wütendes Geheul und lautes Gebrüll waren zu hören. Zwei Drehbassen wurden abgefeuert. Zwei kleinere Brocken trafen das Schanzkleid der Galeone und hinterließen faustgroße Löcher.
Drüben versuchte Ali verzweifelt, seine Sambuke wieder auf Kurs zu bringen, doch das brauchte Zeit, und bis er die gefunden hatte, handelten die Arwenacks.
Drei Culverinen brüllten gleichzeitig auf. Die „Santa Barbara“ bebte in allen Verbänden. Zwei schwenkbare Drehbassen fielen in das Gebrüll mit ein und schickten einen tödlichen Hagel hinüber. Drüben fielen die Kerle wie umgemäht auf die Planken.
Alle drei Siebzehnpfünder saßen voll im Ziel. Der Rumpf der Sambuke riß an drei Stellen auf, Holz flog nach innen, ein Wasserschwall folgte.
Als die Sambuke sich noch weiter zur Seite neigte, feuerte Al Conroy die nächste Culverine ab.
Die Kugel durchbrach das Schanzkleid, krachte in die Truhe und sprengte sie auseinander.
Fassungslos sahen die Seewölfe, wie sich ein schimmernder Regen aus Gold und Silber ins Meer ergoß. Ein Teil des Decks zerplatzte wie eine angestochene Seifenblase. Planken wirbelten durch die Luft.
Pete Ballie zeigte den Schnapphähnen die andere Seite des Schiffes. Dort blitzte es jetzt wieder brüllend auf. Feuerlanzen schienen direkt in die Sambuke zu rasen und sich hineinzufressen.
Ein Feuer flackerte drüben auf. Schreiende Galgenvögel brachten sich in Sicherheit, doch es gab keine mehr.
Batuti und Ferris Tucker räumten mit zwei Flaschenbomben das Achterdeck ab, wo die Piraten in die Knie gingen.
„Das ist er!“ schrie Ahmed. „Das ist er!“ Aufgeregt deutete er auf einen bärtigen Kerl, der den Kopf in den Nacken warf, die Brust rausdrückte und dann aufschreiend über Bord ging.
Bei den anderen herrschte totale Wuhling. Zwei Kerle versuchten noch einmal, die Drehbassen abzufeuern. Zwei Musketenschüsse holten sie von den Beinen.
Die Sambuke trieb vorbei. Sie brannte an mehreren Stellen, und ihre Schlagseite wurde immer stärker.
Goldstücke rutschten über das Deck, ein paar Silberbarren folgten zusammen mit Splittern der Truhe. Es schimmerte und gleißte sekundenlang grell auf, dann verschwand ein Teil der Beute im Meer.
Von Alis Schnapphähnen trieben die meisten tot im Wasser. Er selbst war untergegangen und verschwand unter seinem brennenden Schiff, das langsam in die Tiefe sackte. Drei oder vier weitere Kerle versuchten, sich auf eine der zahlreichen Inseln zu retten. Bevor sie Land erreicht hatten, flog die Sambuke mit einem brüllenden Donnerschlag auseinander. Ein greller Blitz wirbelte Reste von Planken hoch in die Luft. Die restlichen drei oder vier Kerle würden von dem gewaltigen Druck ins Wasser geschleudert.
An jener Stelle gurgelte und blubberte noch einmal das Wasser, dann kehrt langsam Ruhe ein.
Hasard sah sich ernüchtert um. Sie hatten zwei Treffer erhalten, die nicht der Rede wert waren.
Stunden später bargen sie zwei kleinere Truhen. Den Rest hatte das Meer verschlungen. Aber es lag nicht sehr tief im Wasser. Es war ihnen nur zu mühselig, den „Krempel pfundweise zu holen“, wie der Seewolf das ausdrückte. Vielleicht konnte Ahmed hier später einmal fündig werden.
Einen Tag später nahmen sie Kurs auf Quatar, und ein paar Stunden später entdeckten sie Selim, den Perlenfischer. Er hatte keine Tartane mehr, der Sturm hatte sie verschlungen, aber er hatte sich an Land retten können.
Mit Tränen in den Augen schloß er seinen Neffen in die Arme, den er längst totgeglaubt hatte.
Als Hasard ihm durch seine Söhne übersetzen ließ, daß sie von nun an keine Sorgen mehr zu haben brauchten, erlitt der Onkel einen Anfall, und der Kutscher mußte sich einen ganzen Tag lang um ihn kümmern. Dann war Selim wieder auf der Höhe.
Die Arwenacks segelten nach einem werteren Tag Aufenthalt weiter. Die beiden winkten ihnen nach, solange sie die Mannen sehen konnten.
Carberry grinste zum fernen Land hin und sagte: „Wenn ich bei jeder Silbertruhe einen Anfall kriegte, dann wäre ich längst tot.“
„Bist du auch längst“, sagte Old O’Flynn mit Grabesstimme. „Du bist nur zu faul zum Umfallen – genau wie ich.“
Die Arwenacks segelten weiter, sie wollten nach Norden …
ENDE