Robinson Crusoe's Reisen, wunderbare Abenteuer und Erlebnisse

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Robinson Crusoe's Reisen, wunderbare Abenteuer und Erlebnisse

1  Robinson Crusoe's Reisen, wunderbare Abenteuer und Erlebnisse

2  Inhalt

3  Erstes Kapitel. Robinsons Jugend und erste Fahrten, von ihm selbst erzählt.

4  Zweites Kapitel. Robinsons Gefangenschaft und Flucht.

5  Drittes Kapitel. Robinson als brasilischer Pflanzer.

6  Viertes Kapitel. Rettung nach dem Schiffbruch.

7  Fünftes Kapitel. Robinsons Tagebuch.

8  Sechstes Kapitel. Robinson als Handwerker und Ackersmann.

9  Siebentes Kapitel. Robinson als Bäcker und Schiffbauer.

10  Achtes Kapitel. Robinsons unglückliche Bootfahrt.

11  Neuntes Kapitel. Robinson entdeckt Spuren von Menschen.

12  Zehntes Kapitel. Stillleben mit Unterbrechungen.

13  Elftes Kapitel. Zusammenstoß mit den Kannibalen.

14  Zwölftes Kapitel. Eine Zeit großer Ereignisse.

15  Dreizehntes Kapitel. Durch Kampf zum Sieg.

16  Vierzehntes Kapitel. Robinsons Abreise von seiner Insel.

17  Fünfzehntes Kapitel. Aufenthalt in England und neue Reise.

18  Sechzehntes Kapitel. Die Schicksale der Kolonie.

19  Siebzehntes Kapitel. Fortgang und Schluß von Robinsons Weltfahrt.

Robinson Crusoe's Reisen, wunderbare Abenteuer und Erlebnisse

The Project Gutenberg EBook of Robinson Crusoe's Reisen, wunderbare

Abenteuer und Erlebnisse, by Daniel Defoe

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Title: Robinson Crusoe's Reisen, wunderbare Abenteuer und Erlebnisse

Author: Daniel Defoe

Illustrator: F. H. Nicholson

Release Date: November 1, 2019 [EBook #60344]

Language: German

*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ROBINSON CRUSOE'S REISEN ***

Produced by Peter Becker, Heike Leichsenring and the Online

Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This

file was produced from images generously made available

by The Internet Archive)


Robinson und seine Familie.

Fürs Deutsche bearbeitet nach dem Original

des

Daniel de Foe

Zwanzigste Auflage

Mit 41 Text-Abbildungen

nebst vier Farbendruckbildern nach Zeichnungen von F. H. Nicholson


Leipzig

Verlag von Otto Spamer

1904

Inhalt


Inhaltsverzeichnis
Seite
Erstes Kapitel.
Robinsons Jugend und erste Fahrten, von ihm selbst erzählt 1
Robinsons Herkunft. – Hang zum Seeleben. – Unterredung mit seinem Vater. – Besuch in Hull. – Er geht zur See. – Sturm. – Des Schiffes Untergang auf der Reede zu Yarmouth. – Robinsons Unschlüssigkeit. – Reise nach London.
Zweites Kapitel.
Robinsons Gefangenschaft und Flucht 16
Robinsons Gefangenschaft in Saleh. – Flucht mit Xury. – Ankunft in Brasilien.
Drittes Kapitel.
Robinson als brasilischer Pflanzer 24
Robinsons Aufenthalt in Brasilien als Pflanzer. – Eine neue Reise. – Schiffbruch.
Viertes Kapitel.
Rettung nach dem Schiffbruch 31
Robinson schwimmt an das Wrack. – Erbauung eines Flosses. – Glückliche Landung mit der Fracht. – Tägliche Fahrten nach dem Wrack. – Errichtung seiner Wohnung. – Erbeutung von Ziegen. – Robinsons Kalender. – Tagebuch.
Fünftes Kapitel.
Robinsons Tagebuch 45
Neujahr. – Sicherung der Hütte. – Wilde Tauben. – Beleuchtung. – Getreideähren. – Erdbeben. – Ein Schleifstein. – Ein Fäßchen Pulver. – Zertrümmerung des Wracks. – Fischjagd. – Schildkröten. – Krankheit. – Nächtlicher Traum. – Fieber. – Reuige Betrachtungen. – Wiederherstellung durch Tabak. – Bibelfund. – Pflanzen und Früchte im Innern der Insel. – Bau eines Landhauses. – Die Katze und ihre Jungen. – Jahrestag der Landung. – Ernteerfolge.
Sechstes Kapitel.
Robinson als Handwerker und Ackersmann 57
Robinson säet Getreide. – Korbflechterei. – Töpferarbeiten. – Weitere Entdeckungsreisen auf der Insel. – Tierreicher Küstenstrich. – Robinson bringt einen Papagei sowie eine Ziege nach Hause. – Tröstliche Gedanken über Sonst und Jetzt. – Tageseinteilung. – Verheerung des Getreidefeldes. – Exekution an den Kornplünderern. – Kleine Ernte.
Siebentes Kapitel.
Robinson als Bäcker und Schiffbauer 67
Robinson macht sich einen Mörser und ein Sieb. – Ernte. – Brotbacken. – Vergebliche Anstrengungen wegen der Schaluppe. – Robinson baut ein Boot: vereitelte Hoffnungen. – Rückblicke auf das dreijährige Inselleben. – Trauriger Zustand der Kleidung. – Robinson wird Schneider.
Achtes Kapitel.
Robinsons unglückliche Bootfahrt 77
Gefährliche Seereise. – In die See hinausgetrieben. – Sehnsuchtsvolle Betrachtungen. – Die beiden Strömungen und glückliche Landung. – Des Papageis Ruf. – Robinsons »Familie«. – Ziegenfang und Ziegenpark. – Schneiderkünste. – Neue Beobachtungen. – Rückblicke.
Neuntes Kapitel.
Robinson entdeckt Spuren von Menschen 84
Neuer Ausflug auf Entdeckungen. – Menschliche Spuren. – Robinsons Bangen. – Untersuchung der Fußspuren. – Allerlei seltsame Gedanken.
Zehntes Kapitel.
Stillleben mit Unterbrechungen 99
Robinsons Menagerie. – Viehzucht und Bierbrauerei. – Neuer Besuch von Wilden. – Das Wrack. – Ein neuer Freund. – Reiseträume.
Elftes Kapitel.
Zusammenstoß mit den Kannibalen 112
Landung der Wilden. – Die beiden Schlachtopfer. – Der Flüchtling und sein Beschützer. – Reste des Kannibalenschmauses. – Freitags Dankbarkeit. – Seine Ausstattung. – Erste Sprechstudien. – Freitag als Koch und Bäckerlehrling. – Nachrichten über die Nachbarländer. – Die Kariben und ihre religiösen Anschauungen.
Zwölftes Kapitel.
Eine Zeit großer Ereignisse 131
Bau eines neuen größeren Bootes. – Probefahrten. – Neuer Kannibalenbesuch. – Der Kampf mit den Wilden. – Der Spanier und Freitags Vater. – Verpflegung der Befreiten. – Bestattung der Gefallenen. – Geschichte des Spaniers. – Zukunftspläne.
Dreizehntes Kapitel.
Durch Kampf zum Sieg 151
Abreise von Caballos und Freitags Vater. – Ankunft weißer Männer. – Ein englisches Schiff. – Vergebliche Furcht vor Seeräubern. – Die Gefangenen. – Befreiung derselben. – Bestrafung der Meuterer. – Die Meuterer werden in die Irre geführt, überfallen und gefangen. – Wiedergewinnung des Schiffes. – Der englische Gouverneur.
Vierzehntes Kapitel.
Robinsons Abreise von seiner Insel 169
Robinson als Gouverneur und Richter. – Abschied von der Insel und deren Bevölkerung. – Ankunft in England. – Alles fremd in der Heimat. – Reise nach Lissabon. – Stand der brasilischen Besitzungen. – Der brave Portugiese. – Günstige Vermögenslage. – Landreise durch Spanien und Frankreich. – Wölfe in den Pyrenäen. – Freitag und der Bär. – Stillleben in London.
Fünfzehntes Kapitel.
Aufenthalt in England und neue Reise 185
Neue Reiselust. – Abfahrt. – Das Totenschiff. – Im Antillenmeer. – Der Büffeljäger. – Ankunft in der Kolonie.
Sechzehntes Kapitel.
Die Schicksale der Kolonie 195
Ankunft auf der Insel. – Freitag und sein Vater. – Bericht über die Wirren während der Abwesenheit des Gründers. – Neue Ordnung. – Weitere Reisepläne.
Siebzehntes Kapitel.
Fortgang und Schluß von Robinsons Weltfahrt 207
Abschied von der Kolonie. – Kämpfe zur See. – Freitags Tod. – Brasilien. – Sturm am Kaplande. – Verschlagen ins Eismeer. – Das »Venedig des Eismeeres«. – Gefangen im Eise. – Durchbruch. – Der verlassene Matrose. – Ein »Robinson« auf einer schwimmenden Eisscholle. – Irrfahrten. – Das Gespensterschiff. – Zusammenstoß mit den Kochinchinesen. – In China und Sibirien. – Rückkehr nach England. – Endliche Ruhe.
Buntbilder:
Robinson und seine Familie Titelbild
Robinson und seine Ziege Seite 46
Robinson und Freitag " 114
Unter den Wölfen " 180

 

Daniel de Foe.

Robinson Crusoe.

Erstes Kapitel. Robinsons Jugend und erste Fahrten, von ihm selbst erzählt.


Robinsons Herkunft. – Hang zum Seeleben. – Unterredung mit seinem Vater. – Besuch in Hull. – Er geht zur See. – Sturm. – Des Schiffes Untergang auf der Reede zu Yarmouth. – Robinsons Unschlüssigkeit. – Reise nach London.

Im Jahre 1632 erblickte ich in der Stadt York das Licht der Welt. Mein Vater, aus der Familie Creutznaer in Bremen stammend, hatte sich als Kaufmann in Hull, in England, niedergelassen. Hier war ihm das Glück hold, so daß es ihm gelang, sich ein ansehnliches Vermögen zu erwerben. Darauf zog er sich von den Geschäften zurück und siedelte nach York über, um seine ferneren Lebensjahre in Ruhe zu verbringen. Dort führte er meine Mutter heim; sie zählte zu einer alten und angesehenen Familie, Namens Robinson. So kam es, daß ich den Doppelnamen Robinson Creutznaer empfing; letzterer Name wurde indes durch die Leute gewöhnlich in Crusoe umgewandelt, wie man es in England oft findet. Wir behielten auch in der Folge diesen Namen bei.

Ich hatte zwei ältere Brüder; der eine diente als Oberstleutnant in einem englischen Infanterieregiment in Flandern und fand seinen Tod, als die Engländer unter Cromwell Dünkirchen den Spaniern abgewannen. Was aus meinem zweiten Bruder geworden ist, habe ich niemals erfahren, ebensowenig als meine Eltern je darüber Aufschluß erhielten, wie es mir selbst später ergangen ist.

Ich war also der dritte Sohn meiner Eltern und hätte eigentlich daran denken sollen, ihnen einmal eine Stütze zu werden. Ohne ernstlich die Wahl eines Lebensberufs zu erwägen, hing ich indessen abenteuerlichen Gedanken und Plänen nach; ich dachte nur an die Herrlichkeiten fremder Länder und träumte Tag und Nacht von Palmenwäldern, Goldbergen und den fabelhaften Schönheiten fremder Zonen. Nichts ging mir über das Leben eines Schiffers, der in seinem leichten Fahrzeuge sich auf dem blauen Meere wiegen und alle jene von mir erträumten Wunder mit Augen schauen kann.

Zwar ließ es mein Vater an guten Lehren und an Schulunterricht nicht fehlen, zumal er wünschte, daß ich späterhin ein Rechtsgelehrter werden sollte. Allein der Hang zum Seeleben, den weder seine ernstlichen Warnungen noch die schmeichelnden Bitten der Mutter verdrängen konnten, nahm meine Gedanken unwiderstehlich gefangen und ließ mir alles, was die Heimat bot, gleichgültig erscheinen.

Eines Morgens rief mich mein Vater in sein Zimmer, das er infolge der Gicht hüten mußte, und sprach zu mir in warmen und eindringlichen Worten.

»Mein Sohn«, begann er ernst und nachdrucksvoll, »du bist auf dem Wege, mir und deiner Mutter großen Kummer zu bereiten. Mein Sohn, ich meine es gut mit dir; laß ab von deinen abenteuerlichen Plänen! Du willst den heimischen Herd, das Vaterland verlassen; glaubst du, daß du es anderwärts besser findest als hier, wo dir bei Fleiß und Kenntnissen eine sorgenfreie Zukunft erblühen wird? Täusche dich nicht! Nur solche, die arm und hoffnungslos sind, oder die ein ungebändigter Ehrgeiz treibt, mögen durch außergewöhnliche und kühne Unternehmungen Glück und Ruhm erjagen. Für dich sind alle diese Dinge entweder zu hoch oder zu niedrig. Gewöhne dich, den Mittelstand, dem wir angehören, als den glücklichsten Stand anzusehen. Ist er nicht der Wunsch aller? Gar manche Könige, in Glanz und Prunk aufgewachsen, hätten gern den goldenen Thron mit dem bescheidenen Handwerk vertauscht. Selbst der weiseste Herrscher hat einst den Mittelstand als den glücklichsten gepriesen, indem er Gott bat, ihm weder Reichtum noch Armut zu geben! Wer hier die Mittelstraße geht, den stacheln weder Neid noch glühende Wünsche des Ehrgeizes, noch wohnen in ihm Stolz und Mißgunst.«


Robinson Crusoe wird von seinem Vater ermahnt.

So ermahnte mich mein Vater eindringlich, nicht mich selbst ins Elend zu stürzen. Er gab mir seine väterliche Absicht kund, daß er alles aufbieten würde, um mich auf der Laufbahn, die er für mich bestimmt habe, so freigebig zu unterstützen, als es mir in jeder Weise förderlich sein würde.

»Beherzige meine Worte!« fuhr er fort. »Dasselbe sagte ich auch deinen Brüdern, aber sie gingen ihren eignen Weg. Was war ihr Los? Fern vom Heimatshaus fiel dein ältester Bruder auf flandrischer Erde, und wo das Gebein deines zweiten Bruders modert, das weiß Gott allein. Glaube mir, deinem Vater, der nur auf das Glück deiner Zukunft bedacht ist; folgst du meinen Ermahnungen nicht, unternimmst du den unüberlegten Schritt, aufs Geratewohl in die weite Welt hinauszustürmen, so wirst du sicherlich eines Tages, wenn das Unglück bei dir einkehrt und niemand der Deinen um dich ist, bitter bereuen, daß du meine Mahnungen nicht beachtet hast.«

Tief ergriffen hielt er nach diesen Worten inne, während Thränen der Wehmut und Rührung seine Wangen netzten.

In jener Stunde nahm ich mir vor, gehorsam dem Willen meines Vaters mich zu beugen. Doch schon nach wenigen Tagen erwachte die alte Sehnsucht aufs neue, und alle guten Vorsätze waren vergessen. Bei meinem Vater durfte ich nicht hoffen, mit meinen Bitten durchzudringen; deshalb versuchte ich meine Mutter günstig zu stimmen. Ihr stellte ich vor, daß mein Trieb, die Welt zu sehen, unüberwindlich sei, daß ich bereits im achtzehnten Jahre stehe und nun zu alt sei, um die juristische oder die kaufmännische Laufbahn zu betreten. Sie möge den Vater zu der Erlaubnis bewegen, mich wenigstens eine Reise unternehmen zu lassen; gefiele mir das Seemannsleben nicht, so wolle ich dann mit doppeltem Eifer das Versäumte nachholen.

Von diesen wiederholten Herzensoffenbarungen war meine besorgte Mutter durchaus nicht erbaut; sie sagte mir rundweg, daß es ganz zwecklos sei, mit dem Vater noch einmal über diesen leidigen Gegenstand zu sprechen. Trotzdem teilte sie gelegentlich die Unterredung dem Vater mit, und dieser gab ihr seufzend zur Antwort: »Der Junge könnte zu Hause ein ganz gutes Leben haben; geht er aber davon, so wird er der elendeste Mensch auf Erden. Ich gebe meine Einwilligung nicht!«

 

So verging abermals ein Jahr, währenddessen die wiederholten Ermahnungen meiner Eltern nur tauben Ohren gepredigt wurden. Eines Tages war ich nach Hull gegangen und traf dort zufällig mit einem alten Schulkameraden zusammen, der im Begriff stand, auf einem Schiffe seines Vaters nach London abzufahren. Er überredete mich, ihn zu begleiten, indem er mich nach Seemannsart mit den Worten lockte: »Die Fahrt soll dich nichts kosten, mein Junge.«

Mein Entschluß war gefaßt. Unbekümmert um die Sorgen der Eltern, bestieg ich das Schiff; es war am 1. September 1651.

Selten hat die Strafe für den Leichtsinn so schnell begonnen und so lange gedauert wie bei mir. Kaum waren wir aus dem Hafen ausgelaufen, als es zu stürmen begann und die See hohl ging. Ich hatte noch nie eine Seereise mitgemacht, und so ergriff mich denn die unerbittliche Seekrankheit. Jetzt überfiel mich auch schon die Reue über meine unbesonnene Handlungsweise; meine Gedanken kehrten ins Elternhaus zurück, wo gewiß Vater und Mutter unter Thränen vergeblich meiner Wiederkehr harrten.

Der Sturm brauste immer heftiger, das Schiff sank bald in den Abgrund, bald wurde es hoch emporgeschleudert – mich überkam namenlose Angst. In diesen qualenvollen Augenblicken gelobte ich, sofort wieder in das elterliche Haus zurückzukehren, wenn es nur Gott gefallen würde, mich aus der Gefahr zu erlösen. Als sich aber am nächsten Tage Sturm und Wellen gelegt hatten, waren auch alle meine guten Vorsätze dahin. Gegen Abend klärte sich das Wetter auf; die Sonne ging rein und glänzend unter, um am nächsten Morgen in gleicher Herrlichkeit wieder aufzugehen. Ihr heller Schein spiegelte sich auf der weiten Meeresfläche wider; ich konnte mich an diesem ungewohnten, prachtvollen Schauspiel nicht satt sehen.

Während der Nacht hatte ich gut geschlafen und mich auch von meiner Seekrankheit wieder erholt. Mein Blick schweifte über den glatten Spiegel des Meeres, dessen Wellen gestern noch so unheilvolles Verderben drohten. Eben stand ich in tiefes Sinnen versunken, da trat mein Freund, der mich zu dieser Seereise beredet hatte, an mich heran und sagte lachend:

»Nun, Robin, wie ist dir die Bewegung von gestern bekommen? Du hast dich doch wegen des kleinen Windstoßes nicht geängstiget?«

»Was? Windstoß? Ich habe in meinem Leben noch keinen solchen Sturm ausgestanden.«

»Das nennst du einen Sturm? Nichts war es. Hat man nur ein gutes Schiff und ist auf offener See, dann macht uns eine Mütze voll Wind mehr oder weniger nicht bange. Aber davon verstehst du noch nichts; du bist nur ein Süßwassermensch, mein Junge. Komm, wir wollen eine Bowle Punsch machen und alles vergessen. Sieh, was für prächtiges Wetter wir haben!«

Der Punsch wurde gebraut und ich mußte tüchtig trinken, als sei ich schon seit Jahren Matrose. Da ging im Rausche alle Reue über meinen Ungehorsam unter; ich vergaß alle guten Vorsätze. Zwar kamen noch Augenblicke, in denen meine Vernunft widersprach, doch sah ich bald in solcher Regung nur eine Schwäche und bemühte mich, meine Grillen, wie ich es nannte, dadurch zu vertreiben, daß ich lustige Gesellschaft aufsuchte und fleißig den Kameraden zutrank. Nach wenigen Tagen hatte ich mein Gewissen beschwichtigt und die Erinnerung an alle väterlichen Lehren übertäubt.

Am sechsten Tage unsrer Fahrt gelangte unser Schiff auf die Reede von Yarmouth; widrige Winde und Windstille hatten uns seit jenem Sturme nicht erlaubt, eine größere Strecke zurückzulegen, und wir sahen uns genötigt, vor Anker zu gehen. Der Wind, anfangs minder stark, wuchs aber bald bis zum Orkan; alle Hände mußten zugreifen, um die Stengen und Raaen zu streichen. Die Wellen schlugen über unser Schiff, und ein paarmal glaubten wir, unser Ankertau sei zerrissen. Auf Anordnung des Oberbootsmannes wurde nun der Taganker ausgeworfen, so daß wir sicherer vor zwei Ankern liegen konnten.

Der Sturm raste fort; Angst und Entsetzen lagerten sich auf den Gesichtern der Matrosen. Der Kapitän ließ alle Vorsichtsmaßregeln anwenden, sein Schiff zu erhalten; doch schien er schon selbst die Hoffnung aufzugeben, denn als er an meiner Schlafstelle vorüberkam, hörte ich ihn in die Worte ausbrechen: »Der Herr sei uns gnädig! Wir sind alle verloren!« – Da bemächtigte sich meiner eine solche Todesangst, daß ich für den ersten Augenblick wie gelähmt in der Kajütte liegen blieb. Ich vermag es nicht zu schildern, was ich fühlte! Dann aber sprang ich aus der Kajütte auf das Verdeck und schaute umher. Welch entsetzliches Schauspiel bot sich meinen Blicken! Die Wellen gingen bergehoch und brachen sich an unsern Schiffswänden nach je drei oder vier Minuten; wohin ich auch sehen mochte, erblickte ich nichts als Angst und Not. Zwei schwerbeladene Fahrzeuge, die sich in unsrer Nähe befanden, hatten ihre Masten am Fuße gekappt – – eine halbe Stunde von uns entfernt sahen wir ein Schiff untergehen. Zwei andre, von ihren Ankern losgerissen, wurden in die See hinausgeworfen. Die leichteren Fahrzeuge hatten weniger zu leiden; dennoch trieben zwei oder drei, nur mit dem großen Blindsegel versehen, bei uns vor dem Winde vorbei.

Gegen Abend baten der Hochbootsmann und der Steuermann den Kapitän um seine Einwilligung, den Vordermast zu kappen. Er mußte es schon zugeben, da der Hochbootsmann versicherte, das Schiff sei sonst unrettbar verloren. Als nun der Vordermast gefallen war, stand der große Mast ohne Stütze und erschütterte das Schiff so sehr, daß man sich genötigt sah, auch diesen umzuhauen.

Der Zustand, in welchem ich mich damals bei meiner Unerfahrenheit mit den Gefahren des Seelebens befand, ist unbeschreiblich. Deutlich erinnere ich mich, daß mich während dieser qualvollen Stunden mehr die Reue marterte, von meinen guten Vorsätzen abgegangen zu sein, als mich die Furcht vor dem Tode schreckte. Der Gedanke, daß dieses Unglück eine Strafe Gottes für meinen Ungehorsam sei, stürzte mich in tiefe Betrübnis. Aber das Maß unsrer Leiden war noch nicht voll.

Der Sturm tobte mit solcher Wut, daß selbst die Matrosen gestanden, nie einen ähnlichen erlebt zu haben. Obschon unser Fahrzeug tüchtig war, schwankte es doch heftig hin und her, so daß die Matrosen jeden Augenblick ausriefen: »Wir kentern!« d. h. wir schlagen um. Ja, was bei Seeleuten nur selten vorkommt, der Kapitän, der Hochbootsmann und mehrere andre sanken betend auf die Kniee und starrten hoffnungslos dem Untergange entgegen.

Um Mitternacht rief plötzlich einer der Matrosen: »Ein Leck im Schiff!« Ein andrer schrie: »Das Wasser steht schon vier Fuß hoch im Raum!« Alles mußte jetzt an die Pumpen. Ich war wie gelähmt und sank auf mein Lager zurück. Die Matrosen weckten mich unsanft aus meiner Erstarrung auf und meinten, wenn ich auch vorher zu nichts genutzt hätte, so könnte ich doch jetzt an den Pumpen mit helfen gleich den andern.

Mechanisch folgte ich dieser Aufforderung; ich erhob mich und arbeitete tüchtig. Während dieser Zeit erblickte der Kapitän einige leichte Fahrzeuge, die, weil sie wegen des Sturmes vor Anker nicht aushalten konnten, das Tau hatten schlüpfen lassen; sie sahen sich gezwungen, das offene Meer zu gewinnen, und wendeten alle Mittel an, um einen Zusammenstoß mit uns zu vermeiden. Der Kapitän ließ durch einen Kanonenschuß ein Notsignal geben. Da ich nicht wußte, was das zu bedeuten habe, und glaubte, das Schiff ginge krachend in Trümmer, fiel ich vor Schrecken besinnungslos nieder. Niemand achtete jetzt meines Zustandes.

Jeder war nur für sein eignes Leben besorgt; ja ein Matrose, der mich für tot hielt, schob mich mit dem Fuße seitwärts und trat an meine Stelle. Es dauerte geraume Zeit, ehe ich wieder zu mir selbst kam.

Trotz der angestrengtesten Arbeit stieg das Wasser im Schiffe immer höher. Es war gewiß, daß wir sanken. Obgleich der Sturm ein wenig nachgelassen hatte, konnten wir doch kaum hoffen, einen rettenden Hafen zu erreichen. Fort und fort erdröhnten die Notschüsse; ein leichtes Fahrzeug in einiger Entfernung wagte es, uns ein Boot zu Hilfe zu senden. Nur durch einen glücklichen Zufall kam das Boot in unsre Nähe; aber es war uns lange nicht möglich, an Bord zu kommen, da es nicht anlegen konnte. Die Leute im Boote ruderten unter Lebensgefahr mit allen Kräften. Als sie endlich nahe genug gekommen waren, konnten wir ihnen ein Tau zuwerfen.

Sie fingen es auf und legten an Bord. Im Nu waren wir alle im Boote; doch mußten wir es aufgeben, jenes Schiff zu erreichen, das uns so menschenfreundliche Hilfe gesendet hatte. Daher beschloß man, das Boot treiben zu lassen, indem man vorsichtig nach der Küste zu steuerte. Der Kapitän versprach, es zu ersetzen, wenn es durch Stranden zertrümmert werden sollte. So, teils rudernd, teils mit dem Winde treibend, steuerten wir dem Lande zu, gegen das Vorgebirge von Winterton-Neß.

Wir hatten das Schiff kaum eine Viertelstunde verlassen, als wir es sinken sahen. Meine Augen umflorten sich, als die Matrosen auf das untergehende Schiff hinzeigten. Schon von dem Augenblicke an, wo ich in das Rettungsboot mehr geworfen worden als gestiegen war, legten sich auch Furcht und Gewissensangst wie Blei auf mein Herz.


Des Schiffes Untergang.

Die Schiffsleute ruderten rastlos, um das Land zu erreichen. Sobald unser Boot sich hoch aus den Wellen emporhob, bemerkten wir eine Menge Menschen längs der Küste, die alle bereit waren, uns Hilfe zu leisten, wenn wir nahe genug gekommen sein würden. Allein unsre Fahrt ging nur sehr langsam von statten. Erst nachdem wir den Leuchtturm von Winterton umschifft hatten, wo das Ufer sich westwärts gegen Cromer umbiegt und die Wogen deshalb nicht mehr so heftig sind, gelangten wir mit unsäglicher Anstrengung glücklich ans Land. Wir gingen dann nach Yarmouth, wo wir Schiffbrüchigen mit aller Menschenfreundlichkeit behandelt wurden. Die Obrigkeit wies uns gute Quartiere an, und die Kaufleute und Reeder der Stadt steuerten eine Summe Geldes zusammen, die jeden von uns in den Stand setzte, entweder nach London zu gehen oder sich nach Hull zurückzubegeben.

Hätte ich meinen Menschenverstand zusammengenommen und wäre nach Hull zurückgekehrt – alle Not würde zu Ende gewesen sein. Mein Vater hätte, um mich der Worte der Heiligen Schrift zu bedienen, in der Freude seines Herzens ein gemästetes Kalb geschlachtet.

Wie mir später mitgeteilt ward, hatte er erfahren, daß das Schiff, auf welchem ich mich befand, auf der Reede von Yarmouth untergegangen sei, und erst lange danach wurde ihm Gewißheit darüber, daß ich aus dem Schiffbruch gerettet worden. Aber es schien, als hätte ein schlimmer Geist meinen Sinn verblendet. Zwar regte sich manchmal die Vernunft in mir und mahnte mich, die Schritte wieder zum väterlichen Hause zu lenken; dennoch hielt mich ein Etwas ab, dieser inneren Stimme zu gehorchen. Zu der Lust an Abenteuern und am Wandern, die mich zu dem ersten Schritte des Ungehorsams gegen meine Eltern verleitet hatte, gesellte sich jetzt die Scham; umkehren wollte ich nicht mehr, und so trieb mich das Schicksal weiterem Unglück entgegen.

Mein Kamerad, des Schiffsherrn Sohn, der mir vorher Anleitung gegeben, mein Gewissen zu beruhigen, war jetzt mutloser als ich. Erst einige Tage nach unsrer Ankunft in Yarmouth kam ich wieder mit ihm zusammen, da unsre Quartiere weit auseinander lagen. Jetzt schlug er einen andern Ton an als vorher; mit trüber Miene fragte er mich, wie es mir gehe. Als sein Vater dazu kam, teilte er diesem mit, wer ich sei, daß diese Reise nur ein Versuch für mich gewesen sei, und daß ich weiterreisen wolle. In dem Kapitän mochten die Erinnerungen an durchlebte gefahrvolle Tage des Seelebens emporsteigen, er wurde ernst, fast streng und sagte zu mir: »Junger Mann, Ihr dürft nicht wieder aufs Meer gehen; die kaum überstandenen Ereignisse müssen Euch die Überzeugung aufdringen, daß Ihr nicht zum Seemann geboren seid.«

»Wie, mein Herr«, erwiderte ich verwundert, »wollen Sie denn auch nicht mehr zur See gehen?«

»Bei mir ist das etwas andres; das ist mein Beruf, meine Pflicht, Ihr aber habt mit dieser Reise nur einen Versuch machen wollen, und ich dächte, Ihr hättet einen hinlänglichen Vorgeschmack dessen bekommen, was Euch bevorsteht. Doch sagt mir, wie kommt es eigentlich, daß Ihr zur See gehen wollt?«

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