Читать книгу: «Seewölfe Paket 33», страница 22

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5.

Durch die Klüse des Ankertaues war eine Trosse gefiert worden. Sie war im Heck des Fischerbootes belegt, hob und senkte sich, klatschte ins aufgewühlte Hafenwasser und schnellte wieder hoch, wenn sich die Fischer in die Riemen stemmten.

Am Heck der „Salvador“ fierten die spanischen Seeleute die Festmacher ab, deren Enden an den Heckklampen belegt waren. Handbreit um Handbreit schob sich das Schiff aus der engen Lücke zwischen Steinvorsprüngen und den entmasteten Galeonen hervor. Die Fischer pullten mit aller Kraft. Das Tau blieb gespannt, die Rahsegel der Galeone killten knatternd.

Am Kai hob Philip Hasard Killigrew den Kopf, holte tief Luft und rief zu Kapitän Don Ricardo hinauf: „Der Befehl lautet, daß Sie wieder die Spitze des Verbandes übernehmen, Don Ricardo!“ brüllte er. „Sie übergeben an die ‚Nuestra Señora de lagrimas‘ Wasser und Proviant. Kurs weiterhin Nord, Señor Capitán!“

„Ich habe verstanden!“ rief Don Ricardo zurück, während die „Salvador“ die achterlichen Leinen loswarf und einzog.

Die Fischer pullten, sie waren geradezu fürstlich bezahlt worden. Die ersten Händler, die nichts mehr zu verkaufen hatten, winkten zu den Seeleuten hinauf und schleppten ihre leeren Körbe zurück in ihre Läden und Magazine.

„Wir sehen uns in zwei Stunden wieder“, schloß Hasard und atmete auf.

In der Takelage und an Deck des Flaggschiffes arbeiteten die Kerle, und die Offiziere riefen die Befehle aus.

„Also“, sagte Don Juan mit hörbarer Zufriedenheit, „das erste Schiff ist auf dem Weg. Es kann nur noch besser werden.“

„Da denke ich anders“, knurrte der Seewolf. „Die wirklichen Schwierigkeiten nähern sich bereits. Zu Fuß, wieder mal.“

Mit lauten Befehlen trieben die Offiziere die letzten Seeleute aus den Schenken. Die Wirte standen in den Türen und schauten ihren schwankenden Besuchern nach.

„Der nasse Mönch erscheint zu spät“, stellte Don Juan fest.

„Trotzdem kümmern wir uns um ihn.“

Die Schebecke hatte ohne fremde Hilfe abgelegt. Die Seewölfe standen an Deck und pullten mit den langen Riemen. Sie hatten die Schebecke in tiefes Wasser gebracht, einen Pistolenschuß vom Ende des Hafens entfernt.

An dieser Stelle markierte ein leicht abfallender Strand aus Kies und Sand, mit Abfällen und Schmutz übersät, das Ende der Bucht. Zwischen der Masse aus zerbrochenem Holz, Tang und toten Fischen waren fünf kleine Boote weit an Land hochgezogen worden.

Dort standen in einem Halbkreis der Mönch, sein Begleiter und die Soldaten aus dem Fort. Auch der Gouverneur, der die Musketen, Blankwaffen und Pistolen ärgerlich beäugte, näherte sich der Wache. Hernando Ferrer zeigte zu der Schebecke, und seine Hand bewegte sich wütend.

„Er darf nicht an Bord, Hasard“, flüsterte Don Juan, während sie quer über ein Drittel der freien Fläche stapften.

„Nur über meine Leiche.“

Wenn es zu einem Kampf kam, würden die Geschütze des Castillo eingreifen. Die Seewölfe feuerten dann zurück, und das einzige Ergebnis würde ein Feuergefecht sein, bei dem womöglich die wertvollen Schiffe beschädigt wurden. Spanische Schiffe gegen eine spanische Festung? Hasard und Don Juan erkannten mühelos, daß durch das Eingreifen des Mönches der gesamte Plan scheitern konnte.

„Wir müssen aus dem Hafen hinaus. So schnell wie möglich“, murmelte Hasard und zeigte ein breites Lächeln, als sie den schimpfenden Mönch erreicht hatten.

„Sie haben Probleme, Hochwürden?“ fragte er, verbeugte sich tief und führte mit dem Hut eine fast übertriebene Höflichkeitsgeste aus. Der abweisende Blick aus Hasards eisblauen Augen traf den schmächtigen Mönch, der ihn zornig anfunkelte.

„Sie sind verantwortlich für die Schiffe?“ fuhr der Mönch Hasard an.

„Für alle Schiffe, die Ladung und ihre Sicherheit“, erwiderte Hasard in drohender Ruhe. Er betrachtete den Mönch von den Sandalen bis zu dem schütteren Haarkranz.

„Die Inquisition verlangt, dieses fremde Schiff zu durchsuchen!“ rief Hernando Ferrer.

„Das ist schwer möglich“, sagte Don Juan an Hasards Stelle. „Sie sehen, daß es sich anschickt, Vigo zu verlassen. Vigo, diese gastfreundliche Stadt. Wir werden es lobend erwähnen, wenn wir wieder zurück sind von unserer schwierigen Aufgabe.“

„Ihr habt den Befehlen der Inquisition zu gehorchen!“ rief der Mönch. Sein Gesicht war bleich gewesen, jetzt färbte es sich rot. Er mußte zusehen, wie die Crew der Schebecke das Focksegel auffierte, so daß sie ebenso Fahrt aufnahm wie die „Salvador“, die der Wind von Backbord achtern packte und beschleunigte.

Die Fischer pullten schnell zurück, bis sie sich unter dem Bugspriet der „Honestidad“ befanden. Nicht einmal jetzt, kurz vor Mittag, rissen die dunklen Wolken auf.

„Gegen den Wind“, meinte Hasard beschwichtigend, „der ablandig aus dem Hafen hinausweht, ist leider auch diese Macht ohnmächtig. Seht nur, wie schön er die Segel füllt.“

Die Soldaten wußten nicht, was sie tun sollten. Sie standen mit dummen Gesichtern herum, fingerten an ihren Waffen, und der eine oder andere verkniff sich ein Grinsen. Die Inquisition schien in Vigo nur wenige Freunde zu haben.

Ein warnender Blick unter den buschigen Augenbrauen hervor traf Hasard. Der ältere Geistliche führte mit den Fingern langsame Bewegungen aus, die besagen sollten, den Mönch nicht zu reizen.

Hasard nickte Don Ginestra zu und fragte: „Was sucht die Inquisition, die durch Sie vertreten wird. Obwohl wir einander noch nicht vorgestellt wurden.“

„Ich bin Hernando Ferrer“, schnappte der Mönch. „Abgesandter des Tribunals von Leon.“

Hasard antwortete, noch immer ruhig: „Vor Ihnen steht Generalkapitän Don Julio de Vilches, Verantwortlicher des Königlichen Schatzamtes. Das einzige Buch, das vielleicht auf dem Schiff der Krone zu finden ist und auf Ihren Index gehört, ist ein Buch mit weißen Seiten, in das ich hineinschreibe, wieviel ich von dem Geld des Königs ausgebe. Darf ich Ihr Ansinnen als gegenstandslos betrachten?“

Aus der halb überdachten Werft drangen die Arbeitsgeräusche der Schiffszimmerleute.

Die meisten Müßiggänger hatten den Hafen verlassen und sahen, daß es nichts mehr zu begaffen gab. Auf den Schiffen arbeiteten die Seeleute, und soeben pullten die Fischer die „Honestidad“ vom Kai ins Fahrwasser. Der Vorgang lief viel schneller ab als bei der „Salvador“. Einige Kinder winkten den Seeleuten zu. Die „Patricia“ schien ohne fremde Hilfe ablegen zu können.

„Keineswegs. Was auf den Index gehört, nachdem ich es als Vertreter der Inquisition beschlagnahmt habe“, entgegnete der Mönch, „bestimmt die Liste des Tribunals. Sie ist lang, Señor.“

Seine Stimme verriet, daß er am Rand der Beherrschung stand. Er mußte sehen, daß sich das seltsame Schiff immer weiter vom Ufer entfernte, und er ärgerte sich über die aufkeimende Erkenntnis, daß er nichts mehr tun konnte.

„Es ist uns leider unmöglich, das Schiff zurückzurufen. Gegen den Wind können unsere Leute leider nicht segeln“, sagte Don Juan sachlich. „Sie sehen es selbst. Und aus welchem Grund sollten spanische Schiffe, die aus der Neuen Welt bis hierher gesegelt sind, verbotene Bücher oder derlei an Bord haben? Noch schreiben die Indios nicht für die Ketzer.“

Das Gesicht des Mönches verzerrte sich vor Wut. Diesmal änderte es die Farbe wieder in ein ungesundes Weiß. Er fuchtelte mit seinen schlanken Fingern vor Hasards Gesicht herum und blickte hilfesuchend von Don Jaime, dem Gouverneur, zu den Soldaten und zu Don Ginestra und dann wieder zum Heck der Schebecke, wo Pete Ballie an der Pinne stand.

„Und ich sage, daß es nicht mit rechten Dingen zugeht. Ich habe fremde Worte an Bord gehört.“

„Zweifellos“, erwiderte Don Juan. „Ich muß Ihnen beipflichten. Um ihre Abscheu gegen die perfide Ketzerinsel dazutun, benutzen sie sogar die Sprache des Erbfeindes. Und es wimmelt von Wörtern der Eingeborenen, die in den königlichen Goldminen unserer Kolonien schuften. Eine Erklärung, die jeden Hafenkommandanten zufriedenstellt. Warum unterstellen Sie uns eigentlich Ketzertum und Teufelswerk, Padre?“

Don Juan de Alcazar hatte sich ebenso zusammengenommen wie Hasard. Am liebsten hätte er den Eiferer mit Fußtritten bis zum Strand des Atlantiks hinausgetrieben. Aber jetzt schaltete sich Don Jaime La Roda in die hitzige Unterhaltung ein.

„Sie beginnen, einen Gast meiner Stadt zu beleidigen, Padre“, sagte er mit einer Stimme, die so laut war wie die des Profosen, wenn er schlechter Stimmung war.

„War nicht meine Absicht“, zeterte der Mönch. „Aber das Gesetz der Inquisition …“

„Findet auf Schiffen, die nicht mehr betreten werden können, wenig Gültigkeit, ganz zu schweigen von der Anwendung“, sagte der Gouverneur. „Ich achte die Absichten der Inquisition, aber Sie belästigen, ich wiederhole es, die Gäste der Stadt. Überdies werden sie in ihrer schwierigen Aufgabe aufgehalten.“

Dann fiel ihm etwas Neues ein. Sein verdüstertes Gesicht erhellte sich. Er sagte: „Sie segeln nach Santander. Ist es nicht so?“

„Wenn uns nicht der Sturm über das Meer zerstreut. Santander ist das nächste Ziel. Nicht so laut, Gouverneur, es schadet der Geheimhaltung.“

„Also?“ zeterte der Mönch.

„Wir segeln nach Santander“, wiederholte Hasard. „Schicken Sie einen schnellen Boten dorthin. Dann kann die Inquisition alle Schiffe vom Kiel bis in die Kapitänskammer durchsuchen.“

„Das war es, was ich vorschlagen wollte“, sagte der Gouverneur. „Ein Mittel, es allen recht zu tun, nicht wahr? Der Kirche, dem König und den Wellen des Meeres.“

„Nicht zu vergessen auch des kräftigen Windes“, erwiderte Don Juan aufatmend.

Mit achterlichem Wind hatte sich die „Salvador“ in guter Fahrt an die Spitze gesetzt. Zwei Kabellängen hinter ihr legte die „Honestidad“ das Ruder hart Backbord und ging ins Kielwasser des Flaggschiffes. Die „Patricia“ löste sich vom Kai, weil ihre Seeleute sie mit den Riemen abstießen und das Wasser frei war. Das Fischerboot war mit viel Geschrei an den Bug der „Santa Helena“ gelotst worden.

Die Schebecke blieb am äußersten Steuerbord-Ufer der Bucht, die sich zwischen wuchernden grünen Hängen und einzelnen Häusern weitete. Auch auf der „Concordia“, der letzten Galeone des halbierten Konvois, lösten sich die Gordings, und die nasse Leinwand sackte schwer nach unten.

Hasard drehte sich wieder um und kämpfte mit dem plötzlichen Entschluß, dem Mönch die Läufe seines Drehlings über den kahlen Schädel zu ziehen.

Mit erzwungener Liebenswürdigkeit sagte er: „Wenn Sie sich beeilen, Hochwürden, dann kann ein anderer Abgesandter der Inquisition uns in Santander treffen. Beim herrschenden Wind, nun, ich schätze – was meinen Sie, Don Juan?“

„In zwei oder drei Tagen“, erwiderte Don Juan, schamlos lügend und mit unerschütterlicher Selbstsicherheit. „Ich glaube, wir müssen eilen, denn sonst segelt die Flotte ohne ihren Generalkapitän.“

Natürlich hatte der Kapitän der „Concordia“ gemerkt, daß Don Juan und Hasard noch am Ufer standen.

Die Galeone wurde langsam an die Stelle gezogen, an der die Schebecke vertäut gewesen war. Die Galeone verholte nur mit Hilfe der Festmacher, die an Bord um die Poller liefen und von vielen kräftigen Seemannsfäusten gehalten wurden.

Der Mönch sah aus, als wäre seine Welt untergegangen.

Hasard packte die Hand des Gouverneurs, schüttelte sie überschwenglich und sagte: „Wir müssen an Bord. Schließlich werden wir noch gebraucht.“

Dem Mönch hatte es vorübergehend die Sprache verschlagen. Don Jaime und der Stadtgeistliche schauten recht zufrieden drein. Aufgeregt trat der Inquisitor von einem Fuß auf den anderen. Er kochte vor Wut, aber er merkte, daß er sich mit jedem weiteren Wort unglaubwürdig und lächerlich gemacht hätte. Offensichtlich fürchtete er sich davor mehr als vor dem Tadel seiner Vorgesetzten, die natürlich sehr weit von seinem jetzigen Standort entfernt waren.

„He, Capitán general!“ schrie jemand von der Kampanje der „Concordia“. „Wir legen ab! Wollen Sie hinterher schwimmen?“

„Wir kommen!“ schrie Don Juan zurück.

„Ein paar Minuten!“ rief Hasard. Er wandte sich an den Gouverneur. „Wir müssen an Bord. Es eilt. Philipp der Dritte würde uns niemals verzeihen, wenn wir weiterhin hier nutzlos miteinander palavern. Señores!“

Er zog wieder seinen Hut, schwenkte ihn, schaute jedem der Beteiligten tief in die Augen und entdeckte den kalten, erbarmungslosen Haß des Mönches.

Dann, nachdem sich auch Don Juan auf seine höfliche Weise verabschiedet hatte, wandten sich Hasard und Don Juan um und liefen auf den Punkt zwischen Kai und Steg zu, an dem das Heck des letzten Schiffes, der „Concordia“, nach einem vorsichtigen Manöver anlegen würde.

Hinter ihnen blieben der Gouverneur und Don Ginestra zurück, die mit dem Ausgang dieser Auseinandersetzung mehr als zufrieden waren, und der Mönch, der mit unumstößlicher Sicherheit wußte, daß er betrogen worden war.

Als Don Juan und Hasard über die achterlichen Rüsten an Bord geklettert und über die Niedergänge auf die Kampanje geentert waren, schwenkte die kleine Galeone nach Backbord und driftete den anderen Schiffen hinterher.

Noch immer hielt sich die Schebecke an Steuerbord.

Die Arwenacks hatten die großen Dreieckssegel bereit, aber bis auf die Fock noch nicht gesetzt.

Ben Brighton wartete ab, wie sich die Dinge entwickelten. Er sah zu, wie Don Juan und der Seewolf an Deck der „Concordia“ enterten. Er wechselte einen langen Blick mit Al Conroy und hob die Hände, auch er wußte nicht, was zu tun war.

Aber alles, was sie tun konnten – es würde an dem, was in der Folgezeit im Hafen passierte, nicht mehr viel ändern können.

6.

Als das Heck der „Concordia“ die Schebecke passierte, beugte sich Hasard über das Schanzkleid und rief zu Ben und seinen Mannen hinunter: „Ihr bleibt in unserem Kielwasser, bis wir bei den Inseln sind. Wir kommen an Bord, so bald es geht. Klar?“

„Verstanden, Capitán.“ Der Erste winkte vom Grätingsdeck.

Auf der Schebecke wurden die Segel gesetzt. Don Juan und Hasard drehten sich um und sahen die Personen im Hafen kleiner werden, sahen die Häuser vorbeiziehen und schließlich das Castillo zurückbleiben. Gleichzeitig atmeten sie tief durch.

Der Mönch gestikulierte noch immer wie wild herum, er schien sich jetzt mit dem Gouverneur zu streiten. In einer langen Linie segelten die Galeonen, und hinter ihnen die Schebecke. Nicht ein Schuß war gefallen, und es gab genug Proviant.

„Das war’s, Juan“, flüsterte Hasard. „Wieder einmal haben wir den Dons die lange Nase gezeigt. Irgendwann werden sie erfahren, welche Schiffe sie wirklich verproviantiert haben.“

„Wir sollten es ihnen sagen“, meinte Don Juan. „Vielleicht, wenn wir in Santander sind, eh?“

Sie lachten und sahen zu, wie auf den Galeonen sämtliche Segel getrimmt wurden. Auch die Dreieckssegel der Schebecke entfalteten sich. Überall arbeiteten die Seeleute. An Deck standen oder lagen, sorgfältig festgezurrt, die gefüllten Wasserfässer. Einige Minuten lang genossen Don Juan und der Seewolf die Ruhe und ihren Erfolg. Die Übergabe des Proviants würde sie auf hoher See noch einige Stunden aufhalten, aber dann stand nichts mehr der Reise nach England im Weg.

Die „Salvador“ erreichte die Sperre der Inselchen vor der Ria und rammte ihren Bug in die anrollenden Atlantikwellen. Ein Fischerboot wurde an Backbord in die Richtung des Hafens gepullt. Die Fischer winkten und riefen unverständliche Worte zu den Spaniern hinauf.

„Was wollen sie uns sagen?“ fragte der Seewolf, ging zum Backbordschanzkleid und beobachtete das sich nähernde Boot. Die Fischer wirkten sehr aufgeregt.

Jetzt verstand Hasard, wenn auch nur undeutlich, was die Fischer aus Vigo schrien.

„Eine Galeone! Voller Geschütze! Eine spanische Kriegsgaleone!“

„Das hat uns gerade noch gefehlt“, flüsterte Hasard und fühlte eine kalte Schwäche in den Knien. Auch Don Juan hatte die Worte verstanden und schaute ihm in die Augen.

„Zur Schebecke“, stieß er hervor.

„Sofort.“

Sie waren mit ein paar Sätzen wieder am Steuerbordschanzkleid. Die Schebecke segelte eineinhalb Kabellängen hinter ihnen. Sie hielt sich weiterhin an Steuerbord des Fahrwassers.

Dan O’Flynn stand auf der Back und blickte zur Heckgalerie der Galeone hinauf.

„Señor Danilo!“ schrie Hasard. „Segelt heran! Näher! Wir müssen an Bord!“

„Verstanden, Capitán!“

Hasard und Don Juan packten zwei Taue und lösten die Belegknoten. Der Erste trat auf sie zu und verstand, was sie vorhatten.

Hasard schüttelte seine Hand und rief: „Muchas gracias! Adios!“

Die Schebecke schob sich Fuß um Fuß näher. Ihr Bugspriet tanzte langsam auf und ab, Dan und Philip junior bereiteten sich darauf vor, die Tauenden aufzunehmen. Noch waren die Bordwände mehr als fünfzehn Fuß voneinander entfernt. Hasard und Don Juan hielten sich mit beiden Händen am Tau fest und schwangen sich auf den Handlauf des Schanzkleides. Sie warteten ungeduldig und sahen von ihrem schwankenden Standort, daß das Fischerboot weit hinter der Schebecke weiterpullte. „Los. Wir entern auf die Back ab.“

„In Ordnung, Ha… Capitán.“

Hasard winkte. Der Rudergänger legte das Ruder hart nach Backbord, und der Bug der Schebecke glitt, auf und nieder schwankend, auf die Höhe der Rüsten des Besanmastes.

„Abentern.“

Sie schwangen sich nach außenbords, stemmten ihre Sohlen gegen die Planken, hangelten sich am Tau abwärts und landeten nach einem pendelnden Sprung auf der Back. Sie schleuderten die Enden des Taues zum Schiff hinauf und sprangen auf die Kuhl.

„Da kommt eine spanische Kriegsgaleone durch die Ria“, sagte Hasard drängend. „Es kann sein, daß sie nur Wasser braucht oder auf Besuch einläuft oder sonstwas. Aber wir wissen es nicht. Vielleicht suchen sie uns.“

„Dann würden wir jetzt schon etwas davon bemerken“, erklärte Dan O’Flynn. „Wir sehen sie jedenfalls nicht.“

Die lange Reihe der Galeonen, die an Steuerbord des Fahrwassers nach Südwesten segelten, verdeckte die Aussicht auf die Kimm und die Inseln. Von der Schebecke und dem letzten Schiff aus konnte man nur die beiden Ufer erkennen, die sich öffneten wie auseinandergespreizte Finger. Der Wind wehte mit der bisherigen Stärke, und noch immer trieben Wolken vom Land seewärts.

Al Conroy schob sich am Schanzkleid näher und sagte kurz: „Alles bereit, Sir. Soll ich ausrennen lassen?“

„Nein. Warte. Wahrscheinlich ist das eine harmlose Begegnung. Woher sollte jemand wissen, daß wir in Vigo Proviant aufgenommen haben?“

„Wir wissen nicht, was auf See, bei dem Konvoi, geschehen ist.“

Hasard nickte Ben zu. Ihm war derselbe Gedanke eingefallen.

„Wissen wir nicht, stimmt. Gleich wissen wir es.“

Zwischen den Galeonen öffnete sich jetzt, als die „Salvador“ und die „Honestidad“ nach Steuerbord segelten, größere Abstände. Die Inselchen und das südliche Kap waren zu sehen. Zwischen der „Patricia“ und der „Santa Helena“ zeichnete sich deutlich eine dreimastige Galeone ab, ein mittelgroßes Schiff, reichlich mitgenommen von Wind, Wetter und Wasser. Mindestens zwei Dutzend Culverinen reckten ihre Rohre durch die weit geöffneten Stückpforten. Wimpel und Flaggen bewiesen, daß es ein spanisches Schiff war.

Längst hatten Ben, Dan und Hasard die Spektive hochgenommen und musterten das Schiff.

An Deck und auch hinter den Geschützen bewegten sich, ohne Aufregung, spanischen Seesoldaten. Sie schienen nicht in Gefechtsbereitschaft zu sein.

„Harmlos – bis jetzt“, sagte Hasard.

Die Seeleute aller Schiffe winkten der einlaufenden Galeone freundlich zu. Die Spanier auf dem Kriegsschiff winkten zurück und riefen Scherzworte und Fragen. Hasard ließ entspannt seine Schultern nach vorn sinken.

„Jedenfalls jagen sie nicht uns“, meinte Ben Brighton.

Dan O’Flynn hob die Hand und sagte: „Sie werden in Vigo anlegen. Dann sucht sie dieser fanatische Mönch auf und beschwört sie, uns zu verfolgen. Früher oder später segeln sie hinter uns her.“

Hasard nickte nach einigen Atemzügen und antwortete: „Damit kannst du, leider, verdammt recht haben. Damit müssen wir rechnen. Aber erst mal sind wir in Sicherheit. Mag sein, daß die ‚Aragon‘ auch unseren Konvoi getroffen hat.“

Die großen Lettern waren nur durch die Linsen der Kieker zu lesen gewesen. Die „Aragon“ passierte den felsigen Vorsprung zwischen den Stränden und entfernte sich in Richtung des trichterförmig zulaufenden Buchtendes. Von Vigos Häusern waren jetzt nur noch die Rauchsäulen, der Kirchturm und das Castillo zu sehen.

„Sehr viel würden sie dann aber nicht erfahren haben“, sagte Ben Brighton.

„Also, meine Freunde“, erklärte der Seewolf und grinste breit. „Unser Trick ist gelungen. Wir haben, was wir brauchten, und bis Irland wird der Proviant jetzt für alle reichen. Wenn wir auf See auch noch die anderen Schiffe versorgt haben, ist der Weg zunächst frei.“

„Der Konvoi segelte weiter“, bemerkte Ben Brighton. „Als wäre nichts geschehen.“

„So ungefähr stelle ich es mir vor“, sagte Hasard und nickte. „Wir müssen nur darauf achten, daß uns die ‚Aragon‘ nicht einen dicken Strich durch unsere feine Rechnung zieht.“

„Wenn sie es nicht ist, dann sind es andere Schiffe. Zwischen Vigo und England kann noch verdammt viel passieren“, sagte Dan O’Flynn.

Die Schiffe hatten den freien Atlantik erreicht. Es änderte sich außer der Höhe der Wellen nichts. Die beiden kleinen Kaps der Einfahrt wurden kleiner, die Kimm war leer. Mit der „Salvador“ an der Spitze und der Schebecke in Luv bildeten die Galeonen eine nicht sehr auseinandergezogene Linie. Der Kurs war vorgegeben: klar Nord.

Hasard ging unter Deck und legte sich für ein paar Stunden in seine Koje. Er war weit davon entfernt, dem Frieden und der Ruhe zu trauen. Er ahnte künftige Schwierigkeiten und hoffte, daß sie klein waren und er und seine Freunde sie besiegen konnten.

An Steuerbord versanken die Küstenlinien von Muros, Cabo Finisterre und Corcubien hinter der Kimm. Der kräftige Wind, der hin und wieder noch mehr aufbriste, trieb das halbe Dutzend schwer beladener Schiffe schnell nach Norden. Noch vor der Abenddämmerung näherten sich die Schebecke und die Galeonen dem kleinen Verband.

Die Galeonen im Gefolge der „Salvador“ holten schnell auf. Das Flaggschiff versuchte, an der „Santos los Reyes Mayos“ längsseits heranzusegeln. Die „Honestidad“ näherte sich der „Reputación“. Von der Schebecke wurden Signale an die „Wappen“ und an die „Isabella“ gegeben. Die langen Dünungswellen des Atlantiks ließen die Schiffe ihre Manöver meist einwandfrei ausführen.

Vor der Dämmerung legte sich der Starkwind vorübergehend. Das Umladen der Wasserfässer war der schwierigere Teil der Arbeit, denn die Säcke, Ballen, Körbe und Kisten pendelten am Geschirr der Rahen weit von Bord zu Bord.

Hasard beendete sein Essen und sagte, satt und zufrieden: „Es hat sich also auch für uns gelohnt, ein paar Nahrungsmittel zu kaufen. Gut gekocht, Kutscher.“

Don Juan starrte in seinen leeren Becher und hielt ihn wortlos in die Richtung Mac Pellews.

„Dieser irre Mönch geht mir nicht aus dem Sinn“, sagte der Spanier. „Ich bin sicher, daß er sich für die Demütigung rächen wird.“

„Was kann er tun, Dad?“ fragte Hasard junior. „Die Galeone, nicht wahr?“

„Natürlich, nichts anderes. Er wird ihnen erzählen, daß sich Spione der Engländer oder was weiß ich auf unserem Schiff verstecken“, brummte Ben Brighton. „Außerdem gibt’s reitende Boten.“

Ed Carberry hob die breiten Schultern.

„Ob uns die Affenärsche die Landung in Santander glauben?“ fragte er in die Runde.

„Wer weiß?“ antwortete der Seewolf. „Ich denke, er glaubt es uns. Schon jetzt sind Boten nach Santander unterwegs, das wette ich.“

Seltsamerweise hatte sich das Mißtrauen des Inquisitionsmönches nur auf die Schebecke gerichtet. An den fünf Galeonen schien er nichts Bemerkenswertes gefunden zu haben. Jetzt hatten sie genügend Zeit und Ruhe, über die vergangenen Stunden seit der Morgendämmerung nachzudenken.

Vor der Inquisition hatten die Spanier, jung und alt, eine furchtbare Angst, denn jede unbedachte Äußerung, jede Kleinigkeit konnte als Abfall vom wahren Glauben gelten, wenn es jemanden gab, der die Frau oder den Mann anzeigte. Dadurch erhielt selbst ein einfacher Mönch eine Macht, die gemessen an seinem Rang, immens war.

Daß jedes spanische Schiff ein englisches jagen würde, das so frech gewesen war, in Vigos Hafen einzulaufen, das war allen Seewölfen klar.

Auf ihrer Insel hätten die Schiffe der königlichen Flotte nicht anders handeln können.

„Vergessen wir Santander“, meinte Dan O’Flynn nach einer Weile. „Erstens liegt es weit im Osten, zweitens braucht der Bote dorthin eine längere Zeit, und drittens sind wir bei diesem herrlichen Wind längst querab von Brest, wenn sich ein Schiff aus Santander mit halbem Wind herausgekämpft haben sollte. Von einer Flotte in Santander droht uns keine Gefahr.“

„Also vergessen wir Santander“, sagte Philip junior.

„Aber nicht die Kriegsgaleone. Ich wette, der Kerl sitzt schon in der Kapitänskammer und jammert dem Kapitän vor, welche Beute ihm entgeht. Ich sage dir, die sind hinter uns her, Söhnchen.“

Old Donegal klopfte auf sein Holzbein und hob immer wieder den Kopf über das Schanzkleid der Kuhl. Erst zwei Schiffe hatten das Lademanöver beendet. Offensichtlich ohne Ramming oder größere Schäden, denn die „Salvador“ segelte sich aus dem Pulk frei und folgte Arne von Manteuffels Schiff.

„Sollen sie ruhig antanzen“, sagte der Seewolf. „Eine einzelne Galeone fürchten wir nicht.“

„Aber wir sollten nicht glauben“, warnte Dan, „daß außer dieser Galeone, der ‚Aragon‘, kein anderes Schiff vor der Küste kreuzt. Und damit meine ich nicht die Fischerboote.“

„Glaube ich auch nicht“, erwiderte Hasard. „Wenn sie da sind, werden wir sie sehen.“

Die Freiwache leerte ihre Becher und verholte unter Deck. Pete Ballie zündete den Docht der Hecklaterne an. Die Schebecke legte leicht nach Steuerbord über, stampfte in den Wellen, und Wasser gischtete an Deck. Auch die Spanier hatten Lichter gesetzt und segelten vor der Kulisse dunkler Wolken nach Norden. Nicht ein einziges Mal hatte sich an diesem Nachmittag die Sonne blicken lassen.

Von der Back und vom Grätingsdeck aus suchten Hasard und Dan O’Flynn die Kimm ringsum ab.

Sie sahen die Galeonen in Kiellinie, die beiden anderen Schiffe, aber nirgendwo zeigten sich die Segel der Galeone oder anderer Fahrzeuge. Dan hatte ausgerechnet, daß der Schiffsverband querab von La Coruña segelte, wahrscheinlich bereits die Höhe von Cabo Ortegal erreicht hatte. An Steuerbord breitete sich das Mar Cantabrico aus, der Golf von Biscaya mit seinen gefürchteten Wetterumschwüngen.

Im letzten Dämmerlicht des Tages verschmolzen die treibenden Wolken mit der Fläche des Meeres. Nur die Schaumkronen leuchteten schwach durch die Dunkelheit, bildeten sich neu und vergingen wieder. Der Wind heulte durchs Rigg.

Die Seewölfe hockten, in ihre dicken Segeltuchjacken von Will Thorne gehüllt, im Windschatten. Der Bug der Schebecke hob sich, setzte mit einem vertrauten dumpfen Krachen wieder ein, und Jan Ranse an der Pinne stemmte sich gegen das geschwungene Holz.

Die Nacht, länger als zehn Stunden, fing an. Die pechschwarze Finsternis über dem Meer wurde nur von den winzigen Pünktchen der brennenden Hecklaternen unterbrochen.

Die Seewölfe träumten von der gewaltigen Aufregung, die sich ausbreiten würde, wenn sie endlich mit ihren unersetzlichen Schatzschiffen die Themse aufwärts segelten.

Philip Hasard Killigrew und Ben Brighton waren schon beim ersten Zwielicht der Morgendämmerung auf den Beinen.

Die ganze Nacht über hatte die Stärke des Windes angehalten. Alle Schiffe waren in den vergangenen Stunden sehr gute Fahrt gelaufen. Der Konvoi segelte noch immer in Kiellinie, und die drei Schiffe des Bundes der Korsaren eskortierten die Galeonen in Luv.

An der östlichen Kimm riß unterhalb der treibenden Wolken ein schmaler Streifen auf. Dort, wo sich in wenigen Augenblicken die ersten Sonnenstrahlen Bahn brechen würden, sollte eigentlich Land sichtbar sein. Aber auch durch die Spektive gab es nichts zu sehen. Weiter südlich verdeckte ein Regenschleier den Horizont.

Recht voraus, an der nördlichen Kimm, gab es weder Regen noch ein fremdes Segel. Langsam bewegten sich die Männer und versuchten, im zunehmenden Licht mehr zu sehen als Wolken und Wellen.

Nach einigen Atemzügen, als waagerecht die ersten Sonnenstrahlen über das endlose Wasser blitzten, rief Ben Brighton: „Sir! Im Süden. Segel!“

Die Bilder tanzten vor den Linsen. Der runde Ausschnitt huschte über die Schaumkronen. Dann sah auch Hasard, was Ben meinte.

Die Rahsegel einer Galeone und die Lateinersegel von drei Karavellen. Sie waren zu weit entfernt, als daß man sie genau erkennen konnte. Aber ohne Zweifel handelte es sich um vier Schiffe, die sich auf die Spur der Galeonen gesetzt hatten.

Hasard sagte: „Das muß die ‚Aragon‘ sein. Unterwegs hat sie die Karavellen getroffen. Vier gegen uns, Ben!“

Für die Schebecke, die „Wappen“ und die „Isabella“ würde es leicht sein, den Verfolgern auf und davon zu segeln. Aber seit dem Aufbruch in der Karibik standen die schnelleren Schiffe vor dem Problem, daß sie ihre Geschwindigkeit nicht ausnutzen konnten. Die alten, schwer beladenen und schwerfälligen Galeonen kamen auch dann, wenn sie jeden Fetzen Tuch setzten, nur weitaus langsamer als die Schebecke voran.

Das bedeutete, daß die Verfolger den Konvoi der neun übriggebliebenen Schatzgaleonen bald eingeholt haben würden.

„Vier Schiffe und ein wütender Mönch, Sir“, antwortete der Erste. „Wir kriegen Arbeit.“

„Erst einmal kriegen wir ein gutes Frühstück vom Kutscher und Mac“, erwiderte der Seewolf und schob, nachdem er die Verfolger noch einmal sehr genau betrachtet hatte, das Spektiv in die Tasche.

Blacky, der jetzt am Ruder stand, sagte grinsend: „Verspricht, ein heißer Tag zu werden, Sir.“

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