Читать книгу: «Seewölfe Paket 34», страница 20
Sie taten so, als hätten sie nichts gehört.
Unterdessen überzeugte sich Molina von der furchtbaren Wahrheit. Er ließ ein paar Pützen Wasser über eine helle Flamme auf den Planken gießen und sah entsetzt zu, wie das Wasser zu brennen begann. Schluckend starrte er auf den unheimlichen Vorgang. Das Feuer vermischte sich buchstäblich mit dem Wasser. Das brennende Zeug schwamm obenauf, und dann brannte alles einträchtig weiter.
„Das gibt es doch nicht“, stammelte er fassungslos.
Die Tatsachen bewiesen ihm jedoch das Gegenteil. Mit einem Würgen in der Kehle kehrte er aufs Achterdeck zurück. Es sah so aus, als sei die Galeone nicht mehr zu retten.
Garcia brauchte eine Weile, um die Schreckensnachricht zu verdauen. Auch er wollte es nicht glauben. „Teufelswerk“, sagte er ächzend. „Das ist Feuer vom Satan, Schwefel oder sonstwas. Lassen Sie Sand an Deck holen, aber schnell, und streuen Sie ihn darüber.“
Er sah einen Mann auf der Kuhl, der sich einen Besen geschnappt hatte und damit zu kehren begann, als störe ihn absolut nichts auf dieser Welt. Der Mann fegte wie besessen und schien es tatsächlich zu schaffen, das Feuer an vereinzelten Stellen unter Kontrolle zu kriegen.
Nur einmal hielt der Mann inne, und zwar in dem Augenblick, als die Schebecke der Seewölfe durch die Bresche drang. Da bewegte er sich auf eine Kanone zu und feuerte sie in aller Seelenruhe ab.
Garcia starrte wie hypnotisiert zu dem Mann, den es auch nicht kümmerte, daß sein Besen plötzlich in Flammen stand. Er ging einfach nach unten und holte sich einen neuen. Unverdrossen fegte er danach weiter.
Jetzt wurde Sand in Lederpützen nach oben geschleppt. Das Feuer fraß sich indessen unaufhaltsam weiter, umloderte die Masten und verschlang gierig ein Segel nach dem anderen, obwohl pausenlos der Regen fiel und alles mit Wasser tränkte.
Sand schien noch das einzige Mittel zu sein, das gegen das Wüten des Feuers half. Nasser Sand half die Glut zu löschen. Das galt aber nur für die Planken der einzelnen Decks. Die Masten einschließlich der gesamten Takelage waren nicht mehr zu retten.
Es war ein tödlicher Kreislauf. Wurde das Feuer an Deck mühevoll gelöscht, so fiel von oben wieder brennendes Tauwerk hinunter, oder glutende Spieren krachten an Deck. Damit schloß sich der Kreis, und alles begann wieder von vorn.
Das Feuer war auch schon in die unteren Decks vorgedrungen, wo noch Pulverfässer standen und Kartuschen lagen.
Garcia spürte bereits, wie ihm die Hitze der Planken die Stiefelsohlen versengte. Übergangslos wurde er bleich.
„Das Pulver im Batteriedeck“, sagte er tonlos zum Ersten. „Es muß sofort über Bord. Es kann jeden Augenblick in die Luft fliegen.“
„Wenn wir es über Bord kippen, kann es auf der Stelle Feuer fangen“, wandte Molina ein. „Auf dem Wasser nahe beim Rumpf brennt alles. Es ist zu gefährlich.“
„Dann sollen die Pulveraffen Sand und Wasser in die Fässer kippen!“ schrie Garcia. „Aber möglichst noch heute, wenn ich bitten darf!“
Der Erste hatte alle Mühe, den Befehl in die Tat umzusetzen. Die sogenannten Pulveraffen – zwölfjährige verstörte und verängstigte Jungen – trauten sich nicht mehr in das brennende Batteriedeck. Sie zitterten am ganzen Leib vor Angst.
Molina brüllte andere Männer an. Zu seinem Entsetzen mußte er feststellen, daß etliche Kerle schlicht den Befehl verweigerten. Statt nach unten zu stürmen, sprangen sie einfach über Bord, um der brennenden Hölle zu entrinnen.
Kampfgeist und Moral waren dahin. Die meisten sahen wohl auch ein, daß es keine Rettung mehr gab, als aus dem Batteriedeck lange Flammen züngelten.
Auf dem Achterdeck tobte der Capitán herum. Wut und Verzweiflung zeichneten sich in seinem Gesicht ab. Er scheuchte den Zweiten Offizier vom Kolderstock fort. Es war ohnehin nutzlos, daß noch jemand am Ruder stand. Die „Aguila“ lief keine Fahrt mehr. Ihre Segel waren nur noch brennende oder glimmende Lappen, die sich nach und nach auflösten und an Deck oder ins Wasser flatterten.
Die Galeone ließ sich nicht mehr manövrieren. Als brennender Torso drehte sie sich langsam um die eigene Achse und gierte langsam auf die Einfahrt der Bucht zu, als wollte sie den Tapti erreichen.
Aber sie konnte die Durchfahrt nicht mehr passieren. Irgendwo davor würde sie als brennendes Wrack versinken. Garcia wußte das mit absoluter Sicherheit.
Er schickte dem Seewolf eine Verwünschung hinterher. Das Blatt hatte sich gewendet, und er, der Jäger, lag jetzt hilflos am Boden, während das Wild in aller Ruhe davonschlich. Dieser Engländer schien wahrhaftig einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben. Es gab für Garcia keine andere Erklärung.
Noch einmal winkte er Ruthland zu, doch der Kerl drehte sich um und tat so, als sei er nicht gemeint. Er mied die Nähe des brennenden Schiffes wie die Pest.
Garcia stöhnte in bitterer Verzweiflung auf. Er mußte Ruthland noch dankbar sein, wenn der ihn überhaupt an Bord seines Schiffes nahm. Wenn der Engländer jetzt einfach verschwand, saß er, Garcia, mit dem Rest seiner Mannschaft in Indien fest und wußte nicht mehr weiter.
„Diablo!“ brüllte er laut gegen das Prasseln und Knacken an, das aus allen Räumen und Decks des Schiffes drang. Er hatte auf dem Achterdeck nichts mehr verloren. Wie ein Idiot stand er da nur herum, der sich die Kehle heiser schrie.
Er rannte wie ein Wilder in das Inferno und brüllte Kommandos.
Heiße Glut schoß ihm entgegen. Ein paar Männer waren im Batteriedeck verschwunden. Er folgte ihnen durch einen Vorhang aus Rauch und Feuer, der ihn jeden Augenblick zu ersticken drohte. Die Hitze wurde immer mörderischer. Selbst der fast lautlose Regen schien aus flüssigem Feuer zu bestehen.
Im Batteriedeck schütteten sie überall Wasser hin – schwitzende, fluchende Männer, denen nackte Angst im Gesicht stand.
Pützen mit Sand wurden wahllos ausgestreut und Wasser darüber gegossen. Es zischte und dampfte. Verpuffungen entstanden, vor denen die Männer entsetzt zurückzuckten.
Molina war rußgeschwärzt und hustete. Zusammen mit zwei anderen Männern umklammerte er ein Faß Schießpulver, dessen Inhalt aus matschiger Brühe bestand. Sie zerrten es an die Stückpforte und kippten es außenbords, wo es im Wasser versank.
„Es hat keinen Zweck mehr, Capitán!“ schrie der Erste. „Das Feuer ist nicht mehr zu kontrollieren. Wir müssen das Schiff aufgeben. Die Pulverkammer wird früher oder später in die Luft fliegen. Wir können nicht mehr an sie heran.“
Die Pulverkammer!
Garcias Hals war wie ausgedörrt. In der Pulverkammer und dem Magazin lagerte fast der gesamte Bestand an Schießpulver und Kartuschen.
Er bahnte sich hustend einen Weg durch das von Halbdämmer erfüllte Batteriedeck und enterte einen Niedergang auf. Von dort aus ging es über einen kurzen Gang zu den Magazinen.
Dort brannten die Planken, und dichter Qualm versperrte ihm den weiteren Weg. Hilflos blieb er vor dem Gang stehen. Molina war ihm gefolgt und stierte in den Rauch. Winzige Rußpartikel drangen ihnen in die Atemwege.
Vier oder fünf geschwärzte Gestalten waren damit beschäftigt, unaufhörlich Wasser auf die Planken zu gießen. Bei jeder Pütz zischte es, und der Qualm wurde noch dichter. In dem Rauch züngelten immer wieder neue Flammen hoch, die nach den Balken leckten. In den Fugen war helle Glut zu sehen.
Das Feuer fraß sich unaufhaltsam durch das Holz und würde nach einer Weile das Innere der Magazine erreichen. War das geschehen, würde die „Aguila“ in einer gewaltigen Explosion bersten. Dann blieb keine Planke mehr auf der anderen.
Eine der rußgeschwärzten Gestalten brach stöhnend zusammen. Ein zweiter Mann schleppte sich würgend und keuchend zurück. Er fiel auf die Knie und erbrach sich.
Garcia stand da und stierte in Qualm und Flammen.
„Das Schott einschlagen“, sagte er mühsam und mit tränenden Augen. „Gießt Wasser in die Räume.“
„Wir schaffen das nicht mehr“, erwiderte der Erste mit heiserer Stimme. „In dem Rauch hält es niemand aus, ohne zu ersticken. Wir sollten das Schiff so schnell wie möglich verlassen.“
„Wann wir das Schiff aufgeben, bestimme ich!“ kreischte Garcia. „Wir müssen den Versuch wagen. Lassen Sie Äxte holen!“
Äxte und Beile wurden gebracht. Die Männer banden sich nasse Tücher vor die Gesichter und hieben verzweifelt auf das Schott ein.
Holz splitterte und barst. Andere gossen mit wildem Schwung Wasser ziellos über Männer und Holzbalken.
„Raus mit dem Zeug, über Bord damit!“ schrie Garcia. Er packte selbst mit an, mußte aber schon nach kurzer Zeit aufgeben, weil er keine Luft mehr kriegte.
Zwei anderen gelang es, in die Pulverkammer vorzudringen. Mit dem Mut der Verzweiflung stürzten sie hinein.
Garcia stand in ein paar Schritten Abstand keuchend daneben und versuchte in der Finsternis etwas zu erkennen. Er sah nichts, nicht mal die Umrisse der Männer.
Er wartete und wartete. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, aber die Männer kehrten nicht zurück.
Er riß einem Kerl in seiner Nähe den nassen Lappen vom Gesicht und tastete sich in den Raum. Der Qualm war so dicht, daß er nicht die Hand vor den Augen sah.
Er stolperte über eine stumme Gestalt am Boden und mußte sich zurückziehen. Der beizende Rauch war unerträglich, und er spürte, wie ihm alles vor den Augen verschwamm. Taumelnd verließ er den Raum. Ein Schwall Wasser traf ihn so hart, daß er fast den Halt verlor.
„Das ist das Ende“, sagte er mit erstickter Stimme. „Das ist das Ende. Wir schaffen es nicht mehr. Dieser Bastard von einem Höllenhund hat mich, César Garcia, geschlagen. Und trotzdem kriege ich ihn, das schwöre ich!“
Molina entgegnete nichts. Sie hatten jetzt wahrhaftig anderes zu tun, als an Rache zu denken. El Lobo del Mar war für sie im Augenblick so weit entfernt wie der Mond. Er war unerreichbar geworden. Aber der Capitán dachte auch jetzt noch an seine Rache.
Er lachte stoßartig und verächtlich auf. Dann wandte er sich abrupt um und ließ Molina stehen.
Es gab nichts mehr zu tun. Was sie taten, war nichts weiter als eine Sisyphusarbeit, eine völlig nutzlose Sache. So wie sie hatte es auch der griechische Sagenheld, der König von Korinth, getan. Durch Schlauheit und List hatte er immer wieder sittlich und moralisch fragwürdige Erfolge errungen, für die ihn die Götter nach seinem Tode bestraften.
Er wurde dazu verurteilt, in der Unterwelt einen riesigen Felsbrocken einen steilen Berghang hinaufzuwälzen. Jedesmal, wenn er fast den Gipfel erreicht hatte, rollte dieser Felsbrocken wieder zurück, und die nutzlose Arbeit begann von neuem – bis in alle Ewigkeit.
So war es auch hier, nur mit dem Unterschied, daß es sich um ein Feuer handelte, das nicht zu löschen war. War es ihnen gelungen, einen Brand zu ersticken, so flackerte an einer anderen Stelle sofort ein neues Feuer auf, und alles begann von vorn.
Molina hastete nach oben und blieb am Niedergang zur Kuhl stehen.
Der Fockmast stand in hellen Flammen, die gierig nach oben züngelten. Am Großmast glimmten Rahen und Spieren. An der Steuerbordseite hatte sich das Feuer durch den Rumpf gefressen. Einer der Siebenpfünder neigte sich langsam über die von Glut zerfressenen Decksplanken.
Die Decks waren pechschwarz und stanken entsetzlich nach qualmender Farbe und brennendem Teer. Kleine Feuerteufel tanzten Irrlichtern gleich über die Planken und fraßen rötliche Löcher hinein.
Durch den Rumpf des großen Schiffes lief ein Knacken und Ächzen, als würden die Planken bersten.
Ein donnernder Knall ließ Molina herumfahren. Er sah gerade noch, wie sich die Siebzehnpfünder-Kanone zur Seite neigte, das Deck durchbrach und dabei einen Höllenlärm veranstaltete. Die Brooktaue barsten mit einem lauten Geräusch. Die schwere Kanone versank im Rumpf, schlug im unteren Deck alles kurz und klein und rumpelte dann unter Getöse in die Bilge.
Wasserdampf stieg durch das riesige Loch im Deck auf.
Der Erste Offizier verbarg sein Gesicht in den Händen. Als er kurz aufblickte, sah er den Capitán herantaumeln. Seine Uniform war von Ruß und Dreck geschwärzt. Das Weiße in seinen Augen stach aus dem Gesicht heraus und ließ ihn wie einen Wahnsinnigen erscheinen.
Schweratmend blieb er stehen und sah mit feuchten Augen in das Inferno. Sein Blick fiel wieder auf den seltsamen Mann, der noch immer mit dem Besen die Planken der Kuhl fegte.
Der Kerl hielt in seiner Arbeit nicht inne. Er mußte verrückt sein, anders konnte sich Garcia sein Verhalten nicht erklären. Ein Besen nach dem anderen verbrannte ihm unter den Händen, und immer wieder rannte der Kerl nach unten, um einen neuen zu holen, mit dem er die sinnlose Arbeit in aller Ruhe fortsetzte.
„Hör auf damit, du Trottel!“ schrie Garcia. „Hör sofort mit diesem idiotischen Gefege auf!“
Der Mann ließ den Besen fallen und salutierte. Steif wie eine Götzenfigur blieb er stehen und rührte sich nicht.
„Befehlen Sie die Leute von Bord“, sagte der Erste mit eindringlicher Stimme. „Jeden Augenblick kann das Pulver hochgehen und uns alle zerreißen.“
Seine Worte wurden von einem fürchterlichen Rumoren überlagert. Eine Rah löste sich wie eine brennende Riesenfackel. Sie schlug zwischen Kuhl und Vorschiff ein, zertrümmerte eine Nagelbank und bohrte sich in die Planken. Feuer spritzte nach allen Seiten, glühende Holzsplitter flogen ihnen um die Ohren.
Garcia gab keine Antwort. Er schien die Worte des Ersten nicht gehört zu haben. In ihm war alles tot, ausgebrannt. So ausgebrannt wie sein stolzes Schiff, das jetzt nur noch ein nutzloses Wrack war.
Der Kerl, der so emsig das Deck gefegt hatte, stand einsam und verlassen da und wartete auf weitere Befehle, die nicht erfolgten. Er blieb weiterhin auf seinem Posten und starrte vor sich hin.
Zwei weitere Männer setzten sich ab, indem sie über Bord sprangen.
3.
Der Nebel hatte sich aufgelöst und hing jetzt nur noch als dunstige Schicht weit hinten über dem Dschungel.
Sie hatten es geschafft und waren durch die Bresche gelangt, wo sie jetzt in ruhigem Wasser lagen.
Durch den Mangrovendschungel sahen sie das Feuer in der anderen Bucht. Es loderte immer wieder grell auf und war, wie sie aus Erfahrung wußten, so gut wie nicht zu löschen. Damit war Garcias Kriegsgaleone verloren. Sie hatten auch das Schießen eingestellt.
Ferris Tucker, der zusammen mit Al Conroy den Brandsatz abgefeuert hatte, blickte durch den teilweise gelichteten Dschungel, der die beiden Buchten wie eine Landzunge voneinander trennte.
Der Schiffszimmermann schluckte bedächtig.
„Aus und vorbei“, murmelte er. „Sie werden die Galeone wohl bald aufgeben müssen. Aber dann liegt sie als Wrack vor der Bucht und versperrt uns die Ausfahrt. Ich nehme an, daß Ruthland die Spanier an Bord nimmt und verschwindet. Er dürfte jegliches Interesse an einer Fortsetzung des Kampfes verloren haben.“
Bei seinen Worten schoß auf der „Aguila“ eine Stichflamme hoch. Der Rauchpilz, der über der Bucht hing, vergrößerte sich und wurde gleichzeitig noch dunkler. Ein dumpfes Krachen ertönte.
Al Conroy rieb sich mit der Hand über das Kinn. Ein heller Strahl der Morgensonne traf sein Gesicht wie ein Geisterfinger und ließ seine Augen aufleuchten.
„Die Wirkung war ungeheuerlich und die Überraschung so groß, daß sie dort drüben die Nerven verloren haben. Aber das Wrack wird uns später wirklich noch ein Problem aufgeben. Es treibt unmerklich auf die Einfahrt zu und wird dort sinken. Wie tief ist die Bucht an der Stelle eigentlich?“
„Ziemlich flach“, sagte Ferris. „So flach jedenfalls, daß die Galeone nicht ganz untergehen wird.“
Hinter ihnen war Gebrüll zu hören. Ruthland krebste mit seiner Karavelle in der Bucht herum und hütete sich, in die Nähe der brennenden Galeone zu kommen.
Auf der Schebecke wurden die Jollen längsseits geholt, die als Vorspann gedient hatten. Der Rest der Strecke wurde mit den Langriemen bewältigt.
Hasard zeigte nach Steuerbord, wo sich das flach abfallende Ufer befand. In der Nähe einer Landzunge gab es eine sandige Stelle, die unmerklich in den Dschungel überging.
„Dort pullen wir hin“, sagte er. „Der Platz scheint günstig zu sein, um das Ruder zu reparieren.“
„Wir haben nicht nur das Ruder zu reparieren, Sir“, wandte Ferris ein. „Das Schanzkleid hat auf dieser Seite auch noch einen Treffer erhalten, und dann ist da noch der Fockmast. Der erinnert mich an einen losen Zahn, der wackelt.“
„Das Ruder ist vorrangig, Ferris. Wenn wir das repariert haben, sind wir wieder voll manövrierfähig und können uns zur Wehr setzen. Um alles andere kümmern wir uns anschließend.“
„Aye, aye, Sir. Ich halte es aber für besser, hinter der kleinen Landzunge aufzuslippen. Dort ist auch noch sandiges Ufer. Ich habe zwar eben zu Al gesagt, daß Ruthland jetzt wohl die Nase voll haben wird und an weiteren Kämpfen nicht mehr interessiert sein dürfte, aber es kann doch sein, daß er sich vor die Bresche legt und von dort auf uns feuert. Ist nur so eine Eingebung, Sir, die ja nicht stimmen muß. Liegen wir jedoch hinter der Landzunge, dann muß er schon fast um die Ecke schießen können, um uns zu treffen.“
Hasard sah Ferris nachdenklich an. Schließlich nickte er.
„Kann sein, Ferris, vielleicht hast du recht. Ruthland ist ein unberechenbarer Querkopf, dem alles zuzutrauen ist. Wir werden hinter die Landzunge verholen, obwohl ich annehme, daß der Kerl jetzt endgültig bedient ist und seine Karavelle nicht auch noch aufs Spiel setzt.“
„Möglicherweise hetzt Garcia ihn auf“, sagte Don Juan, der dem Gespräch gefolgt war. „Sein Haß dürfte alle Grenzen sprengen, wenn er erst einmal sein Schiff verloren hat. Und das dürfte jetzt wirklich bald der Fall sein.“
„Kann sein. Er ist der gefährlichere Gegner. Dann verholen wir also hinter der Landzunge.“
Mit den Langriemen wurde die Schebecke langsam weitergepullt, bis sie die Landzunge erreichten.
Nach ein paar Schlägen im ruhigen Wasser lag die Schebecke still.
Während achteraus das Inferno tobte und die Galeone des Spaniers langsam abbrannte, konnten die Arwenacks in aller Ruhe einen Blick in die neue Bucht werfen.
Es war wirklich ein hervorragender Liegeplatz und gleichzeitig ein vorzügliches Versteck, das vom Fluß her nicht eingesehen werden konnte.
Die Bucht war auch viel größer, als es am Anfang den Anschein gehabt hatte. Hasard sah das jetzt überdeutlich, seit der Nebel verschwunden war. Nur der Monsunregen trübte noch ein wenig die Sicht.
Die linke Seite war mit Mangroven zugewuchert. Dazwischen befand sich morastiger Untergrund, den man zu Fuß nicht durchqueren konnte. Von dieser Seite her war kein Angriff zu befürchten. Niemand vermochte da durchzuwaten, ohne bis zum Hals in den Schlamm einzusinken.
Das Ende der Bucht bestand ebenfalls aus undurchdringlich scheinendem Dschungel, hinter dem sanft die Berge anstiegen, die ebenfalls dicht bewachsen waren. In der Ferne glitzerte das Wasser in bunten Farben. Ganz zart kräuselten sich noch ein paar Nebelschwaden darüber, die wie weißer Dampf aussahen.
„Dort hinten ist ebenfalls alles dicht“, sagte Hasard. „Wir liegen hier wirklich wie in Abrahams Schoß.“
Dan O’Flynn zog ein Spektiv auseinander und setzte es ans Auge. Er warf einen langen Blick hindurch und reichte es schließlich Hasard.
„Es geht anscheinend noch weiter“, sagte er. „Auf der rechten Seite sieht es nach einem sanft ansteigenden Küstenstrich aus.“
„Wir sind bekanntlich etliche Meilen vom Meer entfernt“, erwiderte der Seewolf. „Demnach kann es hier keine Küste geben.“
„Sieht aber trotzdem danach aus“, beharrte Dan. „Hinter den Mangroven steigt das Land mit küstenähnlichem Charakter an. Vielleicht befindet sich dort noch ein See. Die Bucht ist jedenfalls nicht zu Ende, das sehe ich genau.“
Hasard nahm das Spektiv. Als er es wieder absetzte, sah er Dan verwundert an.
„Es stimmt. Dort geht es weiter, aber der Verlauf der Bucht wird immer enger. Ich bin wirklich gespannt, wo die Bucht endet oder hinführt.“
„Das sollten wir möglichst bald erkunden“, meldete sich Hasard junior, der mit seinem Zwillingsbruder Phil bereits die Ohren spitzte. Für Erkundungen waren die Söhne des Seewolfs immer zu haben, genau wie Old O’Flynn, der ebenfalls hellhörig wurde und sofort zur Stelle war.
„Und zwar so schnell wie möglich“, meinte der „Admiral“. „So haben wir einen genauen Überblick und außerdem einen Vorteil.“
Hasard kannte solche Entdeckertouren bereits zur Genüge und lächelte unmerklich. Recht hatten die drei ja, wenn sie das Territorium erkundeten. Man war dann besser gegen Überraschungen gewappnet oder konnte sich darauf einstellen.
„Gut“, sagte er. „Aber die Exkursion verschieben wir noch um ein paar Stunden, bis wir Gewißheit haben, wie es in der anderen Bucht weitergeht. Solange bleiben alle an Bord.“
„Dann könnte ich den Jollenführer spielen“, schlug Carberry voller Eifer vor. „Drei Mann sind zuwenig und können, leicht in Gefahr geraten.“
Der Profos erklärte gestenreich und übereifrig, warum er unbedingt mit dabei sein müsse. Er sei schließlich das Salz dieser Erde, meinte er bescheiden, und ohne Salz ginge gar nichts. Da würde nicht mal die Suppe schmecken.
Hasard ließ sich schließlich überzeugen. Vier Männer konnte er zur Erkundung abstellen, ohne daß sie deshalb mit den Arbeiten in Verzug gerieten.
„In Ordnung, aber erst später. Im Augenblick droht uns vom jenseitigen Ende der Bucht ganz sicher keine Gefahr.“
Der Profos wollte das erst bezweifeln, doch Hasards kühler Blick ließ ihn nur diskret hüsteln. Carberry wäre am liebsten gleich mit der Jolle losgepullt. Zum Glück wußte der Profos noch nicht, welche Überraschung ihn auf der anderen Buchtseite erwartete, sonst hätte sein Eifer einen schnellen Dämpfer erhalten.
Ein infernalischer Krach ließ die Arwenacks herumfahren. Alle starrten in die Bucht, wo die „Aguila“ in Agonie lag und ihren letzten, einsamen Todeskampf ausfocht.
Vermutlich war ein Faß Schießpulver in die Luft geflogen.
Ein grellweißer Blitz zuckte aus dem Mittelschiff hoch und raste funkenstiebend in den Himmel. Der Explosionsdruck fegte etliche Spanier über das teilweise zerfetzte Schanzkleid außenbords.
Unter dem Blitz quoll eine ballähnliche Wolke hoch, die gleich darauf die typische Pilzform annahm und sich wulstartig nach allen Seiten aufblähte. Schwarz, grau und braun war dieser Pilz, der sich schlagartig über die Decks legte.
Die riesige Flamme verpuffte unter fauchender Geräuschentwicklung. Der Druck fetzte ein Stück brennender Leinwand weg. Wie ein feuriger Drache torkelte die qualmende und funkenspeiende Leinwand quer durch die Bucht.
Irgendwo im Wasser schrie gellend ein Mann um Hilfe. Aber keiner schenkte ihm Beachtung. Die Dons waren wie von Sinnen und hatten die Kontrolle über ihr Schiff und sich selbst verloren.
Die Galeone trieb auf den Ausgang der Bucht zu, und diesmal streifte ihr Heck den Mangrovenwald. Der federnde Anprall verlieh ihr einen kleinen Schub, bis sie quer vor der Einfahrt lag. Sie erweckte den Anschein, als wollte sie mit allerletzter Kraft den Tapti erreichen.
Mittlerweile lag sie tiefer im Wasser. Durch ein paar zerfetzte Planken drang Wasser in ihren Rumpf. Sie hatte auch leichte Schlagseite, wie Hasard deutlich erkannte.
„Die säuft genau da ab, wo sie es besser nicht tun sollte“, sagte Batuti.
Sie sahen, wie Garcia ein paar eingeschüchterte Leute zusammentrommelte. Er schlug mit den Fäusten voller Wut auf sie ein, als sie deutlich ihre Angst zeigten. Etliche Dons waren so schwarz wie Schlotfeger und sahen fürchterlich aus.
„Was hat der Kerl vor?“ fragte Jeff Bowie heiser, als ein paar Männer lange Bootshaken an Deck brachten. „Die werden doch nicht versuchen, zum Fluß zu gelangen? Damit erreichen sie absolut nichts.“
Hasard beobachtete mit zusammengepreßten Lippen das Manöver.
Garcia hatte längst erkannt, daß sein Schiff verloren war. Aber er wollte ihnen noch eins auswischen, indem er die Galeone als unüberwindbares Hindernis vor die Einfahrt legte. Daß sie an dieser Stelle untergehen würde, stand außer Frage. Ihr Bug mußte jeden Augenblick Grundberührung haben.
„Sein letzter Streich“, sagte Hasard. „Damit schiebt er uns eine Nuß zwischen die Zähne, an der wir lange zu knacken haben.“
Dumpfe Schläge klangen aus dem Innern des Schiffes. Ein paar Dons wüteten mit Beilen und Äxten an den Planken herum. Sie wollten das verlorene Schiff schneller auf Grund bringen.
Deutlich erkennbar sackte das Vorschiff noch weiter ab.
Die „Ghost“ lag jetzt in einem Winkel vor der Galeone, der es ihr ermöglichte, die Bucht noch zu verlassen. Ruthland hatte jeden Fetzen Tuch weggenommen. Etliche seiner Leute waren damit beschäftigt, pausenlos Wasser an Deck zu pützen, um dem Funkenflug vorzubeugen und nicht selbst Feuer zu fangen.
Etliche Dons, die in heller Panik die Galeone verlassen hatten, schwammen auf die Karavelle zu und versuchten, aufzuentern.
Ruthland war jedoch nicht gewillt, alle an Bord zu nehmen, und so scheuchte er einige mit groben Worten fort. Andere Schiffbrüchige versuchten es erst gar nicht. Sie schwammen an Land, krochen zwischen den Mangroven herum oder flüchteten in den Dschungel. Die Angst vor dem Feuer saß ihnen im Nacken.
„Mit, den Dons hat Ruthland ein Problem am Hals“, sagte Ben Brighton. „Wenn die alle an Bord wollen, ist seine Karavelle hoffnungslos übervölkert. Deshalb jagt er die meisten auch zum Teufel, dieser Halunke. Es scheint ihn auch nicht zu interessieren, was aus den Männern wird. Eine feine Freundschaft ist das.“
„Da hast du recht“, erwiderte Hasard. „Eiserner Zusammenhalt und eiserne Disziplin. Das sind wahre Männer.“
In diesem Augenblick gab es auf der Galeone einen harten Ruck. Ganz plötzlich saß sie vor der Einfahrt fest.
Ein entsetzlich lautes Knirschen war zu hören. Dann folgte ein Krach, als würden Bäume geschlagen.
Es war der Großmast der Galeone, der dem Anprall nicht standhielt. Die Flammen hatten an ihm gezehrt, und auch jetzt noch loderte er.
Er neigte sich nach vorn, wackelte einen Augenblick bedrohlich hin und her und stürzte dann um.
Er traf beim Fallen die Rahen des Fockmastes und hieb sie mit einem gewaltigen Schlag an Deck. Der Fockmast selbst zersplitterte zu einem Stumpf. Der obere Teil ging über Bord, wobei er das Schanzkleid auf der Steuerbordseite kurz und klein schlug.
Reste des Großmastes durchschlugen mit Wucht das Deck. Neue Feuer loderten aus dem Innern auf, und es gab eine gedämpfte Explosion. Im Rumpf der Kriegsgaleone entstanden gezackte Löcher. Sie sackte achtern noch tiefer ab und legte sich leicht auf die Seite.
Damit war das Schicksal des Schiffes endgültig besiegelt.
Weitere Männer verließen das Schiff, indem sie über Bord sprangen und angstvoll dem Dschungel zustrebten.
Der Mann, den Carberry als „sturen Büffel“ bezeichnet hatte, hielt immer noch die Stellung in unerschütterlichem Gleichmut. Er hatte keinen Besen mehr in der Hand, aber er stand inmitten von Rauch und Feuer an der Nagelbank des Großmastes, der nur noch aus einem zersplitterten Stumpf bestand.
Dort blieb er endlos lange stehen und sah auf das qualmende Wrack. Erst nach längerer Zeit begann er damit, glutende Holzteile mit den Füßen durch die Speigatten zu schleudern. Was er tat, war absolut sinn- und nutzlos, aber er war offenbar einer von der Sorte, die immer etwas tun mußten, auch wenn es noch so unsinnig erschien.
Garcia und Molina irrten durch das aufgelaufene Wrack zwischen Feuer und Rauch. Der Capitán glaubte, von einem quälenden Alptraum befallen zu sein, als er die Trümmer sah.
Auf dem Achterdeck konnten sie sich nicht mehr aufhalten, da qualmte und brannte es, und eine mörderische Hitze lag über den aufgerissenen Planken.
Zwei Offiziere waren spurlos verschwunden. Vielleicht waren sie auch über Bord gesprungen.
Garcia blickte an sich hinunter und lachte stoßartig auf. Seine Uniform war pechschwarz von den Rußflocken. Der Monsunregen hatte daraus eine schmierige Pampe werden lassen. Molina sah genauso schrecklich aus wie er selbst.
Auf dem teilweise zerstörten Achterdeck ging eine Kanone los, wohl infolge der sich immer stärker ausbreitenden Hitze. Sie spie einen Feuerstrahl aus und zuckte zurück. Die Brooktaue, die sie sonst bremsten, waren durchgesengt, und als sie zurückrollte, drehte sie sich um ihre eigene Achse, durchbrach das Schanzkleid und polterte ins Wasser.
Der Siebzehnpfünder, den sie ausgespien hatte, ließ eine gischtende Fontäne in der Bucht entstehen.
„Wir sollten von Bord gehen“, sagte Molina heiser und keuchend. Alle Augenblicke blieb er hustend stehen und wedelte den Rauch vor seinem Gesicht fort. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann die restlichen Pulverfässer explodieren, Capitán. Wir schwimmen zur ‚Ghost‘ hinüber und gehen an Bord.“
Garcia schien ihn nicht zu hören. Sie standen jetzt vor den aufgebogenen Planken der Kuhl. Die Nähte zwischen den Planken hatten sich hochgewölbt, und eine zähe Masse aus Pech, Teer und Werg breitete sich aus. Der Gestank war entsetzlich und kaum auszuhalten.
Garcia schien erst wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden, als eine zweite Kanone feuerte. Der Krach ließ ihn herumfahren.
Diesmal schlug die Kugel in der Nähe der „Ghost“ ein. Vor ihrem Bug stieg eine Wassersäule auf. Sie hörten Ruthland laut und ordinär fluchen. Offenbar kapierte er nicht, was hier vorging.
„Stellt das Feuer ein, ihr Idioten!“ schrie er. „Ihr schießt mir ja mein Schiff zusammen!“
„Bastard“, knurrte Garcia. „Der Kerl ist die Dummheit in Person. Der begreift überhaupt nichts.“
Die Kanone blieb mit rauchender Mündung an Deck stehen. Eins der Brooktaue war gebrochen.
Hinter ihnen begann es irgendwo unter Deck laut zu zischen.
„Das Schießpulver“, sagte Molina mit zuckenden Lippen.
Garcia schüttelte lauschend den Kopf. „Wassereinbruch. Es wird immer mehr.“