Feuerschein über den Sudeten

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Feuerschein über den Sudeten
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Feuerschein

über den Sudeten

Dieter Heinze

Feuerschein

über den Sudeten

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2013

Gewidmet meinem Freund

Adalbert Bartak

Lektorat: Birgit Rentz

Kartenskizzen: AVIGrafik Dĕčín

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

ISBN 9783954882526

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Copyright

Teil I Die Vorgeschichte

Die Folgen der Niederlage Deutschlands und Österreich-Ungarns im 1. Weltkrieg

Die Pariser Vorortverträge und deren Einfluss auf die Entwicklung Sudetendeutschlands

Die Tschechoslowakische Republik 1918–1919: Krieg an allen Fronten

Die militärische und politische Entwicklung in der Tschechoslowakei 1919–1936

Aufklärung ist alles

Die französisch-tschechische militärische Zusammenarbeit – ein strategischer Faktor für die Stabilisierung des tschechoslowakischen Staates

Die Zusammenarbeit des tschechoslowakischen Geheimdienstes mit sowjetischen Geheimdiensten

Die Entwicklung der deutsche Streitkräfte von 1921–1937

Die Entwicklung des operativen Denkens der Wehrmacht bis 1938

Die „Studie Grün“

Der Bürgerkrieg in Spanien – Testfeld für die neuen Waffen Deutschlands und der Sowjetunion.

Teil II: 1938 – Der Konflikt um Sudetendeutschland spitzt sich zu

Die internationale Lage zu Beginn des Jahres 1938 und die europäischen Armeen

1938 – der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich

Der Tschechoslowakische Wall

Teil III – Die Krise

Die Sudetendeutsche Partei an Hitlers Seite

Die Teilmobilmachung der tschechoslowakischen Armee im Mai 1938

Putschpläne zum Sturz Hitlers und die Münchner Konferenz

Hitlers Diplomatie

Der operative Aufmarsch der Wehrmacht zum Überfall auf die Tschechoslowakei

Die Entfaltung der tschechoslowakischen Armee zur Abwehr einer deutschen Aggression

Das Kräfteverhältnis in den Operationsrichtungen

Die sowjetische Karte

Teil IV: Das Sudetendeutsche Freikorps

Lützows wilde, verwegene Jagd

Die Propagandaschlacht

Teil V – Das Ende der Tschechoslowakei

Die Aasgeier

Der Einmarsch der Wehrmacht in Böhmen und Mähren

Das Protektorat Böhmen und Mähren

Der Widerstand gegen die deutsche Okkupation und das Attentat auf Heydrich

Das Ende des Protektorates Böhmen und Mähren

Verzeichnis der benutzten Archivquellen und Literatur

„… unsere geschichtlichen Grenzen stimmen mit den ethnografischen Grenzen ziemlich überein. Nur die Nord- und Westränder des böhmischen Vierecks haben infolge der starken Einwanderung während des letzten Jahrhunderts eine deutsche Mehrheit. Für diese Landesfremden (franz.: étrangers) wird man vielleicht einen gewissen Modus Vivendi schaffen, und wenn sie sich als loyale Bürger erweisen, ist es sogar möglich, dass ihnen unser Parlament […] irgendeine Autonomie zugesteht. Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass eine sehr rasche Entgermanisierung dieser Gebiete vor sich gehen wird.“

Tomas Garrigue Masaryk in einem Interview für die Zeitung Le Matin am 10. Januar 1919 während der Verhandlungen zum Friedensvertrag von Saint-Germain

Danksagung

Wenn ein Autor ein Buch vollendet hat, bleibt nur noch eine angenehme Pflicht – allen zu danken, die den Autor bei seiner Arbeit unterstützt haben. So auch im vorliegenden Fall. Wie schon bei anderen Veröffentlichungen ist an erster Stelle die Mitarbeiterin des Militärhistorischen Archivs in Prag, Frau Pivcová, zu nennen. Sie hat die in Prag befindliche Originaldokumentation des Sudetendeutschen Freikorps sachkundig erschlossen und mir zur Verfügung gestellt. Auch bei den Mitarbeiterinnen der Fotoarchive Frau Žižková (VUA Prag) und Frau Bader (Bundesarchiv/Bildarchiv) möchte ich mich herzlichst für deren professionelle Arbeit bedanken.

Ein besonderer Dank gebührt auch meiner Lektorin Frau Birgit Rentz, deren professionelle Arbeit wesentlich dazu beitrug, Fehler aller Art im Manuskript aufzufinden und auszubessern.

Mein Bestreben, eine umfassende militärhistorische Betrachtung zu schreiben, hat es erfordert, auch ein umfangreiches deutschsprachiges Quellenmaterial auszuwerten. Dabei waren mir die Mitarbeiterinnen der Militärbibliothek Strausberg wie immer eine große Hilfe. Auch die zuständigen Mitarbeiterinnen der Stadt- und Kreisbibliothek Pirna haben mir seltene Bücher über die Fernleihe zur Verfügung gestellt.

Für eine größere Anschaulichkeit des Manuskripts war es erforderlich, auch Kartenskizzen anzufertigen. Frau Milada Andrová von der Firma AVIGrafik in Děčín hat meine Vorstellungen in professionelle Grafiken umgesetzt, deshalb möchte ich mich ebenfalls bei ihr bedanken.

Meine Ehefrau Lenka hat mich auch bei diesem Buch nicht nur auf vielfältige Weise unterstützt, sondern auch auf viele gemeinsame Freizeitstunden verzichtet, deshalb gebührt ihr mein ganz besonderer Dank.

Teil I
Die Vorgeschichte

Kapitel 1

Die Folgen der Niederlage Deutschlands und Österreich-Ungarns im 1. Weltkrieg

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts spitzten sich die Widersprüche zwischen den Großmächten Großbritannien, Frankreich, Russland und Deutschland zu. Wesentliche Ursache war, dass das Deutsche Reich, erst 1871 gegründet, einerseits bei der Aufteilung der Rohstoff- und Absatzmärkte zu spät gekommen war, andererseits aber eine äußerst dynamische wirtschaftliche Entwicklung nahm. Die etablierten Großmächte Großbritannien, Frankreich und Russland schlossen sich gegen Deutschland zur sogenannten Triple Entente zusammen, während Deutschland mit Österreich-Ungarn und der Türkei das Bündnis der Mittelmächte bildete. Beide Militärbündnisse versuchten weitere mittlere und kleine Staaten auf ihre Seite zu ziehen, so z. B. Rumänien, Serbien und Italien. Im Jahr 1914 spitzten sich die Gegensätze immer mehr zu und es genügte ein Funke, um das Pulverfass Europa zur Explosion zu bringen. Dieser Funke war die Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajevo. Österreich-Ungarn nahm das zum willkommenen Anlass, endlich mit Serbien abzurechnen, das ihm auf dem Balkan im Weg war. Österreich-Ungarn erklärte Serbien den Krieg. Damit trat für Russland, der Schutzmacht Serbiens, der Bündnisfall ein und diese erklärte Österreich-Ungarn den Krieg. Damit wiederum trat für Deutschland der Bündnisfall ein und jetzt mussten auch die anderen Bündnispartner Russlands Deutschland und Österreich-Ungarn den Krieg erklären. Binnen weniger Tage befand sich die halbe Welt im Krieg. In beiden Bündnissen war die Zuspitzung der Gegensätze von einer Welle des Nationalismus begleitet. Die Folge davon war, dass in allen Staaten, die in den Krieg eintraten, der Ausbruch des Krieges euphorisch begrüßt wurde. Die Soldaten bestiegen blumengeschmückt die Eisenbahnzüge, die sie an die Front brachten. Nicht wenig trug zu der Euphorie die Fehleinschätzung der europäischen Militärexperten bei, dass der Krieg in wenigen Wochen entschieden sein würde. Man hatte die Wirkung der in den letzten Jahren in die Bewaffnung aller Armeen aufgenommenen Waffensysteme, insbesondere der Maschinengewehre, bedeutend unterschätzt. Der Bewegungskrieg war im Westen nach wenigen Wochen beendet und stattdessen führten die Armeen einen blutigen Stellungskrieg. Nur im Osten wurde noch Bewegungskrieg geführt, weil die russischen Armeen dem Druck der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen nicht standhalten konnten und sich langsam ins Landesinnere zurückziehen mussten.

 

Schon bald schlug die Euphorie in Ernüchterung um. Das hatte vorerst in den politisch instabilen Staaten wie Russland und Österreich-Ungarn weitreichende Folgen. Die Nationalstaaten wie Frankreich und Deutschland hielten dem Druck länger stand, bis es zu inneren Unruhen kam, aber in den Vielvölkerstaaten Russland und Österreich-Ungarn fragten sich diejenigen Soldaten, die keine Österreicher waren, für wen sie eigentlich ihr Leben riskierten. In Tschechien gab es bereits eine Untergrundbewegung in Prag sowie Exilgruppen tschechischer Auswanderer in Frankreich, Großbritannien, den USA und Russland. In den Jahren 1914–1915 gelang es Tomas Garrigue Masaryk, die Exilgruppen zu einer einheitlichen politischen Bewegung zu vereinigen. Masaryk stammte aus einer slowakisch-deutschen Familie und war ordentlicher Professor für Philosophie in Prag. Von 1900–1914 war er Mitglied des österreichisch-ungarischen Reichsrates. Im Herbst 1914 blieb er während einer konspirativen Auslandsreise in der Schweiz, um einer drohenden Verhaftung zu entgehen. Im Februar 1916 bildete die vereinigte Exilbewegung den Tschechoslowakischen Nationalrat, dessen Vorsitz Masaryk übernahm. Masaryk gelang es, die tschechoslowakische Frage zu internationalisieren. Auf Initiative des Nationalrats und Masaryks erlaubten die Alliierten die Bildung einer tschechoslowakischen Exilarmee. Anfangs sollten in die Armee nur Tschechen und Slowaken im Exil aufgenommen werden, später erlaubten diese die Aufnahme von Kriegsgefangenen. Anfangs waren die Freiwilligenmeldungen nur spärlich, je stärker sich aber die Niederlage der Mittelmächte abzeichnete, desto mehr Kriegsgefangene meldeten sich zur Legion. In Italien und Frankreich wurden nur relativ schwache Truppenkörper aufgestellt. An Kampfhandlungen auf Seiten der Alliierten nahmen sie nicht mehr teil, sie spielten aber eine große Rolle bei der Sicherung des Territoriums des neu gegründeten tschechoslowakischen Staates. Von großer Bedeutung war die Tschechoslowakische Legion in Russland. Mit deren Aufstellung wurde schon im August 1914 begonnen. Nachdem die russische Regierung die Einstellung von Kriegsgefangenen genehmigt hatte, wurde bis Ende 1916 eine Schützenbrigade in Stärke von 5.700 Mann gebildet. Diese nahm Ende Juni 1917 erfolgreich an der Schlacht von Zborow teil. Die Beteiligung von Kriegsgefangenen an Kampfhandlungen gegen ihren Heimatstaat verstößt gegen das Kriegsrecht und die betreffenden Soldaten galten als Landesverräter. Durch Aufnahme weiterer Kriegsgefangener konnte die Legion auf 35.000 Kämpfer erweitert werden. Im Februar 1918 kannten die Alliierten die Tschechoslowakische Legion als Bestandteil der Alliierten Streitkräfte an. Das war ein äußerst geschickter Schachzug von Masaryk und ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Anerkennung eines selbstständigen tschechoslowakischen Staates durch die Alliierten. Im Frühjahr und Sommer tummelten sich in Paris Abgesandte von Völkern, die noch zum Herrschaftsbereich des Deutschen Reiches, der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, des Osmanischen Reiches und Russlands gehörten. Alle diese Abgesandten, Mazedonier, Finnen, Esten, Letten, Litauer, Rusinen, Ukrainer, Polen, aber auch Inder und Araber, hofften auf eine politische Karriere durch Lostrennung ihrer Völker von ihren jetzigen Herren mit Hilfe der Alliierten. Aber einzig die durch Masaryk und seinen Mitarbeiter in Paris, Edvard Beneš, vertretenen Tschechen und Slowaken verfügten über eine starke, disziplinierte und gut ausgebildete Armee, die fähig war, an der Seite der Alliierten zu kämpfen. Die nächste Etappe im Kampf um einen unabhängigen tschechoslowakischen Staat wurde durch das Pittsburgher Abkommen abgeschlossen. Dieses wurde am 31. Mai 1918 in Pittsburgh zwischen den Vertretern der tschechischen und slowakischen Exilgruppen geschlossen und sollte die Grundlagen des zukünftigen gemeinsamen Staates festlegen. Beide Seiten hatten Interesse an einem gemeinsamen Vorgehen. Die Slowaken befürchteten, sich nicht ohne Hilfe aus dem ungarischen Staatsverband lösen zu können, und die Tschechen benötigten die Slowaken als Gegengewicht zu den Sudetendeutschen, um ein eindeutiges Übergewicht der Slawen gegenüber den Deutschen zu schaffen. Außerdem herrschte damals noch die Auffassung, dass Tschechen und Slowaken Brüdervölker seien. Sicher spielte bei den Slowaken auch die Überlegung eine Rolle, dass Masaryk einen großen Einfluss auf den Präsidenten der USA, Woodrow Wilson, hatte. Im Pittsburgher Abkommen war vereinbart worden, dass der künftige tschechoslowakische Staat aus den böhmischen Ländern und der Slowakei bestehen sollte. Dabei war das Staatsgebiet der Slowakei zu diesem Zeitpunkt nicht eindeutig definiert, weil es nie einen slowakischen Staat gegeben hatte. Den Slowaken war Autonomie versprochen worden, ein eigener Landtag, slowakisches Gerichtswesen und Amtssprache slowakisch. Davon wurde nichts eingehalten. Nachdem Masaryk und Beneš einmal an der Macht waren, wollten sie diese mit niemandem teilen. Es waren aber nicht alle politischen Gruppierungen mit der Vereinigung einverstanden. So z. B. forderten auf einer nationalen Konferenz am 1. Mai 1918 in Liptovsky Mikulas politische Gruppierungen, deren Sprecher der katholische Kaplan Hlinka war, die nationale Unabhängigkeit der Slowakei. Der Mitarbeiter Masaryks, Edvard Beneš, agierte und intrigierte aber in Paris während der Friedenskonferenzen äußerst geschickt und vermochte es, die Siegermächte für die Bildung eines tschechoslowakischen Staates zu gewinnen, obwohl Großbritannien und Frankreich ursprünglich Österreich-Ungarn nicht zerschlagen wollten, denn es war ein Garant für Stabilität in Mitteleuropa und auf dem Balkan. Er verfasste für die Friedenskonferenzen zahlreiche Denkschriften, die vor Fälschungen strotzten. Diese waren so gravierend, dass später ein Gesetz strenge Reglementierungen für die Entstehungsgeschichte der ČSR festlegen musste. Das ČSR-Staatsschutzgesetz drohte für „falsche“ Darstellungen der Entstehungsgeschichte mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren. Letztendlich gelang es aber, die Zustimmung von Frankreich, Großbritannien und den USA zur Staatsgründung zu erreichen. Am 28. Oktober 1918 rief Masaryk, der inzwischen zum Präsidenten gewählt worden war, die Tschechoslowakische Republik aus. Edvard Beneš wurde Außenminister in der Regierung des neuen Staates. Zu diesem Zeitpunkt war der Krieg noch nicht beendet. Die böhmischen Länder und die Slowakei hatten vier Jahre lang als Landesteile im Habsburgischen Kaiserreich gekämpft. Jetzt hatten Masaryk und Beneš geschickt die Seiten gewechselt und blieben von Reparationen verschont. Österreich und Ungarn wurden als die alleinigen Sündenböcke hingestellt. Im neuen Staat lebten von diesem Zeitpunkt an 6,6 Millionen Tschechen, 3,2 Millionen Deutsche, 2,0 Millionen Slowaken, 0,7 Millionen Ungarn, 0,5 Millionen Ruthenen, 0,3 Millionen Juden und 0,1 Millionen Polen. Zusätzlich zu den böhmischen Ländern und der Slowakei hatten die Franzosen noch die Karpato-Ukraine, ein Stück Ungarn und ein Stück Polen dazugegeben. Im tschechischen Landesteil befanden sich 70 % der industriellen Basis von Österreich-Ungarn. Die Sudetendeutschen verkörperten einen starken Mittelstand. Da sie das gesamte Grenzgebiet besiedelten, bildeten sie gleichzeitig die Klammer zwischen dem deutschen Staat und dem tschechoslowakischen Staat, oder besser: Die Sudetendeutschen hätten die Klammer bilden können, aber das war nicht das strategische Ziel von Masaryk und Beneš. Masaryk nannte im Jahr 1919 in einem Interview mit der Zeitschrift le Matin als Ziel die „Entgermanisierung“ des Sudetengebietes.

Kapitel 2

Die Pariser Vorortverträge und deren Einfluss auf die Entwicklung Sudetendeutschlands

Im Februar 1917 erklärte Deutschland den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, um den Nachschub aus den USA für Großbritannien und Frankreich zu unterbinden. Das führte zum Kriegseintritt der USA. Diese benötigten aber noch ein Jahr, um ihre zahlenmäßig geringen Land- und Luftstreitkräfte auf die für eine Intervention in Europa erforderliche Stärke zu bringen. Am 8. Januar 1918 hielt der Präsident der USA, Woodrow Wilson, eine programmatische Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses. In dieser legte er seine Vorstellungen von einer Friedensordnung in Europa nach Beendigung des Krieges dar. Das 14 Punkte umfassende Programm zeigte Lösungen für die Regelung der territorialen Fragen im Zusammenhang mit den von den Mittelmächten besetzten Gebieten und die künftigen Grenzen in Europa. Großen Wert legte Woodrow Wilson auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker sowie die politische Unabhängigkeit und territoriale Integrität auch der kleinen Staaten. So lautet der Punkt 10 des Programms wörtlich: „Den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz unter den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, sollte die freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung zugestanden werden.“ Dazu ist anzumerken, dass auch die Sudetendeutschen ein Volk im österreichisch-ungarischen Staatsverband waren.

Im Juni 1918 warfen die USA 2 Millionen Soldaten und ungeheure Materialmengen an die Westfront. Diesem Druck konnte die deutsche Armee nicht mehr standhalten und kapitulierte am 18. November 1918. Dabei vertraute die deutsche Führung auf Präsident Wilsons 14 Punkte, man hielt diese für eine Art Vorvertrag für den künftigen Friedensvertrag und hoffte auf milde Friedensbedingungen. Als Deutschland im deutsch-französischen Krieg 1870/71 Frankreich eine Niederlage beigebracht hatte, erhielt Frankreich einen Friedensvertrag mit äußerst milden Bedingungen. Das war aber dem Einfluss des weitsichtigen Reichskanzlers Bismarck zuzuschreiben. Obwohl die Franzosen danach unablässig auf Rache sannen, hielt der Frieden in Europa über 40 Jahre.

Vom 18. Januar 1919 bis zum 20. Januar 1920 tagte im Schloss von Versailles die Pariser Friedenskonferenz. Obwohl die Vertreter aller 34 Siegermächte teilnahmen, bestimmte der Rat der Vier, bestehend aus dem Präsidenten der USA, dem britischen Premierminister, dem französischen Ministerpräsidenten und einem Vertreter Italiens, den Inhalt der Verträge mit den besiegten Mittelmächten Deutschland (Vertrag von Versailles), Österreich (Vertrag von Saint-Germain), Ungarn (Vertrag von Trianon) und Türkei (Vertrag von Sèvres). Es zeigte sich im Inhalt der Verträge, dass sich Präsident Wilson mit seinen Vorstellungen nicht durchsetzen konnte. Die Franzosen waren von blindem Hass und dem Bestreben angetrieben, das Deutsche Reich entscheidend zu schwächen. Der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau besaß nicht die Weitsicht eines Bismarck. Auch Edvard Beneš nicht, der ebenfalls die Deutschen hasste. In seinem Bestreben, einen starken tschechoslowakischen Staat als Bedrohung Deutschlands zu schaffen, war er der richtige Partner für die Franzosen. Der britische Premierminister David Lloyd George schrieb in einem Memorandum im März 1918 warnend: „Ich kann mir keinen stärkeren Grund für einen künftigen Krieg denken, als dass das deutsche Volk, das sich sicherlich als einer der kraftvollsten und mächtigsten Stämme der Welt erwiesen hat, von einer Zahl kleinerer Staaten umgeben wäre, von denen manche niemals vorher eine standfeste Regierung für sich aufzurichten fähig waren, von denen aber jeder große Mengen von Deutschen enthielte, die nach Wiedervereinigung mit ihrem Vaterland begehrten.“ (Klaus Schwabe, Hrsg.: Quellen zum Friedensschluss von Versailles, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1997, S. 156). Und der französische Marschall Foch, der die deutsche Kapitulation im Wald von Compiègne entgegengenommen hatte, sagte: „Das ist kein Frieden, das ist ein Waffenstillstand für 20 Jahre.“ Präsident Wilson unterzeichnete zwar den Vertrag, aber beide Häuser des Kongresses lehnten die Ratifizierung ab. Auch die Verträge von Saint-Germain und Trianon waren ähnlich hart und traten die Prinzipien des Selbstbestimmungsrechtes der Völker mit Füßen. Österreich (Vertrag von Saint-Germain) wurde untersagt, sich „Deutschösterreich“ zu nennen und sich mit Deutschland zu vereinigen, Ungarn (Vertrag von Trianon) verlor zwei Drittel seines Staatsgebietes an Rumänien, den neu gebildeten SHS-Staat (später Königreich Jugoslawien) und die Tschechoslowakei. Letztere Verträge bestätigten nur die schon erfolgten Rezessionen, die zu militärischen Auseinandersetzungen geführt hatten, die zum Teil noch andauerten. Damit hatte die französische Kurzsichtigkeit, unterstützt von den führenden Repräsentanten der neuen Tschechoslowakei, zu einer Nachkriegsordnung geführt, in der alte Erbfeindschaften erneuert bzw. neue geschaffen wurden. Die Tschechoslowakei befand sich seit 1867 in Erbfeindschaft mit Ungarn, weil im Habsburgerischen Kaiserreich das Königreich Ungarn eine privilegierte Stellung erhielt und nicht die böhmischen Länder. Jetzt verlor der ungarische Staat nicht nur die Slowakei, sondern auch einen mehrheitlich von Ungarn besiedelten Landesteil im Süden der Slowakei und die Karpato-Ukraine. Trotz Mitgliedschaft beider Staaten in der Europäischen Union führt diese Erbfeindschaft auch heute noch zu Spannungen zwischen Ungarn und der Slowakei. Ungarn und Rumänien befehdeten sich über Jahrhunderte wegen des Großfürstentums Siebenbürgen. Je nach Machtbalance gehörte es zu Rumänien oder zu Ungarn, jetzt wurde es Rumänien zugeschlagen. Auch an den neuen SHS-Staat (Serbien, Kroatien, Bosnien und Slowenien) musste Ungarn Gebiete abtreten, im Krieg hatten aber Serben und Ungarn erbittert gegeneinander gekämpft. Der SHS-Staat, auch eine französische Idee, sollte die sogenannten Südslawen vereinen, die aber nie eine Volksgruppe bildeten. Er vereinte Staaten bzw. Völker, die nie in einem Staat zusammengelebt hatten. Die Balkanstaaten gehörten zu unterschiedlichen Einflusszonen der europäischen Großmächte bzw. waren mit diesen staatlich verbunden – Serbien mit Russland, Slowenien, Bosnien und Kroatien gehörten zu Österreich. Die inneren Spannungen zwischen den verschiedenen Völkern führten zwei Mal, 1941–1945 und 1991–1995, zu blutigen Auseinandersetzungen. Auch die Verträge von Saint-Germain und Trianon wurden von den USA nicht unterzeichnet.

 

Der Vertrag von Versailles führte in Deutschland zu harten politischen Auseinandersetzungen. Insbesondere der Artikel 231, der Deutschland und seinen Verbündeten die alleinige Schuld am Krieg zuwies, stieß auf harten Widerstand. Erst nachdem die Alliierten ultimativ mit einem Einmarsch ihrer Truppen gedroht hatten, unterzeichnete die deutsche Regierung unter Protest den Vertrag. Das erhöhte die ohnehin schon gewaltigen innenpolitischen Spannungen in Deutschland und machte es unmöglich, den Sudetendeutschen im entscheidenden Moment zu Hilfe zu kommen.

Kapitel 3

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