Die Elixiere des Teufels

Текст
Автор:
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Ich erstarrte vor Erstaunen, Schrecken und Schmerz! – Ach, wie soll ich Ihnen, ehrwürdiger Herr, denn mein Gefühl beschreiben! – Denken Sie an meine Liebe, an meine treue Anhänglichkeit, mit der ich dem Baron ergeben war – an meine böse Ahnungen, die nun erfüllt wurden; denn die wenigen Worte hatten es mir ja ganz erschlossen, daß ein geheimes Verhältnis zwischen der Baronesse und dem Grafen stattfand. Ich mußte wohl vorderhand schweigen, aber die Baronesse wollte ich bewachen mit Argusaugen und dann, bei erlangter Gewißheit ihres Verbrechens, die schändlichen Bande lösen, mit denen sie meinen unglücklichen Freund umstrickt hatte. Doch wer vermag teuflischer Arglist zu begegnen; umsonst, ganz umsonst waren meine Bemühungen, und es wäre lächerlich gewesen, dem Baron das mitzuteilen, was ich gesehen und gehört, da die Schlaue Auswege genug gefunden haben würde, mich als einen abgeschmackten, törichten Geisterseher darzustellen. Der Schnee lag noch auf den Bergen, als wir im vergangenen Frühling hier einzogen; demunerachtet machte ich manchen Spaziergang in die Berge hinein; im nächsten Dorfe begegne ich einem Bauer, der in Gang und Stellung etwas Fremdartiges hat, als er den Kopf umwendet, erkenne ich den Grafen Viktorin, aber in demselben Augenblick verschwindet er hinter den Häusern und ist nicht mehr zu finden. – Was konnte ihn anders zu der Verkleidung vermocht haben als das Verständnis mit der Baronesse! – Eben jetzt weiß ich gewiß, daß er sich wieder hier befindet, ich habe seinen Jäger vorüberreiten gesehn, unerachtet es mir unbegreiflich ist, daß er die Baronesse nicht in der Stadt aufgesucht haben sollte! – Vor drei Monaten begab es sich, daß der Gouverneur heftig erkrankte und Euphemien zu sehen wünschte; sie reiste mit Aurelien augenblicklich dahin, und nur eine Unpäßlichkeit hielt den Baron ab, sie zu begleiten. Nun brach aber das Unglück und die Trauer ein in unser Haus, denn bald schrieb Euphemie dem Baron, wie Hermogen plötzlich von einer oft in wahnsinnige Wut ausbrechenden Melancholie befallen, wie er einsam umherirre, sich und sein Geschick verwünsche und wie alle Bemühungen der Freunde und der Ärzte bis jetzt umsonst gewesen. Sie können denken, ehrwürdiger Herr, welch einen Eindruck diese Nachricht auf den Baron machte. Der Anblick seines Sohnes würde ihn zu sehr erschüttert haben, ich reiste daher allein nach der Stadt. Hermogen war durch starke Mittel, die man angewandt, wenigstens von den wilden Ausbrüchen des wütenden Wahnsinns befreit, aber eine stille Melancholie war eingetreten, die den Ärzten unheilbar schien. Als er mich sah, war er tief bewegt – er sagte mir, wie ihn ein unglückliches Verhängnis treibe, dem Stande, in welchem er sich jetzt befinde, auf immer zu entsagen, und nur als Klostergeistlicher könne er seine Seele erretten von ewiger Verdammnis. Ich fand ihn schon in der Tracht, wie Sie, ehrwürdiger Herr, ihn vorhin gesehen, und es gelang mir, seines Widerstrebens unerachtet, endlich ihn hieher zu bringen. Er ist ruhig, aber läßt nicht ab von der einmal gefaßten Idee, und alle Bemühungen, das Ereignis zu erforschen, das ihn in diesen Zustand versetzt, bleiben fruchtlos, unerachtet die Entdeckung dieses Geheimnisses vielleicht am ersten auf wirksame Mittel führen könnte, ihn zu heilen. Vor einiger Zeit schrieb die Baronesse, wie sie auf Anraten ihres Beichtvaters einen Ordensgeistlichen hersenden werde, dessen Umgang und tröstender Zuspruch vielleicht besser als alles andere auf Hermogen wirken könne, da sein Wahnsinn augenscheinlich eine ganz religiöse Tendenz genommen. – Es freut mich recht innig, daß die Wahl Sie, ehrwürdiger Herr! den ein glücklicher Zufall in die Hauptstadt führte, traf. Sie können einer gebeugten Familie die verlorne Ruhe wiedergeben, wenn Sie Ihre Bemühungen, die der Herr segnen möge, auf einen doppelten Zweck richten. Erforschen Sie Hermogens entsetzliches Geheimnis, seine Brust wird erleichtert sein, wenn er sich, sei es auch in heiliger Beichte, entdeckt hat, und die Kirche wird ihn dem frohen Leben in der Welt, der er angehört, wiedergeben, statt ihn in den Mauern zu begraben. – Aber treten Sie auch der Baronesse näher. – Sie wissen alles –Sie stimmen mir bei, daß meine Bemerkungen von der Art sind, daß, so wenig sich darauf eine Anklage gegen die Baronesse bauen läßt, doch eine Täuschung, ein ungerechter Verdacht kaum möglich ist. Ganz meiner Meinung werden Sie sein, wenn Sie Euphemien sehen und kennenlernen. Euphemie ist religiös schon aus Temperament, vielleicht gelingt es Ihrer besonderen Rednergabe, tief in ihr Herz zu dringen, sie zu erschüttern und zu bessern, daß sie den Verrat am Freunde, der sie um die ewige Seligkeit bringt, unterläßt. Noch muß ich sagen, ehrwürdiger Herr! daß es mir in manchen Augenblicken scheint, als trage der Baron einen Gram in der Seele, dessen Ursache er mir verschweigt, denn außer der Bekümmernis um Hermogen kämpft er sichtlich mit einem Gedanken, der ihn beständig verfolgt. Es ist mir in den Sinn gekommen, daß vielleicht ein böser Zufall noch deutlicher ihm die Spur von dem verbrecherischen Umgange der Baronesse mit dem fluchwürdigen Grafen zeigte als mir. – Auch meinen Herzensfreund, den Baron, empfehle ich, ehrwürdiger Herr! Ihrer geistlichen Sorge." Mit diesen Worten schloß Reinhold seine Erzählung, die mich auf mannigfache Weise gefoltert hatte, indem die seltsamsten Widersprüche in meinem Innern sich durchkreuzten. Mein eignes Ich, zum grausamen Spiel eines launenhaften Zufalls geworden und in fremdartige Gestalten zerfließend, schwamm ohne Halt wie in einem Meer all der Ereignisse, die wie tobende Wellen auf mich hineinbrausten. – Ich konnte mich selbst nicht wiederfinden! – Offenbar wurde Viktorin durch den Zufall, der meine Hand, nicht meinen Willen leitete, in den Abgrund gestürzt! – Ich trete an seine Stelle, aber Reinhold kennt den Pater Medardus, den Prediger im Kapuzinerkloster in . . r-, und so bin ich ihm das wirklich, was ich bin! – Aber das Verhältnis mit der Baronesse, welches Viktorin unterhält, kommt auf mein Haupt, denn ich bin selbst Viktorin. Ich bin das, was ich scheine, und scheine das nicht, was ich bin, mir selbst ein unerklärlich Rätsel, bin ich entzweit mit meinem Ich! Des Sturms in meinem Innern unerachtet gelang es mir, die dem Priester ziemliche Ruhe zu erheucheln, und so trat ich vor den Baron. Ich fand in ihm einen bejahrten Mann, aber in den erloschenen Zügen lagen noch die Andeutungen seltner Fülle und Kraft. Nicht das Alter, sondern der Gram hatte die tiefen Furchen auf seiner breiten, offnen Stirn gezogen und die Locken weiß gefärbt. Unerachtet dessen herrschte noch in allem, was er sprach, in seinem ganzen Benehmen eine Heiterkeit und Gemütlichkeit, die jeden unwiderstehlich zu ihm hinziehen mußte. Als Reinhold mich als den vorstellte, dessen Ankunft die Baronesse angekündigt, sah er mich an mit durchdringendem Blick, der immer freundlicher wurde, als Reinhold erzählte, wie er mich schon vor mehreren Jahren im Kapuzinerkloster zu . . r- predigen gehört und sich von meiner seltnen Rednergabe überzeugt hätte. Der Baron reichte mir treuherzig die Hand und sprach, sich zu Reinhold wendend: "Ich weiß nicht, lieber Rein-hold! wie so sonderbar mich die Gesichtszüge des ehrwürdigen Herrn bei dem ersten Anblick ansprachen; sie weckten eine Erinnerung, die vergebens strebte, deutlich und lebendig hervorzugehen."

Es war mir, als würde er gleich herausbrechen: "Es ist ja Graf Viktorin", denn auf wunderbare Weise glaubte ich nun wirklich Viktorin zu sein, und ich fühlte mein Blut heftiger wallen und aufsteigend meine Wangen röter färben. – Ich baute auf Reinhold, der mich ja als den Pater Medardus kannte, unerachtet mir das eine Lüge zu sein schien: nichts konnte meinen verworrenen Zustand lösen.

Nach dem Willen des Barons sollte ich sogleich Hermogens Bekanntschaft machen, er war aber nirgends zu finden; man hatte ihn nach dem Gebürge wandeln gesehen und war deshalb nicht besorgt um ihn, weil er schon mehrmals tagelang auf diese Weise entfernt gewesen. Den ganzen Tag über blieb ich in Reinholds und des Barons Gesellschaft, und nach und nach faßte ich mich so im Innern, daß ich mich am Abend voll Mut und Kraft fühlte, keck all den wunderlichen Ereignissen entgegenzutreten, die meiner zu harren schienen. In der einsamen Nacht öffnete ich das Portefeuille und überzeugte mich ganz davon, daß es eben Graf Viktorin war, der zerschmettert im Abgrunde lag, doch waren übrigens die an ihn gerichteten Briefe gleichgültigen Inhalts, und kein einziger führte mich nur auch mit einer Silbe ein in seine nähere Lebensverhältnisse. Ohne mich darum weiter zu kümmern, beschloß ich, dem mich ganz zu fügen, was der Zufall über mich verhängt haben würde, wenn die Baronesse angekommen und mich gesehen. – Schon den ändern Morgen traf die Baronesse mit Aurelien ganz unerwartet ein. Ich sah beide aus dem Wagen steigen und, von dem Baron und Reinhold empfangen, in das Portal des Schlosses gehen. Unruhig schritt ich im Zimmer auf und ab, von seltsamen Ahnungen bestürmt, nicht lange dauerte es, so wurde ich herabgerufen. – Die Baronesse trat mir entgegen – ein schönes, herrliches Weib, noch in voller Blüte. – Als sie mich erblickte, schien sie auf besondere Weise bewegt, ihre Stimme zitterte, sie vermochte kaum Worte zu finden. Ihre sichtliche Verlegenheit gab mir Mut, ich schaute ihr keck ins Auge und gab ihr nach Klostersitte den Segen – sie erbleichte, sie mußte sich niederlassen. Reinhold sah mich an, ganz froh und zufrieden lächelnd. In dem Augenblick öffnete sich die Türe, und der Baron trat mit Aurelien herein.

Sowie ich Aurelien erblickte, fuhr ein Strahl in meine Brust und entzündete all die geheimsten Regungen, die wonnevollste Sehnsucht, das Entzücken der inbrünstigen Liebe, alles, was sonst nur gleich einer Ahnung aus weiter Ferne im Innern erklungen, zum regen Leben; ja das Leben selbst ging mir nun erst auf, farbicht und glänzend, denn alles vorher lag kalt und erstorben in öder Nacht hinter mir. – Sie war es selbst, sie, die ich in jener wundervollen Vision im Beichtstuhl geschaut. Der schwermütige, kindlich fromme Blick des dunkelblauen Auges, die weichgeformten Lippen, der wie in betender Andacht sanft vorgebeugte Nacken, die hohe, schlanke Gestalt, nicht Aurelie, die heilige Rosalie selbst war es. – Sogar der azurblaue Shawl, den Aurelie über das dunkelrote Kleid geschlagen, war im phantastischen Faltenwurf ganz dem Gewände ähnlich, wie es die Heilige auf jenem Gemälde und eben die Unbekannte in jener Vision trug. – Was war der Baronesse üppige Schönheit gegen Aureliens himmlischen Liebreiz. Nur sie sah ich, indem alles um mich verschwunden. Meine innere Bewegung konnte den Umstehenden nicht entgehen. "Was ist Ihnen, ehrwürdiger Herr?" fing der Baron an; "Sie scheinen auf ganz besondere Weise bewegt!" – Diese Worte brachten mich zu mir selbst, ja ich fühlte in dem Augenblick eine übermenschliche Kraft in mir emporkeimen, einen nie gefühlten Mut, alles zu bestehen, denn sie mußte der Preis des Kampfes werden.

 

"Wünschen Sie sich Glück, Herr Baron!" rief ich, wie von hoher Begeisterung plötzlich ergriffen, "wünschen Sie sich Glück! – Eine Heilige wandelt unter uns in diesen Mauern, und bald öffnet sich in segensreicher Klarheit der Himmel, und sie selbst, die heilige Rosalia, von den heiligen Engeln umgeben, spendet Trost und Seligkeit den Gebeugten, die fromm und gläubig sie anflehten. – Ich höre die Hymnen verklärter Geister, die sich sehnen nach der Heiligen und, sie im Gesänge rufend, aus glänzenden Wolken herabschweben. Ich sehe ihr Haupt strahlend in der Glorie himmlischer Verklärung, emporgehoben nach dem Chor der Heiligen, der ihrem Auge sichtlich! – Sancta Rosalia, ora pro nobis!"

Ich sank mit in die Höhe gerichteten Augen auf die Knie, die Hände faltend zum Gebet, und alles folgte meinem Beispiel. Niemand frug mich weiter, man schrieb den plötzlichen Ausbruch meiner Begeisterung irgendeiner Inspiration zu, so daß der Baron beschloß, wirklich am Altar der heiligen Rosalia, in der Hauptkirche der Stadt, Messen lesen zu lassen. Herrlich hatte ich mich auf diese Weise aus der Verlegenheit gerettet, und immer mehr war ich bereit, alles zu wagen, denn es galt Aureliens Besitz, um den mir selbst mein Leben feil war. – Die Baronesse schien in ganz besonderer Stimmung, ihre Blicke verfolgten mich, aber sowie ich sie unbefangen anschaute, irrten ihre Augen unstet umher. Die Familie war in ein anderes Zimmer getreten, ich eilte in den Garten hinab und schweifte durch die Gänge, mit tausend Entschlüssen, Ideen, Plänen für mein künftiges Leben im Schlosse arbeitend und kämpfend. Schon war es Abend worden, da erschien Reinhold und sagte mir, daß die Baronesse, durchdrungen von meiner frommen Begeisterung, mich auf ihrem Zimmer zu sprechen wünsche. Als ich in das Zimmer der Baronesse trat, kam sie mir einige Schritte entgegen, mich bei beiden Armen fassend, sah sie mir starr ins Auge und rief: "Ist es möglich – ist es möglich! – Bist du Medardus, der Kapuzinermönch? – Aber die Stimme, die Gestalt, deine Augen, dein Haar! Sprich, oder ich vergehe in Angst und Zweifel." – "Viktorinus!" lispelte ich leise, da umschlang sie mich mit dem wilden Ungestüm unbezähmbarer Wollust, – ein Glutstrom brauste durch meine Adern, das Blut siedete, die Sinne vergingen mir in namenloser Wonne, in wahnsinniger Verzückung; aber sündigend war mein ganzes Gemüt nur Aurelien zugewendet, und ihr nur opferte ich in dem Augenblick durch den Bruch des Gelübdes das Heil meiner Seele.

Ja! Nur Aurelie lebte in mir, mein ganzer Sinn war von ihr erfüllt, und doch ergriff mich ein innerer Schauer, wenn ich daran dachte, sie wiederzusehen, was doch schon an der Abendtafel geschehen sollte. Es war mir, als würde mich ihr frommer Blick heilloser Sünde zeihen und als würde ich, entlarvt und vernichtet, in Schmach und Verderben sinken. Ebenso konnte ich mich nicht entschließen, die Baronesse gleich nach jenen Momenten wiederzusehen, und alles dieses bestimmte mich, eine Andachtsübung vorschützend, in meinem Zimmer zu bleiben, als man mich zur Tafel einlud. Nur weniger Tage bedurfte es indessen, um alle Scheu, alle Befangenheit zu überwinden; die Baronesse war die Liebenswürdigkeit selbst, und je enger sich unser Bündnis schloß, je reicher an frevelhaften Genüssen es wurde, desto mehr verdoppelte sich ihre Aufmerksamkeit für den Baron. Sie gestand mir, daß nur meine Tonsur, mein natürlicher Bart sowie mein echt klösterlicher Gang, den ich aber jetzt nicht mehr so strenge als anfangs beibehalte, sie in tausend Ängsten gesetzt habe. Ja bei meiner plötzlichen begeisterten Anrufung der heiligen Rosalia sei sie beinahe überzeugt worden, irgendein Irrtum, irgendein feindlicher Zufall habe ihren mit Viktorin so schlau entworfenen Plan vereitelt und einen verdammten wirklichen Kapuziner an die Stelle geschoben. Sie bewunderte meine Vorsicht, mich wirklich tonsurieren und mir den Bart wachsen zu lassen, ja mich in Gang und Stellung so ganz in meine Rolle einzustudieren, daß sie oft selbst mir recht ins Auge blicken müsse, um nicht in abenteuerliche Zweifel zu geraten.

Zuweilen ließ sich Viktorins Jäger, als Bauer verkleidet, am Ende des Parks sehen, und ich versäumte nicht, insgeheim mit ihm zu sprechen und ihn zu ermahnen, sich bereit zu halten, um mit mir fliehen zu können, wenn vielleicht ein böser Zufall mich in Gefahr bringen sollte. Der Baron und Reinhold schienen höchlich mit mir zufrieden und drangen in mich, ja des tiefsinnigen Hermogen mich mit aller Kraft, die mir zu Gebote stehe, anzunehmen. Noch war es mir aber nicht möglich geworden, auch nur ein einziges Wort mit ihm zu sprechen, denn sichtlich wich er jeder Gelegenheit aus, mit mir allein zu sein, und traf er mich in der Gesellschaft des Barons oder Reinholds, so blickte er mich auf so sonderbare Weise an, daß ich in der Tat Mühe hatte, nicht in augenscheinliche Verlegenheit zu geraten. Er schien tief in meine Seele zu dringen und meine geheimste Gedanken zu erspähen. Ein unbezwinglicher tiefer Mißmut, ein unterdrückter Groll, ein nur mit Mühe bezähmter Zorn lag auf seinem bleichen Gesichte, sobald er mich ansichtig wurde. – Es begab sich, daß er mir einmal, als ich eben im Park lustwandelte, ganz unerwartet entgegentrat; ich hielt dies für den schicklichen Moment, endlich das drückende Verhältnis mit ihm aufzuklären, daher faßte ich ihn schnell bei der Hand, als er mir ausweichen wollte, und mein Rednertalent machte es mir möglich, so eindringend, so salbungsvoll zu sprechen, daß er wirklich aufmerksam zu werden schien und eine innere Rührung nicht unterdrücken konnte. Wir hatten uns auf eine steinerne Bank am Ende eines Ganges, der nach dem Schloß führte, niedergelassen. Im Reden stieg meine Begeisterung, ich sprach davon, daß es sündlich sei, wenn der Mensch, im innern Gram sich verzehrend, den Trost, die Hülfe der Kirche, die den Gebeugten aufrichte, verschmähe und so den Zwecken des Lebens, wie die höhere Macht sie ihm gestellt, feindlich entgegenstrebe. Ja, daß selbst der Verbrecher nicht zweifeln solle an der Gnade des Himmels, da dieser Zweifel ihn eben um die Seligkeit bringe, die er, entsündigt durch Buße und Frömmigkeit, erwerben könne. Ich forderte ihn endlich auf, gleich jetzt mir zu beichten und so sein Inneres wie vor Gott auszuschütten, indem ich ihm von jeder Sünde, die er begangen, Absolution zusage: da stand er auf, seine Augenbraunen zogen sich zusammen, die Augen brannten, eine glühende Röte überflog sein leichenblasses Gesicht, und mit seltsam gellender Stimme rief er: "Bist du denn rein von der Sünde, daß du es wagst, wie der Reinste, ja wie Gott selbst, den du verhöhnest, in meine Brust schauen zu wollen, daß du es wagst, mir Vergebung der Sünden zuzusagen, du, der du selbst vergeblich ringen wirst nach der Entsündigung, nach der Seligkeit des Himmels, die sich dir auf ewig verschloß? Elender Heuchler, bald kommt die Stunde der Vergeltung, und in den Staub getreten wie ein giftiger Wurm, zuckst du im schmachvollen Tode, vergebens nach Hülfe, nach Erlösung von unnennbarer Qual ächzend, bis du verdirbst in Wahnsinn und Verzweiflung!" – Er schritt rasch von dannen, ich war zerschmettert, vernichtet, all meine Fassung, mein Mut war dahin. Ich sah Euphemien aus dem Schlosse kommen mit Hut und Shawl, wie zum Spaziergange gekleidet; bei ihr nur war Trost und Hülfe zu finden, ich warf mich ihr entgegen, sie erschrak über mein zerstörtes Wesen, sie frug nach der Ursache, und ich erzählte ihr getreulich den ganzen Auftritt, den ich eben mit dem wahnsinnigen Hermogen gehabt, indem ich noch meine Angst, meine Besorgnis, daß Hermogen vielleicht durch einen unerklärlichen Zufall unser Geheimnis verraten, hinzusetzte. Euphemie schien über alles nicht einmal betroffen, sie lächelte auf so ganz seltsame Weise, daß mich ein Schauer ergriff, und sagte: "Gehen wir tiefer in den Park, denn hier werden wir zu sehr beobachtet, und es könnte auffallen, daß der ehrwürdige Pater Medardus so heftig mit mir spricht." Wir waren in ein ganz entlegenes Boskett getreten, da umschlang mich Euphemie mit leidenschaftlicher Heftigkeit; ihre heißen, glühenden Küsse brannten auf meinen Lippen. "Ruhig, Viktorin", sprach Euphemie, "ruhig kannst du sein über das alles, was dich so in Angst und Zweifel gestürzt hat; es ist mir sogar lieb, daß es so mit Hermogen gekommen, denn nun darf und muß ich mit dir über manches sprechen, wovon ich so lange schwieg. – Du mußt eingestehen, daß ich mir eine seltene geistige Herrschaft über alles, was mich im Leben umgibt, zu erringen gewußt, und ich glaube, daß dies dem Weibe leichter ist als euch. Freilich gehört nichts Geringeres dazu, als daß außer jenem unnennbaren, unwiderstehlichen Reiz der äußern Gestalt, den die Natur dem Weibe zu spenden vermag, dasjenige höhere Prinzip in ihr wohne, welches eben jenen Reiz mit dem geistigen Vermögen in eins verschmilzt und nun nach Willkür beherrscht. Es ist das eigne wunderbare Heraustreten aus sich selbst, das die Anschauung des eignen Ichs vom ändern Standpunkte gestattet, welches dann als ein sich dem höheren Willen schmiegendes Mittel erscheint, dem Zweck zu dienen, den er sich als den höchsten im Leben zu erringenden gesetzt. – Gibt es etwas Höheres, als das Leben im Leben zu beherrschen, alle seine Erscheinungen, seine reichen Genüsse wie im mächtigen Zauber zu bannen, nach der Willkür, die dem Herrscher verstattet? – Du, Viktorin, gehörtest von jeher zu den wenigen, die mich ganz verstanden, auch du hattest dir den Standpunkt über dein Selbst gestellt, und ich verschmähte es daher nicht, dich wie den königlichen Gemahl auf meinen Thron im höheren Reiche zu erheben. Das Geheimnis erhöhte den Reiz dieses Bundes, und unsere scheinbare Trennung diente nur dazu, unserer phantastischen Laune Raum zu geben, die wie zu unserer Ergötzlichkeit mit den untergeordneten Verhältnissen des gemeinen Alltagslebens spielte. Ist nicht unser jetziges Beisammensein das kühnste Wagstück, das, im höheren Geiste gedacht, der Ohnmacht konventioneller Beschränktheit spottet? Selbst bei deinem so ganz fremdartigen Wesen, das nicht allein die Kleidung erzeugt, ist es mir, als unterwerfe sich das Geistige dem herrschenden, es bedingenden Prinzip und wirke so mit wunderbarer Kraft nach außen, selbst das Körperliche anders formend und gestaltend, so daß es ganz der vorgesetzten Bestimmung gemäß erscheint. – Wie herzlich ich nun bei dieser tief aus meinem Wesen entspringenden Ansicht der Dinge alle konventionelle Beschränktheit verachte, indem ich mit ihr spiele, weißt du. – Der Baron ist mir eine bis zum höchsten Überdruß ekelhaft gewordene Maschine, die, zu meinem Zweck verbraucht, tot daliegt wie ein abgelaufenes Räderwerk. – Reinhold ist zu beschränkt, um von mir beachtet zu werden, Aurelie ein gutes Kind, wir haben es nur mit Hermogen zu tun. – Ich gestand dir schon, daß Hermogen, als ich ihn zum ersten Male sah, einen wunderbaren Eindruck auf mich machte. – Ich hielt ihn für fähig, einzugehen in das höhere Leben, das ich ihm erschließen wollte, und irrte mich zum erstenmal. – Es war etwas mir Feindliches in ihm, was in stetem regen Widerspruch sich gegen mich auflehnte, ja der Zauber, womit ich die ändern unwillkürlich zu umstricken wußte, stieß ihn zurück. Er blieb kalt, düster verschlossen und reizte, indem er mit eigner wunderbarer Kraft mir widerstrebte, meine Empfindlichkeit, meine Lust, den Kampf zu beginnen, in dem er unterliegen sollte. – Diesen Kampf hatte ich beschlossen, als der Baron mir sagte, wie er Hermogen eine Verbindung mit mir vorgeschlagen, dieser sie aber unter jeder Bedingung abgelehnt habe. – Wie ein göttlicher Funke durchstrahlte mich in demselben Moment der Gedanke, mich mit dem Baron selbst zu vermählen und so mit einemmal all die kleinen konventionellen Rücksichten, die mich oft einzwängten auf widrige Weise, aus dem Wege zu räumen: doch ich habe ja selbst mit dir, Viktorin, oft genug über jene Vermählung gesprochen, ich widerlegte deine Zweifel mit der Tat, denn es gelang mir, den Alten in wenigen Tagen zum albernen zärtlichen Liebhaber zu machen, und er mußte das, was ich gewollt, als die Erfüllung seines innigsten Wunsches, den er laut werden zu lassen kaum gewagt, ansehen. Aber tief im Hintergrunde lag noch in mir der Gedanke der Rache an Hermogen, die mir nun leichter und befriedigender werden sollte. Der Schlag wurde verschoben, um richtiger, tötender zu treffen. – Kennte ich weniger dein Inneres, wüßte ich nicht, daß du dich zu der Höhe meiner Ansichten zu erheben vermagst, ich würde Bedenken tragen, dir mehr von der Sache zu sagen, die nun einmal geschehen. Ich ließ es mir angelegen sein, Hermogen recht in seinem Innern aufzufassen, ich erschien in der Hauptstadt, düster, in mich gekehrt und bildete so den Kontrast mit Hermogen, der in den lebendigen Beschäftigungen des Kriegsdienstes sich heiter und lustig bewegte. Die Krankheit des Oheims verbot alle glänzende Zirkel, und selbst den Besuchen meiner nächsten Umgebung wußte ich auszuweisen. – Hermogen kam zu mir, vielleicht nur um die Pflicht, die er der Mutter schuldig, zu erfüllen, er fand mich in düstres Nachdenken versunken, und als er, befremdet von meiner auffallenden Änderung, dringend nach der Ursache frug, gestand ich ihm unter Tränen, wie des Barons mißliche Gesundheitsumstände, die er nur mühsam verheimliche, mich befürchten ließen, ihn bald zu verlieren, und wie dieser Gedanke mir schrecklich, ja unerträglich sei. Er war erschüttert, und als ich nun mit dem Ausdruck des tiefsten Gefühls das Glück meiner Ehe mit dem Baron schilderte, als ich zart und lebendig in die kleinsten Einzelheiten unseres Lebens auf dem Lande einging, als ich immer mehr des Barons herrliches Gemüt, sein ganzes Ich in vollem Glanz darstellte, so daß es immer lichter hervortrat, wie grenzenlos ich ihn verehre, ja wie ich so ganz in ihm lebe, da schien immer mehr seine Verwunderung, sein Erstaunen zu steigen. – Er kämpfte sichtlich mit sich selbst, aber die Macht, die jetzt wie mein Ich selbst in sein Inneres gedrungen, siegte über das feindliche Prinzip, das sonst mir widerstrebte; mein Triumph war mir gewiß, als er schon am ändern Abend wiederkam.

 

Er fand mich einsam, noch düstrer, noch aufgeregter als gestern, ich sprach von dem Baron und von meiner unaussprechlichen Sehnsucht, ihn wiederzusehen. Hermogen war bald nicht mehr derselbe, er hing an meinen Blicken, und ihr gefährliches Feuer fiel zündend in sein Inneres. Wenn meine Hand in der seinigen ruhte, zuckte diese oft krampfhaft, tiefe Seufzer entflohen seiner Brust. Ich hatte die höchste Spitze dieser bewußtlosen Exaltation richtig berechnet. Den Abend, als er fallen sollte, verschmähte ich selbst jene Künste nicht, die so verbraucht sind und immer wieder so wirkungsvoll erneuert werden. Es gelang! – Die Folgen waren entsetzlicher, als ich sie mir gedacht, und doch erhöhten sie meinen Triumph, indem sie meine Macht auf glänzende Weise bewährten. – Die Gewalt, mit der ich das feindliche Prinzip bekämpfte, das wie in seltsamen Ahnungen in ihm sich sonst aussprach, hatte seinen Geist gebrochen, er verfiel in Wahnsinn, wie du weißt, ohne daß du jedoch bis jetzt die eigentliche Ursache gekannt haben solltest. – Es ist etwas Eignes, daß Wahnsinnige oft, als ständen sie in näherer Beziehung mit dem Geiste und gleichsam in ihrem eignen Innern leichter, wiewohl bewußtlos angeregt vom fremden geistigen Prinzip, oft das in uns Verborgene durchschauen und in seltsamen Anklängen aussprechen, so daß uns oft die grauenvolle Stimme eines zweiten Ichs mit unheimlichem Schauer befängt. Es mag daher wohl sein, daß, zumal in der eignen Beziehung, in der du, Hermogen und ich stehen, er auf geheimnisvolle Weise dich durchschaut und so dir feindlich ist, allein Gefahr für uns ist deshalb nicht im mindesten vorhanden. Bedenke, selbst wenn er mit seiner Feindschaft gegen dich offen ins Feld rückte, wenn er es ausspräche: >Traut nicht dem verkappten Priester<, wer würde das für was anderes halten als für eine Idee, die der Wahnsinn erzeugte, zumal da Reinhold so gut gewesen ist, in dir den Pater Medardus wiederzuerkennen? – Indessen bleibt es gewiß, daß du nicht mehr, wie ich gewollt und gedacht hatte, auf Hermogen wirken kannst. Meine Rache ist erfüllt und Hermogen mir nun wie ein weggeworfenes Spielzeug unbrauchbar und um so überlästiger, als er es wahrscheinlich für eine Bußübung hält, mich zu sehen, und daher mit seinen stieren lebendigtoten Blicken mich verfolgt. Er muß fort, und ich glaubte dich dazu benutzen zu können, ihn in der Idee, ins Kloster zu gehen, zu bestärken und den Baron sowie den ratgebenden Freund Reinhold zu gleicher Zeit durch die dringendsten Vorstellungen, wie Hermogens Seelenheil nun einmal das Kloster begehre, geschmeidiger zu machen, daß sie in sein Vorhaben willigten. – Hermogen ist mir in der Tat höchst zuwider, sein Anblick erschüttert mich oft, er muß fort! – Die einzige Person, der er ganz anders erscheint, ist Aurelie, das fromme, kindische Kind; durch sie allein kannst du auf Hermogen wirken, und ich will dafür sorgen, daß du in nähere Beziehung mit ihr trittst. Findest du einen schicklichen Zusammenhang der äußern Umstände, so kannst du auch Reinholden oder dem Baron entdecken, wie dir Hermogen ein schweres Verbrechen gebeichtet, das du natürlicherweise, deiner Pflicht gemäß, verschweigen müßtest. – Doch davon künftig mehr! – Nun weißt du alles, Viktorin, handle und bleibe mein. Herrsche mit mir über die läppische Puppenwelt, wie sie sich um uns dreht. Das Leben muß uns seine herrlichsten Genüsse spenden, ohne uns in seine Beengtheit einzuzwängen." – Wir sahen den Baron in der Entfernung und gingen ihm, wie im frommen Gespräch begriffen, entgegen.

Es bedurfte vielleicht nur Euphemiens Erklärung über die Tendenz ihres Lebens, um mich selbst die überwiegende Macht fühlen zu lassen, die wie der Ausfluß höherer Prinzipe mein Inneres beseelte. Es war etwas Obermenschliches in mein Wesen getreten, das mich plötzlich auf einen Standpunkt erhob, von dem mir alles in anderm Verhältnis, in anderer Farbe als sonst erschien. Die Geistesstärke, die Macht über das Leben, womit Euphemie prahlte, war mir des bittersten Hohns würdig. In dem Augenblick, daß die Elende ihr loses, unbedachtes Spiel mit den gefährlichsten Verknüpfungen des Lebens zu treiben wähnte, war sie hingegeben dem Zufall oder dem bösen Verhängnis, das meine Hand leitete. Es war nur meine Kraft, entflammt von geheimnisvollen Mächten, die sie zwingen konnte im Wahn, den für den Freund und Bundesbruder zu halten, der, nur ihr zum Verderben die äußere, zufällige Bildung jenes Freundes tragend, sie wie die feindliche Macht selbst umkrallte, so daß keine Freiheit mehr möglich. Euphemie wurde mir in ihrem eitlen, selbstsüchtigen Wahn verächtlich und das Verhältnis mit ihr um so widriger, als Aurelie in meinem Innern lebte und nur sie die Schuld meiner begangenen Sünden trug, wenn ich das, was mir jetzt die höchste Spitze alles irdischen Genusses zu sein schien, noch für Sünde gehalten hätte. Ich beschloß, von der mir einwohnenden Macht den vollsten Gebrauch zu machen und so selbst den Zauberstab zu ergreifen, um die Kreise zu beschreiben, in denen sich all die Erscheinungen um mich her mir zur Lust bewegen sollten. Der Baron und Reinhold wetteiferten miteinander, mir das Leben im Schlosse recht angenehm zu machen; nicht die leiseste Ahnung von meinem Verhältnis mit Euphemien stieg in ihnen auf, vielmehr äußerte der Baron oft, wie in unwillkürlicher Herzensergießung, daß erst durch mich ihm Euphemie ganz wiedergegeben sei, und dies schien mir die Richtigkeit der Vermutung Reinholds, daß irgendein Zufall dem Baron wohl die Spur von Euphemiens verbotenen Wegen entdeckt haben könne, klar anzudeuten. Den Hermogen sah ich selten, er vermied mich mit sichtlicher Angst und Beklemmung, welches der Baron und Reinhold der Scheu vor meinem heiligen, frommen Wesen und vor meiner geistigen Kraft, die das zerrüttete Gemüt durchschaute, zuschrieben. Auch Aurelie schien sich absichtlich meinem Blick zu entziehen, sie wich mir aus, und wenn ich mit ihr sprach, war auch sie ängstlich und beklommen wie Hermogen. Es war mir beinahe gewiß, daß der wahnsinnige Hermogen gegen Aurelie jene schreckliche Ahnungen, die mich durchbebten, ausgesprochen, indessen schien mir der böse Eindruck zu bekämpfen möglich. – Wahrscheinlich auf Veranlassung der Baronesse, die mich in näheren Rapport mit Aurelien setzen wollte, um durch sie auf Hermogen zu wirken, bat mich der Baron, Aurelien in den höheren Geheimnissen der Religion zu unterrichten. So verschaffte mir Euphemie selbst die Mittel, das Herrlichste zu erreichen, was mir meine glühende Einbildungskraft in tausend üppigen Bildern vorgemalt. Was war jene Vision in der Kirche anderes als das Versprechen der höheren, auf mich einwirkenden Macht, mir die zu geben, von deren Besitz allein die Besänftigung des Sturms zu hoffen, der, in mir rasend, mich wie auf tobenden Wellen umherwarf. – Aureliens Anblick, ihre Nähe, ja die Berührung ihres Kleides setzte mich in Flammen. Des Blutes Glutstrom stieg fühlbar auf in die geheimnisvolle Werkstatt der Gedanken, und so sprach ich von den wundervollen Geheimnissen der Religion in feurigen Bildern, deren tiefere Bedeutung die wollüstige Raserei der glühendsten verlangenden Liebe war. So sollte diese Glut meiner Rede wie in elektrischen Schlägen Aureliens Inneres durchdringen und sie sich vergebens dagegen wappnen. – Ihr unbewußt, sollten die in ihre Seele geworfenen Bilder sich wunderbar entfalten und glänzender, flammender in der tieferen Bedeutung hervorgehen, und diese ihre Brust dann mit den Ahnungen des unbekannten Genusses erfüllen, bis sie sich, von unnennbarer Sehnsucht gefoltert und zerrissen, selbst in meine Arme würfe. Ich bereitete mich auf die sogenannten Lehrstunden bei Aurelien sorgsam vor, ich wußte den Ausdruck meiner Rede zu steigern; andächtig, mit gefallenen Händen, mit niedergeschlagenen Augen hörte mir das fromme Kind zu, aber nicht eine Bewegung, nicht ein leiser Seufzer verrieten irgendeine tiefere Wirkung meiner Worte. – Meine Bemühungen brachten mich nicht weiter; statt in Aurelien das verderbliche Feuer zu entzünden, das sie der Verführung preisgeben sollte, wurde nur qualvoller und verzehrender die Glut, die in meinem Innern brannte. – Rasend vor Schmerz und Wollust, brütete ich über Pläne zu Aureliens Verderben; und indem ich Euphemien Wonne und Entzücken heuchelte, keimte ein glühender Haß in meiner Seele empor, der im seltsamen Widerspruch meinem Betragen bei der Baronesse etwas Wildes, Entsetzliches gab, vor dem sie selbst erbebte. – Fern von ihr war jede Spur des Geheimnisses, das in meiner Brust verborgen, und unwillkürlich mußte sie der Herrschaft Raum geben, die ich immer mehr und mehr über sie mir anzumaßen anfing. – Oft kam es mir in den Sinn, durch einen -wohlberechneten Gewaltstreich, dem Aurelie erliegen sollte, meine Qual zu enden, aber sowie ich Aurelien erblickte, war es mir, als stehe ein Engel neben ihr, sie schirmend und schützend und Trotz bietend der Macht des Feindes. Ein Schauer bebte dann durch meine Glieder, in dem mein böser Vorsatz erkaltete. Endlich fiel ich darauf, mit ihr zu beten: denn im Gebet strömt feuriger die Glut der Andacht, und die geheimsten Regungen werden wach und erheben sich wie auf brausenden Wellen und strecken ihre Polypenarme aus, um das Unbekannte zu fahen, das die unnennbare Sehnsucht stillen soll, von der die Brust zerrissen. Dann mag das Irdische, sich wie Himmlisches verkündend, keck dem aufgeregten Gemüt entgegentreten und im höchsten Genuß schon hienieden die Erfüllung des Überschwenglichen verheißen; die bewußtlose Leidenschaft wird getäuscht, und das Streben nach dem Heiligen, Überirdischen wird gebrochen in dem namenlosen, nie gekannten Entzücken irdischer Begierde. – Selbst darin, daß sie von mir verfaßte Gebete nachsprechen sollte, glaubte ich Vorteile für meine verräterische Absichten zu finden. – Es war dem so! – Denn neben mir kniend, mit zum Himmel gewandtem Blick meine Gebete nachsprechend, färbten höher sich ihre Wangen, und ihr Busen wallte auf und nieder. – Da nahm ich wie im Eifer des Gebets ihre Hände und drückte sie an meine Brust, ich war ihr so nahe, daß ich die Wärme ihres Körpers fühlte, ihre losgelösten Locken hingen über meine Schulter; ich war außer mir vor rasender Begierde, ich umschlang sie mit wildem Verlangen, schon brannten meine Küsse auf ihrem Munde, auf ihrem Busen, da wand sie sich mit einem durchdringenden Schrei aus meinen Armen; ich hatte nicht Kraft, sie zu halten, es war, als strahle ein Blitz herab, mich zerschmetternd! – Sie entfloh rasch in das Nebenzimmer, die Türe öffnete sich, und Hermogen zeigte sich in derselben, er blieb stehen, mich mit dem furchtbaren, entsetzlichen Blick des wilden Wahnsinns anstarrend. Da raffte ich alle meine Kraft zusammen, ich trat keck auf ihn zu und rief mit trotziger, gebietender Stimme: "Was willst du hier? Hebe dich weg, Wahnsinniger!" Aber Hermogen streckte mir die rechte Hand entgegen und sprach dumpf und schaurig: "Ich wollte mit dir kämpfen, aber ich habe kein Schwert, und du bist der Mord, denn Blutstropfen quillen aus deinen Augen und kleben in deinem Barte!"

Бесплатный фрагмент закончился. Хотите читать дальше?
Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»