Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte

Текст
Из серии: gelbe Buchreihe #156
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte

Band 156 in der gelben Buchreihe

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Der Autor Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte – Einleitung

Geographische Grundlage der Weltgeschichte

Einleitung

Erster Teil – Die orientalische Welt

Erster Abschnitt – China

Zweiter Abschnitt – Indien

Der Buddhaismus

Dritter Abschnitt – Persien

Erstes Kapitel – Das Zendvolk

Zweites Kapitel – Die Assyrer, Babylonien, Meder und Perser

Drittes Kapitel – Das persische Reich und seine Bestandteile

Persien

Syrien und das semitische Vorderasien

Judäa

Ägypten

Übergang zur griechischen Welt

Zweiter Teil – Die griechische Welt

Erster Abschnitt – Die Elemente des griechischen Geistes

Zweiter Abschnitt – Die Gestaltung der schönen Individualität – Erstes Kapitel – Das subjektive Kunstwerk

Zweites Kapitel – Das objektive Kunstwerk

Drittes Kapitel – Das politische Kunstwerk

Die Kriege mit den Persern

Athen

Sparta

Der Peloponnesische Krieg

Das makedonische Reich

Dritter Abschnitt – Der Untergang des griechischen Geistes

Dritter Teil – Die römische Welt

Erster Abschnitt – Rom bis zum zweiten Punischen Krieg – Erstes Kapitel – Die Elemente Elemente des römischen Geistes

Zweites Kapitel – Die Geschichte Roms bis zum zweiten Punischen Krieg

Zweiter Abschnitt – Rom vom zweiten Punischen Krieg bis zum Kaisertum

Dritter Abschnitt – Erstes Kapitel – Rom in der Kaiserperiode

Zweites Kapitel – Das Christentum

Drittes Kapitel – Das byzantinische Reich

Vierter Teil – Die germanische Welt

Erster Abschnitt – Die elemente der christlich-germanischen Welt – Erstes Kapitel – Die Völkerwanderung

Zweites Kapitel – Der Mohamedenismus

Drittes Kapitel – Das Reich Karls des Großen

Zweiter Abschnitt – Das Mittelalter

Zweites Kapitel – Die Feudalität und die Hierarchie

Zweites Kapitel – Die Kreuzzüge

Drittes Kapitel – Der Übergang der Feudalherrschaft in die Monarchie

Kunst und Wissenschaft als Auflösung des Mittelalters

Dritter Abschnitt – Die neue Zeit

Erstes Kapitel – Die Reformation

Zweites Kapitel – Wirkung der Reformation auf die Staatsbildung

Drittes Kapitel – Die Aufklärung und Revolution

Die gelbe Buchreihe

Weitere Informationen

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers


Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.


Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den See­leuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzu­tragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktio­nen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere. Inzwischen umfasst diese gelbe Buchreihe über 150 Bände. Hamburg, 2021 Jürgen Ruszkowski


Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

* * *

Der Autor Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Der Autor Georg Wilhelm Friedrich Hegel


Geboren am 27.08.1770 in Stuttgart; gestorben am 14.11.1831 in Berlin. Hegel stammte aus einer alten Theologen- und Beamtenfamilie. Nach dem Besuch der Deutschen und der Lateinischen Schule in Stuttgart wechselte er an das Gymnasium illustre, das er 1788 nach der Matura verließ. Wegen seiner hervorragenden Leistungen konnte er anschließend als herzoglicher Stipendiat im Tübinger Stift leben und Theologie studieren. Dort schloss er Freundschaft mit Hölderlin und Schelling. In Bern, ab 1797 in Frankfurt am Main, arbeitete Hegel als Hauslehrer. Die Freundschaft mit Schelling ebnete ihm den Weg zur Habilitation an der Universität Jena (1801); 1805 wurde er dort zum a. o. Professor für Philosophie ernannt. 1807 musste er wegen der Kriegsereignisse Jena verlassen; er wurde Redakteur der „Bamberger Zeitung“, 1808 Rektor des Nürnberger Egidien-Gymnasiums. 1818 trat Hegel die Nachfolge Fichtes auf dem Lehrstuhl für Philosophie an der Berliner Universität an. Er gilt als wichtigster Vertreter des deutschen Idealismus. Hegels Philosophie erhebt den Anspruch, die gesamte Wirklichkeit in der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen einschließlich ihrer geschichtlichen Entwicklung zusammenhängend, systematisch und definitiv zu deuten. Sein philosophisches Werk zählt zu den wirkmächtigsten Werken der neueren Philosophiegeschichte.

* * *

Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte – Einleitung

Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte – Einleitung

Der Gegenstand dieser Vorlesung ist die philosophische Weltgeschichte, das heißt, es sind nicht allgemeine Reflexionen über dieselbe, welche wir aus ihr gezogen hätten und aus ihrem Inhalte als dem Beispiele erläutern wollten, sondern es ist die Weltgeschichte selbst. Ich kann kein Kompendium dabei zugrunde legen; in meinen Grundlinien der Philosophie des Rechts § 341–360 habe ich übrigens bereits den näheren Begriff solcher Weltgeschichte angegeben, wie auch die Prinzipien oder Perioden, in welche deren Betrachtung zerfällt. [1. Ausg.]I. Damit nun zuvörderst klar werde, was sie sei, scheint es vor allen Dingen nötig, die andern Weisen der Geschichtsbehandlung durchzugehen. Der Arten die Geschichte zu betrachten, gibt es überhaupt drei:

 

a) die ursprüngliche Geschichte, b) die reflektierte Geschichte, c) die philosophische.

a) Was die erste betrifft, so meine ich dabei, um durch Nennung von Namen sogleich ein bestimmtes Bild zu geben,

z. B. Herodot, Thukydides und andere ähnliche Geschichtsschreiber, welche vornehmlich die Taten, Begebenheiten und Zustände beschrieben, die sie vor sich gehabt, deren Geiste sie selbst zugehört haben, und das, was äußerlich vorhanden war, in das Reich der geistigen Vorstellung übertrugen. Die äußerliche Erscheinung wird so in die innerliche Vorstellung übersetzt. So arbeitet auch der Dichter den Stoff, den er in seiner Empfindung hat, für die Vorstellung heraus. Freilich haben auch diese unmittelbaren Geschichtsschreiber Berichte und Erzählungen anderer vorgefunden (es ist nicht möglich, dass ein Mensch alles allein sehe), aber doch nur, wie der Dichter auch die gebildete Sprache, der er so vieles verdankt, als Ingrediens besitzt. Die Geschichtsschreiber binden zusammen, was flüchtig vorüberrauscht, und legen es im Tempel der Mnemosyne nieder, zur Unsterblichkeit. Sagen, Volkslieder, Überlieferungen sind von solcher ursprünglichen Geschichte auszuschließen, denn sie sind noch trübe Weisen und daher den Vorstellungen trüber Völker eigen. Hier haben wir es mit Völkern zu tun, welche wussten, was sie waren und wollten. Der Boden angeschauter oder anschaubarer Wirklichkeit gibt einen festeren Grund als der der Vergänglichkeit, auf dem jene Sagen und Dichtungen gewachsen sind, welche nicht mehr das Historische von Völkern machen, die zu fester Individualität gediehen sind.

Solche ursprüngliche Geschichtsschreiber nun schaffen die ihnen gegenwärtigen Begebenheiten, Taten und Zustände in ein Werk der Vorstellung um. Der Inhalt solcher Geschichten kann daher nicht von großem äußeren Umfange sein (man betrachte Herodot, Thukydides, Guicciardini); was gegenwärtig und lebendig in ihrer Umgebung ist, ist ihr wesentlicher Stoff: die Bildung des Autors und die der Begebenheiten, welche er zum Werke erschafft, der Geist des Verfassers und der Geist der Handlungen, von denen er erzählt, ist einer und derselbe. Er beschreibt, was er mehr oder weniger mitgemacht, wenigstens mitgelebt hat. Es sind kurze Zeiträume, individuelle Gestaltungen von Menschen und Begebenheiten: es sind die einzelnen unreflektierten Züge, aus denen er sein Gemälde sammelt, um das Bild so bestimmt, als er es in der Anschauung oder in anschaulichen Erzählungen vor sich hatte, vor die Vorstellung der Nachwelt zu bringen. Er hat es nicht mit Reflexionen zu tun, denn er lebt im Geiste der Sache und ist noch nicht über sie hinaus; gehört er sogar, wie Cäsar, dem Stande der Heerführer oder Staatsmänner an, so sind seine Zwecke es selbst, die als geschichtliche auftreten. Wenn hier gesagt wird, dass ein solcher Geschichtsschreiber nicht reflektiere, sondern dass die Personen und Völker selbst vorkommen, so scheinen die Reden dagegen zu sprechen, welche zum Beispiel bei Thukydides gelesen werden, und von denen man behaupten kann, dass sie sicherlich nicht so gehalten worden sind. Reden aber sind Handlungen unter Menschen und zwar sehr wesentlich wirksame Handlungen. Freilich sagen die Menschen oft, es seien nur Reden gewesen, und wollen insofern die Unschuld derselben dartun. Solches Reden ist lediglich Geschwätz, und Geschwätz hat den wichtigen Vorteil, unschuldig zu sein. Aber Reden von Völkern zu Völkern oder an Völker und Fürsten sind integrierende Bestandteile der Geschichte. Wären nun solche Reden, wie z. B. die des Perikles, des tiefgebildetsten, echtesten, edelsten Staatsmannes, auch von Thukydides ausgearbeitet, so sind sie dem


Perikles doch nicht fremd. In diesen Reden sprechen diese Menschen die Maximen ihres Volkes, ihrer eignen Persönlichkeit, das Bewusstsein ihrer politischen Verhältnisse wie ihrer sittlichen und geistigen Natur, die Grundsätze ihrer Zwecke und Handlungsweisen aus. Was der Geschichtsschreiber sprechen lässt, ist nicht ein geliehenes Bewusstsein, sondern der Sprechenden eigne Bildung.

Dieser Geschichtsschreiber, in welche man sich hineinstudieren und bei denen man verweilen muss, wenn man mit den Nationen leben und sich in sie versenken möchte, dieser Historiker, in denen man nicht bloß Gelehrsamkeit, sondern tiefen und echten Genuss zu suchen hat, gibt es nicht so viele, als man vielleicht denken möchte: Herodot, der Vater, das heißt, der Urheber der Geschichte, und Thukydides sind schon genannt worden; Xenophons Rückzug der Zehntausend ist ein ebenso ursprüngliches Buch; Cäsars Kommentare sind das einfache Meisterwerk eines großen Geistes. Im Altertum waren diese Geschichtsschreiber notwendig große Kapitäne und Staatsmänner; im Mittelalter, wenn wir die Bischöfe ausnehmen, die im Mittelpunkte der Staatshandlungen standen, gehören hierher die


Mönche als naive Chronikenschreiber, welche ebenso isoliert waren, als jene Männer des Altertums im Zusammenhange sich befanden. In neuerer Zeit haben sich alle Verhältnisse geändert. Unsre Bildung ist wesentlich auffassend und verwandelt sogleich alle Begebenheiten für die Vorstellung in Berichte. Deren haben wir vortreffliche, einfache, bestimmte, über Kriegsvorfälle namentlich, die denen Cäsars wohl an die Seite gesetzt werden können und wegen des Reichtums ihres Inhalts und der Angabe der Mittel und Bedingungen noch belehrender sind. Auch gehören hierher die französischen Memoires. Sie sind oft von geistreichen Köpfen über kleine Zusammenhänge geschrieben und enthalten häufig viel Anekdotisches, so dass ihnen ein dürftiger Boden zugrunde liegt, aber oft sind es auch wahre historische Meisterwerke, wie die des Kardinals von Retz; diese zeigen ein größeres geschichtliches Feld. In Deutschland finden sich solche Meister selten; Friedrich der Große (histoire de mon temps) macht hiervon eine rühmliche Ausnahme. Hoch gestellt müssen eigentlich solche Männer sein. Nur wenn man oben steht, kann man die Sachen recht übersehen und jegliches erblicken, nicht wenn man von unten herauf durch eine dürftige Öffnung geschaut hat.

b) Die zweite Art der Geschichte können wir die reflektierende nennen. Es ist die Geschichte, deren Darstellung, nicht in Beziehung auf die Zeit, sondern rücksichtlich des Geistes über die Gegenwart hinaus ist. In dieser zweiten Gattung sind ganz verschiedene Arten zu unterscheiden.

aa) Man verlangt überhaupt die Übersicht der ganzen Geschichte eines Volkes oder eines Landes oder der Welt, kurz das, was wir allgemeine Geschichte schreiben nennen. Hierbei ist die Verarbeitung des historischen Stoffes die Hauptsache, an den der Arbeiter mit seinem Geiste kommt, der verschieden ist von dem Geiste des Inhalts. Dazu werden besonders die Prinzipien wichtig sein, die sich der Verfasser teils von dem Inhalte und Zwecke der Handlungen und Begebenheiten selbst macht, die er beschreibt, teils von der Art, wie er die Geschichte anfertigen will. Bei uns Deutschen ist die Reflexion und Gescheitheit dabei sehr mannigfach, jeder Geschichtsschreiber hat hier seine eigne Art und Weise besonders sich in den Kopf gesetzt. Die Engländer und Franzosen wissen im allgemeinen, wie man Geschichte schreiben müsse, sie stehen mehr auf der Stufe allgemeiner und nationeller Bildung; bei uns klügelt sich jeder eine Eigentümlichkeit aus, und statt Geschichte zu schreiben, bestreben wir uns immer zu suchen, wie Geschichte geschrieben werden müsse. Diese erste Art der reflektierten Geschichte schließt sich zunächst an die vorhergegangene an, wenn sie weiter keinen Zweck hat, als das Ganze der Geschichte eines Landes darzustellen. Solche Kompilationen (es gehören dahin die Geschichten des


Livius, Diodors von Sizilien, Joh. von Müllers Schweizergeschichte) sind, wenn sie gut gemacht sind, höchst verdienstlich. Am besten ist es freilich, wenn sich die Historiker denen der ersten Gattung nähern und so anschaulich schreiben, dass der Leser die Vorstellung haben kann, er höre Zeitgenossen und Augenzeugen die Begebenheiten erzählen. Aber der eine Ton, den ein Individuum, das einer bestimmten Bildung angehört, haben muss, wird häufig nicht nach den Zeiten, welche eine solche Geschichte durchläuft, modifiziert, und der Geist, der aus dem Schriftsteller spricht, ist ein anderer als der Geist dieser Zeiten. So lässt Livius die alten Könige Roms, die Konsuln und Heerführer Reden halten, wie sie nur einem gewandten Advokaten der Livianischen Zeit zukommen, und welche wieder aufs stärkste mit echten aus dem Altertum erhaltenen Sagen, z. B. der Fabel des Menenius Agrippa, kontrastieren. So gibt uns derselbe Beschreibungen von Schlachten, als ob er sie mit angesehen hätte, deren Züge man aber für die Schlachten aller Zeiten gebrauchen kann, und deren Bestimmtheit wieder mit dem Mangel an Zusammenhang und mit der Inkonsequenz kontrastiert, welche in andern Stücken oft über Hauptverhältnisse herrscht. Was der Unterschied eines solchen Kompilators und eines ursprünglichen Historikers ist, erkennt man am besten, wenn man den Polybius mit der Art vergleicht, wie Livius dessen Geschichte in den Perioden, in welchen des Polybius Werk aufbehalten ist, benutzt, auszieht und abkürzt.


Johannes von Müller hat seiner Geschichte in dem Bestreben, den Zeiten, die er beschreibt, treu in seiner Schilderung zu sein, ein hölzernes, hohlfeierliches, pedantisches Aussehen gegeben. Man liest in dem alten Tschudy dergleichen viel lieber; alles ist naiver und natürlicher, als in einer solchen bloß gemachten affektierten Altertümlichkeit.

Eine Geschichte der Art, welche lange Perioden oder die ganze Weltgeschichte überschauen will, muss die individuelle Darstellung des Wirklichen in der Tat aufgeben und sich mit Abstraktionen abkürzen, nicht bloß in dem Sinne, dass Begebenheiten und Handlungen wegzulassen sind, sondern in dem andern, dass der Gedanke der mächtigste Epitomator bleibt. Eine Schlacht, ein großer Sieg, eine Belagerung sind nicht mehr sie selbst, sondern werden in einfache Bestimmungen zusammengezogen. Wenn Livius von den Kriegen mit den Volskern erzählt, so sagt er bisweilen kurz genug: Dieses Jahr ist mit den Volskern Krieg geführt worden.

bb) Eine zweite Art der reflektierten Geschichte ist alsdann die pragmatische. Wenn wir mit der Vergangenheit zu tun haben und wir uns mit einer entfernten Welt beschäftigen, so tut sich eine Gegenwart für den Geist auf, die dieser aus seiner eignen Tätigkeit zum Lohn für seine Bemühung hat. Die Begebenheiten sind verschieden, aber das Allgemeine und Innere, der Zusammenhang einer. Dies hebt die Vergangenheit auf und macht die Begebenheit gegenwärtig. Pragmatische Reflexionen, so sehr sie abstrakt sind, sind so in der Tat das Gegenwärtige und beleben die Erzählungen der Vergangenheit zu heutigem Leben. Ob nun solche Reflexionen wirklich interessant und belebend seien, das kommt auf den eignen Geist des Schriftstellers an. Es ist hier auch besonders der moralischen Reflexionen Erwähnung zu tun und der durch die Geschichte zu gewinnenden moralischen Belehrung, auf welche hin dieselbe oft bearbeitet wurde. Wenn auch zu sagen ist, dass Beispiele des Guten das Gemüt erheben und beim moralischen Unterricht der Kinder, um ihnen das Vortreffliche eindringlich zu machen, anzuwenden wären, so sind doch die Schicksale der Völker und Staaten, deren Interessen, Zustände und Verwicklungen ein anderes Feld. Man verweist Regenten, Staatsmänner, Völker vornehmlich an die Belehrung durch die Erfahrung der Geschichte. Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben. Jede Zeit hat so eigentümliche Umstände, ist ein so individueller Zustand, dass in ihm aus ihm selbst entschieden werden muss und allein entschieden werden kann. Im Gedränge der Weltbegebenheiten hilft nicht ein allgemeiner Grundsatz, nicht das Erinnern an ähnliche Verhältnisse, denn so etwas, wie eine fahle Erinnerung, hat keine Kraft gegen die Lebendigkeit und Freiheit der Gegenwart. Nichts ist in dieser Rücksicht schaler als die oft wiederkehrende Berufung auf griechische und römische Beispiele, wie diese in der Revolutionszeit bei den Franzosen so häufig vorgekommen ist. Nichts ist verschiedener als die Natur dieser Völker und die Natur unsrer Zeiten. Johannes von Müller, der bei seiner allgemeinen wie bei seiner Schweizergeschichte solche moralische Absichten hatte, für die Fürsten, Regierungen und Völker, besonders für das Schweizervolk solche Lehren zuzubereiten (er hat eine eigne Lehren- und Reflexionensammlung gemacht und gibt öfters in seinem Briefwechsel die genaue Anzahl von Reflexionen an, die er in der Woche verfertigt hat), darf dieses nicht zu dem Besten, was er geleistet hat, rechnen. Es ist nur die gründliche, freie, umfassende Anschauung der Situationen und der tiefe Sinn der Idee (wie z. B. bei Montesquieus Geist der Gesetze), der den Reflexionen Wahrheit und Interesse geben kann. Deswegen löst auch eine reflektierende Geschichte die andere ab; jedem Schreiber stehen die Materialien offen, jeder kann sich leicht für fähig, sie zu ordnen und zu verarbeiten, halten und seinen Geist als den Geist der Zeiten in ihnen geltend machen. Im Überdruss an solchen reflektierenden Geschichten ist man häufig zurückgegangen nach dem aus allen Gesichtspunkten umschriebenen Bilde einer Begebenheit. Diese sind allerdings etwas wert, aber sie bieten meistens nur Material dar. Wir Deutsche sind damit zufrieden: die Franzosen bilden dagegen geistreich sich eine Gegenwart und beziehen die Vergangenheit auf den gegenwärtigen Zustand.

 

cc) Die dritte Weise der reflektierten Geschichte ist die kritische: Sie ist anzuführen, weil sie besonders die Art ist, wie in unsren Zeiten in Deutschland die Geschichte behandelt wird. Es ist nicht die Geschichte selbst, welche hier vorgetragen wird, sondern eine Geschichte der Geschichte und eine Beurteilung der geschichtlichen Erzählungen und Untersuchung ihrer Wahrheit und Glaubwürdigkeit. Das Außerordentliche, das hierin liegt und namentlich liegen soll, besteht in dem Scharfsinn des Schriftstellers, der den Erzählungen etwas abdingt, nicht in den Sachen. Die Franzosen haben hierin viel Gründliches und Besonnenes geliefert. Sie haben jedoch solch kritisches Verfahren nicht selbst als ein geschichtliches geltend machen wollen, sondern ihre Beurteilungen in der Form kritischer Abhandlungen verfasst. Bei uns hat sich die sogenannte höhere Kritik, wie der Philologie überhaupt, so auch der Geschichtsbücher bemächtigt. Diese höhere Kritik hat dann die Berechtigung abgeben sollen, allen möglichen unhistorischen Ausgeburten einer eitlen Einbildungskraft Eingang zu verschaffen. Dies ist die andere Weise, Gegenwart in der Geschichte zu gewinnen, indem man subjektive Einfälle an die Stelle geschichtlicher Daten setzt, – Einfälle, die für um so vortrefflicher gelten, je kühner sie sind, das ist, auf je dürftigeren Umständchen sie beruhen und je mehr sie dem Entschiedensten in der Geschichte widersprechen. –

dd) Die letzte Art der reflektierten Geschichte ist nun die, welche sich sogleich als etwas Teilweises ausgibt. Sie ist zwar abstrahierend, bildet aber, weil sie allgemeine Gesichtspunkte (z. B. die Geschichte der Kunst, des Rechts, der Religion) nimmt, einen Übergang zur philosophischen Weltgeschichte. In unsrer Zeit ist diese Weise der Begriffsgeschichte mehr ausgebildet und hervorgehoben worden. Solche Zweige stehen in einem Verhältnis zum Ganzen einer Volksgeschichte, und es kommt nur darauf an, ob der Zusammenhang des Ganzen aufgezeigt oder bloß in äußerlichen Verhältnissen gesucht wird. Im letzteren Falle erscheinen sie als ganz zufällige Einzelheiten der Völker. Wenn nun die reflektierende Geschichte dazu gekommen ist, allgemeine Gesichtspunkte zu verfolgen, so ist zu bemerken, dass, wenn solche Gesichtspunkte wahrhafter Natur sind, sie nicht bloß der äußere Faden, eine äußere Ordnung, sondern die innere leitende Seele der Begebenheiten und Taten selbst sind. Denn gleich dem Seelenführer Merkur ist die Idee in Wahrheit der Völker- und Weltführer, und der Geist, sein vernünftiger und notwendiger Wille ist es, der die Weltbegebenheiten geführt hat und führt: ihn in dieser Führung kennen zu lernen, ist hier unser Zweck. Das führt auf

c) die dritte Gattung der Geschichte, die philosophische. Wenn wir rücksichtlich der beiden vorangegangenen Arten nichts erst aufzuklären hatten, weil sich ihr Begriff von selbst verstand, so ist es anders mit dieser letzten, denn diese scheint in der Tat einer Erläuterung oder Rechtfertigung zu bedürfen. Das Allgemeine ist jedoch, dass die Philosophie der Geschichte nichts anderes als die denkende Betrachtung derselben bedeutet. Das Denken können wir aber einmal nicht unterlassen; dadurch unterscheiden wir uns von dem Tier, und in der Empfindung, in der Kenntnis und Erkenntnis, in den Trieben und im Willen, sofern sie menschlich sind, ist ein Denken. Diese Berufung auf das Denken kann aber deswegen hier als ungenügend erscheinen, weil in der Geschichte das Denken dem Gegebenen und Seienden untergeordnet ist, dasselbe zu seiner Grundlage hat und davon geleitet wird, der Philosophie im Gegenteil aber eigne Gedanken zugeschrieben werden, welche die Spekulation aus sich ohne Rücksicht aus das, was ist, hervorbringe. Gehe sie mit solchen an die Geschichte, so behandle sie sie wie ein Material, lasse sie nicht, wie sie ist, sondern richte sie nach dem Gedanken ein, konstruiere sie daher, wie man sagt, a priori. Da die Geschichte nun aber bloß aufzufassen hat, was ist und gewesen ist, die Begebenheiten und Taten, und um so wahrer bleibt, je mehr sie sich an das Gegebene hält, so scheint mit diesem Treiben das Geschäft der Philosophie in Widerspruch zu stehen, und dieser Widerspruch und der daraus für die Spekulation entspringende Vorwurf soll hier erklärt und widerlegt werden, ohne dass wir uns deswegen in Berichtigungen der unendlich vielen und speziellen schiefen Vorstellungen einlassen wollen, die über den Zweck, die Interessen und die Behandlungen des Geschichtlichen und seines Verhältnisses zur Philosophie im Gange sind oder immer wieder neu erfunden werden.

Der einzige Gedanke, den die Philosophie mitbringt, ist aber der einfache Gedanke der Vernunft, dass die Vernunft die Welt beherrsche, dass es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei. Diese Überzeugung und Einsicht ist eine Voraussetzung in Ansehung der Geschichte als solcher überhaupt; in der Philosophie selbst ist dies keine Voraussetzung. Durch die spekulative Erkenntnis in ihr wird es erwiesen, dass die Vernunft, – bei diesem Ausdrucke können wir hier stehen bleiben, ohne die Beziehung und das Verhältnis zu Gott näher zu erörtern –, die Substanz wie die unendliche Macht, sich selbst der unendliche Stoff alles natürlichen und geistigen Lebens wie die unendliche Form, die Betätigung dieses ihres Inhalts ist. Die Substanz ist sie, nämlich das, wodurch und worin alle Wirklichkeit ihr Sein und Bestehen hat, – die unendliche Macht, indem die Vernunft nicht so ohnmächtig ist, es nur bis zum Ideal, bis zum Sollen zu bringen und nur außerhalb der Wirklichkeit, wer weiß wo, als etwas Besonderes in den Köpfen einiger Menschen vorhanden zu sein; der unendliche Inhalt, alle Wesenheit und Wahrheit, und ihr selbst ihr Stoff, den sie ihrer Tätigkeit zu verarbeiten gibt, denn sie bedarf nicht, wie endliches Tun, der Bedingungen eines äußerlichen Materials gegebener Mittel, aus denen sie Nahrung und Gegenstände ihrer Tätigkeit empfinge, sie zehrt aus sich und ist sich selbst das Material, das sie verarbeitet; wie sie sich nur ihre eigne Voraussetzung und der absolute Endzweck ist, so ist sie selbst dessen Betätigung und Hervorbringung aus dem Inneren in die Erscheinung, nicht nur des natürlichen Universums, sondern auch des geistigen, – in der Weltgeschichte. Dass nun solche Idee das Wahre, das Ewige, das schlechthin Mächtige ist, dass sie sich in der Welt offenbart und nichts in ihr sich offenbart als sie, ihre Ehre und Herrlichkeit, das ist es, was, wie gesagt, in der Philosophie bewiesen und hier so als bewiesen vorausgesetzt wird.

Diejenigen unter Ihnen, meine Herren (Damen saßen zu Hegels Zeiten noch nicht in den Vorlesungen der Universitäten), welche mit der Philosophie noch nicht bekannt sind, könnte ich nun etwa darum ansprechen, mit dem Glauben an die Vernunft, mit dem Verlangen, mit dem Durste nach ihrer Erkenntnis zu diesem Vortrag der Weltgeschichte hinzuzutreten: und es ist allerdings das Verlangen nach vernünftiger Einsicht, nach Erkenntnis, nicht bloß nach einer Sammlung von Kenntnissen, was als subjektives Bedürfnis bei dem Studium der Wissenschaften vorausgesetzt werden müsste. Wenn man nämlich nicht den Gedanken, die Erkenntnis der Vernunft, schon mit zur Weltgeschichte bringt, so sollte man wenigstens den festen, unüberwindlichen Glauben haben, dass Vernunft in derselben ist, und auch den, dass die Welt der Intelligenz und des selbstbewussten Wollens nicht dem Zufalle anheimgegeben sei, sondern im Lichte der sich wissenden Idee sich zeigen müsse. In der Tat aber habe ich solchen Glauben nicht zum Voraus in Anspruch zu nehmen. Was ich vorläufig gesagt habe und noch sagen werde, ist nicht bloß, auch in Rücksicht unsrer Wissenschaft, als Voraussetzung, sondern als Übersicht des Ganzen zu nehmen, als das Resultat der von uns anzustellenden Betrachtung, ein Resultat, das mir bekannt ist, weil ich bereits das Ganze kenne. Es hat sich also erst aus der Betrachtung der Weltgeschichte selbst zu ergeben, dass es vernünftig in ihr zugegangen sei, dass sie der vernünftige, notwendige Gang des Weltgeistes gewesen, des Geistes, dessen Natur zwar immer eine und dieselbe ist, der aber in dem Weltdasein diese seine eine Natur expliziert. Dies muss, wie gesagt, das Ergebnis der Geschichte sein. Die Geschichte aber haben wir zu nehmen, wie sie ist: wir haben historisch, empirisch zu verfahren; unter anderem müssen wir uns nicht durch die Historiker vom Fach verführen lassen, denn diese, namentlich Deutsche, welche eine große Autorität besitzen, machen das, was sie den Philosophen vorwerfen, nämlich a priorische Erdichtungen in der Geschichte. Es ist z. B. eine weitverbreitete Erdichtung, dass ein erstes und ältestes Volk gewesen sei, unmittelbar von Gott belehrt, in vollkommener Einsicht und Weisheit, in durchdringender Kenntnis aller Naturgesetze und geistiger Wahrheit, oder dass es diese und jene Priestervölker gegeben, oder um etwas Spezielles anzuführen, dass es ein römisches Epos gegeben, aus welchem die römischen Geschichtsschreiber die älteste Geschichte geschöpft haben usf. Dergleichen Autoritäten wollen wir den geistreichen Historikern von Fach überlassen, unter denen sie bei uns nicht ungewöhnlich sind. Als die erste Bedingung könnten wir somit aussprechen, dass wir das Historische getreu auffassen; allein in solchen allgemeinen Ausdrücken, wie treu und auffassen, liegt die Zweideutigkeit. Auch der gewöhnliche und mittelmäßige Geschichtsschreiber, der etwa meint und vorgibt, er verhalte sich nur aufnehmend, nur dem Gegebenen sich hingebend, ist nicht passiv mit seinem Denken und bringt seine Kategorien mit und sieht durch sie das Vorhandene; bei allem insbesondere, was wissenschaftlich sein soll, darf die Vernunft nicht schlafen, und muss Nachdenken angewandt werden; wer die Welt vernünftig ansieht, den sieht sie auch vernünftig an, beides ist in Wechselbestimmung. Aber die unterschiedenen Weisen des Nachdenkens, der Gesichtspunkte, der Beurteilung schon über bloße Wichtigkeit und Unwichtigkeit der Tatsachen, welches die am nächsten liegende Kategorie ist, gehören nicht hierher.

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»