George Sand – Gesammelte Werke

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7.

Es nimmt dich viel­leicht Wun­der, lie­ber Le­ser, und nichts de­sto min­der ist es durch­aus rich­tig, dass sich An­zo­le­to nie­mals eine Mei­nung dar­über ge­bil­det hat­te, ob Con­sue­lo häss­lich oder schön wäre. Ab­ge­son­dert von den Men­schen und in Ve­ne­dig un­be­ach­tet, wie Con­sue­lo leb­te, war sie noch von Kei­nem dar­auf an­ge­se­hen wor­den, ob im Schat­ten die­ser Ver­säum­nis und Ver­bor­gen­heit Geist und Ge­müt sich eine an­ge­neh­me oder eine un­schein­ba­re Form her­aus­ge­ar­bei­tet hat­ten. Por­po­ra, der für nichts Sinn hat­te, als für sei­ne Kunst, sah in ihr nur die Künst­le­rin. Den Nach­barn auf der Cor­te Mi­nel­li war ihr un­schul­di­ges Ver­hält­nis zu An­zo­le­to nie an­stö­ßig ge­we­sen. In Ve­ne­dig ist man über die­sen Punkt nicht sehr be­denk­lich. Sie sag­ten ihr wohl manch­mal, dass sie sich mit die­sem Men­schen ohne Halt und Habe un­glück­lich ma­chen wür­de und ga­ben ihr den Rat, sie soll­te sich lie­ber mit ei­nem bra­ven, fried­fer­ti­gen Hand­wer­ker zu ver­bin­den su­chen. Da sie ih­nen aber im­mer ant­wor­te­te, sie wäre ja selbst ohne Fa­mi­lie und Stüt­ze, und so wäre ihr An­zo­le­to eben recht, da seit sechs Jah­ren kein Tag ver­gan­gen war, wo man sie nicht bei ein­an­der ge­se­hen hät­te und zwar im­mer of­fen, ohne Heim­lich­tun und ohne Streit und Zank, so hat­te man sich zu­letzt an ihre freie und un­zer­trenn­li­che Ver­bin­dung ge­wöhnt. Kein Nach­bar hat­te es sich je ein­fal­len las­sen, der Ami­ca des An­zo­le­to den Hof zu ma­chen. Kam dies da­her, dass man sie nun ein­mal für ge­bun­den ach­te­te, oder war ihre große Dürf­tig­keit dar­an schuld? Oder end­lich, dünk­te ihr Äu­ße­res kei­nem von ih­nen ver­füh­re­risch? Das letz­te­re ist sehr wahr­schein­lich.

Es ist in­des­sen eine be­kann­te Sa­che, dass die jun­gen Mäd­chen zwi­schen zwölf und vier­zehn Jah­ren ge­wöhn­lich ma­ger, ohne Hal­tung und ohne Har­mo­nie in Zü­gen, Ver­hält­nis­sen und Be­we­gun­gen sind. Um die fünf­zehn Jah­re »mus­tern sie sich her­aus« (wie der volks­tüm­li­che Aus­druck der äl­te­ren Frau­en lau­tet), und die wel­che zu­vor ab­scheu­lich aus­sah, zeigt sich, nach die­sem kur­z­en Bil­dungs­ak­te, wenn nicht schön, zum we­nigs­ten an­ge­nehm. Man hat so­gar die Be­mer­kung ge­macht, dass klei­ne Mäd­chen, wel­che zu früh hübsch sind, nichts für die Zu­kunft ver­spre­chen.

Auch un­se­rer Con­sue­lo war die Wohl­tat des jung­fräu­li­chen Al­ters zu Gute ge­kom­men, man nann­te sie nicht mehr häss­lich und wirk­lich war sie es nicht mehr. Nur weil sie kei­ne Prin­zes­sin oder In­fan­tin war, hat­te sie auch kei­nen Höf­lings­kreis um sich, der der Welt die sicht­li­che Ver­schö­ne­rung des kö­nig­li­chen Spros­sen ver­kün­det hät­te; und da kein zärt­lich be­küm­mer­tes Herz da war, um für ihre Zu­kunft Sor­ge zu tra­gen, so nahm sich auch nie­mand die Mühe, dem An­zo­le­to zu sa­gen, dass er sich sei­ner Braut vor der Welt nicht zu schä­men brauch­te.

Da nun An­zo­le­to sie nur in ei­nem Al­ter hat­te gars­tig nen­nen hö­ren, wo die­ser Ta­del nicht den min­des­ten Ein­druck auf ihn mach­te, wäh­rend in spä­te­rer Zeit we­der Gu­tes noch Bö­ses von Con­sue­lo’s Äu­ße­rem ge­sagt wur­de, so hat­te er in der Tat an die­sen Punkt noch nicht ge­dacht. Sei­ne Ei­tel­keit hat­te einen an­de­ren Flug ge­nom­men. Sein Traum war, auf­zu­tre­ten und be­rühmt zu wer­den, und er konn­te gar nicht dazu kom­men, viel Auf­he­bens von sei­nen Erobe­run­gen zu ma­chen. Den Ge­lüs­ten der ers­ten Ju­gend ist ein gu­tes Teil Neu­gier­de bei­ge­mischt: bei ihm war die­se be­frie­digt; ich habe schon ge­sagt, dass er in ei­nem Al­ter von acht­zehn Jah­ren nichts mehr zu ler­nen hat­te. In sei­nem zwei und zwan­zigs­ten Jah­re war er fast ab­ge­stumpft, wäh­rend sei­ne An­häng­lich­keit an Con­sue­lo in sei­nem zwei und zwan­zigs­ten Jah­re, wie im acht­zehn­ten, ei­ni­ger keu­schen Küs­se un­ge­ach­tet, wel­che ohne Un­ru­he ge­ge­ben und ohne Scham ge­nom­men wur­den, noch ganz so still und trau­lich wie zu­vor war.

Die­se Ruhe und Rein­heit bei ei­nem Jüng­lin­ge, des­sen Ruhm nicht ge­ra­de Zu­rück­hal­tung war, möch­te leicht zu auf­fal­lend er­schei­nen, wenn hier nicht be­merkt wür­de, dass die große Frei­heit, in wel­cher wir un­se­re jun­gen Leu­te beim Be­gin­ne die­ser Ge­schich­te mit­ein­an­der um­ge­hen sa­hen, sich im Lau­fe der Zeit ver­än­dert und all­mäh­lich ein­ge­schränkt hat­te. Con­sue­lo war fast sechs­zehn Jah­re alt und führ­te noch ein ziem­lich un­stä­tes Le­ben, in­dem sie al­lein aus dem Kon­ser­va­to­ri­um ging und sich auf den Stu­fen der Pi­az­zet­ta zu An­zo­le­to setz­te, um ihre Lek­ti­on zu ler­nen und ih­ren Reis zu es­sen, – als plötz­lich ihre Mut­ter in eine sol­che Er­schöp­fung fiel, dass sie nicht mehr abends mit der Gui­tar­re im Arm und ei­nem Ei­mer­chen vor sich, in den Cafés sin­gen konn­te. Das arme Weib zog sich in einen der arm­se­ligs­ten Schup­pen der Cor­te Mi­nel­li zu­rück und lag dort küm­mer­lich auf ei­nem schlech­ten Bet­te. Die gute Con­sue­lo woll­te nun nicht mehr von der Sei­te ih­rer Mut­ter wei­chen und än­der­te ihre gan­ze Le­bens­art.

Wenn sie nicht im Un­ter­rich­te war, den ihr der Pro­fes­sor aus Güte gab, so saß sie, ent­we­der mit der Na­del oder mit dem Kon­tra­punk­te be­schäf­tigt, stets ne­ben dem Kopf­kis­sen die­ser her­ri­schen und schlim­men Mut­ter, wel­che sie in ih­rer Kind­heit grau­sam miss­han­delt hat­te und ihr jetzt das schreck­li­che Schau­spiel ei­ner To­des­stun­de ohne Mut und ohne Tu­gend gab. Die Kin­des­lie­be und ru­hi­ge Er­ge­ben­heit wi­chen von Con­sue­lo nicht einen Au­gen­blick. Ihre Ju­gend­freu­den, ihre Frei­heit, ihr un­ge­bun­de­nes Le­ben, selbst ihre Lie­be, al­les op­fer­te sie ohne Kla­ge und ohne Be­den­ken.

An­zo­le­to be­schwer­te sich leb­haft dar­über, und ent­schloss sich, als er sei­ne Vor­wür­fe er­folg­los sah, zu ver­ges­sen und sich zu zer­streu­en; aber es war ihm un­mög­lich. An­zo­le­to war nicht aus­dau­ernd bei der Ar­beit wie Con­sue­lo: flüch­tig und schlecht nahm er den ver­kehr­ten Un­ter­richt an, den sein Leh­rer um das Ho­no­rar, das Zus­ti­nia­ni zahl­te, zu ver­die­nen, eben so schlecht und flüch­tig gab. Das war üb­ri­gens ein großes Glück für An­zo­le­to, denn sei­ne rei­chen na­tür­li­chen An­la­gen gli­chen, so gut es ge­sche­hen konn­te, die ver­lo­re­ne Zeit und die Wir­kun­gen ei­nes schlech­ten Un­ter­rich­tes aus, aber es blie­ben ihm vie­le mü­ßi­ge Stun­den, in wel­chen die treue und hei­te­re Ge­sell­schaft Con­sue­lo’s ihm ent­setz­lich fehl­te. Er ver­such­te, sich den Ver­gnü­gun­gen sei­nes Al­ters und Stan­des hin­zu­ge­ben: er ging in die Schen­ken und ver­spiel­te mit He­rum­trei­bern das we­ni­ge Ta­schen­geld, das ihm Graf Zus­ti­nia­ni von Zeit zu Zeit schenk­te. Zwei bis drei Wo­chen lang ge­fiel ihm die­se Le­bens­art, dann aber merk­te er, dass da­bei sein Wohl­be­ha­gen, sei­ne Ge­sund­heit und sei­ne Stim­me merk­lich lit­ten: denn es ist ein Un­ter­schied zwi­schen dem Far-ni­en­te und ei­nem lü­der­li­chen Le­ben, das lü­der­li­che Le­ben aber sag­te ihm nicht zu. Eine heil­sa­me Selbst­lie­be hü­te­te ihn vor schlech­ten Lei­den­schaf­ten, er zog sich in die Ein­sam­keit zu­rück und streng­te sich an, flei­ßig zu sein, aber die trau­ri­ge Ein­sam­keit und die Schwie­rig­kei­ten mach­ten ihm ban­ge. Er sah nun ein, dass ihm Con­sue­lo eben so un­ent­behr­lich zu sei­nem Ta­len­te als zu sei­nem Glücke war.

Con­sue­lo war ämsig und aus­dau­ernd, sie leb­te in der Mu­sik wie der Vo­gel in der Luft, wie der Fisch im Was­ser; Schwie­rig­kei­ten zu be­sie­gen mach­te ihr Freu­de, ohne dass sie sich, mehr als ein Kind pflegt, über die Wich­tig­keit des Sie­ges Re­chen­schaft ge­ge­ben hät­te, denn die Hin­der­nis­se zu über­win­den und in die Tie­fen der Kunst ein­zu­drin­gen, zwang sie von in­nen her­aus der un­wi­der­steh­li­che Trieb, wel­cher auch das Saa­men­korn zwingt den Schoß der Erde zu durch­bre­chen und an die Luft zu drin­gen; Con­sue­lo war eine je­ner sel­te­nen und glück­li­chen Na­tu­ren, für wel­che die Ar­beit ein Ge­nuss ist, eine wah­re Ruhe, ein un­ent­behr­li­cher Nor­mal­zu­stand, und für wel­che die Un­tä­tig­keit eine An­stren­gung, eine Ab­span­nung, ein krank­haf­ter Zu­stand sein wür­de, wenn ih­nen Un­tä­tig­keit über­haupt mög­lich wäre. Aber sie ken­nen die­se nicht: schein­bar mü­ßig ar­bei­ten sie; ihr Träu­men ist kein in­halt­lo­ses, son­dern ein Nach­den­ken. Wenn man sie wir­ken sieht, so meint man ihr Schaf­fen wahr­zu­neh­men, wäh­rend sie nur das schon Ge­schaf­fe­ne of­fen­ba­ren. Du wirst mir ein­wen­den, lie­ber Le­ser, dass dir sol­che un­ge­wöhn­li­che Na­tu­ren nie be­geg­net sei­en. Ich wer­de dir ant­wor­ten, teue­rer Le­ser, dass ich auch nur eine ken­nen ge­lernt habe, nur eine, und bin ich auch äl­ter als du. Wa­rum kann ich dir nicht sa­gen, dass ich an mei­nem ar­men Kop­fe das gött­li­che Ge­heim­nis die­ser geis­ti­gen Reg­sam­keit aus­ge­forscht habe. Aber lei­der wer­den wir bei­de, Freund Le­ser, es nicht an uns stu­die­ren.

Con­sue­lo ar­bei­te­te stets, und fand in der Ar­beit ihre Er­ho­lung; Stun­den­lang war sie hart­nä­ckig be­müht, frei a ca­pric­cio sin­gend oder Mu­sik le­send, Schwie­rig­kei­ten zu be­kämp­fen, vor wel­chen An­zo­le­to, sich selbst über­las­sen, zu­rück­ge­bebt wäre; und ohne Be­dacht und Ab­sicht, ohne im ge­rings­ten an Wett­ei­fer zu den­ken, zwang sie ihn, ihr zu fol­gen, ihr zu hel­fen, ih­ren Sinn zu fas­sen, ihr zu ant­wor­ten, bald mit­ten un­ter kin­di­schem Ge­läch­ter, bald mit ihm hin­ge­ris­sen von je­ner dich­te­ri­schen und schöp­fe­ri­schen Fan­ta­sie, die den Volks­na­tu­ren in Ita­li­en und in Spa­ni­en ei­gen ist.

So hat­te sich An­zo­le­to seit meh­re­ren Jah­ren mit Con­sue­lo’s Ge­ni­us be­fruch­tet, in­dem er ihn aus der Quel­le schöpf­te, ohne ihn zu er­ken­nen, und ihn in sich auf­nahm, ohne es zu wis­sen, und war in der Mu­sik ein selt­sa­mes Ge­misch von Kennt­nis und Un­wis­sen­heit, von Ein­ge­bung und Leicht­sinn, von Herr­schaft und Un­be­hilf­lich­keit, von Kühn­heit und Schwä­che ge­wor­den, was eben da­mals bei der Pro­be den Pro­fes­sor Por­po­ra in ein La­by­rinth von Be­trach­tun­gen und Ver­mu­tun­gen ver­wi­ckel­te. Die­ser Meis­ter kann­te das Ge­heim­nis al­ler der Reich­tü­mer nicht, wel­che der Con­sue­lo ab­ge­borgt wa­ren; denn seit­dem er ei­nes Ta­ges die Klei­ne über ihre Ver­trau­lich­keit mit die­sem großen Tau­ge­nichts hart ge­schol­ten, hat­te er die bei­den nie wie­der bei­sam­men ge­sehn. Con­sue­lo, wel­cher viel dar­an lag, sich ih­res Leh­rers Gunst zu er­hal­ten, hat­te Sor­ge ge­tra­gen, sich ihm nie in An­zo­le­to’s Ge­sell­schaft zu zei­gen, und so oft sie ihn, wenn An­zo­le­to bei ihr war, von wei­tem die Stra­ße her­ab­kom­men sah, sprang sie flink wie ein Kätz­chen hin­ter eine Säu­le oder duck­te sich in eine Gon­del.

 

Die­se Vor­sicht dau­er­te fort als Con­sue­lo Kran­ken­hü­te­rin ge­wor­den war und als An­zo­le­to, der, fern von ihr, nicht mehr aus­hal­ten konn­te, weil ihm Le­ben, Hoff­nung, Geist und fast der Atem zu feh­len schi­en, sich ein­fand, um ihr ein­ge­eng­tes Le­ben zu tei­len und je­den Abend ihr die Ver­drieß­lich­kei­ten und Auf­wal­lun­gen der Tot­kran­ken tra­gen zu hel­fen.

Ei­ni­ge Mo­na­te vor ih­rem Ende fühl­te die­se Un­glück­li­che sich in ih­ren Lei­den er­leich­tert, und be­siegt von der from­men Lie­be ih­rer Toch­ter öff­ne­te sich ihre See­le sanf­te­ren Re­gun­gen. Sie ge­wöhn­te sich dar­an, Hilf­leis­tun­gen von An­zo­le­to an­zu­neh­men, der, wie­wohl zu ei­ner sol­chen hin­ge­ben­den Rol­le we­nig ge­schaf­fen, doch zu ei­ner Art hei­te­ren Ei­fers und zu­vor­kom­men­der Freund­lich­keit ge­gen die Schwä­che und das Lei­den sich auch sei­ner­seits ge­wöhn­te. An­zo­le­to hat­te einen stä­ti­gen Cha­rak­ter und ein freund­li­ches We­sen. Sei­ne Aus­dau­er bei ihr und Con­sue­lo ge­wann zu­letzt das Herz der Al­ten, und in ih­rer letz­ten Stun­de ließ sie die Kin­der schwö­ren, ein­an­der nicht zu ver­las­sen. An­zo­le­to ver­sprach es, ja er emp­fand so­gar in die­sem Au­gen­bli­cke eine Art erns­ter Rüh­rung, wel­che er noch nicht ge­kannt hat­te. Die Ster­ben­de er­leich­ter­te ihm sei­ne Zu­sa­ge, in­dem sie sprach: Lass sie dei­ne Freun­din, dei­ne Schwes­ter, dei­ne Liebs­te oder dein Weib sein; da sie Kei­nen kennt als dich und von ei­nem an­de­ren nie hat hö­ren wol­len, so ver­las­se sie nicht. Im Ge­hei­men woll­te sie dann ih­rer Toch­ter noch einen recht klu­gen und heil­sa­men Rat ge­ben, ohne viel zu über­le­gen, ob er auch aus­führ­bar sein wer­de, und sie nahm ihr, wie wir schon wis­sen, das Ge­lüb­de ab, sich ih­rem Ge­lieb­ten vor der kirch­li­chen Ein­seg­nung ih­rer Ehe nie zu über­las­sen. Con­sue­lo ge­lob­te es, ohne die Hin­der­nis­se zu ah­nen, wel­che der un­ab­hän­gi­ge und un­from­me Cha­rak­ter An­zo­le­to’s die­ser Ab­sicht ent­ge­gen­stel­len könn­te.

Als sie Wai­se war, setz­te Con­sue­lo ihre Na­del­ar­beit fort, um zu er­wer­ben, was der Au­gen­blick er­for­der­te, und ihre Mu­sik­stu­di­en, um an An­zo­le­to’s Zu­kunft die ih­ri­ge knüp­fen zu kön­nen. Wäh­rend der zwei Jah­re, dass sie ih­ren Schup­pen al­lein be­wohn­te, hat­te er sie un­ver­än­dert je­den Tag be­sucht, er fühl­te kei­ne Lei­den­schaft für sie, konn­te aber auch für an­de­re Frau­en kei­ne füh­len, weil sein stil­ler, trau­li­cher Um­gang und das Ver­gnü­gen »an ih­rer Sei­te zu le­ben«, ihm, wie ihm däuch­te, über al­les ging.

Zwar war er sich der ho­hen Geis­tes­ga­ben sei­ner Freun­din nie be­wusst ge­wor­den, je­doch er hat­te seit­her Ge­schmack und Ur­teil ge­nug er­wor­ben, um zu wis­sen, dass sie an Kunst­ver­stand und Mit­teln alle Sän­ge­rin­nen von San Sa­mu­el und die Co­ril­la selbst über­rag­te. Sei­ner ge­wohn­ten Zu­nei­gung hat­te sich da­her die Hoff­nung und bei­na­he die Ge­wiss­heit bei­ge­sellt, dass eine Ve­rei­ni­gung der In­ter­es­sen ih­nen vor­teil­haft sein wür­de, um sich mit der Zeit ein glän­zen­des Aus­kom­men zu schaf­fen. Con­sue­lo da­ge­gen hat­te sich nicht ge­wöhnt, an die Zu­kunft zu den­ken. Voraus­sicht ge­hör­te nicht in den Kreis des­sen, was ihre Ge­dan­ken be­schäf­tig­te. Sie hät­te Mu­sik ge­trie­ben ohne einen an­de­ren Zweck als den, ih­rem Be­ru­fe zu fol­gen, und die Ge­mein­sam­keit der In­ter­es­sen, wel­che die Aus­übung die­ser Kunst zwi­schen ihr und ih­rem Freun­de not­wen­dig schuf, hat­te für sie kei­nen an­de­ren Sinn als den – ver­bun­de­nen Glückes und ge­mein­schaft­li­cher Nei­gung.

So hat­te er denn, ohne ihr da­von ein Wort zu sa­gen, auf ein­mal Hoff­nung ge­fasst, dass die Ver­wirk­li­chung sei­ner Träu­me sich be­schleu­ni­gen lie­ße, und in der­sel­ben Zeit als Zus­ti­nia­ni da­mit um­ging, sich eine Stell­ver­tre­te­rin für die Co­ril­la zu ver­schaf­fen, war An­zo­le­to, wel­cher mit sel­te­nem Scharf­blick die Stim­mung sei­nes Gön­ners er­riet, auf den Ge­dan­ken ge­kom­men, ihm Con­sue­lo vor­zu­schla­gen.

Aber dass Con­sue­lo häss­lich sein soll­te, die­ses un­ge­ahn­te, selt­sa­me, und, wo­fern der Graf sich nicht irr­te, un­über­steig­li­che Hin­der­nis hat­te Schre­cken und Be­stür­zung in sei­ne See­le ge­wor­fen. Er mach­te sich so­gleich auf den Weg nach der Cor­te Mi­nel­li, aber bei je­dem Schrit­te blieb er ste­hen, um sich das Bild sei­ner Freun­din in ei­nem neu­en Lich­te vor die See­le zu ru­fen, und um zu wie­der­ho­len, mit ei­nem Fra­ge­zei­chen hin­ter je­dem Wor­te: Nicht hübsch? Sehr häss­lich? Ab­scheu­lich?

8.

– Was siehst du mich so an? rief ihm Con­sue­lo zu, als er bei ihr ein­ge­tre­ten war und sie mit ei­ner selt­sa­men Mie­ne be­trach­te­te, ohne ein Wort zu spre­chen. Du tust ja, als ob du mich noch nie ge­se­hen hät­test.

– Das ist auch der Fall, Con­sue­lo! er­wi­der­te er. Ich habe dich nie ge­se­hen.

– Re­dest du irre? ver­setz­te sie, ich weiß nicht was du meinst.

– Mein Gott, mein Gott! ich glau­be dir’s, rief An­zo­le­to. Ich habe einen großen schwar­zen Fleck im Ge­hir­ne und kann da­vor nicht se­hen.

– Himm­li­sche Barm­her­zig­keit! Ist dir nicht wohl, mein Freund?

– Nein, lie­bes Mäd­chen, be­ru­hi­ge dich, und ich will es ver­su­chen, deut­lich zu se­hen. Sage, Con­su­e­li­na, fin­dest du mich schön?

– Ei frei­lich, ich habe dich ja lieb.

– Und wenn du mich nicht lieb hät­test, wie wür­dest du mich dann fin­den?

– Was weiß ich?

– Wenn du an­de­re Män­ner siehst, weißt du dann, ob sie schön oder häss­lich sind?

– Ja­wohl, aber ich fin­de dich schö­ner als die Schöns­ten.

– Bloß weil du mich lieb hast?

– Ich glau­be, ja und nein. Und zu­dem sa­gen alle Leu­te dass du schön bist, und das weißt du recht gut. Aber was küm­mert dich das?

– Ich möch­te wis­sen ob du mich lieb hät­test, wenn ich auch ab­scheu­lich wäre.

– Ich wür­de es viel­leicht gar nicht mer­ken.

– Du glaubst also, dass man eine häss­li­che Per­son lie­ben kann?

– Wa­rum nicht? Liebst du mich doch.

– Du bist also häss­lich, Con­sue­lo? Im Erns­te, sage, gib Ant­wort, du bist also häss­lich?

– Man hat es mir im­mer ge­sagt, siehst du denn das nicht selbst?

– Nein, nein, wahr­haf­tig nicht, ich sehe es nicht!

– Nun sieh, dann fin­de ich mich schön ge­nug, und ich bin sehr zu­frie­den.

– Jetzt, jetzt eben, Con­sue­lo, wie du mich an­siehst, mit ei­ner so na­tür­li­chen, so lie­bens­wür­di­gen Mie­ne, da scheinst du mir schö­ner als die Co­ril­la. Aber ich möch­te nur wis­sen, ob das eine Ein­bil­dung von mir oder ob es wirk­lich so ist. Ich ken­ne dein Ge­sicht, es ist so ehr­lich und ge­fällt mir so, und wenn ich zor­nig bin, so macht es mich still; und wenn sich trau­rig bin, so macht es mich froh; und wenn ich nie­der­ge­schla­gen bin, so macht es mich mun­ter. Aber dei­ne Ge­stalt ken­ne ich nicht. Dei­ne Ge­stalt, Con­sue­lo, ob die häss­lich ist, das kann ich nicht wis­sen.

– Noch ein­mal, was küm­mert dich das?

– Ich muss es wis­sen; sage doch, ob wohl ein schö­ner Mann ein häss­li­ches Weib lieb ha­ben kann?

– Du hast ja doch mei­ne arme Mut­ter lieb ge­habt, die nur ein Ge­s­penst war! Und ich, wie lieb habe ich sie ge­habt!

– Kam sie dir denn häss­lich vor?

– Nein, und dir?

– Ich habe nicht dar­auf ge­ach­tet. Aber lie­ben aus Lieb­schaft, Con­sue­lo … denn im Grun­de lie­be ich dich doch aus Lieb­schaft, nicht wahr? Ich kann dich nicht ent­beh­ren, ich kann dich nicht las­sen. Das ist Lieb­schaft, meinst du nicht?

– Was soll­te es an­de­res sein?

– Es könn­te ja­wohl auch Freund­schaft sein.

– Frei­lich, es könn­te ja­wohl auch Freund­schaft sein.

Hier hielt Con­sue­lo über­rascht inne und sah An­zo­le­to auf­merk­sam an. Er aber, in ein schwer­mü­ti­ges Sin­nen ver­sun­ken, frag­te sich selbst zum ers­ten male mit Be­stimmt­heit, ob er Lie­be oder Freund­schaft für Con­sue­lo füh­le, ob die Ruhe sei­nes In­nern, ob die keu­sche Zu­rück­hal­tung, wel­che er ihr ge­gen­über ohne Mühe be­wahr­te, aus Ach­tung oder aus Gleich­gül­tig­keit ent­sprän­gen. Zum ers­ten male schau­te er die­ses jun­ge Mäd­chen mit den Au­gen ei­nes jun­gen Man­nes an, in prü­fen­der Ab­sicht, aber ziem­lich ver­wirrt, die­se Stirn, die­se Au­gen, die­sen Wuchs und jede Ein­zel­heit be­trach­tend, wo­von er bis­her im­mer nur einen ge­wis­sen idea­len Ge­samtein­druck, gleich­sam ver­schlei­ert in sei­ner Vor­stel­lung, emp­fun­den hat­te.

Zum ers­ten male fühl­te sich auch die be­stürz­te Con­sue­lo durch den Blick ih­res Freun­des ver­wirrt: sie er­rö­te­te, ihr Herz schlug hef­tig und ihre Au­gen wen­de­ten sich ab, un­fä­hig de­nen An­zo­le­to’s zu be­geg­nen. Und als er noch im­mer das Schwei­gen nicht brach und auch sie nicht den Mut hat­te es zu bre­chen, be­mäch­tig­te sich ih­rer end­lich eine un­be­schreib­li­che Angst, große Trä­nen roll­ten über ihre Wan­gen und sie ver­barg das Ge­sicht in ih­ren Hän­den.

– Ach, ich sehe es wohl, sprach sie, du willst mir sa­gen, dass du mich nicht mehr zu dei­ner Freun­din magst.

– Nein, nein, das habe ich nicht ge­sagt! Das sage ich nicht! rief An­zo­le­to, er­schreckt von die­sen Trä­nen, die er zum ers­ten male flie­ßen mach­te, und in­dem sei­ne brü­der­li­che Zu­nei­gung leb­haft er­wach­te, um­schloss er Con­sue­lo mit sei­nen Ar­men. Da sie aber ihr Ge­sicht weg­wen­de­te, so küss­te er statt ih­rer fri­schen und stil­len Wan­ge eine glü­hen­de Schul­ter, die sich un­ter ei­nem schwar­zen gro­ben Kan­ten­tu­che nur schlecht ver­barg.

Ent­zün­det sich plötz­lich der ers­te Blitz der Lei­den­schaft in ei­ner star­ken Na­tur, die un­ter der voll­komm­nen Ent­fal­tung ih­rer Jung­fräu­lich­keit kin­des­rein ge­blie­ben, so ist der Schlag hef­tig und fast ein Schmerz.

– Ich weiß nicht was mir ist, sag­te Con­sue­lo, sich den Ar­men ih­res Freun­des mit ei­ner Art von Furcht ent­rei­ßend, wel­che sie noch nie emp­fun­den hat­te; aber mir ist sehr übel; mir ist, als ob ich ster­ben müss­te.

– Nein, stirb nicht, rief An­zo­le­to, in­dem er ihr folg­te und sie in sei­nen Ar­men hielt; du bist schön, Con­sue­lo, ich weiß es ge­wiss, dass du schön bist! –

Con­sue­lo war wirk­lich schön in die­sem Au­gen­bli­cke, und ob­gleich An­zo­le­to nicht un­ter ei­nem künst­le­ri­schen Ge­sichts­punk­te des­sen ge­wiss war, so konn­te er doch nicht un­ter­las­sen, es zu sa­gen, weil sein Herz es leb­haft fühl­te.

– Was soll das aber nur, sag­te Con­sue­lo, in dem näm­li­chen Au­gen­bli­cke ganz bleich ge­wor­den und ganz ab­ge­spannt, was soll es nur, dass du mich heu­te durch­aus schön fin­den willst?

– Möch­test du es denn nicht sein, teu­re Con­sue­lo?

– Ja, für dich.

– Und für die an­de­ren?

– Ich fra­ge nichts da­nach.

– Wenn es nun aber eine Be­din­gung für uns­re Zu­kunft wäre?

An­zo­le­to fing nun an, weil er die Un­ru­he sah, wel­che er sei­ner Freun­din ver­ur­sacht hat­te, ihr ganz un­be­fan­gen zu er­zäh­len, was zwi­schen dem Gra­fen und ihm vor­ge­gan­gen war, und als er an die we­nig schmei­chel­haf­ten Aus­drücke kam, in wel­chen Zus­ti­nia­ni sich über sie ge­äu­ßert hat­te, schlug Con­sue­lo, wel­che nach und nach wie­der ru­hig ge­wor­den war, denn sie glaub­te jetzt zu se­hen was es gab, ein hel­les Ge­läch­ter auf, wäh­rend sie sich noch die letz­ten Trä­nen aus den Au­gen wisch­te.

 

– Wie? rief An­zo­le­to voll Er­stau­nen, dass er sie so frei von al­ler Ei­tel­keit fand, mehr regt dich das nicht auf, mehr Ver­druss macht es dir nicht? Aha! ich sehe, Con­su­e­li­na, Sie sind eine klei­ne Ko­ket­te: Sie wis­sen es wohl, dass Sie nicht häss­lich sind.

– Höre, ent­geg­ne­te sie la­chend, weil du nun ein­mal sol­che Pos­sen ernst nimmst, muss ich dich doch ein bi­schen be­ru­hi­gen. Ich bin nie­mals ko­kett ge­we­sen: ich bin nicht schön und ich will mich nicht lä­cher­lich ma­chen. Aber häss­lich, siehst du, häss­lich bin ich nicht mehr.

– Für­wahr, das hat dir je­mand ge­sagt. Wer hat dir das ge­sagt, Con­sue­lo?

– Erst­lich mei­ne Mut­ter, die sich um mei­ne Häss­lich­keit nie ge­grämt hat. Sie sag­te oft, das wür­de sich schon ge­ben und sie wäre als Kind noch häss­li­cher ge­we­sen, und doch weiß ich von vie­len Leu­ten wel­che sie frü­her ge­kannt ha­ben, dass sie zu zwan­zig Jah­ren das schöns­te Mäd­chen von Bur­gos war. Du er­in­nerst dich auch wohl, dass in den Cafés wo sie sang, man­cher der sie an­sah, sag­te: Die­se Frau muss schön ge­we­sen sein. Siehst du, mein ar­mer Freund, so geht es mit der Schön­heit, wenn man arm ist; ein Au­gen­blick ist’s: erst ist man noch nicht schön, und gleich nach­her ist man es nicht mehr. Vi­el­leicht werd’ ich’s noch, wer weiß? wenn ich mich nicht zu sehr an­zu­stren­gen brau­che, wenn ich schla­fen kann und nicht zu viel hun­gern muss.

– Con­sue­lo, wir ver­las­sen ein­an­der nicht; bald wer­de ich reich sein und es wird dir an nichts feh­len. Dann kannst du schön sein nach Her­zens­lust.

– Nun wohl. Gott hel­fe uns dazu!

– Aber das al­les nutzt uns für den Au­gen­blick zu nichts, es kommt nur dar­auf an, ob dich der Graf schön ge­nug fin­den wird um auf­zu­tre­ten.

– Ver­wünsch­ter Graf, wenn er nur nicht zu viel Schwie­rig­kei­ten macht.

– Also erst­lich, häss­lich bist du nicht?

– Ich bin nicht häss­lich. Neu­lich hör­te ich, wie der Per­len­ma­cher drü­ben zu sei­ner Frau sag­te: Weißt du wohl, die Con­sue­lo ist nicht gars­tig; sie hat eine schö­ne Tail­le, und wenn sie lacht, hüpft ei­nem das Herz im Lei­be, und wenn sie singt, sieht sie al­ler­liebst aus.

– Und was sag­te dar­auf des Per­len­ma­chers Frau?

– Sie sag­te dar­auf: Was schiert das dich, Dumm­kopf? guck’ auf dei­ne Ar­beit: was hat ein ver­hei­ra­te­ter Mann die jun­gen Mäd­chen an­zu­gaf­fen?

– Sah sie böse da­bei aus?

– Ganz böse.

– Das ist ein gu­tes Zei­chen. Sie ge­stand sich, dass ihr Mann nicht un­recht hat­te. Und dann noch wei­ter?

– Und dann noch wei­ter, die Grä­fin Mo­ce­ni­go, wel­che mir Ar­beit gibt und sich mei­ner im­mer an­ge­nom­men hat, sag­te letz­te Wo­che zu dem Doc­tor An­cil­lo, der, als ich ein­trat, ge­ra­de bei ihr war: Se­hen Sie doch, Herr Dok­tor, wie die­se Zi­tel­la ge­wach­sen ist, und sie ist recht weiß und hübsch ge­wor­den!

– Und was sag­te der Doc­tor dar­auf?

– Er sag­te dar­auf: In der Tat, Ma­da­me, beim Bac­chus! ich hät­te sie nicht wie­der er­kannt; sie ge­hört in die Klas­se des phleg­ma­ti­schen Tem­pe­ra­ments, und die­se Per­so­nen wer­den weiß, wenn sie ein we­nig zu­neh­men. Sie wird noch ein schö­nes Mäd­chen wer­den, das sol­len Sie se­hen.

– Und dann noch wei­ter?

– Und dann noch wei­ter, die Su­pe­rio­rin von San­ta-Chia­ra, die mir Sti­cke­rei­en für ihre Al­tä­re zu ma­chen gibt, sag­te zu ei­ner Schwes­ter: Da, sagt nun ein­mal selbst, ob ich nicht recht hat­te, dass die Con­sue­lo uns­rer hei­li­gen Cä­ci­lia gleicht? So oft ich vor dem Bil­de bete, muss ich un­will­kühr­lich an die­se Klei­ne den­ken, und dann bete ich für sie, dass sie nicht in Sün­de fal­len möge und dass sie im­mer nur für die Kir­che sin­gen möge.

– Und was sag­te die Schwes­ter dar­auf?

– Die Schwes­ter sag­te dar­auf: Es ist wahr, Mut­ter, es ist wahr­haf­tig wahr. Da bin ich denn ge­schwind in ihre Kir­che ge­lau­fen und habe mir die hei­li­ge Cä­ci­lia an­ge­se­hen, die ist von ei­nem großen Meis­ter und ist schön, sehr schön!

– Und sieht dir gleich?

– Ein we­nig.

– Und das hast du mir nie er­zählt?

– Ich habe nicht wei­ter dar­an ge­dacht.

– Lie­be Con­sue­lo, also bist du schön?

– Ich glau­be nicht, aber ich bin nicht mehr so häss­lich als es im­mer ge­sagt wur­de. So viel ist ge­wiss, dass es jetzt nicht mehr ge­sagt wird. Frei­lich könn­te dies auch da­her kom­men, dass die Leu­te glau­ben, es wür­de mich jetzt schmer­zen.

– Komm, Con­su­e­li­na, sieh mich ein­mal recht an. Dei­ne Au­gen sind erst­lich die schöns­ten von der Welt!

– Aber ich habe einen großen Mund, sag­te Con­sue­lo la­chend und nach ei­nem Stück von ei­nem zer­bro­che­nen Spie­gel lan­gend, wel­ches ihr als Psy­ché diente.

– Klein ist er nicht, er­wi­der­te An­zo­le­to, aber die schö­nen Zäh­ne! es sind lau­ter Per­len, und du zeigst sie alle, wenn du lachst.

– Nun, dann musst du mir et­was sa­gen, das mich la­chen macht, wenn wir bei dem Gra­fen sein wer­den.

– Hast du nicht präch­ti­ge Haa­re, Con­sue­lo?

– Das, ja! willst du sie se­hen? Sie zog ihre Na­deln her­aus und ein Strom schwar­zer Haa­re, wor­auf die Son­ne wie in ei­nem Spie­gel blitz­te, rann bis zum Bo­den nie­der.

– Du bist breit in der Brust, schmal über den Hüf­ten und dei­ne Schul­tern sind … oh! gar schön, Con­sue­lo! Wa­rum ver­birgst du sie mir? Ich ver­lan­ge ja nur zu se­hen, was du doch bald dem Pub­li­kum wirst zei­gen müs­sen.

– Ich habe einen ziem­lich klei­nen Fuß, sag­te Con­sue­lo, um das Ge­spräch an einen an­de­ren Punkt zu len­ken und sie zeig­te ein wahr­haft an­da­lu­si­sches Füß­chen, eine Schön­heit die in Ve­ne­dig fast un­be­kannt ist.

– Die Hand ist eben­falls al­ler­liebst, sag­te An­zo­le­to, in­dem er zum ers­ten Male die­se Hand küss­te, wel­che er bis­her im­mer nur freund­schaft­lich ge­drückt hat­te, wie die ei­nes Ka­me­ra­den. Lass mich dei­ne Arme se­hen.

– Du hast sie hun­dert­ma­le ge­se­hen, sag­te sie und zog ihre Hal­b­är­mel aus.

– Nein, ich hat­te sie nie ge­se­hen, sag­te An­zo­le­to, wel­chen die­se un­schul­di­ge und ge­fähr­li­che Un­ter­hal­tung selt­sam auf­zu­re­gen an­fing. Er ver­sank dar­auf wie­der in Schwei­gen und ver­folg­te mit sei­nen Bli­cken die­ses jun­ge Mäd­chen, das mit je­dem Au­gen­bli­cke schö­ner und in sei­nen Au­gen wie ver­wan­delt wur­de.

Es ist wohl mög­lich, dass er nicht bis zu die­ser Stun­de ganz und gar blind ge­we­sen; denn viel­leicht war es das ers­te­mal dass Con­sue­lo, ohne es zu wis­sen, jene un­be­küm­mer­te Mie­ne ab­ge­legt hat­te, wel­che nur bei voll­komm­ner Ruhe der Züge mög­lich ist. Noch zit­ter­te die Be­we­gung in ih­rem schmerz­haft ge­trof­fe­nen Her­zen nach; sie war schon wie­der na­tür­lich und zu­trau­lich ge­wor­den, je­doch eine un­merk­li­che Ver­le­gen­heit war ge­blie­ben, wel­che nicht ein Er­wa­chen der Ko­ket­te­rie, son­dern des emp­fun­de­nen und be­grif­fe­nen Schaam­ge­füh­les war; eine durch­sich­ti­ge Bläs­se über­zog in die­sem Au­gen­bli­cke ihr Ge­sicht und in ih­ren Au­gen leuch­te­te ein rei­ner und hei­te­rer Glanz, der sie ge­wiss je­ner hei­li­gen Cä­ci­lia der Non­nen von San­ta-Chia­ra voll­kom­men ähn­lich mach­te.

An­zo­le­to konn­te sei­ne Au­gen nicht mehr von ihr wen­den. Die Son­ne war un­ter­ge­gan­gen; es wur­de in dem großen Zim­mer, wel­ches nur aus ei­nem ein­zi­gen Fens­ter sein Licht er­hielt, schnell dun­kel und in die­ser Halb­be­leuch­tung noch ver­schönt, schi­en Con­sue­lo von ei­nem Duf­te geis­ter­haf­ter Won­nen um­flos­sen. An­zo­le­to war einen Au­gen­blick ge­neigt, sich den Be­gier­den wi­der­stand­los hin­zu­ge­ben, die in ihm mit ei­ner ganz neu­en Hef­tig­keit er­wach­ten, aber die Glut der Lei­den­schaft, wel­che ihn fort­riss, un­ter­brach blitz­wei­se die Käl­te der Über­le­gung. Er mein­te an der Stär­ke sei­ner Glut er­pro­ben zu kön­nen, ob Con­sue­lo’s Schön­heit so viel über ihn ver­möch­te wie die an­de­rer an­er­kann­ter Schö­nen, wel­che er be­ses­sen hat­te. Und dann wie­der wag­te er es nicht, sich die­sen Ver­su­chun­gen zu über­las­sen, weil sie des We­sens, wel­ches sie er­reg­te, un­wür­dig er­schie­nen. Un­merk­lich wur­de sei­ne Be­we­gung tiefer, und voll Furcht, dass sich ihr selt­sam sü­ßer Reiz bald ver­lö­re, wünsch­te er sie zu ver­län­gern.

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