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Der Wahnsinnige: Eine Erzählung aus Südamerika

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3
Die Reise und ihre Abenteuer

Die Reise selber ging rasch und glücklich genug vorüber, Cap Horn doublirten sie, von einer herrlichen Brise begünstigt, mit Leichtigkeit, und flogen mit schwellenden Segeln wieder einem milderen, freundlicheren Klima entgegen.

Don Morelos war den ersten Theil der Reise sehr leidend; kaum aus der Mündung des La Plata heraus und in offener See, bekamen sie einen tüchtigen Pampero, der ihn todtseekrank in seine Coje bannte, und die am Cap Horn fast stets ziemlich hoch gehende See mit der kalten unfreundlichen Witterung konnte nicht dazu dienen, ihn rasch wieder herzustellen. Zu diesem Zustand gesellte sich noch ein ziemlich bösartiges Fieber, das mehrere Tage lang sogar sein Leben bedrohte, und Stierna wich in dieser Zeit nicht von seinem Lager.

Der Kranke lag indessen in den wildesten Phantasien, in denen die Namen Constancia und Gomez einem festen Ideengang anzugehören schienen, während sein oft dazwischen tönendes Lachen förmlich unheimlich klang. Der Freund allein durfte in dieser Zeit an seiner Seite sein, und er rief die Anderen, wenn sich Capitain oder Steuermann einmal nach ihm erkundigen wollten, mit dem Namen seiner früheren Wärter oder Schließer, und drohte gegen sie anzuspringen.

Seine kräftige Natur überwand aber auch diese Krisis – wenn auch langsam, erholte er sich doch allmählig und noch ehe sie die warmen Breiten der südlichen Zone wieder erreichten, war er vollkommen hergestellt, wieder im Stande an Deck zu sein und seinen Körper durch die frische, balsamische Seeluft zu kräftigen. Eigenthümlicher Weise wußte er dabei Alles, was während seiner Krankheit vorgefallen, was er phantasirt und wie er sich betragen, entschuldigte sich auch gegen die Seeleute auf das herzlichste, daß er solch tolles ungereimtes Zeug gegen sie ausgestoßen und versicherte sie, er habe in demselben Augenblick gefühlt, was er thue, und sei doch nicht im Stande gewesen, seine Zunge zurückzuhalten. Viel wurde dabei über die verschiedenen Namen gelacht, die besonders der Steuermann abwechselnd erhalten hatte, und die kleine Gesellschaft in der Cajüte des »Oporto« amüsirte sich vortrefflich.

In der Höhe von Chiloe bekamen sie plötzlich eine längere Windstille, die See lag still und regungslos, nur in ihren ewigen, nie unterbrochenen Schwellungen, und die Segel flaggten schwerfällig gegen den Mast und das stehende Takelwerk des Schiffes an. Die Seeleute sagen in solchem Fall »Reepschläger und Segelmacher (Reepschläger: der Seiler oder Taumacher) prügeln sich« und sind schrecklicher Laune, und so große Erholung ein solcher Zustand gewöhnlich den früher von der Seekrankheit schwer Heimgesuchten gewähren mag, so entsetzlich wird er auf die Länge der Zeit für den Gesunden, der mit einer förmlich verzweifelten Sehnsucht nach Ost und West, nach Nord und Süd ausschaut, nur von irgend einer Seite her, gleichviel von welcher, das Wasser dunklen und die Brise ankommen zu sehen. Selbst der schlechteste Wind wird in einer solchen Zeit einer totalen Stille vorgezogen; man will nur Bewegung im Wasser, nur Leben und gerade das Gefühl vielleicht, so ganz machtlos dem schläfrigen Element zum Spiel zu dienen, sogar Nichts thun zu können, einem derartigen Zustand zu entgehen, ist es, das den Körper zuletzt förmlich aufreibt.

Es läßt sich denken, daß in einem solchen Fall auch das geringste Außergewöhnliche, was die traurige Monotonie der See unterbricht, freudig bewillkommt wird – der ferne Strahl eines Wallfisches wird ein Moment, eine andere Art von Möve, Albatroß oder Schwalbe sind froh begrüßte Gäste. – Springer, jene große Art von Fischen, die der deutsche Matrose etwas prosaisch nach dem Schweine nennt, weil sie einen ähnlichen scharfen Rüssel haben – zeigen sich in weiter Ferne, und selbst der Streifen wird betrachtet, den sie im Wasser ziehen – kräuseln sie doch die Oberfläche des Meeres und das Auge täuschte sich sogern mit einer kommenden Brise.

Das wichtigste Ereigniß in einer solchen Zeit ist aber das Erscheinen eines Haifisches, dieses gefräßigen Piraten der Tiefe, und der Mann am Steuer, der schläfrig am Rade lehnt und das Ruder bald auf diese bald auf jene Seite legt, das Schiff demselben gehorchen zu lassen und sich dann zu ärgern, wenn es sich nur faul und langsam eben um den ganzen Kompaß herum treibt, dreht fortwährend den Kopf nach allen Richtungen hin, und beobachtet die blanke Spiegelfläche des Wassers, irgend einen dunklen Punkt zu erkennen, der der Flosse eines anschwimmenden Haies gleiche. Der Schatten irgend einer sich etwas höher hebenden Schwellung, das Aufschlagen eines kleinen Fisches, ein müder Wasservogel, der seine Schwingen auf der glatten Fläche gefaltet hat, und mit dieser steigt und sinkt, faßt und hält dabei der rasche Blick – höher richtet er sich auf, und die Augen mit dem ausgestreckten Arm gegen das blendende Licht des blitzenden Strahles schützend, den die Sonne auf die Silberhaut des Meeres wirft, schaut er lange und forschend nach dem verdächtigen Punkt hinüber. Wieder und wieder getäuscht, läßt er endlich sogar sein Ruder eine Weile im Stich – bei Windstille kommt's nicht so genau darauf an, und der Mann steht wirklich manchmal Tage lang nur zum Staat dabei – geht an den Heck und schaut, soweit er möglicher Weise sich kann hinüberbiegen, nach dem von crystallreinem Wasser umspielten Ruder, das sich nach unten zum schönsten herrlichsten Dunkelblau schattirt, und beobachtet kurze Zeit den deutlich sichtbaren Kiel des Schiffes, denn der Hai treibt sich oft tief unter dem Schiff herum, auf Beute lauernd, die vom Bord zu ihm herausfallen möchte. Das schwarzlackirte, von der Sonne gedörrte Holz der Schanzkleidung, auf die er sich gelehnt, brennt aber zu sehr – er hält es nicht lange aus und tritt wieder an sein Ruder zurück – ein frisches Priemchen seine einzige Erholung.

»Shark-oh5 ruft da eine Stimme von der Bramraae herunter; Einer der Leute hatte etwas an dem oberen Tauwerk auszubessern gehabt und sein Arm deutet, während er spricht, den zu ihm rasch Aufschauenden die Richtung an, in der sich das Unthier faul und wohlgefällig in der warmen Fluth wälzt und schaukelt.

Im Nu ist die Lethargie der ganzen Mannschaft abgeschüttelt, der Koch bringt ein Stück gesalzenen Speck als Lockspeise für den Raubfisch, der Steuermann kommt mit dem wohleingeölten und blankgehaltenen Haken, an das der Erstere rasch den Speck befestigt – der Wirbel am Haken muß sich wohl drehen, denn wie ein Quirl schleudert sich das Unthier herum, wenn es sich gefangen fühlt – und das Eisen über Bord geworfen, drängt Alles nach hinten, die Bewegungen des Fisches, wie er sich nähert oder theilnahmlos an dem für ihn ausgehangenen Gericht vorbeitreibt, zu beobachten.

Der Matrose haßt nun überhaupt einen Hai; es ist dieß sein angeborener erbarmungsloser Feind, der mit den kaltblitzenden grünen Katzenaugen fortwährend nach Beute ausschauend, faßt, was er eben erreichen kann, und mit dieser ewigen Raubgier Schnelle und furchtbare Stärke verbindet. Er beißt auch weniger, als daß er das mit den Zähnen erfaßte förmlich ausdreht, wenn der Gegenstand zu groß ist, ihn gleich ganz zu verschlingen, und wenn selbst nicht gleich getödtet, ist der unglückliche Seemann, dem der Hai erst einmal Arm oder Bein gefaßt hat, auch meist rettungslos verloren. Was Wunder also, daß der Fang eines solchen Ungethüms stets mit Jubel, begrüßt wird, und selbst sonst ganz gutmüthige Seeleute die sich wenigstens nie dazu verstehn würden, einen Hund oder ein anderes Thier muthwillig zu quälen, mißhandeln mit wahrer Wonne einen gefangenen Hai oder schneiden ihm wohl auch gar den Schwanz ab, und werfen ihn wieder über Bord, wo er dann bald im Wasser elend umkommen muß.

Die Seeleute haben Grund ihn zu hassen und thun es von ganzer Seele; wunderbar aber war die Wuth, die der junge Spanier auf diese Fische hatte; halbe Tage lang saß er im Mast, nach ihnen auszuspähen, und war der Fang endlich geglückt, die das Deck peitschende Bestie an Bord gezogen und hielten sich die Leute noch scheu zurück, von dem schlagenden Schwanz nicht getroffen zu werden, sprang er, der Erste hinzu, ihm sein Messer in die Kiemen zu stoßen, daß er dann, trotz dem wüthenden Springen und Schnappen des gepeinigten Thieres, darin hin und her wühlte, bis der Fisch, durch Blutverlust und Anstrengung erschöpft, regungslos liegen blieb. Waren es junge Thiere, so wurden sie gewöhnlich später gebraten, aber nie konnte Don Gaspar, wie wir ihn denn auch von jetzt an nennen wollen, bewogen werden, das Fleisch auch nur zu kosten – und einen solchen Widerwillen fühlte er dagegen, daß er nicht einmal in der Kajüte blieb, so lange es auf dem Tische stand.

In dieser Zeit war es, daß ein ungewöhnlich großer Hai von der Bramraae angerufen wurde und nicht lange, so kam das Ungeheuer der Tiefe, ein Bursche von fast achtzehn Fuß Länge und von ganz außergewöhnlicher Stärke heran, den Haken einzuschnappen, den der Steuermann jetzt rasch anfing einzuziehen, da gar keine Hoffnung da war, ein solch riesiges Ungethüm selbst mit drei solchen Haken nur zu halten, viel weniger an Bord zu holen. Kaum aber sah der Fisch den weißen Speck vor sich hinschießen, den er jetzt wohl in der Eile für einen flüchtigen Fisch halten mochte, als er einen Schlag in das Wasser that, mit Pfeilschnelle hinter der vermeintlichen Beute herschoß und sie verschlang.

Jetzt begann ein toller wilder Jubel am Bord, der aber auch wieder von Lachen und Verwünschungen unterbrochen wurde, denn wenn der Hai nur im mindesten seine Kraft gegen das, was ihn hielt, gewandt hätte, mußte Haken oder Tau brechen und reißen; der gefangene Fisch begnügte sich aber, sich herumzuwirbeln und dadurch dem Eisen zu entgehen, das ihm anfing, unbequem zu werden und mehr und mehr zogen sie ihn indessen dem Heck des Schiffes näher, wo der Capitain schon eine Harpune bereit hielt, ihn zu werfen und dadurch vielleicht zu sichern.

 

Don Gaspar war außer sich, er sprang und jubelte, kletterte an den Besahnwanten6 hinauf und wieder hinunter und flog nur manchmal mit an das Tau, das die ganze Mannschaft fest gepackt hielt, um zu fühlen, ob der Fisch noch sicher daran sei. Endlich brachten sie ihn glücklich in Wurfsnähe der Harpune, der Capitain, ein alter Wallfischfänger, schleuderte das Eisen mit Kraft und Sicherheit und die scharfen Widerhaken drangen selbst durch die horngleiche Haut des Ungethüms tief in das Fleisch des Halses ein. Die nächsten Minuten hiernach war Nichts zu sehn als Schaum, so peitschte das Ungethüm die Wogen, und der Schwanz stieg manchmal wie der Kopf einer riesigen Schlange empor, und schmetterte dann mit furchtbarer Kraft in die kochende Wassermasse zurück. Aber das Eisen hielt und nur durch die entsetzlichen Anstrengungen des zur tollsten Wuth gereizten und vom Schmerz gepeinigten Thieres, arbeitete sich die Wunde größer und größer, und als sich das Wasser etwas beruhigte, rief der alte Steuermann, sie würden ihn doch noch verlieren, denn so bald er noch einmal anfange und hätte keine Schlinge um den Schwanz, müsse er sich frei machen.

Der Koch schlug jetzt, um das Tau der Harpune selber herum, eine Schlinge, diese auf den Kopf des Haies niederfallen zu lassen, und um ihn herum zu bekommen. Der gefangene Fisch fing aber aufs Neue an zu schlagen – und wenn auch die Schlinge dabei schon über den Kiemen lag, mußte sie doch wieder abrutschen, sobald aufgeholt wurde.

Don Gaspar zitterte während der Zeit am ganzen Körper von innerer Aufregung, er schrie und lachte, wenn der Fisch ruhig blieb und der Koch mehr mit der Schlinge nach rückwärts kam, und tobte und wüthete förmlich, wenn das Unthier sich wieder zu befreien drohte. – Alle möglichen Anordnungen gab er dabei und der Koch, so vielen Respekt er sonst vor dem Quarterdeck hatte, wurde endlich so ärgerlich, daß er ausrief —

»Das Schwatzen soll der Teufel holen, geht hinunter und schiebt das Tau über, und die Satansbestie soll bald hier oben liegen – da – da geht's wieder an – na, jetzt ist die Geschichte vorbei, diesmal haut er sich frei.«

Don Gaspar war auf den Rand der Brüstung gesprungen und schaute lautlos aber mit funkelnden, glühenden Augen in die Tiefe.

»Nehmen Sie sich in Acht, Herr!« rief ihm der Steuermann zu – »wenn Sie hinabfallen, kommen Sie in einen heißen Platz!«

Der Spanier hörte ihn nicht. —

»Lockert das Tau mit dem Haken, Leute!« – schrie da der Kapitain – »verdamm es, Ihr zieht zu fest – die Bestie bricht – da – da habt Ihr's – der Haken ist ausgerissen – holla, was ist das – Don Gaspar – was in des Teufels Namen!«

Sein Ausruf erstarb in einem Schrei des Erstaunens der ganzen Mannschaft, denn ehe Leifeldt, der auf der anderen Seite des Schiffes stand, und ebenfalls mit gespannter Aufmerksamkeit die furchtbaren Kraftanstrengungen des gefangenen und zur grimmigsten Wuth getriebenen Fisches beobachtet hatte, es verhindern konnte, faßte der junge Spanier, den Hut zurück an Deck werfend, das Tau, an dem die Harpune befestigt saß, und glitt an diesem nieder in die jetzt wieder aufkochende, spritzende See, in der sich das tödtlich getroffene Unthier, nur noch von der Harpune allein gehalten, wälzte. —

»Halten Sie sich am Tau fest, – um Gottes Willen nicht tiefer! – er schlägt Ihnen ein Bein entzwei – biegen Sie sich das Tau unter den Ellbogen!« Das waren die Rufe oder Schreie vielmehr, die von allen Seiten gleichzeitig ausbrachen, und Leifeldt selber rief entsetzt den Tollkühnen bei Namen und beschwor ihn bei allem, was ihm heilig sei, zurückzukehren. Hörte es aber schon nicht mehr, in der furchtbaren Erregung des Augenblicks, was um ihn her vorging, oder wollte er den Warnungsruf nicht beachten, denn ohne auch nur abzuwarten, bis sich das Ungeheuer der Tiefe, jetzt dicht unter ihm, in etwas wieder beruhigt hätte, glitt er nieder, und verschwand im nächsten Augenblick fast unter dem aufkochenden Schaum. —

»Nieder mit dem Boot!« übertönte des Kapitains ruhige Stimme in dem Augenblick den Lärm – »nach vorn, Ihr Leute, nach vorn und hinunter mit dem Boot, so rasch Ihr könnt – halt, Koch, Ihr bleibt hier – da, macht eine andere Schlinge aus dem Bramfall dort – vielleicht können wir ihn hier wieder zu halten bekommen – wenn ihn der Hai nicht mitnimmt,« und mit einem leise gemurmelten Fluch über die kecke Tollheit eines solchen Wagnisses, bog er sich wieder hinten über, das Resultat desselben mit anzusehen.

Don Gaspar war indessen einer solchen Gefahr keineswegs unbefähigt in die Arme gesprungen; so exaltirt er sich oben an Deck gezeigt, so ruhig und umsichtig bewies er sich hier unten, und während er für einen Augenblick festen Fuß auf dem Fisch selber zu fassen suchte, ließ er mit der linken Hand das Harpunentau keineswegs los, das ihn auch, vorn am Kopf des Haies hielt und vor den furchtbaren Schlägen des Schwanzes sicherte. Trotzdem aber, daß ihm die Füße abglitten auf dem schlüpfrigen Hals, schien er nur das eine Ziel im Auge zu haben, die Schlinge zu festigen und unbekümmert um jede Folge, ließ er sich vollkommen auf den Hai hinunter, faßte das Tau und unter dem Kopf der wüthenden Bestie mit der Hand niederfahrend, hatte er die Schlinge schon erreicht, als die Harpune ausriß und diese sich, von oben natürlich gehalten, plötzlich anstraffte.

Die Männer an Bord standen starr vor Schrecken, und wußten nicht, ob sie anziehen oder loslassen sollten, denn jetzt hatten sie noch das Unthier in ihrer Gewalt, glitt es aber aus dem Knoten heraus, so war der tollkühne Passagier ihm rettungslos anheim gegeben.

Der Hai selber machte diesem peinlichen Moment ein Ende – vorwärts schießend, fühlte er sich durch das Tau gehemmt, das ihn auch um die Kiemen preßte, und während Don Gaspar, durch die rasche Bewegung das Gleichgewicht verlierend, ihn mit beiden Armen umschlang, fuhr er zurück, wirbelte sich ein paar Mal um sich selbst herum – und war frei.

Der Spanier wäre jetzt verloren gewesen, denn das gereizte Thier schoß, den Druck auf sich noch immer fühlend, nach vorn, so daß der kecke Jäger natürlich der gegen ihn anpressenden Wassermassen nicht widerstehen konnte, loslassen mußte. Im Anfang schien es auch, als ob es gegen die Gewalt, die ihm geschehen, ankämpfen wollte, denn kaum von dem Gewicht befreit, wandte es sich scharf gegen seinen vorherigen Reiter um, ohne diesen aber auch nur im mindesten zu schrecken, oder seine Geistesgegenwart zu berauben. – Im Begriff, von dem Ungethüm fortzuschwimmen, wandte Don Gaspar nämlich den Kopf nach ihm um, und sah kaum die drohende Bewegung, als er ebenfalls Front gegen den Hai machte, das einzige zu versuchen, was ihm übrig blieb – drohend gegen den Ankommenden anzuschlagen, und ihn so zurückzuschrecken. Zu seinem Glück sollte er aber nicht zu einem solchen und in der That verzweifelten Kampf gezwungen sein, denn den Hai selber verließen die Kräfte. Der Wurf der Harpune war tödtlich gewesen, und plötzlich, als Alle an Bord auch schon in peinlicher Angst und Spannung den ersten Anprall des Thieres gegen sein Opfer zu sehn erwarteten, bog der Hai seitwärts ab, und fing an, sich, ohne den Ort zu verlassen, auf dem er stand, wenige Minuten förmlich im Kreis herumzudrehen. —

Zu derselben Zeit war das Boot auch endlich niedergelassen und schoß, von vier Riemen (Ruder) getrieben, rasch herbei. Don Gaspar aber, anstatt ihm entgegenzuschwimmen und der furchtbaren Gefahr zu entgehen, der er bis dahin ausgesetzt gewesen, strich aus und zwar gerade der Stelle zu, wo der Hai blutige Kreise in der klaren blitzenden Fluth zog. Zwei Lootsenfische, die sich bis jetzt, trotz des tollen Kampfes, in der Nähe ihres früheren Beschützers muthig gehalten, schossen vor und rasch wieder zurück, einer Gefahr zu entgehen oder auch, wie man ja behaupten will, dem Hai die Nähe leicht zu gewinnender Beute zu melden; aber dieser fühlte und sah nicht mehr, was um ihn her vorging – tiefer und tiefer senkte er sich in seinem Ringen, immer langsamer wurde der Flossenschlag, und als Don Gaspar, von dem Boot jetzt fast erreicht, über der Stelle hielt, und nieder schaute, sah er eben noch, wie sich der weiße Bauch des todten Fisches aufdrehte und langsam, langsam in blauer Tiefe verschwand.

Gleich darauf faßte der Steuermann den Kragen des Spaniers und zog ihn mit einem herzlichen »Ich will verdammt sein, wenn mir so ein Mensch schon vorgekommen ist,« in das Boot hinein, rasch dann zum Schiff zurückrudernd, als ob er wirklich fürchtete, daß ihm das tollkühne Menschenkind noch einmal über Bord springen könne.

Don Gaspar war zum Tode erschöpft, als er das Schiff wieder erreichte, und Leifeldt machte ihm wirklich ernstliche Vorwürfe, sein Leben in so rasender, unüberlegter Weise, einem Fisch gegenüber, auf's Spiel gesetzt zu haben, wo ihn wirklich nur ein Wunder erhalten haben mußte. Don Gaspar versicherte ihm aber so hoch und theuer, daß er, in der Erregung des Augenblicks wirklich gar nicht gewußt habe, was er thue, und versprach ihm so heilig, solche tolle Streiche nicht wieder zu machen, daß er sich endlich beruhigte und der Kapitain mit einer tüchtigen Bowle Grog den Frost des Gebadeten wie den Schreck der Übrigen vergessen machte.

Den Abend schon erhob sich aber eine leichte Brise, die während der Nacht schärfer und schärfer anwuchs und zuletzt in einen tüchtigen Südosten ausartete, mit dem sie rasch ihrem Ziele entgegenhielten.

4
Ankunft in Valparaiso. – Hülfe in der Noth

Der »Oporto« erreichte am 42. Tag nach seiner Ausfahrt von Buenos-Ayres den Hafen von Valparaiso und Leifeldt und Don Gaspar mietheten sich im Hotel de Chile ein. Der Letztere hatte aber kaum seine nöthigen Einkäufe an Kleidern und Wäsche besorgt, da er sich bis dahin nur mit dem Nothwendigsten begnügen mußte, das Leifeldt noch in der letzten Zeit in Buenos-Ayres für ihn eingekauft, als er auch ausging, um, wie er sagte, ein paar Verwandte, ein paar Freunde aufzusuchen oder ihnen wenigstens nachzuforschen, die sich vor Jahren nach Valparaiso gewandt hatten und hier doch vielleicht noch aufzufinden waren. Der junge Arzt blieb zurück, die eigene Wohnung ein wenig behaglich einzurichten.

An dem nämlichen Morgen, etwa um elf Uhr, ließ sich ein junger Mann unter dem Namen de Monte Sylva bei dem Consul der Argentinischen Republik anmelden, und wurde von diesem auf das Zuvorkommenste empfangen.

»Es ist ein Fest für uns hier,« sagte der Consul nach den einleitenden Redensarten und Begrüßungen, mit einer freundlichen Verneigung gegen seinen Besuch, »wenn wir Buenos-Ayres-Leute an der Westseite der Cordilleren im Winter einmal Nachricht vom Mutterlande bekommen. Der Correo7 wagt sich nur selten über den Schnee, und muß diese Kühnheit noch dazu manchmal theuer genug büßen, und Schiffe von dorther sind auch in dieser letzten Zeit ziemlich selten gewesen; Buenos-Ayres bietet wenig oder gar Nichts, was wir von dort hieher führen könnten, die Passage nach dem Norden ist auch schwach, und all die Wallfischfänger die wir vom Atlantischen Meer herüberkriegen, denken natürlich gar nicht daran, Zeit und Schiff zu wagen, besonders in dieser Jahreszeit in den von Sandbänken und Pamperos so sehr gefährdeten La Plata einzulaufen. Bringen Sie uns Neuigkeiten von Buenos-Ayres?«

»Gar Nichts von Bedeutung« erwiderte Don Gaspar de Monte Silva achselzuckend. – »Se. Excellenz führt den trostlosen Krieg gegen Monte-Video fort, nur, wie es scheint, die Einwohner jener Districkte in Bewegung zu halten, – Engländer und Franzosen protestiren fortwährend, und die Sache bleibt eben beim Alten. Man sprach allerdings in Buenos-Ayres von einem erhofften Friedensabschluß, so viel ich aber habe erfahren können, scheint mir die Sache noch in weitem Felde. – Haben Sie viele Bewohner von Buenos-Ayres hier?«

»Nein – und doch ja, sie sind hie und da ziemlich durch die ganze Stadt zerstreut, aber wenn nicht auf der Börse, bekommen wir einander wenig genug zu sehen. – Haben Sie Bekannte hier?« —

 

»Sehr wenige, – lebt noch ein Kaufmann Don Rodriguez hier, der vor etwa drei Jahren herüber zog?« —

»Nein,« erwiederte der Konsul, nach einigem Besinnen – »wenn ich nicht irre, ist derselbe, aber schon vor längerer Zeit, nach Lima gegangen – er soll dort in eine andere Geschäftsverbindung getreten sein.«

»Vor kurzer Zeit ist ja wohl auch, im Auftrag der Föderation ein Señor – Señor – wie war doch gleich sein Name?« —

»Don Luis de Gomez?« sagte der Konsul, »nicht wahr, Sie meinen Don Luis, – fehlt Ihnen etwas, Señor?« unterbrach er sich plötzlich selbst und sprang auf, denn das Antlitz des jungen Mannes überflog Leichenblässe.

»Ich darf Sie wohl um ein Glas Wasser bitten, Señor,« sagte Don Gaspar, rasch aufstehend und zum Fenster tretend, »es ist das eine Art Herzbeklemmung bei mir, der ich allerdings manchmal unterworfen bin, die aber auch so rasch vorüber geht, wie sie gekommen.«

»Ist Ihnen nicht lieber ein Glas Wein gefällig?« bat der Argentiner, eine Caraffe und ein Glas von einem Ecktisch nehmend und rasch einschenkend, »es wird Ihnen weit besser bekommen.« —

Don Gaspar leerte das ihm gebotene Glas mit einer dankenden Verbeugung auf einen Zug, und sagte dann lächelnd:

»Es ist schon vorüber – der rasche Wechsel von See- und Landluft bringt bei mir sehr häufig solche Wirkung hervor, die sich sogar schon einige Mal bis zur Ohnmacht gesteigert hat, ohne jedoch auch nur die geringsten Nachwehen zu hinterlassen – aber von was sprachen wir doch? – «

»Ich weiß es jetzt wahrhaftig selber nicht mehr,« lachte der Konsul, »doch ja – von unseren Landsleuten – von Don Luis de Gomez – kennen Sie ihn?« —

»Nur oberflächlich,« erwiederte Don Gaspar gleichgültig, aber die Hand, mit der er seine Stuhllehne gefaßt hielt, wurde todtenweiß. »Er soll hierher gegangen sein.«

»Allerdings,« erwiederte der Konsul, »wenn auch nicht für den Augenblick – «

»So ist er gegenwärtig nicht in Valparaiso?« – frug Don Gaspar rascher und lebendiger als vorher.

»Nein – wünschten Sie ihn zu sprechen?«

»Das gerade nicht – aber ich glaubte nur – «

»Er ist nach Lima gegangen,« sagte der Konsul, »aber ich erwarte ihn fast mit jedem Schiff zurück, das von dort her kommt. Es war gar nicht seine Absicht, so lange dortzubleiben, aber wenn ich nicht irre, war ihm seine Frau dort erkrankt, was seine Abreise verzögerte. Sein letzter Brief meldet ihn übrigens bestimmt auf Mitte dieses Monats an.«

Don Gaspar war ans Fenster gesprungen, nach einem rasch vorbei galoppirenden Reiter zu sehen – er faßte die Fensterbrüstung, sich gewaltsam zu sammeln. —

»Nicht wahr, die Namen der ankommenden Passagiere werden in den Zeitungen veröffentlicht?« frug er nach einer kleinen Weile, indem er seinen Hut ergriff, sich wieder zu empfehlen.

»Allerdings,« erwiederte der Konsul, »wenn auch nicht gerade so ungemein pünktlich, denn oft werden Namen ausgelassen, noch öfter falsch gedruckt – aber wenn es Sie interessiren sollte – «

»Ich danke Ihnen herzlich,« unterbrach ihn jedoch der junge Mann rasch; »es ist eigentlich bei mir nur Neugierde, oder vielleicht doch ein etwas edleres Gefühl, das nämlich, sich in einer fremden Stadt, fern von der eigenen Heimath, nach solchen zu sehnen, die einst in einem, jetzt leider fern gelegenen Land dieselbe Luft mit uns geathmet haben.«

»So wiederholen Sie dann wenigstens bald Ihren Besuch,« sagte der Konsul, ihm freundlich die Hand reichend, »Sie werden mir immer willkommen sein, das schöne Wetter jetzt bringt uns auch vielleicht den Correo über die Gebirge, und dann bekommen wir frische Nachrichten von der »Hauptstadt«.«

Don Gaspar dankte ihm herzlich, aber es war fast, als ob ihn eine merkwürdige Unruhe erfaßt habe, er suchte augenscheinlich rasch ins Freie zu kommen und hatte kaum die Thüre hinter sich ins Schloß gedrückt, als er auch die Straße schnell hinunterschritt und um die erste Ecke rechts dem Wasser zu niederbiegend, den Weg hinaus, der zu dem Leuchtthurm führte, und von wo man die See weit überschauen konnte, mehr lief als ging. Der Konsul blieb aber, als jener die Stube schon verlassen, noch eine ganze Weile im Zimmer stehen, und sah nachdenklich vor sich nieder, endlich aber, den Kopf schüttelnd und aus seiner Tasche eine silberne Dose nehmend, setzte er sich lächelnd nieder an seinen Schreibtisch, und murmelte nur leise vor sich hin:

»Ein wunderlicher Kauz!«

Don Gaspar nahm sich nicht einmal Zeit Athem zu schöpfen, bis er die Höhe erreicht hatte, auf welcher der Leuchtthurm stand, und von wo aus man die weite See nach Norden, Westen und Süden trefflich überschauen konnte. Hie und da waren einzelne Segel – glänzend weiße Punkte auf dem dunkelblauen Grunde – am Horizont sichtbar; eine Brigg arbeitete sich aus dem Hafen heraus und suchte das Weite, und ein kleiner Schuner kam mit geblähter Leinwand von Westen herüber, wahrscheinlich von den Inseln Cocosnußöl und Perlmutterschalen gegen Kattune, Messer, Beile und Glaskorallen umzutauschen.

Der junge Spanier blieb wohl eine Stunde lang auf diesem, Nachmittags von der schönen Welt Valparaisos so gern besuchten Ort, dann aber, als ob dem ersten Drängen seines Herzens, das ihn hier hinauf trieb, nach nahenden Segeln auszuspähen, Genüge geleistet wäre, stieg er langsam die nächste Quebrada oder Schlucht nach der Stadt zu wieder nieder. Durch die Calle San Francisco die Marktstraße erreichend, wollte er dieser aufwärts folgen, als er angerufen wurde und Leifeldt erkannte, der, ebenfalls in der Stadt ohne besonderen Zweck herumschlendernd, ihn bat, mit ihm die Almendral8 nieder zu gehen, an deren unterem Ende ein erst kürzlich hier angekommener englischer Arzt wohnen solle, den er zu sprechen wünschte.

Die Hauptstraße der Stadt zieht sich hier dicht unter dem felsigen Fuß eines Hügels hin, auf dessen Kuppe der katholische Gottesacker Valparaisos, Stadt und Hafen weit überschauend, liegt, und so schmal für die Passage dem Berge abgewonnen ist, daß dem Strand gegenüber nicht einmal eine Reihe Häuser oder Hütten gebaut werden konnte, sondern der nackte Fels den schmalen Fahrweg schroff und scharf begrenzte.

Es war indessen schon weit im Tag vorgerückt und Mittag längst vorüber; die Straße hier belebte sich auch mehr und mehr; viele Reiter, mit ihrem wunderlichen chilenischen Reitzeug, den kolossalen hölzernen Steigbügeln, riesigen Sporen und hochaufgepolsterten Sattel, von blauen und grünen Panchos umflattert, trabten daher, denn der Galopp ist in der Stadt verboten, zweispännige offene Droschken oder Fiakre, das eine Pferd in der Gabel gehend, das andere am festgeschnürten Gurt befestigt, rasselten vorüber, und eine Menge Fußgänger schlenderten langsam meist alle dem Leuchtthurm-Plateau zu, dort einen Blick über die See zu haben, auch wohl kleine Picknicks zu arrangiren und mit der Abendkühle ihren Häusern wieder zuzuwandern.

Die beiden Freunde schritten langsam das Trottoir nieder, die verschiedenen Gruppen beobachtend, die ihnen begegneten, und so finster und selbst niedergeschlagen Don Gaspar im Anfang gewesen war, als ihn Leifeldt zuerst traf, so schien der düstere Sinn in dem lebendigen Treiben, das sie hier umgab, bald wie eine Sommerwolke an der Sonne vorüber von seiner Stirn zu fliehen.

Leifeldt hatte diesen raschen Wechsel seines Temperaments übrigens schon so häufig Gelegenheit gehabt zu beobachten, und selbst Don Gaspar, darauf aufmerksam gemacht, gestand das ein, behauptete aber auch, der Aufenthalt in seinem früheren Gefängnisse trage dabei viele, wenn nicht die einzige Schuld; es überkomme ihn noch manchmal ein wildes, beängstigendes Gefühl, das er nicht abzuschütteln vermöge, wie mit einem Centnergewicht läge es dann auf ihm, und er könne kaum athmen unter der Last. Wie ein kräftiger Windstoß aber die düsteren Schranken der Gebirge mit einem kräftigen Zuge aus den Schluchten drängt, und über die Ebene weht, so sei ein Sonnenblick, ein freundliches Gesicht, das fröhliche Lachen eines Menschen oft im Stande, all diese düstere Schwermuth zu zerstreuen, und Tage lang fühle er sich dann so wohl, als ob er wieder einmal von einer recht schweren Krankheit genesen wäre.

»Und wie gefällt Ihnen die schöne Welt in Valparaiso, Gaspar?« frug Leifeldt den jungen Mann, als gerade ein ganzer Zug von Damen lachend und scherzend an ihnen vorüber schritt.

»Gut!« sagte der junge Mann freundlich, »es sind liebe, gutmüthige Gesichter darunter, und das rege Feuer, das all unseren südlichen Stämmen eigen ist, verleiht ihnen noch einen weit besonderen Reiz. – Ich weiß nicht, ich habe mich nie viel mit den kalten Nordländerinnen befreunden können; sie sind schön und tugendhaft, ich zweifle nicht daran, aber mir scheint es fast, als ob ihnen ein Herz fehle, ihren Augen Leben, ihren Lippen Farbe zu geben, und mir selber ist es, einer der nordischen Schönheiten gegenüber, fast stets zu Muthe, als ob ich vor einer wundervollen Statue stehe, die mein Auge fesselt, mein Herz aber kalt läßt, wie der Marmor selber, aus der sie besteht.«

5»Hai-oh!«
6Besahnwanten, das stehende Tauwerk des hinteren Mastes, das diesen hält und zugleich zur Strickleiter dient.
7Correo, der Postcourier.
8Almendral, ein bedeutender Stadttheil Valparaisos.
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