Nach Amerika! Bd. 2

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«Hahahaha», brach er endlich in einem wilden, unnatürlichen Humor heraus, «wie die Burschen, unsere ungeschlachten Nachbarn, schauen sollen, wenn sie die wunderlichen ,fixins’ zum erstenmal sehen, wie sie staunen und sich den Kopf zerbrechen werden, zu was dies und das und jenes da bestimmt ist – hab’ ich’s doch selber fast vergessen», setzte er leise und unheimlich dabei lachend hinzu. «Und wie prächtig das Dejeuner zu dem alten Blechtopf paßt, und die Glacéhandschuhe hier zu d e n Fäusten; Schwägerin, Schwägerin, ich fürchte, Sie haben da viel Geld nutzlos verschwendet, und uns nur Illustrationen zu dem Bilde mitgebracht, wie Sie sich, trotz allen unseren Schilderungen vom Gegenteil, unser Wald- und Jägerleben hier eigentlich ausgemalt. Es fehlte jetzt nur noch ein Kronleuchter – erinnerst Du Dich noch, Sidonie, wie so ein Ding aussieht – um u n s e r e n Salon würdig zu schmücken.»

«Aber Sie wollen doch nicht immer ein solches Leben fortführen, Olnitzki?» sagte Amalie mit vor Angst und innerer Aufregung fast erstickter Stimme. «Wenn auch I h r kräftiger Körper solche Entbehrungen leicht erträgt, sehen Sie dagegen, wie die Schwester hingewelkt – denken Sie sich das junge, lebenslustige, glückliche Weib, das sie aus ihrer Elternhaus mit sich hineinnahmen in die Welt, und sehen Sie j e t z t die arme Gattin an.»

«Arme Gattin?» wiederholte Olnitzki, finster die Stirn runzelnd. «Das Weib soll dem Mann folgen in Glück und Leid, und wo sie z u s a m m e n tragen, hat sich, meiner Meinung nach, kein Teil zu beklagen.»

«Aber Sidonie… » wollte Amalie erwidern, doch ein ängstlich flehender Blick der Frau hielt das Wort auf ihre Lippen gebannt, und Olnitzki, eine mit den Farben seines Vaterlandes gestickte Zigarrentasche in der Hand, saß lange in dumpfen Brüten darauf niederstarrend. – Aber der böse Geist wich von ihm; tief aufseufzend strich er sich mit der Hand die Falten von der Stirn, und die Tasche auf den Tisch zu den übrigen Sachen legend, sagte er mit freundlichem Ausdruck in den Zügen:

«Nichts für ungut, Schwägerin, die verdammten Risse, die mir der Bär heute versetzt, brennen mich, morgen ist das vorüber. – Herzlichen Dank für alles das, was Sie uns so weit herübergebracht, es war ja so gut gemeint und wird Sidonie viele Freude machen; sie hängt doch wohl noch ein wenig an den alten Geschichten. Bereite der Schwester dann ihr Lager auf meinem Bett, Dony, ich lege mich hier zum Kamin – keine Umstände, Schwägerin», setzte er lachend hinzu, als er sah, daß sie dagegen protestieren wollte. «Sie kommen um nichts besser weg, denn es ist hart genug, und ich weiß wahrhaftig nicht, ob ich auf meinem alten Bärenfell hier dicht am Feuer nicht am Ende noch weicher und wärmer liegen werde, wie Sie da drüben. Jetzt aber gute Nacht, mir fängt der Kopf so wieder an zu schwindeln, und ich muß morgen früh hinaus, den Bär zum Haus zu holen, der noch draußen, eben nur aufgebrochen, im Walde liegt. So, mein Kind – das tut’s – das ist gut genug.» sagte er zur Frau, die ihm das Fell indes vor den Kamin gezogen und ein Kopfkissen mit einer wollenen Decke daraufgelegt hatte. «Das ist gut genug, nun laßt mich schlafen, und morgen früh soll uns die Schwägerin recht viel von zuhaus – von Deutschland erzählen.»

________


DRITTES KAPITEL

Der alte Herr Hamann.

Das Kost- und Logierhaus (oder ,Boardinghaus’ nach dem amerikanisch-deutschen Ausdruck) in New Orleans, dessen Schenk- und Gastzimmer wir schon einmal besucht haben, war eins jener alten französischen Gebäude, welche von den ersten Ansiedlern der Stadt noch in einer Zeit errichtet wurden, wo der Platz selber, auf dem es stand, wenig Wert hatte, und nahm deshalb, für seine niedrige Dachung, einen unverhältnismäßig großen Flächenraum ein. Auch das darauf errichtete Haus sah verwittert und baufällig genug aus, mit den alten Hohlziegeln auf dem Dach und den ihres Kalkes an vielen Stellen beraubten Wänden, der halben, hölzernen Veranda oder Galerie vor der ersten Etage, und dem entschieden in sich zusammengeknickten Giebel. Der Eigentümer aber, ein schon einige zwanzig Jahre im Lande ansässiger Deutscher namens Hamann, wollte das alte Nest, trotz recht guten Geboten, die ihm darauf gemacht wurden, nicht verkaufen. Er behauptete jedesmal, wenn wieder dazu gedrängt, so lange e r lebe, halte es auch, ernähre ihn dabei gerade, und sei seit so langen Jahren nun eine Heimat ankommender Deutscher gewesen, daß es diese vermissen würden, wenn sie nach Amerika kämen, und das könne er nicht übers Herz bringen.

Es war etwa drei Wochen nach der Landung der Haidschnucke in New Orleans, als der biedere Christoph Hamann in seiner eigenen Wohnstube oben saß, und emsig beschäftigt war, einen ziemlich ansehnlichen Koffer mit chirurgischen Instrumenten, der vor ihm im Zimmer stand, einzupacken und die auf dem Tisch umherliegenden Instrumente selber, wo sie hier und da etwas von Rost gelitten hatten, zu putzen und wieder herzustellen.

An einem erhöhten Pult, neben dem nächsten Fenster, stand ein junger, vielleicht vierundzwanzigjähriger Mann, der Sohn des alten Hamann, in weißer Jacke und Hose, den breiträndigen Strohhut neben sich auf dem Stuhle, und notierte die einzelnen Gegenstände, die ihm der Vater, wie er sie in den Koffer legte, diktierte.

«So», sagte der Alte, der mit dem Einpacken ziemlich fertig war, und eben noch ein Etui mit verschiedenen Messern und Lanzetten vom Tisch nahm und öffnete, «hier noch das Besteck mit – Donnerwetter, da sind eine ganze Menge Geschichten darin – mit einer Quantität Messer und Eisen und Feilen – was weiß ich, wie die Dinger alle heißen – warte einmal, wir können sie wenigstens zählen – fünf, acht, elf, fünfzehn, und hier noch vier sind neunzehn, und hier die drei kleinen Dinger sind zweiundzwanzig Stück. Das Leder außen sieht ebenfalls noch ganz wie neu aus – na, Du wirst schon sehen, was Du dafür bekommst.»

«Vater, die eine Tasche ist fast so viel wert, wie Euch der Mann im Ganzen schuldig war», sagte der Sohn.

«Was verstehst denn D u davon?» brummte der Alte mit einem mürrischen Seitenblick auf den jungen, schlanken Burschen, dessen gutmütig offene Züge tiefes Rot in diesem Augenblick färbte. «Bekümmere Du Dich da um Deine Schreiberei und misch’ Dich nicht in Sachen, die Dich nichts angehen und von denen Du keine Idee hast.»

«Der Mann war bei mir und hat mir seine Not geklagt!» sagte Franz, der Sohn.

«Not geklagt?» fuhr der Alte unwillig auf. «Der hat auch noch über Not zu klagen; erst liegt er bei mir hier fünf Wochen im Haus und ißt und trinkt, ohne einen Pfennig zu zahlen, nachher geb’ ich ihm noch Reisegeld und ein Gewehr, das mich selber fünfundsiebzig Dollars gekostet hat, und schicke ihn ins Innere, und nun soll ich auch noch seine Sachen wieder herausgeben und gar nichts haben, heh? – Und ist die Zeit, in der er es abholen mußte, nicht etwa schon seit acht Tagen verfallen? Hätt’ er mir v o r der Zeit gezahlt, was er mir schuldig war, so konnte er seinen Bettel, der mir überdies hier lange genug im Wege gestanden, ruhig wieder mit fortnehmen, ich wäre der Letzte gewesen, der ihn daran verhindert hätte – hab’ ich so vielen Deutschen fortgeholfen, würde ich den auch nicht haben sitzenlassen, aber jetzt ist die Zeit vorbei. Die ganze Sache ist ohnedies schriftlich abgemacht, und wenn er sich im Recht glaubt, soll er mich verklagen, Christoph Hamann ist nicht der Mann, der einer gerechten Sache aus dem Wege geht.»

Der Sohn seufzte tief auf und begann wieder, ohne weiter etwas gegen den Vater zu äußern, an seiner Arbeit, bis ihn der alte Herr Hamann mit einer neuen Frage unterbrach:

«Ist der Elsässer wieder dagewesen, wegen dem Land?»

«Ja, gestern Abend.»

«Nun? – Und hat das Geld nicht mitgebracht?»

«Er hatte es, verlangte aber von mir vorher eine genaue Beschreibung des Landes, wie es gelegen sei, ob sumpfig oder gesund, und da… »

«Hast Du ihm doch wohl nicht etwa in Deiner Dummheit von dem bißchen Wasser darauf erzählt?» fuhr der Alte heftig in die Höhe.

«Ich mochte nicht lügen, Vater», sagte der junge Bursche entschlossen.

«Na, nun wird’s Tag!» schrie der Alte, mit der geballten Faust zornig auf den Tisch schlagend. «Füttern soll ich Euch alle hier, und die teure Wirtschaft instand halten, Taxen48 soll ich bezahlen und Provisionen für alles mögliche Lumpengesindel, das hier herüberkommt von Europa, und wenn sich die Gelegenheit bietet, einen ehrlichen Pfennig zu verdienen, schlägt mir den der eigene Sohn vor der Nase weg.»

«Ich hielt das für keinen e h r l i c h e n Pfennig, Vater», sagte Franz entschlossen.

«Du hieltest es nicht dafür, Holzkopf – n u n freut mich mein Leben, D u also hieltest es nicht dafür. Ich will Dir einmal sagen, was ich von D i r halte: daß Du ebenso nach Amerika paßt, wie ein wilder Ochse in eine Porzellanhandlung. Wenn d a s also alles ist, was Du während der zwei Jahre, die ich Dich in Deiner Ausbildung in Deutschland in einem Geschäft gehabt, gelernt hast, dann kann ich mir gratulieren, das Reisegeld aus dem Fenster geworfen zu haben, und je eher Du machst, daß Du wieder hinüberkommst, desto besser.»

«Aber Vater, diese unglücklichen Menschen, die hier nach Amerika herüberkommen, sind ja so schon arm und elend genug – w i r wollen uns doch nicht an ihnen bereichern.»

«Wollen wir nicht, so? – Aber von was wollen denn l e b e n, heh?» rief der Alte. «Der Musjö schwatzt da ins Blaue hinein und bringt mir moralische Grundsätze auf einen amerikanischen Markt, die gerade so gute Geschäfte machen würden, wie ein Zahnarzt bei den Indianern. Junge, Junge, ich glaubte, Du hättest ausgelernt, und sehe jetzt, daß Du wieder ganz von vorn anfangen mußt. Die Reise nach Arkansas wird Dir übrigens gut tun, mein Geschäftsfreund dort, der einen besonders lebhaften Whiskyhandel nach dem indianischen Territorium treibt, ist ein höchst praktischer, gewiegter Bursche und wird Dir die deutsche Schlafmütze49 schon aus den Gliedern treiben, und Du mußt dann endlich einmal lernen, daß das deutsche Gesindel, das hier zu uns herüberkommt und mit seiner Überklugheit immer unser ganzes Amerika verbessern will, nicht eher Verstand bekommt, bis es seinen letzten Groschen an den Mann gebracht hat. Wer also dazu beiträgt, daß das recht bald geschieht, tut den Leuten nur einen Gefallen und ist ihr wahrer Freund, und nach d e n Grundsätzen handle ich, wie sich der junge Herr merken kann und wonach er zu achten hat – verstanden?»

 

«Lieber Vater», sagte Franz, der sein Pult verlassen und die Feder niedergelegt hatte, ruhig und bestimmt, «Sie haben sich da einen Weg vorgezeichnet, dem ich im Leben nicht folgen kann und will. Es mag, wie Sie vielleicht Recht haben, viel Gesindel aus Europa zu uns herüberkommen, aber es kommen auch viele wackere, wenngleich arme Familien herüber, und die gerade sind es dann, die von Agenten und Seelenverkäufern ausgezogen und beraubt, anstatt von dem Staat, dem sie ihre Kräfte weilen wollen, dem sie ihr alles herüberbringen, was sie auf der Welt noch das Ihre nennen, unterstützt und geschützt zu werden.»50

«Auch noch?» rief der alte Hamann verwundert aus. «Wir sollten wohl noch überselig sein, wenn sie ankommen, und sie füttern und pflegen und sie noch bitten, nur um Gotteswillen nichts zu arbeiten, daß sie sich ja nicht die faulen Knochen strapazieren. Gott verdamm’ mich, Junge, Du schwatzest da Zeug, daß man verrückt werden möchte!»


Typisches Boardinghouse Ende des 19. Jahrhunderts

«Ich spreche nur von etwas», rief sein Sohn, in edlem Eifer erglühend, «das mir schon lange auf der Seele brennt, und das, neben der Sklavenfrage, ein Schandfleck für die Union ist – ich spreche von dem unbeschützten Zustand, in dem sie gerade d i e Menschen an ihrer Küste berauben und plündern läßt, die das Mark ihrer Bevölkerung bilden, und ohne welche die einzelnen Staaten schon in ihren Schulden erstickt und zugrunde gegangen wären – die fleißigen Ackerbauer, die den Boden urbar machen, die den Verkehr brechen für Dampfschiff und Eisenbahn, die den Wert des Landes in den weißen Staaten um das Zehnfache, in vielen um das Hundertfache vermehrt haben, und anspruchslos und tätig dabei ihre stille, ruhige Bahn fortgehen.»

«Und was soll der Staat mit denen anfangen, was sollte er für die tun», sagte der Alte mit einem spöttischen, ja, fast verächtlichen Lächeln, «die der Musjö da für die G e p l ü n d e r t e n und B e r a u b t e n hält, und seinem eigenen Vater dabei gewissermaßen P l ü n d e r u n g und R a u b unter die Nase reibt, he?»

«Er sollte in den Haupthafenplätzen seines großen Reiches, in New Orleans und New York, Philadelphia, Baltimore und wie sie heißen, Häuser erreichten, in denen die Armen, wenigstens die ersten Wochen hindurch, ein Unterkommen, im Notfall u n e n t g e l t l i c h , fänden, und wo ihr Eigentum, wenn sie in das Land hinein müssen, um Arbeit zu suchen, von geschworenen Beamten, sicher und vor Verfall geschützt, aufbewahrt würde, bis sie imstande wären, es zu reklamieren.»

«Könnte gleich eine Kleinkinderbewahranstalt damit verbunden werden», lachte der Alte.

«Wollte Gott, es geschähe!» rief Franz. «Tausende von Kindern, die später einmal unsere besten und kräftigsten Bürger bilden, würden dann vor Elend und Untergang bewahrt.»

«Aber was sagst Du m i r das hier?» rief der Alte, endlich ungeduldig werdend. «Was hab’ i c h damit zu schaffen? Warum gehst Du damit nicht zum Gouverneur oder zum Präsidenten und stellst ihm einmal die Geschichte vor? Der wird mit dem größten Vergnügen darauf eingehen.»

«Der Präsident kann dabei noch nichts tun», sagte der Sohn, den im Spott gemachten Vorschlag ganz ernsthaft nehmend. «Nein, die einzelnen Staaten müssen das aus sich selber kräftig schaffen und herstellen, die einzelnen wohlhabenden Bürger zusammentreten und zum Besten ihrer eigenen Stadt ein solch Asyl gründen. Wieviel tausend Menschen sehen in Amerika die Hand, die sich ihnen und ihrer Not Hilfe bietend entgegenstreckt – wieviel tausend finden aber nur, daß eben die Hand, anstatt sie zu stützen und zu halten, in ihre Taschen greift und sie des Letzten beraubt, was sie noch mitgebracht, um sich selbst zu helfen. Oh Vater, Sie sind reich – wenn Sie den Anfang machten zu solchem großen Werk… »

«Du bist ein Esel, hätt’ ich bald gesagt», unterbrach ihn der Alte hier mürrisch, «Donnerwetter, jetzt hab’ ich den Unsinn satt, nun mach’, daß Du fortkommst, und sieh, daß Du mir vor allen Dingen den Elsässer wiederfindest – schick’ ihn mir nur herauf; ich will schon mit ihm fertigwerden.»

«Vater!» rief Franz in edler Entrüstung, sich gegen einen Auftrag sträubend, den er selber für unredlich und schlecht hielt. «Vater, ich passe nicht zu dem, wozu Sie mich machen wollen; lassen Sie mich fort, allein in die Welt hinaus, und ich will mir mein eigenes Fortkommen schon gründen, mir schon Bahn brechen zu einem neuen, frischen Leben, und wenn ich mir mein Brot im Anfang mit der Schürstange oder mit Axt und Schaufel verdienen sollte.»

«Und das Geld, das ich auf Deine Erziehung verwandt?» rief der Alte ärgerlich. «Wer zahlte mir denn die Zinsen? Schöne Wirtschaft das; nicht wahr, wenn die Zeit jetzt gekommen ist, wo Du Deinen alten Vater, der niemanden auf der Welt weiter hat, auf den er sich verlassen kann, unterstützen solltest, und dann von ihm fortlaufen willst, um ein eigenes Geschäft anzufangen? Was würde dann aus den paar Dollars, die ich mir erspart, wenn ich die Augen einmal zudrücke und fremde Menschen dann hier um mich her säßen, die sich die eigenen Taschen in aller Geschwindigkeit füllen würden? Was würde aus dem Geschäft selbst, das ich seit ein paar Jahren endlich zu einer Art Aufschwung gebracht, und das nie, solange ich und Du es verhindern können, in fremde Hände fallen darf? – Unsinn, Franz, Du weißt gar nicht, w a s Du von Dir stoßen willst, um irgendeiner fixen, wahnsinnigen Idee, die eben unausführbar ist, nachzulaufen. Mach’ jetzt, daß Du fortkommst, und tue, was ich Dir befohlen habe – ich will nichts mehr wissen, sag’ ich Dir», schrie er den Sohn unwillig an, als dieser wieder etwas entgegen wollte, und Franz verließ, tief aufseufzend, aber mehr als je entschlossen, seine Hand zu nichts zu bieten, was er nicht vor dem eigenen Gewissen verantworten könne, das Zimmer.

In diesem aber ging, die Arme auf dem Rücken gekreuzt, mit raschen, unruhigen Schritten der alte Hamann auf und ab, leise Flüche in den Bart murmelnd, und mit dem Kopfe dazu finster und unwillig schüttelnd.

Draußen klopfte jemand leise an die Tür.

«Herein!» rief der Alte barsch.

«Herr Hamann zu sprechen?» rief eine freundliche Stimme.

«Ah, Sie kommen mir gerade wie gerufen, Messerschmidt», rief ihm der Alte rasch entgegen, «sind Sie meinem Jungen begegnet?»

«Herr Hamann junior waren eben so freundlich, mich auf der etwas dunklen Treppe beinahe über den Haufen zu rennen.»

«Er ist verrückt, der Bengel!» rief der Vater.

«Verliebt vielleicht», lächelte Herr Messerschmidt.

«Gott bewahre; er will eine deutsche Kleinkinderbewahranstalt und ein Gratis-Einwanderungshaus gründen.»

«Bah!» sagte Herr Messerschmidt. «Das ist eine Idee, die am besten durch dasselbe Mittel kuriert wird, das sie allein ins Leben rufen könnte.»

«Und das wäre?»

«Geld», sagte der Agent achselzuckend, «das ist die alte Geschichte, die nur immer von solchen vorgebracht wird, die gerade kein eigenes Geld zur Verfügung haben, um es darauf zu verwenden. Überweisen Sie Ihrem Herrn Sohn ein Vermögen, und er wird etwas Gescheiteres damit anfangen.»

«Vermögen überweisen», brummte der Alte. «Sie reden ha hinaus, als ob ich zwei oder mehr zu vergeben hätte. – D a s ärgert mich ja gerade, daß der junge Laffe eben das ruinieren will, womit sich sein armer alter Vater das Brot verdienen muß. Unter dem Leib will er mir den Stuhl fortziehen und sein schmutziges Zwischendecksgesindel darauf setzen; es ist zum Verzweifeln!»

«Unsinn», lächelte Herr Messerschmidt, «lassen Sie uns von etwas Vernünftigerem reden; das ist eine Idee, die in schönen, wohlklingenden Redensarten verraucht, und wenn Sie mir folgen, geben Sie ihm vollkommen Recht, muntern ihn noch dazu auf, etwas Derartiges zu beginnen, und versprechen ihm Ihre tätige Hilfe und Unterstützung.»

«Daß ich ein Narr wäre!» rief der Alte. «Der Junge hielte mich beim Wort, und was das Schlimmste ist, er jagt mir schon jetzt die Kunden aus dem Haus hinaus, und wäre imstande, den eigenen Vater an den Pranger zu stellen.»

«Das wäre allerdings fatal», sagte Herr Messerschmidt, die Augenbrauen in die Höhe ziehend und plötzlich ganz ernsthaft werdend, «wenn die Sache s o steht, bester Herr Nachbar, da möchte ich Ihnen denn doch raten, den Burschen lieber aus dem Haus zu tun und jemanden hineinzunehmen, auf den Sie sich sicher verlassen können. Ich selber würde… »

«Ihnen meinen eigenen Sohn vorschlagen, he?» fiel ihm der Alte kurz und mit einem mißtrauischen Blick in die Rede. «Habe ich Recht oder nicht?»

«Nun, der Junge hat Talent und guten Willen.»

«Glaub ich», brummte der Alte, «aber mein eigen Fleisch und Blut steht mir näher, und ich werde den Jungen schon zur Raison bringen. Er m u ß mir gehorchen, oder – aber, hol’s der Teufel, wir wollen von ‘was anderem reden », unterbrach der sich plötzlich selbst, «kommen Sie wegen der Pfandgeschichte?»

«Oh, Gott bewahre», lachte Herr Messerschmidt, «die Sache ist ganz einfach, der junge Bursche behauptet, die beiden goldenen Uhren bei Ihrem früheren Barkeeper, von dem er auch die Quittung hat, versetzt zu haben. Der ist jetzt fort, niemand weiß wohin, und ich habe ihm nun den guten Rat gegeben, einen Aufruf an ihn in dem New Orleans Advertiser51 abdrucken zu lassen; daß ihm nachher niemand darauf antwortet, versteht sich von selbst. Nein, lieber Hamann, ich wollte unsere kleine Speditionsabrechnung in Ordnung bringen – brauche gerade Geld, und muß vor dem neuen Jahr meine Kasse jedenfalls regulieren.»

«Und wieviel macht’s im Ganzen?»

«Hundertundsiebenundneunzig Dollars fünfzig Cents.»

«Seit zwei Monaten?»

«Ja, und einige Tage – Ihre Geschäfte sind brillant gegangen; hier ist übrigens auch die spezifizierte Note.»

«Hm, hm», sagte Herr Hamann, das ihm überreichte Papier öffnend und langsam durchlesend, «da steht ja der Goldschmied mit zehn Dollars darauf, der nur acht Tage im Hause blieb und nicht einmal sein Boarding zahlte; was fällt Ihnen denn ein? – Den müssen Sie streichen.»

«Er war gestern bei mir», sagte Herr Messerschmidt lächelnd, «und frug mich um Rat, wie er wohl wieder zu der Tuchnadel kommen könne, die wohl einige achtzig Dollars wert sein soll.»

«Bah, Unsinn, der Quark war nachgemacht – fünfundsiebzig Cents hat mir der Jude dafür gegeben.»

«Das hab’ ich ihm auch gesagt», schmunzelte der Agent, «und ihm sogar versichert, ich würde es im Notfall bezeugen können.»

«Nichtsnutziges Gesindel», brummte Herr Hamann in gerechter Entrüstung über die Schlechtigkeit der Welt, erwähnte aber weiter nichts von den zehn Dollars. Der Agent beobachtete ihn indessen schweigend, während er las, und trommelte dabei auf dem Hut, den er zwischen den Knien hielt, einen Marsch.

«Hier ist noch ein Posten, der nicht hierher gehört.»

«Und?»

«Die Oldenburger – ich bitte Sie um Gotteswillen, was schaffen Sie mir für Volk ins Haus! Drei Wochen füttere ich jetzt die ganze Gesellschaft, und habe ihnen heute Morgen, weil g a r nichts aus ihnen herauszukriegen ist, gekündigt. Wie kann ich Ihnen demnach zwei Dollars für den Kopf zahlen?»

«Sie haben Recht, das wäre unbillig», sagte Herr Messerschmidt freundlich, «wir wollen es dann lieber so machen: ich zahle Ihnen den ,Boarding’ für die Leute, ziehe aber, was sie indessen an Arbeit im Hause geleistet haben, ab und bekomme dann ihr Gepäck solange überliefert.»

 

Herr Hamann sah mit einem nichts weniger als freundlichen Blick nach ihm hinüber, faltete aber das Papier zusammen, hielt es ein paar Sekunden wie nachdenkend in der Hand und sagte dann kopfschüttelnd:

«Das würde eine Menge Umstände und Rechnereien machen – da, gehen Sie an das Pult und schreiben Sie mir Ihre Quittung; ich hole Ihnen indessen das Geld.»

«Alter Gauner», murmelte Herr Messerschmidt, dem Wirt aber unhörbar, freundlich zwischen den Zähnen durch, und ging mit einer höflichen Verbeugung zu dem Stehpult, um dem Verlangen Folge zu leisten. Wenige Minuten später war dies Geschäft zwischen den beiden Männern abgemacht. Wie Herr Messerschmidt das Geld gerade nachgezählt, die einzelnen Banknoten sehr genau betrachtet und dann in sein Taschenbuch gelegt hatte, klopfte es wieder an die Tür, und auf das mürrische «Herein!» des Hausherren drückte sich, ängstlich und verlegen, seinen Hut unter den Arm quetschend, der eine der Oldenburger ins Zimmer und blieb an der Tür stehen.

«Nun, was soll’s?» sagte Herr Hamann, während Herr Messerschmidt aufstand, an das Fenster ging und hinaus auf die Straße sah.

«Herr Wirt», sagte der Oldenburger mit bittendem Ausdruck in der Stimme, «Ihr Ausschenker hat uns vorhin gesagt, daß Sie uns nicht länger in Kost behalten wollen.»

«Füttern wollen, meint Ihr wohl?» sagte Herr Hamann. «Wie komme ich dazu, ganze Schiffsladungen voll Menschen zu ernähren, ohne daß ich einen Pfennig Bezahlung bekäme?»

«Wir wollen ja gern gehen», sagte der Mann, «und Ihnen später alles auf Heller und Pfennig bezahlen, aber er will uns unsere Koffer nicht mitgeben.»

«Auch noch, nicht wahr? – Erst hier Gott weiß wie lange mit den ganzen Familien zehren, und dann auch noch mit Sack und Pack abziehen. Dumm seid Ihr nicht, das muß wahr sein, und blöde auch nicht.»

«Wir wollten Ihnen ja gern den Wert der gehabten Kost in Sachen zurücklassen, wenn wir nur das Übrige mit fortnehmen dürfen. Wir können doch nicht s o in die Welt hineinziehen?»

«Das geht mich nichts an», entgegnete mürrisch der Wirt, «ich habe hier keinen Handel mit alten Kleidern, sondern ein Gasthaus, in dem ich für jedes Pfund Fleisch, was ich haben will, bar mit meinem Geld bezahlen muß.»

«Aber was sind wir Ihnen denn eigentlich schuldig?» frug der Mann. «Der Ausschenker hat uns eine Rechnung gegeben, auf der eine Menge Gläser Getränke stehen, von denen wir nichts wissen, aber nicht einen Pfennig für die Arbeit abgerechnet, die wir in der Zeit für Sie getan, und die Frauen haben doch Woche ein, Woche aus gewaschen, und wir selber all’ Ihr Holz gespalten und gesägt, Ihren Mist gefahren, Ihre Kartoffeln ausgemacht im Feld und hereingeschafft.»

«Die Arbeitstage sind Euch nicht mit aufgeschrieben», sagte Herr Hamann.

«Nein, das ist wahr, aber auch nichts dafür zugute, lieber Gott, wir haben uns unsere Kleider dabei heruntergerissen und tüchtig zugegriffen, das wissen Sie selber am besten.»

«Mein Essen war auch nicht schlecht, und bei den teuren Zeiten könnt’ ich’s vor meinen Kindern nicht verantworten, wenn ich andere Leute umsonst fütterte, warum sucht Ihr Euch keine feste Arbeit?»

«Lieber, guter Gott», sagte der Mann, «dort der Herr, der am Fenster steht, kann Ihnen darauf die beste Antwort geben. Hat er uns nicht von Woche zu Woche hingehalten und immer und immer versprochen, und immer nichts gebracht?»

«Naja, nun macht m i r auch noch Vorwürfe, daß ich mir Euretwegen die Schuhsohlen abgelaufen, ohne einen roten Dreier dafür zu haben!» rief Herr Messerschmidt, sich rasch und ärgerlich nach dem Mann umdrehend. «Kann i c h die Leute z w i n g e n , Euch Arbeit zu geben, oder habe ich mich überhaupt dazu verpflichtet?»

«Nichts für ungut», bat der arme Teufel kleinlaut, «es war ja gar nicht so bös gemeint, und ich habe es nur erwähnt, um dem Herrn da zu beweisen, daß wir ja alles tun wollten, was eben nur in unseren Kräften stand.»

«Gut, ich will Euch was sagen», rief Herr Hamann nach einer kleinen Pause, in der er wie überlegend vor sich niedergesehen, «da es Euch doch zu viel Schererei machen würde, die Frauen mitzunehmen, wenn Ihr Arbeit suchen geht, so mögen die beiden Frauen mit den beiden Kindern hier bei mir im Hause bleiben und für ihre Kost die Wäsche besorgen, bis Ihr wiederkommt. Seid Ihr das zufrieden?»

«Aber würden Sie ihnen denn nicht wenigstens einen kleinen, nur ganz geringen Lohn aussetzen?» bat der Mann. «Damit wir… »

«Nun ja, reicht dem Volk einen Finger und sie greifen nach der ganzen Hand!» rief Herr Hamann, sich entrüstet gegen den Agenten wendend. «Geht zum Teufel mit Eurer ganzen Sippschaft, ich will meinem Gott danken, wenn ich Euch alle los bin!»

«Aber s o war es ja gar nicht gemeint», sagte der Mann schüchtern, «wir sehen ja ein, daß Sie Not und Mühe genug mit uns gehabt haben, und die Frauen nur aus Gefälligkeit hier so lange im Hause lassen wollen – nichts für Ungut. Wir anderen wollen dann unser Möglichstes tun und, finden wir nur Arbeit, gewiß unsere Schuld bald abtragen. Etwas Wäsche dürfen wir uns doch aus unseren Koffern nehmen, nicht wahr, Herr Hamann?»

«Ja, meinetwegen, der Barkeeper soll Euch das nachher herausgeben; jetzt macht aber, daß Ihr fortkommt, ich habe mehr zu tun, und wenn der Barkeeper Zeit hat, soll er einmal einen Augenblick heraufkommen.»

Der arme Teufel von Bauer dankte dem Mann auf das Herzlichste, und würde ihm gern die Hand zum Abschied in aller Freundschaft gereicht haben, wenn er sich’s eben getraut hätte. So verbeugte er sich nur gegen die beiden Männer, die seiner gar nicht achteten, und zog die Tür hinter sich ins Schloß, die aber gleich darauf wieder, und zwar rascher als vorher, aufflog.

Unwillig sah Herr Hamann dorthin, um eine nochmalige Störung der Bauern mit Entrüstung zurückzuweisen, als er in das rote, halb spöttische, halb kecke Gesicht eines seiner irischen Boarders schaute, der ihm ganz respektswidrig vertraulich zunickte, die Tür hinter sich zumachte und dann auf Herrn Hamann zuging.

«Nun, was soll’s, Patrick? – Was habt Ihr hier oben zu suchen?» rief ihm der Wirt, mit der Nähe des stets halbtrunkenen Burschen eben nicht recht zufrieden, mürrisch entgegen. «Weshalb hat Euch der Barkeeper hier heraufgelassen?»

«Konnt’s eben nicht verhindern, mein Herzchen», sagte Patrick lachend, «denn wie er mir in den Weg treten wollte, legte ich ihn ganz sanft – ich habe dem süßen Burschen nicht ein bißchen weh getan – unter den Schenktisch.»

«Was wollt Ihr denn da von m i r ? » rief Herr Hamann bestürzt aus. «Was habt Ihr vor, daß Ihr mit Gewalt hier zu mir heraufbrecht und meine Leute mißhandelt?»

«Frieden, bei Jäsus, mein Herzchen», beschwichtigte ihn der rauflustige Ire, «nichts honey, wie eine kleine Abrechnung zwischen uns beiden, von denen jeder glaubt, daß der andere in seiner Schuld ist.»

«Ich in Deiner Schuld, Patrick?» rief Herr Hamann rasch und erstaunt aus. «Wohl deshalb, weil Du beinahe drei Wochen bei mir gegessen und getrunken hast?»

«An der Bar ist jeder Schluck bei Cent und halbem Cent bezahlt», beteuerte der Ire.

«Aber das Essen, wer hat das berichtigt?»

«Hab ich Euch nicht den Graben um den Hof gezogen?»

«Den Graben?» rief Herr Hamann verächtlich. «Du hast Dich drei volle Tage, das heißt die Stunden abgerechnet, die Du dabei im Schenkzimmer gesessen, mit dem kleinen Graben… »

«Über Mittag, Herzchen.»

«Nun ja, das wollen wir nicht untersuchen – drei volle Tage mit dem kleinen Graben herumgeschlagen, den ein tüchtiger Arbeiter in e i n e m Tage beendigen würde. Doch bin ich willens, Dir selbst d a s zu vergüten.»

«Nun ja, honey, da sind wir ja schon in Ordnung», lachte der Ire. «Dein Holzkopf von Barkeeper hätte mir mein Bündel gleich herausgeben und sich selber eine Unannehmlichkeit ersparen können.»

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