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König Lear der Steppe

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XXVII

In diesem Augenblick erschien Kwitzinski mit seinem ganzen Gefolge – auf dem Wagen – am Thore. Die müden Pferde schnaubten die Leute sprangen, Einer nach dem Andern, in den Schmutz.

»Aha!« schrie Charloff aus vollem Halse, »die Armee, da ist sie ja, die Armee! Eine ganze Armee stellt man gegen mich auf. Gut denn! Nur sage ich im Voraus, daß ich Jeden, der zu mir hierher auf’s Dach kommt, sofort, den Kopf nach unten, hinunter befördern werde! Ich bin ein strenger Wirth, liebe ungebetene Gäste nicht. Also!«

Er ergriff mit beiden Händen das erste Paar Dachsparren, auf denen die Vorderfronte des Aufbaues ruhte und fing mit aller Kraft an ihnen zu rütteln an; vorn am Boden sich zurückbiegend, zog er jene gleichsam sich nach und sang und Arbeiterweise: »Noch einmal! Noch ’mal! Uff!«

Sletkin lief zu Kwitzinski und begann zu klagen und zu stöhnen! Dieser bat ihn, sich nicht einzumischen und schritt dann sofort zur Ausführung seines Planes. Er stellte sich nämlich vor das Haus hin und begann, um Charloff’s Aufmerksamkeit abzulenken, diesem zu erklären, daß er sich mit einer unadeligen Sache befasse . . .

»Noch ’mal, noch ’mal!« sang Charloff.

. . . »Daß Natalia Nikolaewna mit seinen Handlungen durchaus unzufrieden sei und dergleichen von ihm nicht erwartet habe . . .«

»Noch einmal! noch einmal! Uff!« sang Charloff.

Unterdessen hatte Kwitzinski die vier stärksten und kühnsten Kutscher nach der entgegengesetzten Seite des Hauses geschickt; sie sollten das Dach von hinten her erklettern. Charloff entging dieser Plan zum Angriff nicht; er ließ plötzlich die Dachsparren los und lief schnell nachdem hinteren Theil des Hauses. Sein Aussehen war so schrecklich, daß zwei Kutscher, welche bereits bis auf den Boden geklettert waren, sich im Nu an der Regentraufe zur Erde niedergleiten ließen, zur nicht geringen Freude und zum lauten Jubel der Dorfjungen. Charloff drohte ihnen mit der geballten Faust und, zum Vordertheil des Hauses zurückkehrend, er griff er wiederum die Dachsparren, rüttelte weiter an ihnen, immer nach Arbeiterweise summend.

Plötzlich hörte er damit auf und blickte in die Ferne.

»Maksimka, lieber Maksimka! Freund! bist Du es, den ich sehe?«

Ich wandte mich um . . . Aus dem Haufen der Bauern sich gleichsam loslösend trat der Laufbursche Maksimka, lächelnd und die Zähne zeigend, vor. Sein Meister, der Riemer, hatte ihn wahrscheinlich auf einige Zeit nach Hause entlassen.

»Klettere zu mir herauf, Maksimka, mein treuer Diener,« fuhr Charloff fort. »Wir wollen uns zusammen gegen ungläubige Tartaren und diebische Lithauer vertheidigen.«

Maksimka, immer lächelnd, wollte sofort auf das Dach klettern . . . doch man ergriff ihn und brachte ihn auf die Seite. Gott weiß, warum! . . . Etwa zum Beispiel für die Anderen? Von großer Hilfe wäre er für Martin Petrowitsch nicht gewesen.

»Schon gut! Wartet nur!« sprach Charloff mit drohender Stimme und ging wieder an seine Arbeit.

»Wikentij Ossipitsch! Erlauben Sie«; wandte sich Sletkin zu Kwitzinski. »ich schieße, nur um ihm Angst einzujagen; die Flinte ist nur mit Bekassinenschrot geladen.«

Doch Kwitzinski hatte noch keine Zeit, ihm zu antworten, als schon das vordere Paar Dachsparren, an dem Charloff’s Hände schon so lange gerüttelt hatten, sich zur Seite neigte und krachend zur Erde stürzte; zugleich mit ihnen, nicht im Stande, das Gleichgewicht zu halten, stürzte auch Charloff und fiel dröhnend zu Boden.

Alle erzitterten, schrieen auf. . . Charloff lag unbeweglich, die Brust der Erde zugekehrt; seinen Rücken drückte das obere Quergebälk des Daches ein, welches der fallenden Vorderfront nachgefolgt war. . .

XXVIII

Man lief zu Charloff hin, man zog ihn unter dem Balken hervor, legte ihn aus den Rücken: er schien leblos, am Munde zeigte sich Blut, er athmete nicht. »Die Seele ist ihm herausgeschlagen,« sagten die ihn umgebenden Bauern. Man lief zum Brunnen nach Wasser, man brachte einen ganzen Eimer davon und übergoß seinen Kopf; Schmutz und Staub wurden dadurch vom Gesicht entfernt, doch der leblose Ausdruck blieb. Man trug eine Bank heran, stellte sie dicht an’s Haus, und nachdem man mit Mühe den ungeheuern Körper Charloffs aufgehoben, setzte man ihn darauf, seinen Kopf an die Hausmauer anlehnend. Maksimka kam heran, beugte das eine Knie und stützte, das andere Bein ausstreckend, ein wenig theatralisch die Hand seines früheren Herrn. Eulampia, bleich wie der Tod, stellte sich dicht vor den Vater hin und unbeweglich wandte sie ihre großen Augen von ihm nicht ab. Anna mit Sletkin kamen nicht heran. Alle schwiegen, Alle erwarteten etwas. Endlich hörte man ein Röcheln im Halse Charloffs, das stoßweise kam, als ob er ertränke. Dann bewegte er leise die Hand, die rechte – (die linke hielt Maksimka), öffnete ein Auge, das rechte, ächzte, nachdem er langsam um sich geblickt hatte, wie ein von riesiger Trunkenheit Befallener, stieß Silbenweise die Worte: »Hab’ . . mich . . zer . . schlagen« heraus und fügte, als wenn er nachgedacht hätte, hinzu: »Das . . ist . . das schwar . . ze . . Foh . len.« Dann ergoß sich ein dicker Blutstrahl aus seinem Munde und der ganze Körper zitterte heftig.

»Es ist aus!« dachte ich. . . aber Charloff öffnete noch das rechte Auge (seine linke Augenwimper blieb bewegungslos wie bei einem Todten) und dasselbe starr auf Eulampia heftend, sprach er kaum hörbar: »Nun. . . Toch. . . ter . Ich . . will . . nicht ver . . .« Kwitzinski rief mit einer raschen Handbewegung den Priester heran, der noch immer auf dem Balcon stand. Der Alte näherte sich, mit den schwachen Knien sich in den engen Talar verwickelnd. Plötzlich verzogen sich vom Krampfe ergriffen die Beine und die Gesichtszüge Charloffs, zugleich veränderte sich und erzitterte das Gesicht Eulampias. Maksimka fing an sich zu bekreuzen . . . Auch mir wurde ängstlich, ich lief zum Thor und lehnte mich fest an dasselbe an. Einen Augenblick später hörte ich hinter mir ein dumpfes Gerede – und ich begriff, daß Martin Petrowitsch zu leben aufgehört habe.

Das Quergebälk hatte ihm den Hinterschädel zerschlagen und beim Falle war auch sein Brustkasten eingedrückt worden, wie sich bei der Obduction herausstellte.

XXIX

Was wollte er ihr sterbend sagen? fragte ich mich, auf meinem Pferde nach Hause zurückkehrend. Wollte er sagen: ich will nicht – ver . . . fluchen – oder – ver . . . zeihen?

Es regnete noch immer stark; trotzdem ritt ich im Schritt. Ich wollte noch länger allein bleiben, länger mich ohne jede Störung meinen Gedanken überlassen. Souvenir kehrte auf einem der von Kwitzinski mitgenommenen Wagen zurück. Wie jung und leicht sinnig ich auch damals war – doch der plötzliche allgemeine, nicht bloß theilweise Umschwung, der in allen Herzen durch die Erscheinung des Todes, sei er erwartet oder unerwartet (gleichviel!), hervorgebracht wird, die Feierlichkeit seines Erscheinens, die Wichtigkeit und Wahrhaftigkeit desselben, mußte auf mich den allertiefsten Eindruck machen. Ich war auch erregt . . . doch bemerkte mein noch unklarer, kindlicher Blick sofort Vieles: ich nahm wahr, wie Sletkin rasch und ängstlich die Flinte wie gestohlenes Gut von der Schulter nahm, dieselbe weit von sich warf, wie er und seine Frau im Augenblick zum Gegenstande einer zwar schweigend, aber allgemein sich vollziehenden Entfremdung wurden: es war plötzlich leer um sie her geworden . . . Auf Eulampia, deren Schuld doch sicherlich nicht geringer als die der Schwester war, erstreckte sich die Entfremdung nicht. Sie weckte selbst einen gewissen Grad von Mitgefühl für sich, als sie sich zu den Füßen des todten Vaters niederwarf. Aber daß auch sie schuldig war, wurde von Allen empfunden. »Man hat dem Alten ein Leid angethan!« sagte ein alter, greiser Bauer mit großem, dickem Kopfe, sich wie ein Richter des Alterthums mit beiden Händen und Bart auf seinen Stock stützend; »auf Eurem Gewissen wird die Sünde lasten; Ihr habt ihm ein Leid an gethan.« Dieses Wort wurde sofort von Allen als ein unveränderlicher Urtheilsspruch angenommen. Die Gerechtigkeit des Volkes hatte ihren Spruch gefällt, ich fühlte es sofort. Ich bemerkte ebenfalls, daß anfangs Sletkin nicht wagte, etwas anzuordnen. Ohne ihn hob und trug man die Leiche in’s Haus, ohne ihn zu fragen, ging der Priester nach der Kirche, um das nöthige Kirchengeräth zu holen; der Kirchendiener lief in’s Dorf, um Nachricht zur Stadt zu senden. Anna Martinowna selbst wagte nicht, mit ihrer gewöhnlich so gebietend klingenden Stimme zu sagen daß man den Kessel feuern solle, um heißes Wasser für die Leichenwäsche bereiten zu helfen. Ihr Befehl klang wie eine Bitte . . . und doch wurde heute grob darauf geantwortet . . .

Mich aber beschäftigte beständig hauptsächlich die Frage, was eigentlich Charloff im Verscheiden habe seiner Tochter sagen wollen. Wollte er ihr verzeihen oder sie verfluchen? Ich entschied mich endlich dafür, daß er ihr habe verzeihen wollen.

Drei Tage darauf wurde Martin Petrowitsch auf Kosten meiner Mutter, die sich seinen Tod sehr zu Herzen genommen und keine Ausgaben zu scheuen befohlen hatte, beerdigt. Sie selbst fuhr nicht nach der Kirche, weil sie die beiden Ungerathenen und den widerwärtigen Judenbengel – so drückte sie sich aus – nicht sehen wollte; sie schickte Kwitzinski, mich und Gitkoff hin, den sie übrigens seit der Zeit nicht anders als »Frauenzimmer« nannte. Souvenir durfte nicht vor ihre Augen treten, und noch lange zürnte ihm meine Mutter, ihn nicht anders als »Mörder meines Freundes« nennend. Diese Mißgunst lastete schwer »auf Souvenir, er ging beständig auf den Zehen in dem Zimmer umher, welches an dasjenige grenzte, in dem sich gerade meine Mutter befand, er fiel einer Art von Melancholie anheim, die, seinem Wesen entsprechend, sich in einer widerwärtigen Unruhe offenbarte.

In der Kirche und während der Procession schien Sletkin sich wieder vollkommen gefaßt zu haben. Er ordnete Alles an, machte sich, wie früher, beständig etwas zu schaffen und paßte gierig auf, daß ja nicht ein Pfennig unnöthig ausgegeben werde. Maksimka in neuer, von meiner Mutter geschenkter Casaquine, ließ im Kirchenchore solche Tenorlaute hören, daß sicherlich Niemand an seiner Anhänglichkeit für den Verstorbenen zweifeln konnte! Die beiden Schwestern waren, wie es sich gehörte, in Trauerkleidern, doch schienen sie mehr befangen als betrübt zu sein, namentlich Eulampia. Anna gab sich einen demüthigen, frommen Anschein, doch zwang sie sich nicht zu Thränen und fuhr nur mit ihrer schönen Hand über ihr Haar und Gesicht. Eulampia war beständig nachdenkend. Jenes allgemeine unwiderrufliche Urtheil, das ich am Todestage Charlof zu bemerken glaubte, schien mir auch jetzt auf den Gesichtern aller in der Kirche Anwesenden, in allen ihren Bewegungen, ihren Blicken geschrieben zu sein, aber es gab sich schon milder und so zu sagen – unbetheiligter kund. Alle diese Leute schienen zu wissen, daß die Sünde, die auf der Charloff’schen Familie lastete, diese gewaltige Sünde, jetzt dem Urtheil des einzig gerechten Richters vorliege, und daß sie deshalb nicht nöthig hatten, sich zu beunruhigen und zu entrüsten. Sie beteten inbrünstig für das Heil des Verstorbenen, den sie im Leben nicht geliebt, den sie sogar gefürchtet hatten. Der Tod war hier eben allzu hart aufgetreten.

 

»Hätte er doch wenigstens gesoffen,« sagte auf dem Kirchplatz ein Bauer zu dem andern.

»Auch ohne zu trinken, wird man betrunken;« antwortete dieser, »wenn es das Schicksal so will.«

»Man hat es ihm angethan,« wiederholte der erste Bauer das entscheidende Wort.

»Angethan,« sprachen die anderen ihm nach.

»Der Verstorbene hat Euch stark unterdrückt,« fragte ich einen der Bauern, in welchem ich einen Charloff’schen Leib eigenen wiedererkannte.

»Er war allerdings ein Herr,« antwortete der Bauer – »und doch – man hat es ihm angethan.«

»Angethan,« hörte man in der Menge.

Eulampia stand am Grabe wie eine Verlorene. Das Nachdenken peinigte sie . . . ein schweres Nachdenken. Ich bemerkte, daß sie mit Sletkin, der sie ein paar Mal ansprach, wie früher mit Gitkoff, wenn nicht schlimmer, verfuhr.

Einige Tage darauf verbreitete sich in unserem Kreise das Gerücht, das; Eulampia Martinowna Charloff auf immer das väterliche Hans verlassen habe, nachdem sie ihrer Schwester und deren Manne ihr ganzes Vermögen abgetreten und nur einige hundert Rubel mit sich genommen,.

Anna hat sie wohl abgefunden,« bemerkte die Mutter, »nur wir Beide«, wandte sie sich zu Gitkoff, mit dem sie Piquet spielte – er vertrat ihr den Souvenir— »haben die Sache nicht anzufassen verstanden.«

Bald darauf siedelten wir mit der Mutter nach Moskau über – und viele Jahre vergingen, ehe ich die beiden Töchter von Martin Petrowitsch wiedersah.

XXX

Doch ich sah sie wieder. Der Anna Martinowna begegnete ich auf die natürlichste Weise. Als ich nach dem Tode meiner Mutter unser Gut, das ich seit über fünfzehn Jahren nicht gesehen, wieder einmal besuchte, bekam ich vom Friedensrichter (damals ging in ganz Rußland mit der bis heute nicht vergessenen Langsamkeit der Austausch der Streuländereien vor sich) die Einladung, mit den übrigen Besitzern eines Vorwerks auf das Gut der Gutsbesitzerin, verwitweten Anna Sletkin, zu kommen. Die Nachricht, daß der meiner Mutter so verhaßte »Judenbengel mit pflaumenartigen Augen« nicht mehr auf der Welt existirte, betrübte, um es zu gestehen, mich nicht im Geringsten; doch interessirte es mich, seine Witwe zu sehen. Sie galt bei uns im Kreise für eine ausgezeichnete Wirthin. Und wirklich ich fand den Hof, das Gut, das Haus selbst (ich blickte unwillkürlich auf das Dach: es war jetzt von Eisen) in schönsten Zustande. Alles war in größter Ordnung, an seinem Platze, reinlich und – wo es nöthig war – frisch angestrichen; eine Deutsche hätte darauf stolz sein können. Anna Martinowna selbst war natürlich gealtert; aber jener eigenthümliche, trockene wie boshafte Reiz der mich ehemals so aufgeregt hatte, war noch nicht gänzlich verschwunden. Sie war ländlich, aber geschmackvoll gekleidet; sie empfing uns nicht freundlich – letzteres Wort konnte von ihr überhaupt nicht gebraucht werdend aber höflich; sie zuckte, als sie mich, den Zeugen jenes schrecklichen Vorfalles, erblickte, nicht einmal mit den Wimpern. Mit keinem Worte erwähnte sie meiner Mutter, noch ihres Vaters, noch ihrer Schwester oder ihres Mannes; es schien, als ob ihr Mund versiegelt wäre.

Sie hatte zwei reizende schlanke Töchter mit allerliebsten Gesichtchen, die heiter und freundlich aus ihren schwarzen Augen blickten; sie hatte auch einen Sohn, der zwar dem Vater ähnelte, aber doch ein prächtiger Junge war. Während den Verhandlungen der Gutsbesitzer benahm sich Anna ruhig, mit Würde, und offenbarte weder besondere Hartnäckigkeit noch Habsucht. Dennoch verstand Niemand besser seinen Vortheil wahrzunehmen als sie; Niemand wußte seine Rechte so klar darzulegen und sie zu vertheidigen; alle betreffenden Gesetze, selbst Ministerialrescripte waren ihr genau bekannt; sie sprach wenig und mit leichter Stimme, doch jedes Wort von ihr erreichte seinen Zweck. Wir schlossen damit, daß wir auf alle ihre Forderungen eingingen und solche Zugeständnisse machten, daß es zum Bewundern war. Auf dem Heimwege äußerten manche Beisitzer ihre Unzufriedenheit mit sich selbst, alle ächzten und schüttelten die Köpfe

»Welch’ kluge Frau!« sagte der Eine.

»Eine feine Canaille,« warf ein Anderer, weniger delicat, ein . . . »sie bettet Einem weich, aber es schläft sich hart.«

»Und wie sie geizig ist!« fügte ein Dritter hinzu, »ein Gläschen Wodka und einen Bissen Caviar pro Mann – da hört ja Alles aus!«

»Was soll man Besseres von ihr erwarten?»platzte ein Anderer heraus, der bis jetzt geschwiegen hatte, »wer weiß denn nicht, daß sie ihren Mann vergiftet hat?«

Zu meiner großen Verwunderung hielt es Niemand für nothwendig, eine so schreckliche, sicherlich auf Nichts beruhende Verleumdung zu widerlegen. Das wunderte mich um so mehr, als Alle ungeachtet der von mir angeführten Auzüglichkeiten, auch den undelicaten Gutsbesitzer nicht ausgenommen, doch die größte Achtung für sie an den Tag gelegt hatten.

Der Friedensrichter gerieth selbst in Pathos: »Würde sie einen Thron besteigen,« rief er, »so hätten wir eine zweite Semiramis oder Katharina II. ! . . . Gehorsam der Bauern – exemplarisch! Erziehung der Kinder – exemplarisch! Welcher Kopf, welcher Verstand!«

Semiramis und Katharina bei Seite . . . so war es doch kein Zweifel, daß Anna Martinowna ein sehr glückliches Leben führte. Sie selbst, ihre Familie, ihre ganze Umgebung athmete innere und äußere Zufriedenheit und die angenehme Ruhe der geistigen und körperlichen Gesundheit! In wie weit sie dies Glück verdiente – ist eine andere Frage. Solche Fragen stellt man sich übrigens nur in der Jugend. Alles in der Welt, das Gute und Schlechte, wird dem Menschen zugetheilt, nicht nach seinem Verdienst, aber nach bis jetzt unbekannten, doch logischen Gesetzen, auf welche näher einzugehen, ich nicht wagen kann, obwohl es mir manchmal scheint, als ob ich eine, wenn auch nur dunkle, Vorstellung von denselben hätte. —

XXXI

Ich fragte den Friedensrichter nach Eulampia und erfuhr, daß sie, nachdem sie ihr Haus verlassen, gänzlich verschollen sei – Und wahrscheinlich jetzt schon lange das Zeitliche gesegnet habe.« —

So sprach unser Friedensrichter . . . doch ich bin überzeugt, daß ich Eulampia wiedergesehen habe. Und zwar bin ich ihr unter folgenden Umständen begegnet:

Etwa vier Jahre nach meinem Zusammentreffen mit Anna Martinowna wohnte ich während des Sommers in Murino, einem kleinen Dörfchen bei Petersburg, das hauptsächlich von kleinen Beamten und dergleichen zum Sommeraufenthalt gewählt wird. Die Jagd bei Murino war damals ausgezeichnet, und ich ging wohl jeden Tag mit der Flinte aus. Ich hatte einen Gefährten bei meinen Spaziergängen einen gewissen Wikulitsch, einen Kreinbürger; es war kein dummer, und ein herzensguter Junge, aber wie er sich selbst bezeichnete, ohne alle Lebensordnung. Wo nicht überall und was Alles war dieser Mensch nicht schon gewesen! Nichts konnte ihn in Verwunderung setzen, er wußte Alles – doch liebte er nur die Jagd – und den Wein. Einmal kehrte ich mit ihm nach Murino zurück, und wir mußten an einem vereinsamt stehenden Hause, bei dem sich zwei Wege kreuzten und welches mit einem hohen Bretterzaune umgeben war, vorüber gehen. Nicht zum ersten Male sah ich dieses Haus – und jedesmal hatte es meine Neugierde erregt: es lag in ihm etwas Geheimnißvolles, Verschlossenes, Finsteres, etwas, was an ein Gefängniß oder Krankenhaus erinnerte. Vom Wege aus konnte man nur das hohe, mit dunkler Farbe angestrichene Dach erblicken; am ganzen Zaun befand sich nur ein Thor, und dieses schien stets fest verschlossen zu sein; nie hörten die Vorübergehen den hinter ihm irgend einen Laut. Trotzdem hatte man den Eindruck, daß dieses Haus sicherlich von Jemandem bewohnt werde, es hatte gar nicht das Aussehen eines verlassenen Gebäudes. Im Gegentheil, Alles an ihm schien so stark und fest, so dicht, daß man darin wohl hätte eine Belagerung aushalten können.

»Was ist das für eine Festung?« fragte ich meinen Begleiter.

»Wissen Sie es nicht?«

: Wikulitsch sah mich schlau an: »Nicht wahr, ein merkwürdiges Gebäude, es bringt dem hiesigen Landrath große Einkünfte!«

»Wie das?«

»Nun, Sie haben doch wohl schon von der Secte Chlisti unter unseren Schismatikern gehört, die, welche keine Priester anerkennen?«

»Ja wohl!«

»Hier nun wohnt ihre Haupt-Mutter!«

»Eine Frau?«

»Freilich – sie nennen dieselbe Gottesmutter.«

»Wie ist es möglich?«

»Gewiß, sie soll furchtbar strenge sein, sie herrscht da unbeschränkt. Tausende von Rubeln gehen durch ihre Hände. Ging es nach mir, so hätte ich alle diese Göttermütter . . . doch wozu darüber Worte machen!«

Er rief seinen »Pegasus«, ein sonderbares Exemplar von Jagdhund, von seltener Spürkraft, aber ganz untauglich das Wild zu stellen. Wikulitsch sah, sich genöthigt, ihm die eine Hinterpfote in die Höhe zu binden, damit er nicht so unsinnig herumlaufe.

Wikulitschs Mittheilung haftete in meiner Erinnerung; ich machte manchmal absichtlich einen Um weg, nur um an dem geheimnißvollen Hause vorbeizukommen. Einst, als ich es erreicht hatte, da hörte ich – o Wunder! den Riegel hinter dem Thore zurückschieben, dann knarrte der Schlüssel im Schlosse – die Thorflügel öffneten sich langsam – es erschien ein gewaltiger Pferdekopf unter wundersam bemaltem Krummholze, und ein kleiner Wagen, in der Art, wie ihn unsere Kaufleute, die auf dem Lande herum fahren, zu halten pflegen, fuhr bedächtig auf die Straße. Auf dem ledernen Kissen des Wagens, mir zunächst, saß ein Mann von etwa dreißig Jahren, von seltener Schönheit, eine höchst einnehmende Erscheinung. Er war mit einem reinlichen, schwarzen Bauernrock bekleidet und trug eine tief in die Stirne gedrückte schwarze Mütze. Er lenkte behutsam das wohlgefütterte, wie eine Tonne dicke Pferd. Neben dem Manne saß auf der andern, mir entfernten Seite des Wagens, kerzengrade, eine Frau von hohem Wuchs. Ihren Kopf bedeckte ein werthvoller türkischer Shawl. Sie trug ein dunkelblaues Merinokleid und darüber einen kurzen, eng anschließenden, olivenfarbigen Sammetrock; ihre weißen Hände lagen, die eine auf der andern, andächtig auf der Brust gekreuzt. Der Wagen bog links ein – die Frau war kaum zwei Schritte von mir entfernt; sie wandte ein wenig den Kopf und ich erkannte – Eulampia. Ich erkannte sie sofort, ich war nicht einen Augenblick unsicher; man konnte es auch nicht sein; solche Augen, wie die ihren, namentlich eine solche Lippenbildung – hochmüthig und sinnlich zugleich – habe ich sonst bei Niemand gesehen. Ihr Gesicht war länger, trockener geworden, die Haut dunkler; hie und da war eine Falte sichtbar, doch namentlich war der Gesichtsausdruck verändert! Es ist schwer mit Worten zu beschreiben, in welchem Grade derselbe selbstbewußt, streng und stolz war! Nicht einfaches Bewußtsein der Herrschaft verrieth jeder Zug, nein, Uebersättigung von derselben. Aus dem verachtenden Blicke, dessen sie mich würdigte – sprach eine lange, tief eingewurzelte Gewohnheit, nur dem vollsten, keine Grenzen kennenden, blinden Gehorsam zu begegnen. Die Frau lebte augenscheinlich nicht von Verehrern, sondern von – Sklaven umgeben; sie hatte augenscheinlich selbst die Zeit vergessen, wann irgend welcher Befehl oder irgend welcher Wunsch von ihr – nicht sofort erfüllt worden wäre. Ich rief sie laut beim Namen. Sie fuhr ein wenig zusammen und blickte mich zum zweiten Male an – nicht erschreckt, aber hochmüthig zürnend, als ob sie sagen wollte, »wer wagt, mich zu beunruhigen?« Die Lippen kaum öffnend, ertheilte sie darauf einen Befehl; der neben ihr sitzende Mann regte sich, schlug heftig mit der Leine auf das Pferd – dieses setzte sich in scharfen Trab – und der Wagen verschwand

 

Seitdem habe ich Eulampia nicht wieder gesehen. Auf welche Weise die Tochter von Martin Petrowitsch Charloff Gottesmutter bei den Chlisti geworden – dafür habe ich keine Erklärung; doch wer weiß – vielleicht hat sie schon eine neue schismatische Secte – gestiftet, welche sich dann möglicherweise nach ihrem Namen »Eulampisten« nennt oder nennen wird. Alles ist möglich auf dieser Welt.

Das wollte ich Ihnen von meinem König Lear, seinen Hausgenossen und seinen Schicksalen erzählen.

Der Erzähler schwieg – wir plauderten noch ein Weilchen und gingen dann nach Hause.

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