Hagakure

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Jōchō Yamamoto

Hagakure

Die Maximen der Samurai

Zusammengestellt von Tsuramoto Tashiro

Aus dem Japanischen übersetzt, kommentiert und herausgegeben von Max Seinsch

Mit 15 farbigen Holzschnitten von Utagawa Kuniyoshi

Reclam

2009, 2021 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Coverabbildung: Farbiger Holzschnitt Hida Magobyōei Masatoshi von Utagawa Kuniyoshi

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2021

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961824-1

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-011341-7

www.reclam.de

Inhalt

  Einführung

  Holzschnitte aus dem Taiheiki Eiyūden von Kuniyoshi

  Hagakure

  Lehrsätze Band 1

  Lehrsätze Band 2

  Anhang

  Glossar

Einführung

Spätestens seit James Clavells Roman Shōgun (1975) und dessen Verfilmung mit Richard Chamberlain ist das Bild des stoischen, todesmutigen Samurai, der für seinen Lehnsherrn und seine Ehre von einer Sekunde zur nächsten in Gewalt auszubrechen und rückhaltlos sein Leben aufzugeben vermag, fest in der westlichen Vorstellung verankert. Typische Klischees kommen zum Beispiel in einem Feuilletonartikel zum Tragen, dem zufolge Samurai nach einem strengen Ehrenkodex lebten, dem bushidō, dem »Weg des Kriegers«. Sieben anzustrebende Tugenden schrieb der Bushidō einem Samurai vor: »Entscheidungskraft, Mut, Nächstenliebe, Respekt, Aufrichtigkeit, Ehre und Treue«. Treue sei die wichtigste, denn verlor ein Samurai seinen Herrn – etwa durch dessen Tod –, wurde er zum Rōnin und musste dann eigentlich nach den Regeln des Bushidō den rituellen Suizid begehen.1

Aber auch in Japan selbst ist diese Idealvorstellung noch überaus lebendig. Am 28. Mai 2007 beging zum Beispiel der vormalige Landwirtschaftsminister Matsuoka Toshikatsu Selbstmord, nachdem er wegen des Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Gelder in die Kritik geraten war. Ishihara Shintarō, der für seinen nationalistischen Einschlag berühmt-berüchtigte Gouverneur von Tōkyō, kommentierte Matsuokas Tat, er denke, auch Matsuoka sei ein Samurai gewesen, weil er durch seinen Tod Buße geleistet habe.

Sowohl im Westen als auch in Japan selbst beflügeln so die Samurai und ihr »Ehrenkodex« die Fantasie von Japanfreunden in einer Weise, die eine kritische Beurteilung des Phänomens erschwert. Zusammen mit dem häufig angeführten Zen-Buddhismus ist die angeblich jahrhundertealte japanische Kriegerethik, wohlbekannt unter der Bezeichnung bushidō, ein gutes Beispiel für gewisse Themen fernöstlicher Exotik, die allzu oft mit pseudo-esoterischen Methoden zur spirituellen Persönlichkeitsentwicklung in Verbindung gebracht werden, anstatt sie kritisch zu analysieren.

Obwohl sogar Basil Hall Chamberlain (1850–1935), ein namhafter Mitbegründer der Japanologie, die Signifikanz oder auch nur die Existenz des Wortes bushidō vor 1900 bestreitet,2 war der japanische »Weg des Kriegers« nach dem Zweiten Weltkrieg ein beliebtes Objekt westlicher Studien, um sowohl die rapide Modernisierung und Industrialisierung Japans nach der Meiji-Restauration (1867–68) als auch seine militärischen Triumphe über China 1895 und Russland 1905 oder auch den japanischen Militarismus vor und das japanische Wirtschaftswunder nach 1945 zu erklären.

Unter Wissenschaftlern, die sich mit der Wirtschaftsentwicklung Japans beschäftigten, ist es ein Allgemeinplatz, dass Japans Erfolge in diesem Bereich durch seine besonderen sozialen und kulturellen Wurzeln aus vorindustriellen Zeiten zu erklären seien. Die Samurai-Klasse und Bushidō wurden dabei als Instrumente in der Formierung einer modernen Industrie während der Meiji-Periode (1868–1912) und der Formulierung einer modernen japanischen Geschäftsethik verstanden, vergleichbar etwa mit der »protestantischen Ethik«, wie sie Max Weber als den »Geist des Kapitalismus« aufgezeigt hat (1904/05)3 – obwohl wirtschaftliche Aktivitäten seitens des japanischen Kriegeradels vor 1868 als etwas Schändliches und unter der Würde eines Samurai stehend bewertet wurden.

Neben solchen wirtschaftswissenschaftlichen Analysen wurde die Verbreitung von Bushidō-Werten unter der breiten Bevölkerung von 1868 bis 1945 auch für die Direktheit verantwortlich gemacht, mit der das japanische Militär die politische Macht in den 1930er Jahren ergreifen konnte. So wird argumentiert, dass die Meiji-Regierung nach 1868 für den schnellstmöglichen Aufbau einer »reichen Nation und einer starken Armee« (fukoku kyōhei) wissenschaftliche Methoden und Technologie aus dem Westen einführte, während sie zur selben Zeit die feudale Ideologie des Bushidō restaurierte und sie mit der »primitiven Stammesreligion der Kaiserverehrung« kombinierte, um auf diese Weise ihre relative Unterlegenheit an materiellen Kräften zu kompensieren. Diese Kombination konstituierte dann angeblich das militärische Ethos der kaiserlichen Armee, die dann selbst über das Erziehungssystem die allgemeine Bevölkerung indoktrinierte.4

Der Begriff bushidō wurde außerhalb Japans hauptsächlich durch Nitobe Inazōs Buch Bushidō: The Soul of Japan aus dem Jahre 1900 bekannt gemacht, ein bis heute gern gelesenes und oft zitiertes Standardwerk zur japanischen Kriegerethik. Ursprünglich auf Englisch geschrieben, sollte es der westlichen Welt die Grundlagen japanischer Moral und Ethik vorstellen, stellte aber gleichzeitig auch eine Verteidigung japanischer Kultur gegen Ansprüche der westlichen Zivilisation auf kulturelle Überlegenheit dar.5 Tatsächlich griff Nitobe in seinen Anstrengungen, die japanische Moralität zu verteidigen, allerdings wie viele andere Ideologen seiner Epoche auch einen angeblich traditionellen Begriff auf und füllte diesen mit modernen Ideen und Konzepten.6

Neben Nitobes Buch werden das Budō Shoshinshū von Daidōji Yūzan (1639–1730) und das Hagakure von Yamamoto Jōchō (1659–1719) oft im gleichen Atemzug erwähnt, obwohl sie zeitlich und auch inhaltlich gesehen kaum mit Nitobe in Verbindung gebracht werden können. Der Grund dafür, dass diese Bücher zum Fundament des westlichen Verständnisses über Bushidō werden konnten, mag wohl darin liegen, dass sie zu den wenigen Bushidō-Texten gehören, die in europäischen Sprachen erhältlich sind.

Das Hagakure nimmt eine ganz besondere Stellung im Bushidō-Diskurs ein, weil es sowohl in Japan als auch in westlichen Ländern als »eine der unmittelbarsten Reflektionen des Samurai-Selbstverständnisses«7 verklärt wird. Als beliebte Lektüre japanischer Offiziere vor und während des Zweiten Weltkrieges erhielt es in den 1970er Jahren im Westen weite Aufmerksamkeit durch das Hagakure Nyūmon, einen Kommentar des berühmt-berüchtigten Nachkriegsautors und Rechtsextremisten Mishima Yukio (1925–1970) aus dem Jahre 1967.

Obwohl dem Hagakure normalerweise zentrale Bedeutung bei der Formulierung einer Samurai-Ethik in vormoderner Zeit eingeräumt wird, wird die tatsächliche Rolle und sein Wert als ein repräsentatives Beispiel für eine solche Ethik in der Regel stark überbewertet. Es enthält zum Beispiel im Gegensatz zu den Werken Daidōji Yūzans (1639–1730) und dessen Lehrers Yamaga Sokō (1622–1685) keine wohldurchdachte Philosophie, sondern zeigt im Gegenteil durchweg eine antiintellektuelle Einstellung. Seine Verbreitung blieb bis zur Meiji-Periode auf die südjapanische Nabeshima-Domäne beschränkt, wo es kompiliert und dann einzeln von Hand kopiert wurde. Eine gekürzte Fassung kam zum ersten Mal 1906 in den Druck, während die erste vollständige Druckversion erst 1916 erschien. Größere Bekanntheit erreichte das Hagakure aber erst, als es 1940 mit den revidierten und kommentierten Fassungen von Kurihara Kōya (Daten unbekannt) sowie Watsuji Tetsurō (1889–1960) und Furukawa Tetsushi (geb. 1912) allgemein erhältlich wurde. Es ist daher nicht übertrieben zu behaupten, dass das Hagakure im 20. Jahrhundert einen sehr viel größeren Einfluss auf das moderne Japan als im 18. und 19. Jahrhundert auf das feudale Japan ausüben konnte.

Was viele Leser und Kommentatoren daher in ihrer Begeisterung für das »vormoderne Heldentum« der japanischen Krieger zu vergessen scheinen, ist, dass ein solcher Text nicht leer im Raum steht, sondern auf gewissen historischen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen basiert. Zwar werden der Bushidō im Allgemeinen und das Hagakure im Besonderen gerne als universell gültige Philosophien mit Anwendungsmöglichkeiten im modernen Alltag sowie im Geschäftsleben verstanden, aber dabei wird allzu schnell übersehen, dass eine angemessene, ausgewogene Interpretation ohne genauere Kenntnis der historischen, gesellschaftlichen und ideengeschichtlichen Hintergründe des Zustandekommens eines solchen Werkes letzten Endes auf reine Spekulation hinauslaufen muss.

Das Hagakure: Inhalt, Struktur und Titel

Obwohl es des Öfteren als die wichtigste Bushidō-Schrift überhaupt bezeichnet wird,8 stehen im Hagakure nicht etwa die militärischen Künste der Samurai im Mittelpunkt, sondern die Frage, wie ein Samurai auf rechte Art und Weise seine Pflicht im Lehnsdienst (hōkō) erfüllen kann. Und auch das Ideal des »Sterbens« im wohl berühmtesten Satz des Hagakure: »Der Lebensweg eines Kriegers bedeutet, zu begreifen, dass man sterben wird und sterben muss«9, bedeute laut Inoue Toshiyuki nicht etwa, wirklich sein Leben zu verlieren, sondern sei ein Ausdruck für die absolute »Entschlossenheit« gegenüber allem, was man sich im Leben vornehme. Darum sei es auch ein Werk, das zu Problemen des menschlichen Lebens in der modernen Gesellschaft konkrete Lösungsvorschläge zu bieten habe.10

 

Vor allem aber auch wegen dieses berühmten Satzes und der Forderung des Autors nach selbstaufopferndem Dienst und unbedingtem Gehorsam dem Lehnsfürsten gegenüber fand das Hagakure vor dem und während des Zweiten Weltkriegs großen Anklang beim japanischen Militär und galt laut Mishima während des Kriegs praktisch als Pflichtlektüre.11 Darum wurde es auch im Zuge der Entmilitarisierung Japans nach dem Krieg durch die amerikanischen Besatzungstruppen als militaristisch-fanatische Propaganda auf den Index gesetzt, bis Watsuji Tetsurō, der einflussreiche Philosoph und Verfechter einer Einzigartigkeit der japanischen Identität, seine Vorkriegsstudien des Hagakure erneut aufnahm und so das Buch wieder als Forschungsgegenstand gesellschaftsfähig machte.

Von Ethikwissenschaftlern der Gegenwart wird das Hagakure oft dahingehend interpretiert, dass Samurai versucht hätten, durch die Übergabe ihres Lebens an die Pflicht bzw. den Lehnsherrn eine übergeordnete, transzendente Freiheit zu erlangen. Darüber hinaus wird versucht, das Hagakure als Aufruf zum »Dienst an der Öffentlichkeit« zu interpretieren, zu einem Dienst also, der den Frieden in der Gesellschaft zum Ziel habe. Einige zentrale Begriffe des Hagakure wie »Todeswahn« (shinigurui) werden dabei vernachlässigt, uminterpretiert oder völlig ignoriert, um das Werk mit gegenwärtigen Ethik- und Moralbegriffen sinnhaft verknüpfen zu können.12

Das Hagakure wurde ursprünglich von Yamamoto Jōchō13 (1659–1719) erzählt und dann von Tashiro Tsuramoto (1678–1748), beides ehemalige Samurai der Saga-Domäne in Südjapan, tagebuchartig notiert und als Manuskript zusammengefasst. Das ganze Werk besteht aus elf Bänden mit insgesamt 1340 mehr oder weniger zusammenhängenden Paragraphen. Band 1 enthält neben einer Einführung mit dem Titel »Plauderei in den Schatten des Abends«, in der Jōchōs Ethik zusammengefasst und seine vier zentralen Glaubensbekenntnisse vorgestellt werden, die Notizen zur richtigen Lebensweise eines wahren Kriegers, die sich in Band 2 fortsetzen. Die Bände 3, 4 und 5 enthalten Worte und Taten der ersten vier Fürsten des Nabeshima-Klans der Provinz Saga, während Band 6 sich mit alten Überlieferungen der Domäne befasst. Die Bände 7, 8 und 9 wiederum erzählen von Worten und Taten der Samurai von Saga, und die restlichen zwei Bände führen Erzählungen der Worte und Taten von Kriegern anderer Domänen und Geschichten auf, die in den anderen zehn Bänden keinen Platz mehr gefunden hatten.

Nur die ersten beiden Bände beruhen vollständig auf Erzählungen Yamamoto Jōchōs, während die Inhalte der restlichen neun Bände größtenteils von Tashiro Tsuramoto selbst zusammengestellt wurden, um den Lehrprinzipien der ersten beiden Bände Beispiele und erläuternde Hintergründe hinzuzufügen. Aus diesem Grund beschränkt sich die hier vorgelegte Übersetzung auf die ersten beiden Bände.

Aufgrund seines notizhaften, tagebuchartigen Charakters präsentiert das Hagakure gerade nicht ein zusammenhängendes, wohldurchdachtes Gedankengebäude, das universale Antworten auf die Fragen der menschlichen Existenz zu geben versucht. Vielmehr antwortet das Werk auf die spezifischen sozialen und regionalen Lebensumstände des Kriegeradels der Saga-Domäne. Die Adressaten der Autoren waren letztlich die Samurai ihres eigenen Klans und nicht die Kriegerklasse als Ganzes.

Fünf zentrale Ideen prägen das Hagakure:

Zu nennen sind zuerst die vier Gelübde oder Glaubensbekenntnisse, die den Schwerpunkt der Ethik des Hagakure auf Mut, Loyalität, Pietät und Barmherzigkeit legen. Furukawa Tetsushi zufolge lassen sich praktisch alle Paragraphen des gesamten Hagakure einer dieser vier Kategorien zuordnen, wobei letztlich die Loyalität den Bezugspunkt für alle anderen ethischen Prinzipien darstellt.14

»Der Lebensweg eines Kriegers, bzw. seine Lebensweise, bedeutet, zu begreifen, dass man sterben wird und sterben muss.« Dieser berühmteste Satz des Hagakure überhaupt postuliert zweitens die Notwendigkeit, sich als Krieger in jedem Augenblick seines Lebens auf den Tod gefasst zu machen, um sich einerseits mit absoluter Hingabe seiner Lehnspflicht widmen zu können und sich andererseits nicht als Feigling der sozialen Ächtung in einer Kriegergesellschaft auszusetzen. Diese Einstellung steht in enger Verbindung mit der Betonung von shinigurui, der äußersten Todesentschlossenheit oder besser des »Todeswahns«, in dem ein Krieger sich sowohl in einen Schwertkampf als auch in seinen Lehnsdienst werfen muss, bis er entweder alle Gegner und Probleme beseitigt hat oder selbst stirbt.

Die höchste Liebe, so der dritte Punkt, ist die geheimgehaltene Liebe. Von diesem Ideal der wohlgemerkt homosexuellen Liebe, die ihre Gefühle bis in den Tod hinein nicht offenbart, wird gleichzeitig die ideale Beziehung eines Vasallen zu seinem Lehnsherrn abgeleitet, den es wie einen Liebhaber heimlich zu verehren und zu beschützen gilt. Daher wird der ideale Lehnsdienst, wie er im Hagakure beschrieben wird, auch als »Lehnsdienst aus dem Schatten« oder »aus dem Dunklen heraus« bezeichnet.15

Zu nennen ist viertens die Betonung der menschlichen Barmherzigkeit und Anteilnahme sowie der fürstlichen Gnade. Es folgen laut Hagakure aus der Barmherzigkeit sowohl Menschlichkeit als auch Weisheit und Heldenmut. Dabei geht die Ergebenheit eines Vasallen idealerweise so weit, dass er sogar die Konfiszierung seines Lehens oder ein Todesurteil als fürstliche Gnade zu empfinden hat.

Prägend ist fünftens die rechte Vorgehensweise bei Ermahnungen und guten Ratschlägen sowohl dem Fürsten als auch anderen Vasallen gegenüber. Gerade der Notwendigkeit solcher Ermahnungen wird im Hagakure zentrale Bedeutung für die Erfüllung der Loyalität beigemessen.

Drei Theorien versuchen die Namensgebung des Werkes zu erklären – wörtlich übersetzt bedeutet hagakure »im Laub verborgen«.

Zum einen heißt es, das Buch sei wegen Jōchōs Betonung des versteckten Lehnsdienstes aus dem Schatten, d. h. aus dem Hintergrund heraus, so genannt worden.

Entsprechend der zweiten Theorie bezieht sich der Titel auf ein Gedicht aus der einflussreichen waka-Sammlung Sankashū des Mönch-Poeten Saigyō (1118–1190), in dem es heißt:

Im Laub verborgen hängt eine einzelne Blüte

Und weigert sich zu verblühen,

Sie gibt mir das Gefühl,

Eine heimliche Liebe anzutreffen.16

Mit dem Titel solle darum an die erste Begegnung Tashiro Tsuramotos mit Yamamoto Jōchō erinnert werden, der als Samurai im Ruhestand Laienmönch geworden war und in einer im Wald verborgenen Einsiedelei sein Dasein fristete.

Eine dritte Theorie lautet, dass man in der Gegend von Jōchōs Einsiedelei eine Art von getrockneten Kakifrüchten namens hagakushi produziert habe, von der der Name übernommen wurde, um an das zurückgezogene Leben Jōchōs zu erinnern.17

Kamura Takashi unterstreicht vor allem die zweite Sichtweise: zum einen deshalb, weil Jōchō als Poesiebeauftragter Fürst Mitsushiges durchaus als Literat anzusehen sei, als auch deshalb, weil er über seine Freundschaft mit dem Mönch-Poeten Senzan, der auch Konsaigyō – »der heutige Saigyō« – genannt wurde, in der dichterischen Tradition des ursprünglichen Saigyōs stehe. In erster Linie aber beschreibe der Inhalt des Gedichts äußerst passend die Umstände des ersten Treffens der beiden Autoren Yamamoto Jōchō und Tashiro Tsuramoto.18

Historische Hintergründe

Während der historischen Periode der »kriegführenden Fürstentümer« (sengoku jidai) von 1467 bis 1568 begannen lokal verwurzelte Kriegsherren in den Provinzen, als daimyō (Feudalfürsten) um die Kontrolle von Ländereien und Ressourcen zu streiten. Diese Periode konstanter Kriege und Kämpfe war gekennzeichnet durch die Übernahme der Macht durch Untergebene bzw. durch Vasallen. Dieses Phänomen wird als gekokujō – »Unten überwindet Oben« – bezeichnet. Auf diese Weise gelang es vielen provinziellen Anführern von Kriegerbanden, die Kontrolle der shogunalen Provinzgouverneure abzuschütteln, sich eine eigene starke militärische Machtbasis auf dem Land zu schaffen und von dort aus mit ihren Nachbarn um die Vorherrschaft zu ringen. Kleinere Territorien wurden zu größeren Domänen zusammengefasst, in denen die daimyō durch Landvermessungen, direkte Kontrolle der Agrarproduktion und eigene Klan-Gesetze versuchten, die Unabhängigkeit ihrer Vasallen und des einfachen Volkes immer mehr einzuschränken.19

In dieser Zeit war die Loyalität der bushi, der Krieger, ihren Lehnsherren gegenüber bedingt und abhängig von bestimmten Konstellationen: Politische und militärische Macht war privat organisiert, und Feudalherren waren von ihren Vasallen abhängig. Für die Verleihung von Lehen schuldeten die Vasallen ihrem Lehnsherrn Loyalität und Lehnsdienst in Form von militärischer Unterstützung. Diese Beziehung war bilateral, d. h., beide Seiten waren voneinander abhängig. Loyalität war also »der ideale Ausdruck der Beziehung eines Vasallen zu seinem Lehnsherrn«. War es notwendig, so »musste der Vasall bereit sein, für seinen Herrn zu sterben«. Aber weil »der Lehnsherr abhängig von seinen Vasallen war, war ihre Loyalität funktional«.20 Das bedeutete, dass Vasallen so lange loyal blieben, wie ihre Loyalität ihren eigenen Interessen diente. Aber sobald sie durch Verrat mehr gewinnen konnten als durch Lehnstreue (indem sie z. B. die Macht ihres Lehnsherrn selbst übernahmen), entschieden sich viele Vasallen, ihren eigenen Interessen den Vorrang zu geben. Auf diese Weise kam es zu dem »Paradox, dass ein Zeitalter, in dem Loyalität den höchsten Wert darstellte, auch ein Zeitalter war, in dem Verrat ganz normal war.«21

Ein typisches Beispiel für den gekokujō-Aspekt der Sengoku-Periode lässt sich in Nordwest-Kyūshū finden, wo die traditions- und einflussreiche Shōni-Familie erst große Teile ihrer Territorien an die Familie der Ōuchi verlor, bevor die Ōuchi wiederum von ihren eigenen Vasallen, dem Ryūzōji-Klan, zwischen 1553 und 1559 völlig vernichtet wurden. Auf diese Weise konnten sich die Ryūzōji unter ihrem Anführer Ryūzōji Takanobu (1529–1584) das Hizen-no-kuni, das die heutige Präfektur Nagasaki und Teile der Präfektur Saga umfasste, zu eigen machen und sich so zu einem der mächtigsten daimyō-Häuser Südjapans aufwerfen.

Ryūzōji Takanobu wiederum fiel 1584 in der Schlacht von Okitanawate gegen die vereinten Armeen der Shimazu und Arima: Damit hielt sein wichtigster Gefolgsmann Nabeshima Naoshige (1538–1618) als Regent und Ratgeber des Ryūzōji-Nachfolgers Masaie die Macht über das Herrschaftsgebiet der Ryūzōji in der Hand. Nabeshima Naoshige sollte sich in der Folge als wahrer Anführer Sagas erweisen und seinen eigenen Sohn Nabeshima Katsushige (1580–1657) als Nachfolger und neuen daimyō durchsetzen: Auf diese Weise würde der Nabeshima-Klan die Herrschaft über die Saga-Domäne übernehmen.

Bevor es jedoch so weit kommen sollte, führten erstmals 1543 nach Japan eingeführte Musketen zu einer Revolutionierung der Kriegführung, die es einzelnen daimyō ermöglichte, ihren Machtbereich erheblich zu erweitern und die Vorherrschaft im Reich anzustreben. Zur politischen Legitimation einer solchen Vorherrschaft war allerdings die Kontrolle über Kyōto und den Kaiserhof unerlässlich, dessen mythologisch begründete Oberhoheit über den japanischen Archipel nie angefochten wurde. Der erste Sengoku-Feldherr, dem es gelang, seine Gegner entweder zu unterwerfen oder lange genug unter Kontrolle zu halten, um die Hauptstadt zu erobern, war Oda Nobunaga (1534–1582) aus der Provinz Owari in der heutigen Präfektur Aichi. Dieser marschierte 1568 in Kyōto ein, setzte Ashikaga Yoshiaki als Marionetten-Shōgun ein und kehrte damit die feudale Desintegration des vorigen Jahrhunderts um. Auf diese Weise läutete er die Azuchi-Momoyama-Periode (1568–1603) der Reichseinigung ein, die nach seinem Tod 1582 von seinem wichtigsten Heerführer Toyotomi Hideyoshi (1536–1598) fortgesetzt und 1590 vollendet wurde. Ihre unerbittlichen Kriege gegen andere daimyō, die großen religiösen Sekten und die militärischen Klöster, die sich ihnen widersetzten, veränderten die politische Landkarte grundsätzlich.

 

Wie Nobunaga vor ihm sah sich Hideyoshi genötigt, bestehende Fürstenhäuser in ihren Lehen und Privilegien zu bestätigen, oder verteilte, wo immer es möglich war, Ländereien und Fürstentümer um, mit dem Ziel, alteingesessenen daimyō ihre angestammte Machtbasis zu entreißen. So wurde zum Beispiel einer seiner wichtigsten Feldherren, Tokugawa Ieyasu (1542–1616), mit dem Kantō, dem Gebiet des heutigen Großraums Tōkyō, belohnt, der damit aber gezwungen war, seine alteingesessenen Territorien um Nagoya herum zu verlassen und sein Hauptquartier in Edo aufzuschlagen.

Wichtiges Prinzip der Regierung Hideyoshis war die strikte Trennung des Kriegeradels als Stand von der übrigen Bevölkerung, und das hatte Folgen. Krieger, die ihrem Lehnsherrn folgten, um eine neue Domäne in Besitz zu nehmen, verloren ihre alte Landbasis und waren in der Burgstadt ihres Fürsten ansässig, während Krieger, die in ihren ursprünglichen Provinzen verblieben, ihren Status als bushi verloren und künftig zum Bauernstand gezählt wurden.22 Das Gesetz zur sozialen Standeskontrolle von 1591 verbot Kriegern fortan, Landwirtschaft zu betreiben oder etwa bei einem anderen daimyō Anstellung zu finden, nachdem sie ihren Lehnsherrn verlassen hatten. Bauern hatten in ihren Dörfern zu verbleiben und durften nicht in die Städte ziehen, während es Handwerkern und Handelsleuten verboten war, in Dörfern zu wohnen. Damit wurde eine Vier-Stände-Gesellschaft aus Kriegern, Bauern, Handwerkern und Händlern durchgesetzt. Eine zentrale Rolle spielte bei der Durchsetzung und Aufrechterhaltung der Privilegien des Kriegeradels die landesweite Entwaffnung der Landbevölkerung.

Als Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts die Feudalstruktur durch die Neu- und Umverteilung von Lehen auf diese Weise umorganisiert wurde, verlor ein Großteil des Kriegeradels die Verbindung zu seinem angestammten Grundbesitz. Waren zuvor bushi in der Lage gewesen, durch ihre Bindung an Grund und Boden ein gewisses Maß an Unabhängigkeit zu behalten, wurden Krieger ab dieser Periode vollständig von ihrer Beziehung zu ihrem Lehnsherrn und den von ihm verliehenen Stipendien abhängig. Die Position der daimyō dagegen wurde durch die Strukturen von Hideyoshis Regierung garantiert und gesichert. In letzter Konsequenz bedeutete dies, dass die Loyalität der japanischen Krieger notwendigerweise bedingungslos werden musste, da ihre Beziehung zu ihrem daimyō unilateral wurde.23

Die politischen Strukturen sowie die wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen von Hideyoshis Herrschaft reichten aber noch nicht aus, tatsächlich als zentrale Autorität über das ganze Land zu regieren. Darum genossen viele daimyō und ihre Domänen durchaus große Autonomie bzw. Selbständigkeit in der Verwaltung ihrer Ländereien und Steuereinkommen. Um einerseits seine Kontrolle über die Feudalfürsten zu festigen und andererseits ihre Machtbestrebungen nach außen zu richten, führte Hideyoshi deshalb 1592 und 1597 zwei Invasionen Koreas durch, die beide mit ungewöhnlicher Härte vorangetrieben wurden, aber letztlich fehlschlugen. Hideyoshi wurde in beiden Feldzügen von Nabeshima Naoshige unterstützt, weil dieser ihn 1590 als Vormund des neuen Saga-daimyō Ryūzōji Takafusa anerkannt und damit als tatsächlichen Herrscher Sagas bestätigt hatte.

Als Hideyoshi 1598 verstarb, hinterließ er als Nachfolger seinen minderjährigen Sohn Hideyori (1593–1615). Für diesen übernahm ein Regentenrat unter der Führung Tokugawa Ieyasus die Regierung. Aber schon bald führten innenpolitische Streitereien zu einer Spaltung zwischen jenen daimyō, die Hideyori unterstützten, und denen, die sich Ieyasu verpflichteten. Im Jahr 1600 bestätigte die Schlacht von Sekigahara die Oberhoheit Ieyasus als mächtigsten Landesfürsten Japans. 1603 konnte er sich zum Shōgun ernennen lassen. Er richtete daraufhin in Edo sein Militärregime, das Tokugawa-bakufu, ein und eröffnete damit die Edo-Periode (1603–1868), die dem Land für gut 250 Jahre relative Stabilität und Frieden bringen sollte.

Indem Ieyasu zahlreiche daimyō ihres Besitzes enthob sowie Lehen reduzierte und umverteilte, verstand er es, ein gut austariertes Kräftegleichgewicht zwischen den Tokugawa und ihren Zweigfamilien, den sie unterstützenden Klans (fudai daimyō) und jenen Fürstentümern zu errichten, die sich erst nach der Schlacht von Sekigahara gezwungen sahen, sich den Tokugawa zu unterwerfen (tozama daimyō). Konfiszierte Ländereien gingen auf diese Weise in die Hände verwandter Häuser, verdienter Vasallen oder der Tokugawa selbst über. Bereits durch diese Maßnahme war eine politische Vormachtstellung aufgrund von Landbesitz und damit von Steuereinkommen garantiert. Hideyoshis Erbe Hideyori wurde zu einem daimyō unter vielen mit Sitz in der Burg von Ōsaka, einem Ort, an dem sich in der Folge die Gegner des Tokugawa-Regimes sammelten. Aber in zwei Belagerungen 1614 und 1615 wurde die Burg von Ōsaka zerstört, Hideyori getötet und damit der letzte nennenswerte Widerstand gegen das Edo-bakufu beseitigt.

Bei der Schlacht von Sekigahara standen die Nabeshima stellvertretend für ihren daimyō Ryūzōji Takafusa und die Saga-Domäne eigentlich auf der Seite der Toyotomi, befanden sich aber auf Befehl des Toyotomi-Feldherrn Ishida Mitsunaris (1560–1600) nicht vor Ort. Nachdem das Ergebnis der Schlacht bekannt geworden war, wechselten sie opportunistisch sofort die Seiten, ordneten sich Tokugawa Ieyasu unter und verfolgten auf seinen Befehl Teile der unterlegenen Armee, der sie dann eine heftige und für beide Seiten verlustreiche Schlacht lieferten. Nach dem Sieg konnte Nabeshima Katsushige Ieyasu 600 feindliche Köpfe überreichen und erhielt dafür seine offizielle Anerkennung als Repräsentant Sagas und die Garantie für den Erhalt der Ryūzōji-Domäne. Das hatte gleichzeitig zur Folge, dass die Ryūzōji zusammen mit den Nabeshima, wenn auch als tozama-Fürsten, auf ihrem angestammten Besitz verbleiben konnten, ohne versetzt zu werden und umsiedeln zu müssen.

Darüber hinaus konnten sich die Nabeshima noch enger an die Tokugawa binden: Als 1603 Katsushiges Gemahlin starb, gab ihm Ieyasu seine Adoptivtochter zur Frau. Diese Vermählung bedeutete natürlich für Vasallen eines außenstehenden Hauses eine hohe Anerkennung und einen großen Statusgewinn. Als dann 1607 sowohl der Ryūzōji-daimyō Takafusa als auch sein Vater Masaie unter nicht ganz aufgeklärten Umständen verstarben, ging damit die Ryūzōji-Hauptlinie zu Ende. Die Ryūzōji-Seitenlinien schlugen daher Katsushige mit seinen Verwandtschaftsbeziehungen zur shogunalen Familie als Nachfolger für den Fürstentitel vor. Damit erhielt der Nabeshima-Klan endgültig den Fürstentitel mitsamt der Domäne von Saga.

Gleich im Anschluss an die Zerstörung der Burg von Ōsaka 1615 wurde vom Shogunat das Buke Shohatto als allgemeingültiges Gesetzeswerk des Kriegeradels verkündet. Damit versuchte das Shogunat die Feudalfürsten zu reglementieren sowie ihre militärischen Fähigkeiten einzuschränken und zu kontrollieren. So mussten daimyō fortan jedes zweite Jahr auf Respektsbesuch in Edo verbringen (sankin kōtai), während ihre Ehefrauen und Kinder als Geiseln ständig in Edo wohnten. Das bedeutete nicht nur erhebliche Ausgaben für die einzelnen Domänen, sondern hatte unter anderem auch zur Folge, dass spätere daimyō, die in Edo geboren und aufgewachsen waren, die Fürstentümer, die sie regieren sollten, gar nicht kannten. Gleichzeitig wurden besonders den außenstehenden tozama-Häusern zusätzliche Ausgaben dadurch auferlegt, dass man sie zu Aufgaben im öffentlichen Dienst wie zum Beispiel zu öffentlichen Bauvorhaben verpflichtete. Kurz nachdem so die Bedingungen für die politische, wirtschaftliche und militärische Vormachtstellung der Tokugawa sowie für Ruhe und Ordnung im Land sichergestellt waren, verstarb Ieyasu im Jahr 1616.

1637 brach mit der Rebellion von Shimabara südlich der Saga-Domäne der letzte große militärische Konflikt der Edo-Periode aus. Im Widerstand gegen erdrückende Steuern und das seit 1612 strikt durchgesetzte Verbot des Christentums erhoben sich Bauern und herrenlose bushi auf der Halbinsel Shimabara in einem verzweifelten Aufstand gegen das bakufu, nur um 1638 von den vereinigten Armeeverbänden aus diversen Domänen vernichtend geschlagen zu werden. Der Nabeshima-Klan stellte dabei mit 35 000 Mann unter ihrem Fürsten Katsushige das größte Kontingent an Kriegern, darunter auch den damals 49-jährigen Yamamoto Jin’emon Shigezumi, Yamamoto Jōchōs Vater, der sich bei der Schlacht hochverdient machte, sich aber schwere Verletzungen einhandelte. Aufgrund der Verdienste der Saga-Domäne bei der Niederschlagung dieser Rebellion wurde sie 1642 zusammen mit der Fukuoka-Domäne mit der militärischen Überwachung von Nagasaki beauftragt. Dort war der gesamte Überseehandel konzentriert und unter die monopolistische Verwaltung des bakufu gestellt worden. Im Gegenzug wurde für den Fürsten von Saga die Anwesenheitspflicht in Edo jedes zweite Jahr erheblich verkürzt, weshalb er auch der »Hundert-Tage-daimyō« genannt wurde.

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