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MARTIN LUTHER



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Inhaltsverzeichnis





Titel







Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche







Über das Sakrament des Brotes







Vom Sakrament der Taufe







Von dem Sakrament der Buße







Von der Firmung







Von der Ehe







Von der (Priester)Weihe







Vom Sakrament der letzten Ölung







Von des christlichen Standes Besserung







Vorrede auf das Alte Testament







Das erste Hauptstück: Die zehn Gebote







Das zweite Hauptstück: Der Glaube







Das dritte Hauptstück: Das Vaterunser







Das vierte Hauptstück: Das Sakrament der heiligen Taufe







Das fünfte Hauptstück: Das Sakrament des Altars oder das heilige Abendmahl







Der Morgensegen







Der Abendsegen







Vorrede auf die Epistel S. Paul an die Römer







Die Concordien-Formel







I. Von der Erbsünde







Negativa







II. Vom freien Willen







III. Von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott







IV. Von guten Werken







V. Vom Gesetz und Evangelio







VI. Vom dritten Brauch des Gesetzes







VII. Vom heiligen Abendmahl Christi







VIII. Von der Person Christi







IX. Von der Höllefahrt Christi







X. Von Kirchengebräuchen, so man Adiophora oder Mitteldinge nennet







XI. Von der ewigen Vorsehung und Wahl Gottes.







eine Auslegung des Vater Unsers von Dr. Martin Luther







Verteidigungsrede auf dem Reichstag zu Worms 18. April 1521







Impressum neobooks







Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche



Martin Luther Verschiedene Texte




Martin Luther, Augustiner, wünscht seinem lieben Hermann Tulich Heil und Segen.



Ob ich will oder nicht, ich werde gezwungen, von Tag zu Tag gelehrter zu werden, weil mir so viele und so große Meister um die Wette keine Ruhe lassen und mich ständig in Atem halten. Über den Ablaß habe ich vor zwei Jahren geschrieben, aber so, daß es mir jetzt außerordentlich leid tut, daß dieses Büchlein so herausgegangen ist. Denn damals konnte ich von diesem Aberglauben – der römischen Tyrannei – noch nicht lassen und meinte deshalb, daß der Ablaß nicht ganz zu verwerfen sei; ich sah doch, daß er einhellig bei so vielen Menschen Billigung fand. Und das war kein Wunder, denn damals quälte ich mich allein an diesem Felsblock. Aber später – und das danke ich Silvester und anderen Brüdern, die solchen Ablaß eifrig verteidigten – verstand ich, daß der Ablaß nichts anderes als der reine Betrug der römischen Heuchler ist, durch welchen sie den Glauben an Gott ebenso wie den Besitz der Menschen zugrunde richten. Ach, wenn ich nur die Buchhändler dazu bringen und alle meine Leser überreden könnte, alle meine Büchlein vom Ablaß zu verbrennen und statt dessen, was ich davon geschrieben habe, diesen Satz anzunehmen:

Der Ablaß ist der römischen Heuchler Nichtsnutzigkeit

.



Danach haben Eck und Emser samt ihren Mitverschwornen begonnen, mich über den Primat des Papstes zu unterrichten. Deswegen bekenne ich auch hier, damit ich gegen so gelehrte Männer nicht undankbar bin, daß ich durch ihre Mühe große Fortschritte gemacht habe. Denn wenn ich gleich leugnete, daß das Papsttum göttlichen Ursprungs ist, so habe ich (bis dahin) doch zugegeben, daß es aus menschlichem Recht stammt Als ich aber die überaus subtilen Subtilitäten dieser vornehmen Stutzer sah und hörte, mit denen sie ihren Abgott künstlich aufrichten (ich bin ja in diesen Dingen nicht so ganz ungelehrig), weiß ich jetzt und bin gewiß, daß das Papsttum das babylonische Reich und die Herrschaft Nimrods, des gewaltigen Jägers ist. Damit nun meinen Freunden alles zum Guten ausschlägt, bitte ich auch hier die Buchhändler und die Leser, das, was ich darüber geschrieben habe, zu verbrennen und dafür diesen Satz anzunehmen:

Das Papsttum ist die wilde Jagd des römischen Bischofs

. Das wird aus Ecks, Emsers und Alfelds zu Leipzig Sätzen bewiesen.



Jetzt führt man mich in bezug auf den Empfang des Abendmahls unter beiderlei Gestalt und einige andere hochwichtige Dinge zur Schule. Bisher habe ich Narr gemeint, daß es schön wäre, wenn durch ein allgemeines Konzil beschlossen würde, daß das Abendmahl den Laien unter beiderlei Gestalt gegeben würde. Darüber will mich der überaus gelehrte Bruder eines besseren belehren und sagt, daß es weder von Christus noch den Aposteln geboten oder geraten sei, den Laien (das Sakrament) in beiderlei Gestalt darzureichen. Darum sei es dem Urteil der Kirche anheimgestellt, was hier zu tun oder zu lassen sei; dem solle man sich beugen. So seine Worte.



Nun fragst du vielleicht, welche Tollheit diesen Menschen leitet oder gegen wen er schreibt, da ich doch den Gebrauch des Abendmahls unter einerlei Gestalt nicht verworfen und es dem Urteil der Kirche überlassen habe, den Gebrauch des Sakraments unter beiderlei Gestalt anzuordnen. Das versucht er selbst zu verfechten und will doch eben damit gegen mich streiten. Darauf antworte ich, daß diese Art zu disputieren alle die an sich haben, die gegen Luther schreiben: sie stellen eine Behauptung auf, die sie dann anfechten, oder sie erdichten etwas, gegen das sie dann losziehen.



Weil ich nun sehe, daß sie Zeit und Papier genug haben, will ich mir Mühe geben, daß sie genug zu schreiben bekommen. Ich will ihnen nämlich zuvorkommen: während diese Großmäuler noch über eine meiner Ketzereien (denn dafür halten sie es) als glorreiche Sieger triumphieren, will ich mittlerweile eine neue vorbringen. Denn auch ich will, daß solche hervorragenden Kriegsführer mit vielen Ruhmestiteln geziert werden. Deshalb, während sie sich darüber aufregen, daß ich den Genuß des Sakraments in beiderlei Gestalt lobe, und sie von dieser großen und an sich sehr wichtigen Sache völlig mit Beschlag belegt sind, will ich fortfahren und nunmehr zu zeigen versuchen, daß alle die gottlos sind, die den Laien den Genuß des Abendmahls in beiderlei Gestalt verweigern. Um das möglichst sinnvoll zu tun, will ich ein Vorspiel von der Gefangenschaft der römischen Kirche anfangen. Zu seiner Zeit will ich mehr bieten, wenn die überaus gelehrten Papisten erst dieses Buch ›überwunden‹ haben werden.



Grundsätzlich und als erstes muß ich verneinen, daß es sieben Sakramente gibt, und kann zur Zeit drei dafür setzen: die Taufe, die Buße, das Brot. Und diese alle sind uns durch die römische Kurie in elende Gefangenschaft geraten, und die Kirche ist all ihrer Freiheit beraubt. Allerdings: wenn ich mich nach der Schrift richten will, kenne ich nur ein einziges Sakrament und drei sakramentale Zeichen, Davon mehr zu seiner Zeit. Aber jetzt zuerst





Über das Sakrament des Brotes



Ich will also sagen, wie ich beim Nachdenken über die Verwaltung dieses Sakraments weitergekommen bin. Denn zu der Zeit, als ich den Sermon von dem Abendmahl herausgab, hielt ich mich noch an den allgemeinen Brauch, kümmerte mich auch nicht um des Papstes Recht oder Unrecht Aber jetzt, wo man mich herausgefordert hat und mir keine Ruhe läßt, ja mich vielmehr mit Gewalt in diesen Streit zerrt, will ich frei heraus sagen, was ich davon halte, mögen nun die Papisten alle zusammen lachen oder weinen.

 



Es gibt zwei Stellen, welche hiervon ganz klar handeln: die Evangelien beim Bericht über das letzte Mahl des Herrn und Paulus 1. Kor. Kapitel 11. Die wollen wir besehen. Denn Matthäus, Markus und Lukas stimmen darin überein, daß Christus allen Jüngern das ganze Sakrament gegeben. Und daß Paulus (den Genuß des Abendmahls in) beiderlei Gestalt überliefert hat, ist sicher. Es ist also keiner jemals so unverschämt gewesen, daß er etwas anderes gesagt hätte. Nimm noch hinzu, was Matthäus berichtet: nicht vom Brot habe Christus gesagt: ›Esset alle davon‹, sondern vom Kelch: ›Trinket alle daraus‹ (Matth. 26, 27). Und ebenso sagt Markus nicht: ›sie aßen alle davon‹, sondern: ›sie tranken alle daraus‹ (Mark. 14, 23). Sie setzen also beide den Hinweis auf die Allgemeinheit zum Kelch und nicht zum Brot, so als ob der heilige Geist dieses künftige Schisma vorhergesehen hätte, das den Genuß des Kelches einigen verbietet, von dem doch Christus wollte, daß er allen gemeinsam sein sollte. Mit was für einer Leidenschaft, meinst du, würden sie gegen uns wüten, wenn sie das Wörtlein ›alle‹ beim Brot und nicht beim Kelch gefunden hätten! Gar keine Ausflucht würden sie uns gönnen, sie würden schreien, uns zu Ketzern machen und als Schismatiker verdammen. Aber weil es unsere Auffassung stützt und nicht die ihre, lassen sie sich durch keinen logischen Schluß bewegen, die als Menschen mit ganz freiem Willen auch in den Dingen, die Gott angehen, ändern und wieder ändern und alles in Unordnung bringen.



Ich bekenne, daß ich durch diesen Grund, der mir unüberwindlich ist, überwunden bin und weder gelesen noch gehört oder gefunden habe, was ich dagegen sagen könnte. Denn hier steht das Wort und Beispiel Christi absolut fest, und er sagt es nicht, als ob ers nur zuließe, sondern gebietend: ›Trinket alle daraus.‹ Denn wenn alle trinken sollen, dann kann das nicht allein als zu den Priestern gesagt verstanden werden. So ist es ganz gewiß gottlos, die Laien, die es begehren, davon auszuschließen, und wenn es schon ein Engel vom Himmel täte (Gal. 1, 8). Denn wenn sie sagen, es sei dem Willen der Kirche anheimgestellt, in welcher Gestalt sie (das Abendmahl) austeilen wolle, so wird das ohne Grund gesagt und ohne Schriftbeleg vorgewendet und wird ebenso leicht widerlegt, wie es behauptet wurde. Wenn man aber den Laien eine Gestalt verweigern kann, dann kann man ihnen auch einen Teil der Taufe und der Buße nach dem gleichen Willen der Kirche entziehen, weil überall der gleiche Grundsatz und die gleiche Macht gilt. Darum, wie die ganze Taufe und die ganze Absolution erteilt wird, so soll auch das ganze Sakrament des Brotes allen Laien gegeben werden, wenn sie es begehren.



Was mich aber am meisten bedrängt und mich ganz gefangenhält, ist, daß Christus sagt (Matth. 26, 28): ›Das ist mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.‹ Hier siehst du ganz klar, daß das Blut allen gegeben wird, für deren Sünde es vergossen ist. Wer darf aber sagen, daß es nicht für die Laien vergossen ist? Oder siehst du nicht, zu wem er redet, als er den Kelch gibt? Gibt er ihn nicht allen? Sagt er nicht, es sei für alle vergossen? Er sagt: ›Für euch!‹



Ich beschwöre dich aber, was besteht für ein Zwang, was für religiöse Bedenken können wir haben und wozu dient es, den Laien (den Genuß des Abendmahls in) beiderlei Gestalt, d. h. das sichtbare Zeichen, zu verwehren? Dabei gestehen ihnen doch alle das Sakrament als solches zu – allerdings ohne das Zeichen. Gestehen sie ihnen nun das Sakrament als solches zu, was ja das Wesentliche ist, warum nicht auch das Zeichen, das von geringerer Bedeutung ist? Denn in jedem Sakrament ist das Zeichen, soweit es nur ein Zeichen ist, von unvergleichlich geringerer Bedeutung als das Sakrament selbst. Was hindert es also, so frage ich, das Unwesentlichere zu geben, wo man doch das Wesentliche gibt? Mir scheint, das hat der zürnende Gott geschehen lassen, um damit eine Ursache für die Trennung in der Kirche zu geben. Das soll ein Hinweis darauf sein, daß wir das wahre Sakrament längst verloren haben und um des äußeren Zeichens willen, dessen, was ganz unwesentlich ist, gegen die einzig wichtige Sache ankämpfen, so wie einige für die äußerlichen Kirchenbräuche und gegen die Liebe streiten. Ja, dieses Ungeheuerliche scheint zu einer Zeit entstanden zu sein, als wir gegen die christliche Liebe anfingen, auf den Reichtum dieser Welt ganz versessen zu sein, damit uns Gott durch dieses schreckliche Zeichen zu verstehen gäbe, daß wir die äußerlichen Zeichen höher achten als die Dinge selbst. Was für eine Torheit wäre es, wenn du zwar zugäbest, daß dem Täufling der Glaube der Taufe gegeben wird, wolltest ihm aber verwehren, daß ihm auch das Zeichen dieses Glaubens, nämlich das Wasser, gegeben würde.



Zuletzt bleibt Paulus unüberwunden, der aller Mund verstopft, wenn er 1. Kor. 11, 23 sagt: ›Ich habe es vom Herrn empfangen, was ich euch gegeben habe.‹ Nicht sagt er, wie es der Bruder (Alfeld) in seiner Phantasie zusammenlügt: was ich euch erlaubt habe. Es ist auch nicht wahr, daß er ihnen um ihres Streites willen beiderlei Gestalt zugelassen habe. Erstens zeigt es der Text selbst, daß um die beiderlei Gestalt gar kein Streit gewesen ist, sondern wegen der Gleichgültigkeit der Reichen und des Neides der Armen, wie der Text klar zeigt, wenn er sagt (V. 21 f.): ›Einer ist hungrig, der andere ist trunken, und ihr beschämt die, die da nichts haben.‹ Dann redet er nicht von seiner erstmaligen Lehrüberlieferung, denn er sagt nicht: Ich empfange es vom Herrn und gebe es euch, sondern: ›Ich habe empfangen und habe gegeben‹, nämlich am Anfang meiner Verkündigung, lange vor diesem Streit. Damit bringt er deutlich zum Ausdruck, daß er ihnen beiderlei Gestalt gegeben habe.



Vorwärts, ihr Papstschmeichler! Erhebt euch wie ein Mann, gebt euch Mühe, verteidigt euch gegen den Vorwurf der Gottlosigkeit, der Tyrannei, der Beleidigung des Evangeliums, der ungerechten Schmähung der Brüder, die ihr als Ketzer ausschreit – sie, die sich an die so offenbare und mächtige Schrift halten, im Gegensatz zu euren törichten Hirngespinsten. Ist überhaupt einer von beiden als Ketzer und Rottengeist zu bezeichnen, so sind es nicht die Böhmen, nicht die Griechen (weil die sich ja auf das Evangelium verlassen), sondern ihr Römer seid Ketzer und gottlose Rottengeister, weil ihr euch einzig eurer Einbildungen rühmt – gegen die klare Schrift Gottes! Wascht euch von diesem Vorwurf rein, ihr Herren!



Was ist aber lächerlicher und dem Kopf dieses Bruders gemäßer, als daß er sagt, Paulus habe einer einzelnen Kirche, nämlich den Korinthern, solches geschrieben und zugelassen, nicht aber der ganzen Kirche. Woher beweist er das? Aus seinem üblichen Schatzkämmerlein, nämlich aus seinem eigenen gottlosen Kopf. Wenn die ganze Kirche diesen Brief als für sie geschrieben auffaßt, liest und ihm in allem folgt, warum dann nicht auch in diesem Stück? Denn wenn wir zugeben, daß ein Brief des Paulus oder eine einzige Stelle daraus sich nicht an die Gesamtkirche wendet, so ist die ganze Vollmacht des Paulus erledigt. Denn die Korinther werden sagen: was Paulus (im Brief an) die Römer vom Glauben lehrt, gehe sie nichts an. Was kann wohl Gotteslästerlicheres oder Unsinnigeres erdacht werden als dieser Unsinn? Das sei ferne, das sei ferne, daß es auch nur einen einzigen Buchstaben im ganzen Paulus gibt, den nicht die ganze allgemeine Kirche befolgen und bewahren sollte! Diese Meinung haben auch unsere Vorfahren nicht gehabt bis auf diese gefährlichen Zeiten, von denen Paulus geweissagt hat, daß Gotteslästerer, Blinde und ganz Unverständige aufstehen würden. Einer von denen und deren vornehmster ist dieser Bruder.



So komme ich zu dem Schluß: es ist gottlos und tyrannisch, den Laien das Abendmahl in beiderlei Gestalt zu verwehren. Es steht auch nicht in der Macht eines Engels, geschweige denn des Papstes oder eines Konzils. Ich lasse mich dabei durch das Konzil zu Konstanz nicht beirren. Wenn dessen Autorität so viel bedeutet, warum gilt nicht das Konzil zu Basel genau so viel, welches das Gegenteil festsetzt? Die Böhmen dürfen beiderlei Gestalt empfangen, was mit vielem Disputieren dort erreicht wurde, wie die vorhandenen Konzilsakten ausweisen. Das führt nun dieser Schmeichler in seiner Unkenntnis an, um seine Hirngespinste zu beweisen. So weise verfährt er in allen Dingen!



Das ist die erste Gefangenschaft dieses Sakraments. Sie erstreckt sich auf dessen Substanz und Ganzheit, die uns die römische Tyrannei genommen hat. Nicht, daß die gegen Christus sündigen, die (das Abendmahl in) einer Gestalt gebrauchen. Denn Christus hat nicht geboten, (das Abendmahl in) einer Gestalt zu gebrauchen, sondern hat das dem Willen jedes einzelnen anheimgestellt und gesagt: ›So oft ihrs tut, so tut das zu meinem Gedächtnis.‹ Aber die sündigen, die verbieten, daß (das Abendmahl in) beiderlei Gestalt denen gegeben werde, die es freiwillig so nehmen wollen. Die Schuld liegt nicht bei den Laien, sondern bei den Priestern. Das Sakrament gehört nicht zu den Priestern, sondern allen. So sind auch die Priester nicht Herren darüber, sondern Diener, die beiderlei Gestalt denen geben sollen, die und so oft sie es begehren. Wenn sie den Laien dieses Recht entziehen und mit Gewalt abschlagen, so sind sie Tyrannen, und die Laien sind ohne Schuld, sei es daß sie (das Abendmahl) in einer oder in beiderlei Gestalt verlieren. Sie müssen einstweilen im Glauben und dem Verlangen nach dem ganzen Sakrament bewahrt bleiben. Ebenso sind sie als Diener schuldig, dem die Taufe und Absolution zu geben, der sie begehrt, als einem, der ein Recht darauf hat. Wenn sie es aber nicht geben, so hat sie dann der sie Begehrende im Glauben vollkommen, erlangt, und sie werden vor Christus als unnütze Knechte angeklagt werden. (Das ist dann) so wie die heiligen Väter vor Zeiten in der Wüste in all den Jahren das Sakrament unter keinerlei Gestalt empfangen haben.



Deshalb gehe ich nicht so weit, daß (das Abendmahl) mit Gewalt in beiderlei Gestalt genommen werden müßte, als ob wir nach der Notwendigkeit des Gebots zu dieser Form des Abendmahls gezwungen wären. Sondern ich unterweise das Gewissen, daß ein jeder die römische Tyrannei leide und wisse, daß ihm wegen seiner Sünde sein volles Recht im Sakrament mit Gewalt genommen ist. Allein das will ich, daß niemand die römische Tyrannei rechtfertige, als ob sie recht getan hätte, wenn sie den Laien eine Gestalt verbietet, sondern daß wir sie verfluchen und ihr nicht zustimmen. Trotzdem sollen wir sie ertragen, nicht anders, als wären wir beim Türken gefangen, bei dem wir gar keine Gestalt gebrauchen dürften. Das ist es, was ich gesagt habe: ich fände es schön, wenn durch den Beschluß eines allgemeinen Konzils solche Gefangenschaft aufgehoben und uns die christliche Freiheit aus den Händen des römischen Tyrannen wiedergegeben und einem jeden sein Wille, es zu begehren und zu gebrauchen, gelassen würde, wie es bei der Taufe und Buße geschieht Aber jetzt zwingt er uns Jahr für Jahr mit gleicher Tyrannei, eine Gestalt zu empfangen. So ganz ist die Freiheit erloschen, die uns von Christus gegeben ist, so hat er unsere abgrundtiefe Verachtung verdient.



Die zweite Gefangenschaft

 dieses Sakramentes ist nicht (ganz) so schlimm, soweit es das Gewissen betrifft. Aber es ist überaus gefährlich, daran zu rühren, geschweige sie zu verdammen. Hier werde ich ein Wiklifit und unter unzähligen Bezeichnungen zum Ketzer werden. Was denn? Nachdem der römische Bischof aufgehört hat, ein Bischof zu sein, und ein Tyrann geworden ist, fürchte ich mich gar nicht vor seinen sämtlichen Dekreten. Denn ich weiß, daß es nicht in seiner Gewalt steht, auch nicht in der eines allgemeinen Konzils, neue Glaubensartikel aufzustellen. Als ich die scholastische Theologie in mich aufnahm, gab mir Pierre d'Ailly Anlaß zum Nachdenken. Beim vierten Buch der ›Sentenzen‹ disputiert er überaus scharfsinnig, es sei viel glaubwürdiger und man brauchte viel weniger dieser überflüssigen Wunder vorauszusetzen, wenn man glaubte, auf dem Altar wären wahres Brot und wahrer Wein und nicht allein die bloßen Akzidenzien – wenn nicht die Kirche das Gegenteil festgesetzt hätte. Als ich danach sah, was für eine Kirche das ist, die solches bestimmt, nämlich die thomistische, das heißt die des Aristoteles, da bin ich beherzter geworden. Wenn ich zuerst auch im Zweifel war, so habe ich schließlich mein Gewissen doch in der ersten Auffassung befestigt: es ist wahres Brot und wahrer Wein, in welchen das wahre Fleisch und das wahre Blut Christi nicht anders und nicht weniger ist, als jene es ihren Akzidenzien zuschreiben. Das habe ich getan, weil ich sah, daß die Meinungen der Thomisten, ob sie nun vom Papst oder einem Konzil bestätigt sind, dennoch eben nur Meinungen bleiben und nicht zu Glaubensartikeln werden würden, auch wenn ein Engel vom Himmel etwas anderes verordnete. Denn was ohne Schriftgrundlage oder ohne erwiesene Offenbarung gesagt wird, mag wohl als eine Meinung hingehen, muß aber nicht notwendig geglaubt werden. Diese Meinung des Thomas aber ist ohne Schriftgrundlage wie ohne Vernunftbegründung und so ungesichert, daß ich meine, er habe weder seine Philosophie noch seine Dialektik verstanden. Denn Aristoteles redet weit anders von den Akzidenzien und von ihrem Subjekt, als der heilige Thomas, so daß es mir für einen so gelehrten Mann bedauerlich erscheint, daß er seine Ansichten in Glaubenssachen nicht allein aus Aristoteles überliefert, sondern versucht hat, auf dem, den er nicht verstanden hat, etwas aufzubauen. Ein unglückseliger Bau auf einem unglückseligen Fundament!

 



Ich habe also nichts dagegen: Wer will, mag beiderlei Ansichten beibehalten. Darauf allein kommt es mir jetzt an, daß ich die Gewissenszweifel aus dem Wege räume. Niemand soll sich fürchten, der Ketzerei schuldig zu sein, wenn er glaubt, daß auf dem Altar wahres Brot und wahrer Wein sind. Sondern er soll wissen, daß es ihm ohne Gefahr für seine Seligkeit freisteht, sich eins von beiden vorzustellen, zu meinen und zu glauben, weil hier eben keine Glaubensnotwendigkeit vorliegt. Jedoch will ich jetzt meine Auffassung weiter verfolgen. Erstens will ich die nicht hören, auch nicht im geringsten achten, die da schreien werden, das sei wiklifitisch, hussitisch, ketzerisch und gegen den Beschluß der Kirche. Denn das tun ja nur die, die ich im Ablaßstreit, in der Auseinandersetzung über den freien Willen und die Gnade Gottes, die guten Werke und die Sünde usw. auf mancherlei Weise als Ketzer überführt habe. Wenn nämlich Wiklif einmal Ketzer gewesen ist, dann sind sie zehnmal Ketzer und es wäre fein, von den Ketzern und törichten Sophisten getadelt und gescholten zu werden; ihnen aber zu gefallen, ist die größte Gottlosigkeit Außerdem können sie ihre Ansichten nicht anders beweisen und die ihnen entgegengesetzten Auffassungen können sie nicht anders zurückweisen, als daß sie sagen: das ist wiklifitisch, hussitisch, ketzerisch. Denn diese faule Rede haben sie stets im Maule und anderes nicht. Verlangt man von ihnen einen Schriftbeweis, so sagen sie: Wir sind dieser Meinung, und die Kirche (d. h. wir selbst) hat es so beschlossen. So wagt es diese in bezug auf den Glauben verworfene und unglaubwürdige Gesellschaft, uns unter Berufung auf die Kirche ihre Phantasien als Glaubensartikel vorzusetzen!



Ich habe aber für meine Auffassung eine starke Begründung, vor allem diese: den göttlichen Worten darf keine Gewalt angetan werden, weder durch einen Menschen noch durch einen Engel, sondern sie sollen – soweit wie nur möglich – in der allereinfachsten Bedeutung genommen werden. Und wo uns nicht ein eindeutiger Umstand zwingt, sollen sie in ihrer wörtlichen und eigentlichen Bedeutung aufgefaßt werden, damit man den Gegnern keine Gelegenheit bietet, mit der ganzen Schrift ihr Spiel zu treiben. So auch hier: weil die Evangelisten klar schreiben, daß Christus das Brot genommen und gesegnet habe, und weil die Apostelgeschichte und der Apostel Paulus es auch nachher Brot nennen, so muß man das vom wahren Brot verstehen und vom wahren Wein und vom wahren Kelch. Denn auch sie behaupten nicht, daß sich der Kelch verwandle. Eine Transsubstantiation also, die durch eine göttliche Macht geschähe, vorauszusetzen, ist nicht nötig; man muß sie vielmehr für ein erdichtetes Menschengebilde ansehen, weil sie sich weder auf die Schrift, noch auf einen vernünftigen Grund stützt, wie wir sehen werden.



Die Kirche hat mehr als zwölfhundert Jahre recht geglaubt, nie und nirgends haben die heiligen Väter die Transsubstantiation (was schon ein recht ungeheuerliches Wort ist und erträumt) erwähnt, bis die sogenannte Philosophie des Aristoteles in diesen letzten dreihundert Jahren in der Kirche überhandgenommen hat,



Warum kann Christus seinen Leib nicht in der Substanz des Brotes erhalten, ebenso wie er ihn (nach der Kirchenlehre) in den Akzidenzien erhält? Siehe, das Eisen und Feuer, zwei Substanzen, werden in einem glühenden Eisen so vermischt, daß jeder Teil Eisen und Feuer (zugleich) ist. Warum kann nicht der verklärte Leib Christi viel eher ebenso in allen Teilen der Substanz des Brotes sein?



Was sollen wir hierzu sagen, wenn wir den Aristoteles und menschliche Lehren zu Richtern über so hohe und göttliche Dinge machen? Warum verwerfen wir nicht solchen Vorwitz und bleiben schlicht bei den Worten Christi und sind bereit, nicht zu wissen, was da geschehe, und sind zufrieden damit, daß kraft der Worte der Leib Christi da ist? Ist es denn nötig, daß wir die Art und Weise des göttlichen Handelns gänzlich begreifen?



Daß wir aber nicht zu sehr ins Philosophieren kommen: scheint nicht Christus diesem Vorwitz fein entgegenzutreten, wenn er vom Wein nicht gesagt hat: ›Das ist mein Blut‹, sondern ›

Dieser

 ist mein Blut‹ (Matth. 26, 28)? Und noch viel klarer (wird es dadurch), daß er das Wort ›Kelch‹ mit hinzunimmt und sagt: ›Dies ist der Kelch des neuen Testaments in meinem Blut‹ (1. Kor. 11, 25). Sieht man denn nicht, daß er uns im schlichten Glauben behalten wollte, und daß wir lediglich glaubten, sein Blut sei in dem Kelch? Fürwahr, wenn ich nicht begreifen kann, auf welche Weise das Brot der Leib Christi sein kann, will ich doch meinen Verstand gefangennehmen unter den Gehorsam Christi und schlicht bei seinen Worten bleiben, und glaube fest nicht allein, daß der Leib Christi in dem Brot ist, sondern das Brot der Leib Christi ist. Denn zu dieser Auffassung bringen mich die Worte, wo er sagt: ›Er nahm das Brot, dankte, brachs und sprach: Nehmet, esset, das (das heißt: das Brot, das er genommen und gebrochen) ist mein Leib‹ (V. 23 f.). Und Paulus spricht: ›Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?‹ (1. Kor. 10, 16) Er sagt nicht: in dem Brot ist, sondern: das Brot selbst ist die Gemeinschaft des Leibes Christi. Was liegt daran, ob die Philosophie das nicht versteht? Der heilige Geist ist mehr als Aristoteles. Versteht sie denn überhaupt etwas von der Transsubstantiation dieser Dinge, da sie doch selber zugesteht, daß hier die ganze Philosophie zusammenstürzt?



Und wie es sich mit Christus verhält, so verhält es sich auch mit dem Sakrament. Denn es ist nicht nötig, daß die menschliche Natur verwandelt werden muß, wenn die Gottheit in der Menschheit leiblich wohnen soll – als ob die Gottheit an die Akzidenzien der menschlichen Natur gebunden wäre. Sondern beide Naturen bleiben zugleich unversehrt bestehen, und so wird mit Recht gesagt: Dieser Mensch ist Gott, dieser Gott ist Mensch. Und wenn die Philosophie das schon nicht versteht, so versteht es doch der Glaube. Gottes Wort hat eine größere Vollmacht, als unser Verstand es fassen kann! In dem Sakrament ist also der wahre Leib und das wahre Blut. Es ist nicht nötig, daß sich das Brot oder der Wein in eine andere Substanz verwandele, so daß Christus unter den Akzidenzien eingeschlossen sei. Sondern beides bleibt zugleich bestehen, wie es in Wahrheit heißt: ›Dieses Brot ist mein Leib; dieser Wein ist mein Blut‹ und umgekehrt. So will ich es einstweilen zur Ehre der heiligen Worte Gottes verstehen. Ich will nicht dulden, daß ihnen durch menschliche Spitzfindigkeiten Gewalt geschieht und sie umgedeutet werden. Jedoch lasse ich es anderen zu, eine abweichende Meinung zu haben. Sie sollen uns nur nicht zwingen, daß wir ihre Meinung (wie oben gesagt) wie Glaubensartikel annehmen.



Die dritte Gefangenschaft

 dieses Sakramentes ist der überaus gottlose Mißbrauch, durch den es gekommen ist, daß heute in der Kirche fast nichts verbreiteter ist, fester geglaubt wird, als daß die Messe ein gutes Werk und ein Opfer ist. Dieser Mißbrauch hat andere unzählige Mißbräuche nach sich gezogen, bis der Glaube an das Sakrament ganz erloschen ist und sie aus dem göttlichen Sakrament lauter Jahrmärkte, Krämerei und gewinnsüchtige Verträge gemacht haben. Daher werden die Teilhaberschaften, die Bruderschaften, die Fürbitten, die Verdienste, die Jahresfeiern, die Gedenktage und dergleichen Händel mehr in der Kirche verkauft, durch Verträge erhandelt und verglichen, und an diesen hängt die ganze Nahrung der Priester und Mönche.



Ich rühre da ein heißes Eisen an, eine Sache, die vielleicht nicht zu erschüttern ist, weil sie durch jahrhundertelangen Gebrauch festgewurzelt und unter der Zustimmung aller angenommen, so eingenistet ist, daß es nötig wäre, den größten Teil der Bücher, die heute maßgebend sind, und schier die ganze äußere Gestalt der Kirche abzutun und zu verändern. Man müßte eine gänzlich andere Art der Zeremonien einführen oder vielmehr, man müßte sie auf ein geringes Maß zurückführen. Aber mein Christu

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