Die Möglichkeit des Unmöglichen

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Die Möglichkeit des Unmöglichen
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Die Möglichkeit

des Unmöglichen

von

Prentice Mulford

Übersetzung aus dem Englischen

von Max Hayek

Impressum

Erstveröffentlichung: Leipzig 1919

Überarbeitung: F. Schwab Verlag – Coverbild: Howard Hitchcock 1896

Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de sagt Danke!

Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag

Inhalt

VORWORT

1. ÖKONOMIE DER KRÄFTE

2. DIE KUNST DES VERGESSENS

3. VOM SCHADEN DER ERINNERUNG

4. SEHET DIE LILIEN . . .

5. DIE WISSENSCHAFT VOM ESSEN

6. EINIGE GEDANKEN ÜBER DEN GEBRAUCH EINES ZIMMERS

7. KRAFT

8. DIE MÖGLICHKEIT DES UNMÖGLICHEN

9. MANN UND FRAU

10. UNWAHRHEITEN

11. ÜBER DIE RUHE

ZUM BESCHLUSS

Mulford

Danke!

VORWORT

Höchste Kraft und Weisheit regieren das Weltall. Unermesslich durchflutet Geist den endlosen Raum. In allem, was ist, vom Atom bis zum Planeten, offenbaren sich höchste Kraft, Weisheit, Vernunft.

Geist — höchste Kraft, Weisheit — ist nicht nur in allem Erschaffenen. Geist ist alles Erschaffene. Geist ist jedes Stäubchen des Berges, jeder Tropfen des Meeres, jedes Blatt des Baumes, jeder Vogel, jedes Tier, jeder Mann, jede Frau.

Die höchste Weisheit, der Geist des Guten oder Gott, kann von Menschen oder von Wesen, höher als der Mensch, nicht begriffen werden. Doch der Mensch darf vom höchsten Geist und seiner Weisheit willig aufnehmen. Er darf durch sie Seligkeit schaffen lassen, ohne darum zu sorgen, das Geheimnis des höchsten Geistes und seiner Weisheit auch zu ergründen.

Die Kraft hat uns in Obsorge genommen wie sie es mit den Sonnen und endlosen Weltensystemen im Raume getan hat. Und je mehr wir in der Erkenntnis ihrer höchsten und unerschöpflichen Weisheit wachsen, umso mehr werden wir lernen, nach ihr zu verlangen, sie an uns zu ziehen, zu einem Teil von uns zu machen und uns so stetig zu erneuern. Erneuerung bedeutet aber Gesundheit, die immer vollkommener wird, Kraft, die sich alles Erschaffenen immer lebendiger freut, stufenweise Verwandlung in eine höhere Form des Seins und Entwicklung von Fähigkeiten, die wir heute noch gar nicht als die unsrigen erkannt haben.

Wir sind die begrenzten, aber unaufhaltsam wachsenden Teile des Erhabensten-Ewigen-Ganzen. Und es ist das Schicksal alles Zeitlichen, seiner Beziehung zum Ewigen inne zu werden und zu erkennen, wie der schmale und gerade Pfad, der immer höherer Seligkeit entgegenführt, das vollkommene Vertrauen und Sichhingeben an den Höchsten ist — den unendlichen Geist des Guten — um all der harmonischen Weisheit und planmäßigen Absicht willen, die wir überall um uns her erblicken und die wir aus uns selbst nicht zu offenbaren vermögen.

Lasst uns darum täglich nach Vertrauen verlangen. Vertrauen ist Glaubenskraft und Schauenskraft, die uns erkennen machen, wie alle Dinge Teile des Unendlichen Geistes sind, wie sie alle Gutes oder Gott in sich haben und wie alle Dinge, sobald wir sie als Teile Gottes erkannt haben, zu unserem Guten dienen müssen.

1. ÖKONOMIE DER KRÄFTE

So wie wir heute leben, verschwenden wir unsere Kräfte an tausend Dinge, ohne uns dessen bewusst zu werden.

Es gibt aber eine höhere Ökonomie oder Sparsamkeit, als die mit dem Geld und wir müssen uns diese höhere Ökonomie zu eigen machen, denn sie wird uns lehren, dem Verlust unserer Kräfte zu steuern. Wissen wir aber, wie wir unsere Kräfte bewahren können, so mehren wir unser mentales und körperliches Vermögen unaufhörlich und schaffen uns so einen Wert, der Geldeswert bei weitem übersteigt. Wir werden unser Leben so sehr verlängern, wie wir es heute kaum zu erhoffen wagen.

In dieser göttlichen Ökonomie unserer Kräfte, die noch kein Mensch je meisterte, wird jeder Akt unseres Geistes oder Körpers der Ursprung einer Neuschöpfung und Kraftvermehrung sein. Das Gehen, körperliche Arbeit im Hause oder auf dem Feld, unser wissenschaftliches oder künstlerisches Werk werden uns Freude schenken und dauernder Kraftgewinn sein. Diese Ökonomie wird unsere geistige und körperliche Ausdauer verlängern, denn wir werden mehr Kraft empfangen als verbrauchen.

Eine der großen Ursachen unserer gegenwärtigen Kraftverschwendung ist die Stimmung von Ungeduld oder geistiger Unmäßigkeit. Jede Bewegung auch des schwächsten Muskels verbraucht Kraft und Geist. Wir biegen den Finger ein, bewegen die Wimpern, regen leise eines unserer Glieder: und alles das ist so gut Kraft Gottes wie es die unsrige ist. Denn wir sind Teile des Unendlichen. Und es ist Sein Gesetz, dass diese Kraft dazu gebraucht werde, uns der höchsten Freude zuzuführen.

Schmerz und Unrast entstehen, wenn wir die göttliche Kraft nicht nach dem Plan und Willen des Unendlichen gebrauchen.

Schmerz jeder Art ist eine Botschaft des Unendlichen, die besagt, dass wir unsere Kräfte irrig verbraucht haben.

Nimm an, du hättest für beträchtliches Geld einen Automaten gekauft oder machen lassen. Dieser Automat wird durch eine bestimmte Kraft in Gang erhalten. Er ist sehr gelehrig und kann Schubladen öffnen und schließen, das Blatt Papier fortnehmen, das du eben beschrieben hast, deine Feder ins Tintenfass tauchen, Kleider und Handschuhe zu-und aufknöpfen, kurz, alle die Handgriffe tun, die jeder Mensch für sich tun muss, und wenn er eine Armee von Dienern hätte.

Wenn nun die besondere Kohle oder was sonst zum Erzeugen der treibenden Kraft des Automaten in Betracht käme, die Bagatelle von hundert Dollar pro Kilogramm kostete – würdest du diesen Automaten bei jeder geringsten Gelegenheit bemühen? Würdest du dich seiner nicht sehr achtsam und bedachtsam bedienen? Würdest du nicht, ehe du ihn funktionieren ließest, einen Augenblick nachdenken, ob denn die Leistung dieses kostspieligen Dieners im Verhältnis zur verbrauchten Kraft steht? Und würdest du ihn diese Leistung mit dem Aufgebot der höchsten Energien stoß-und ruckweise vollbringen lassen, so dass die Maschinerie ächzte und knarrte und bald in die Reparatur müsste, wenn sie nicht gar schon ganz kaputt gegangen wäre?

Nun, wir verwenden beim Gebrauch unseres Körpers – wenn wir etwa, wütend, ein Blatt Papier zerreißen oder ein Fenster öffnen oder ein Kleidungsstück vom Haken nehmen oder wegen irgendeiner Kleinigkeit wie verrückt durchs Zimmer schießen – eine weit größere Kraft als nötig ist. Und wenn wir in solcher Verfassung alle die hundert Nichtigkeiten tun, die wir täglich tun müssen: dann ist dies eine stete Kraftausgabe, der keine Krafteinnahme gegenübersteht. Diese stete Kraftausgabe erzeugt Erschöpfung, Krankheit und Tod des Körpers.

Zähle, wenn du kannst, die vielerlei Bewegungen des Körpers, der Glieder und Muskeln, die du in der ersten Stunde nach dem Erheben machst. Denke an die vielerlei Muskelbewegungen, die allein das Anlegen der Kleider erfordert, dein Herumgehen im Zimmer. Vergegenwärtige dir, dass jede dieser Bewegungen Kraft verbraucht, so gut wie der Gedanke, den du denkst, Kraft verbraucht.

Der Automat, von dem ich sprach, ist unser Körper.

Die Kraft oder den Geist, den wir aufwenden, wenn wir eine Flaumfeder oder ein Neunzigpfundgewicht heben, strömen uns vom Unendlichen zu, der alle Kraft und aller Geist ist.

Für Geld kannst du diese Kraft nicht kaufen. Sie übersteigt jedes Maß kaufmännischer Werte. Ihre Heiligkeit und Würde wird durch nichts, was wir tun, vermindert. Sie ist durch die Nadel, die wir durchs Kleid führen, das wir ausbessern, oder durch die Feder, mit der wir etwas notieren, ebenso geheiligt wie durch irgendetwas anderes.

Ökonomie unserer Kräfte bedeutet ewiges Leben für den Körper. Nicht für diesen Körper, sondern für den physischen Körper, der sich im Rhythmus der ewig erneuten Kraft, die der Geist aus der unerschöpflichen Quelle aller Kraft aufnimmt, ewig wechselnd erneut und verfeinert.

Gerade auf die Nichtigkeiten, auf die Vergeudung unserer Kräfte im Kleinen sollten wir besonders achten! Wir müssen immer die Meister des Augenblickes sein!

Verwende keine kostbare, unwiederbringliche Stunde auf das mühsame Suchen der verlorenen Stecknadel!

Verschwendung von Kraft beim Gebrauch unseres Körpers zieht unfehlbar seinen inneren Mechanismus aufs verderblichste in Mitleidenschaft. Lunge, Herz, Blutkreislauf und alle anderen Funktionen unserer Organe werden von unserer vorherrschenden Gemüts-oder Geistesverfassung beeinflusst.

Wenn wir's sehr eilig haben, werden diese Funktionen sehr eilig und damit sehr unvollkommen geschehen. Wenn wir uns nicht die Zeit nehmen wollen, die Dinge ordentlich zu tun, wird auch unser Magen sein Werk nicht ordentlich vollbringen. Und unsere anderen Organe werden sich ihm anschließen.

 

Es kann kein einziger Teil der Maschine aus der Ordnung geraten, ohne dass er alle anderen in Mitleidenschaft zöge.

Verschwendung von Kraft erzeugt Unruhe, Ungeduld, Hast. Der Atem unruhvoller, gehetzter Menschen ist kurz, keuchend, überstürzt. Menschen, denen Hast und Ungeduld zur Gewohnheit wurden, können nicht gesund atmen.

Es gibt ein Atmen des Geistes und ein Atmen des Körpers. Wenn unser Geist der höheren Ökonomie bewusst wird, führt er dem Körper ein bestimmtes Leben zu. Dieses Leben nehmen wir mit jedem Atemzuge auf und es erzeugt von selbst die tiefe, ruhevolle Atmung. Solches Leben kommt nicht von der Erde, sondern aus dem Reich des Geistes. Und wir empfangen von diesem Leben je nach unserem Trachten nach ihm. Dieses Trachten ist ein Verlangen an den Höchsten, uns zu höheren Formen des Seins und über alle Schmerzen und Gebrechen der Sterblichkeit emporzuheben.

Hass ist die wildeste Ausschweifung im Gebrauch unserer Kraft. Hass jeder Art schädigt den Körper ernstlich.

Aber ist es denn nicht nur recht und billig, Übel, Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu hassen?

Das ist keine Frage von Recht und Unrecht. Denn, was recht und unrecht ist, darüber entscheidet die Allgemeinheit. Aber es ist die Frage einer geistigen Verfassung, eines Zustandes, in dem wir sind, und ob der uns Gutes oder Schlechtes bringt.

Wer in allem und jedem Unvollkommenheit sieht und stetig im Gegensatz zu Sitte und Brauch, Gesetz und Volk steht, injiziert sich ein zerstörendes Geisteselement, er füllt den Körper damit. Es gibt Leute, die sich um irgendetwas, das ihnen als „gute Sache“ erscheint, in Krankheit und Tod hinein hassen. Der wortreiche Sprecher, verletzender Schmähung und sarkastischen Spottes gegen den Bedrücker voll, muss manchmal vorzeitig ins Grab. Er ist in einen Strom von Kampfwut gegen einen gewissen Feind hineingeraten. Und aus solch einem Strom wieder heraus zugelangen, ist nicht leicht. Er ist wie ein Schwert, das auch den tötet, der es gebraucht. Wer von solchen Schwertern lebt, geht durch sie zugrunde.

Wenn wir einst nach höheren Gesetzen leben werden, in der göttlichen Ökonomie und im neuen Geist, den uns die Allmacht geben wird — werden wir diese Kraft sparen, denn wir werden nichts Hassenswertes sehen können. Wir werden im Menschen und in der Natur nur das Gute sehen.

Wer nur Gutes sieht, strömt eine große Geisteskraft aus, die noch mehr Gutes heranzieht. Der Höchste wird uns, je nach unserem Verlangen, zeigen, um wie viel mehr Gutes in allen Dingen ist als wir vermuten. Wir werden wahrhaftig erstaunt sein, wie viel Schönheit, Harmonie und Ordnung es in diesem Weltall gibt.

Herkömmliches Wissen und Gesetz der Menschen sagen uns, das Unrecht müsse bekämpft werden. Aber wer den Kampf in die Welt hineindenkt, wird Kampf aus ihr empfangen. Viele unter uns, zu Parteien zusammengeschlossen, sind immer auf einem Kreuzzug gegen andere Parteien, Klasse kämpft gegen Klasse, Rasse gegen Rasse, Nation gegen Nation. Verleumdung und Verdammung donnern von Kanzel und Tribüne herunter. Überall werden bittere Gefühle erzeugt, in sich und anderen. An Gesetzen gegen das Übel fehlt es uns nicht, aber wir können es nicht ausrotten.

Zeitalter hindurch sind wir diesen Weg gegangen. Mit Erfolg? Hat uns bei all dem immer der große Weltgeist beraten, der einzig weiß, was gut und böse ist? Oder haben wir Menschen in unserem Hochmut uns nicht angemaßt, selber alles besser zu wissen und die Zügel der Regierung in die eigene Hand nehmen zu können?

Der Mensch vergeudet seine Kraft zwiefach. Vergeudung der Kraft im Physischen bedeutet Vergeudung der Kraft im Geistigen. Die Erschöpfung ist abermals zwiefach. Wer verärgert zu Bett geht, wird, wenn er am Morgen erwacht, mit dem gleichen zerstörenden Element beladen sein. Ein Geist voll Unruhe und Hast geht, während der Körper schläft, die Verbindung mit dem zerstörenden Element der Ungeduld und Hast ein. Die Kraft, die wir so vergeuden, weiß der indische Adept zu bewahren, ja, sie verleiht ihm Fähigkeiten, an die wir klugen Leute des Westens gar nicht glauben wollen und die vielen von uns „übernatürlich“ erscheinen.

Es gibt aber im ganzen Weltall oder in der Natur nichts „Übernatürliches“. Wohl aber gibt es in der Natur und in uns selbst sehr, sehr viel wovon wir gar nichts wissen. Jeder von uns ist wahrscheinlich in der lebenslangen Gewohnheit befangen gewesen, seine Kräfte irgendwie zu vergeuden. Hier soll nun nicht mit kategorischem Imperativ gesagt werden: „Ihr müsst diese Gewohnheit unverzüglich ablegen!“ Denn wir können ja nicht aus uns heraus. Einzig die Allmacht kann uns neue Geister geben und uns von unseren Gewohnheiten befreien. Wir müssen es von ihr verlangen. Wir können unseren Kräfteverlusten nicht sogleich steuern. Gewohnheiten, in langen Jahren erworben, können nur nach und nach überwunden werden. Beziehungen, die sich nicht für uns eignen, können wir nicht plötzlich abbrechen, selbst wenn wir genau wissen, welche Kraft wir durch sie verlieren. Unsere Geister, dem Hass, argem Vorurteil oder Neid aufgetan, können sich nicht an einem Tag wandeln.

Wir irren in Unwissenheit. Darum dürfen wir nicht als „elende Sünder“ getadelt werden. Wir entwachsen ja diesen Irrtümern stetig. Sind uns einmal die Augen geöffnet, so erkennen wir täglich einen der Fehler, die uns anhaften.

Wir sollen darum dem Höchsten danken, der uns diese Fehler zeigt. Denn Fehler erkennen, heißt vom niederen Wesen zum höheren werden.

Der Mensch kann nicht aus sich heraus die höhere Ökonomie der Kräfte schaffen. Aber wenn er der Verschwendung und Vergeudung seiner Kräfte bewusst wird, kann er vom Höchsten das neue und ruhevollere Gemüt verlangen. Und es wird ihm werden und wird ihn mit neuem Leben erfüllen und über die Ökonomie der Kräfte wissend machen.

Fleisch und Blut, Knochen und Muskel werden so eine Erneuerung erfahren. Der Mensch wir zum neuen Wesen. Und die Ökonomie der Kräfte wird ihm so leicht werden wie seine Atmung.

2. DIE KUNST DES VERGESSENS

In der Chemie der Zukunft wird der Gedanke so gut als Stoff gelten wie heute Säuren, Oxyde und anderes als chemische Stoffe gelten. Denn es ist kein „leerer Raum“ zwischen dem, was wir Materie, und dem, was wir Geist nennen. Beide sind Stoffe oder Elemente, die sich unmerklich miteinander vermengen. In Wahrheit ist die Materie nur eine sichtbare Form der feineren Elemente, die wir Geist nennen.

Unser unsichtbares und unausgesprochenes Denken endfließt uns unaufhörlich, ein Element und eine Kraft, wirklich wie der Wasserstrom, den wir sehen können, oder der elektrische Strom, den wir nicht sehen können. Unser Denken vermengt sich mit dem anderer, und aus dieser Kombination werden die neuen Eigenschaften des Denkens gebildet, so wie etwa durch eine chemische Mischung neue Stoffe gebildet werden.

Wenn du aus dir die geistigen Elemente der Qual, des Ärgers, Kummers oder Hasses aussendest, setzt du Kräfte in Tätigkeit, die deinem Geist und Körper verderblich sind. Die Kraft des Vergessens involviert die Kraft, jedes unangenehme und schädigende Element des Denkens zu verbannen und ein nutzbares Element dafür heranzuziehen, kurz, aufzubauen statt niederzureißen. Unser Denken beeinflusst unser Unternehmen günstig oder ungünstig. Es nimmt andere für oder gegen uns ein. Es ist ein Element, das von anderen angenehm oder unangenehm empfunden wird, das sie mit Vertrauen oder Misstrauen gegen uns erfüllt.

Der vorherrschende Zustand unseres Geisteslebens oder der Charakter unseres Denkens formt unseren Körper und unsere Züge. Er macht uns anderen gegenüber hässlich oder schön, anziehend oder abstoßend. Unsere Gedanken bestimmen unsere Gesten, unsere Manieren, unseren Gang. Die geringste Bewegung eines Muskels hat eine Gemütsstimmung, einen Gedanken zur Ursache. Ein entschlossener Geist erzeugt festen, straffen Gang. Ein Mann, dessen Geist schwach und schwankend, ungewiss und hilflos ist, wird eine schwerfällige, schlenkernde und ungewisse Haltung zeigen. Der Geist der Entschlossenheit spannt Nerv und Sehne. Genauer gesagt: das geistige Element der Entschlossenheit ergreift jeden Muskel.

Betrachte unzufriedene, düstere, melancholische und übellaunige Menschen und du siehst, wie die stillwirkende Kraft ihrer widrigen Gedanken die Gesichtszüge dieser Menschen schnitt, aushieb und formte. Solche Menschen sind nie bei guter Gesundheit, denn jene Kraft wirkt auf sie wie ein Gift und ruft irgendeine Krankheit hervor. Ausdauerndes, einem ganz bestimmten Ziele zustrebendes Denken dagegen, zumal wenn dieses Ziel anderen und uns zugutekommt, wird jeden Nerv mit Kraft erfüllen. Es ist eine weise Selbstsucht, die zugleich auf das Wohl anderer und auf unser eigenes abzielt. Im Geist und in der Arbeit sind wir alle vereinigt. Denn wir sind Kräfte, die, sei es zum Guten oder Bösen, wechselseitig aufeinander einwirken, und zwar durch den aus Unwissenheit sogenannten „leeren Raum“. Unsichtbare Nervenströme fließen von Mensch zu Mensch, von Wesen zu Wesen. Jede Form des Seins ist so mit jeder anderen verbunden. Und ein schlechter Gedanke oder eine schlechte Tat ist ein schmerzhafter Schlag, der Myriaden von Organisationen durchbebt. Ebenso erzeugt gutes Denken und gute Tat das gleiche Maß an Freude. Es ist also ein Gesetz der Natur und der Wissenschaft, dass wir anderen nichts wahrhaft Gutes zu tun vermögen ohne uns selbst damit Gutes zu tun.

Harm um einen Verlust, er betreffe Freund oder Besitz, schwächt Geist und Körper. Und ist dem verlorenen Freund keine Hilfe. Eher eine Schädigung. Denn unsere traurigen Gedanken müssen ihn erreichen und eine Quelle des Schmerzes für ihn sein, auch wenn er im „Jenseits“ wäre.

Eine Stunde Unmut, Zorn oder Angst, ausgesprochen oder verborgen, nimmt uns sehr viel Kraft und macht uns überdies anderen unerträglich, ja, schafft uns Feinde. Mittelbar oder unmittelbar schädigt sie uns auch im Beruf. Saure Blicke und Worte vertreiben gute Kunden. Murren und Hassen bedeuten Prügelung des eigenen Geistes. Kraft, solcherart ausgegeben, könnte zu unserer Freude, zu unserem Nutzen verwendet werden sowie etwa ein Spazierstock Prügel oder Annehmlichkeit sein kann.

Die Fähigkeit, schädigende Gedanken zu bannen oder zu vergessen, ist sonach ein wichtiges Mittel, um Körperkraft und Geistesklarheit zu gewinnen. Körperkraft und Geistesklarheit verbürgen Erfolg in allen Unternehmungen.

Sie rufen auch Geisteskraft hervor. Und die Kräfte unseres Geistes wirken zu unserem Vor-oder Nachteil auf die Körper derjenigen ein, die tausend Meilen von uns entfernt sind. Der Grund hierfür besteht darin, dass es eben eine uns allen zugehörige, vom Körper abgesonderte und selbständige Kraft gibt. Diese Kraft ist immer am Werk, wir mögen schlafen oder wachen. Unerkannt, unbewusst und also unweise gebraucht, taucht sie uns in den Schlamm des Elends und Irrtums. Einsichtsvoll und weise benützt, bringt sie uns jedes erdenklich Gute.

Diese Kraft ist unser Denken, sind unsere Gedanken. Jeder unserer Gedanken ist für unsere Gesundheit und unseren wirklichen Erfolg von vitaler Wichtigkeit. Denn nicht alles, was der Welt als Erfolg erscheint, ist wirklicher Erfolg. Erfolg auf Kosten der Gesundheit, zum Beispiel, ist kein wirklicher Erfolg.

Jeder Geist bildet, meist unbewusst, seinen besonderen Charakter, seine Art, zu denken, selbst heran. Und es ist klar, dass langgeübte Art nicht sogleich verändert werden kann. Wir haben beispielsweise unseren Geist unbewusst daran gewöhnt, schlimmen oder verdrossenen Gedanken nachzuhängen. Wir haben nie erkannt, dass Brüten über eine Enttäuschung, Leben in Kummer, Furcht vor Verlust, Qual der Angst, dies oder jenes werde sich nicht erfüllen, wie wir es wünschen, eine zerstörende Gewalt schufen, die unsere Kraft versiechen machte, Krankheit hervorrief, uns unserem Beruf nahm und den Verlust von Geld oder gar von Freunden verursachte.

Vergessen lernen ist daher ebenso notwendig und nützlich als Gedächtnisübung. Wir denken täglich an viele Dinge, an die ganz und gar nicht zu denken uns weit besser täte.

Die Kunst des Vergessens besteht darin, die unsichtbare Kraft, die uns schädigen kann, hinwegzubannen und eine Kraft dafür heranzuziehen, die uns nützlich ist.

Begehre eindringlich und ausdauernd die Eigenschaft des Charakters, die dir mangelt, und du wirst eine Stärkung dieser Eigenschaft herbeiführen. Begehre mehr Geduld oder Festigkeit, Urteilskraft oder Mut, frohe Hoffnung oder Pünktlichkeit — und du wirst diese Eigenschaften in dir wachsen fühlen. Diese Eigenschaften sind wirkliche Elemente. Sie gehören der höheren, bisher noch unerforscht gebliebenen Chemie der geistigen Welt an.

 

Der entmutigende, hoffnungslose, jammernde Mann hat unbewusst Entmutigung und Hoffnungslosigkeit begehrt. Und so hat er sie denn empfangen. Dies ist sein unbewusst geistiges Training für das üble. Der Geist ist sozusagen magnetisch, er zieht immer das Denken an, das er an sich ziehen will oder dem er sich öffnen will. Gib dich der Furcht hin — und du wirst dich immer mehr fürchten. Höre auf, ihr zu widerstehen, bemühe dich nicht, sie zu bemeistern — und du öffnest ihr Tür und Tor, du lädst sie ein, verlangst nach ihr. Raffe dich aber auf, erschaue dich selbst im Geiste oder in der Vorstellung als mutig — und du wirst starken Herzens werden! Du verlangst dann nach Mut!

Es gibt in der unsichtbaren Natur kein Höchstmaß für den Zustrom dieser geistigen Eigenschaften. Mit dem Worte Christi: „Bittet, so wird euch gegeben werden!“ ward uns gesagt; dass wir durch unser Verlangen jeder Eigenschaft, deren wir bedürfen, teilhaftig werden können. Und wenn unser Verlangen weise ist, werden wir des Besten teilhaftig werden können. Jede Sekunde eines weisen Verlangens erhöht unsere Kraft. Und wir müssen diese Erhöhung unserer Kraft niemals wieder verlieren.

Ein Mensch kann völlig ungelehrt sein und dennoch eine Geisteskraft aussenden, die andere, nah und fern, glückspendend berührt und beeinflusst, während ein Gelehrter sein Gehirn um ein Geringes mühselig abplagt. Die geistige Kraft des ungelehrten Mannes kann also weit fruchtbarer sein als die des Gelehrten. Der Intellekt soll eben mehr sein als ein Sack, darin man Tatsachen aufbewahrt. Der Intellekt soll dazu dienen, Ersprießliches zu wirken. Bücherschreiben ist nur ein Fragment der Arbeit des Intellektes.

Die größten Männer haben zuerst gedacht und dann gehandelt, wie Columbus, Napoleon, Fulton, Morse, Edison und andere beweisen, die die Welt vorwärts brachten und ihr außerdem sagten, wie sie vorwärts gebracht werden kann.

Dein Plan, Ziel oder Vorsatz — sie mögen sich nun auf Geschäft, Erfindung oder Kunstwerk beziehen — sind wirklicher Aufbau unsichtbaren Gedanken-Elementes. Solcher Gedankenaufbau ist auch ein Magnet. Er beginnt damit, so schnell als möglich helfende Kräfte heranzuziehen. Beharre auf deinem Plan oder Zweck — und diese Kräfte kommen immer näher, werden immer stärker und bringen so immer bessere Ergebnisse hervor.

Lass deinen Vorsatz fallen — und du bringst den Zustrom dieser Kräfte zum Stocken und zerstörst überdies auch den unsichtbaren, magnetischen Bau, den du bereits aufgeführt hattest. Der Erfolg in jedem Beruf hängt von der Erkenntnis und Befolgung dieses Gesetzes ab. Ausdauerndes Beharren bei einem Ziel ist eine wirkliche, magnetische Kraft, die stetig mehr und immer mehr Hilfen schafft, um jenes Ziel endlich erreichen zu können. Ist dein Körper in dem Zustand, den wir Schlaf nennen, so sind diese Kräfte dennoch tätig. Sie wirken dann auf andere Geister ein. Ist dein letzter Gedanke vor dem Einschlafen ein Gedanke der Qual oder Angst gewesen, ein Gedanke des Hasses gegen irgendwen, so wird er schlimme Folgen für dich haben. Dachtest du hoffnungsvoll, heiter, vertrauend, bejahtest du friedvoll alle Menschen, so empfingst du stärkste Kraft und wirst daraus gute Frucht ernten. Ging die Sonne über deinem Grimm unter, so wird dein wütiges Denken auf andere einwirken, während du schläfst — aber nur dir die Schädigung bringen. Die Kunst des Vergessens zu üben ist darum sehr nötig. Wir müssen den Strom, der uns im Schlaf Böses zuführt, verwandeln in einen Strom, der uns nur Gutes zuträgt. Heute denken tausende und abertausende Menschen niemals daran, den Charakter ihrer Gedanken zu kontrollieren. Sie lassen ihre Gedanken treiben. Sie sagen niemals zu einem Gedanken, der sie beunruhigt: „Ich will dich nicht denken!“ — Unbewusst verlangen sie vielmehr nach dem, was ihnen schlecht bekommt und ihre Körper werden von der Art des Denkens, an das sie sich fest saugen, krank gemacht.

Wenn du die Schädigung, die dir ein beunruhigtes Denken zufügt, klar erkennst, wird dir die Kraft zuzuströmen beginnen, mit ihr fertig zu werden. „Widerstehet dem Teufel und er wird von euch fliehen!“ sagt die Schrift. Es gibt aber keine Teufel außer den schlecht gebrauchten Kräften des Geistes. Aber diese sind überaus mächtig darin, uns zu betrüben und zu quälen. Ein mürrischer oder melancholischer Gemütszustand ist ein Teufel. Er kann uns krank machen, kann uns Freunde und Geld verlieren machen. (Geld bedeutet den Genuss von Notwendigkeiten und Annehmlichkeiten. Ohne Geld können wir nicht unser Bestes tun oder unser Bestes sein. Die Sünde, die in der „Liebe zum Geld“ eingeschlossen ist, besteht darin, das Geld als solches mehr zu lieben als die notwendigen Dinge, die allein durch Geld erlangt werden können.) Um in einem Unternehmen den größten Erfolg zu erzielen, in einer Kunst am weitesten zu kommen oder irgendeine Angelegenheit zu fördern, dazu ist nötig, dass wir zu bestimmten Tageszeiten alles vergessen, was jenes Unternehmen, jene Kunst oder Angelegenheit betrifft. Indem wir dies tun, beruhigen wir unseren Geist und sammeln frische Kraft zu erneuter Leistung.

Wessen Denken sich immer um die gleiche Sache dreht, wer immer nachsinnt oder grübelt, was er tun oder lassen solle, vergeudet diese Kraft gleichsam in der Tretmühle des Gehirns. Wir sagen uns im Gedanken immer wieder das Gleiche. Wir bauen also stetig das gleiche Gedankengebäude auf, eines die nutzlose Wiederholung des andern.

Wenn wir immer geneigt sind, über eine bestimmte Angelegenheit nachzusinnen oder uns über sie auszusprechen, wenn wir sie nicht vergessen und uns ihrer zu allen Zeiten und an allen Orten erinnern wollen, wenn wir in Wort und Gedanken nicht in den Ton verfallen wollen, der die Gesellschaft um uns herum beherrscht; wenn wir erst gar nicht versuchen, ein Interesse daran zu gewinnen, was von anderen gesprochen wird; wenn wir entschlossen sind, nur über das zu sprechen, was uns angeht oder überhaupt zu verstummen: dann sind wir in Gefahr, Monomanen zu werden, Menschen mit fixen Ideen.

Solch ein Kranker schafft sich seinen Ruf selber. Er ist von einer Idee besessen und, vielleicht ganz unbewusst, entschlossen, diese Idee jedermann aufzuzwingen. Er ist außerstande, seine Lieblingsidee oder sein Steckenpferd auch nur zeitweilig zu vergessen und auf die Gedanken anderer einzugehen. Aus diesem Grund verliert er die Kraft des Vergessens, die Kraft, jenen ihn ganz erfüllenden Gegenstand ganz aus seinem Gehirn hinauszuwerfen. Er treibt dann immer tiefer in jene Idee hinein und umgibt sich mit ihrer besonderen Atmosphäre.

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