Filmgenres: Horrorfilm

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Filmgenres: Horrorfilm
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Philipp Reclam jun. Stuttgart

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Herausgegeben von

Ursula Vossen

Philipp Reclam jun. Stuttgart

2004, 2012 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen. Made in Germany 2021

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart

ISBN 978-3-15-960125-0

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-018406-6

www.reclam.de

Inhalt

Einleitung Abkürzungen

Das Cabinet des Dr. Caligari

Hexen / Sieben Schritte zu Satan

Nosferatu – eine Symphonie des Grauens

Das Phantom der Oper

Der Untergang des Hauses Usher

Dracula

Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Frankenstein

Freaks / Monstren

Die Mumie

White Zombie

King Kong und die weiße Frau

Die schwarze Katze

Katzenmenschen

Ich folgte einem Zombie

Traum ohne Ende

Der Schrecken vom Amazonas

Kleiner Laden voller Schrecken / The Little Shop of Horrors

Peeping Tom / Augen der Angst

Psycho

Die Stunde, wenn Dracula kommt

Das Schloss des Schreckens

Der schreckliche Dr. Orloff

Tanz der Vampire

Die Nacht der lebenden Toten

Die Nacht der reitenden Leichen

Der Exorzist

Wenn die Gondeln Trauer tragen

Die Wiege des Bösen

Blutgericht in Texas / Das Kettensägenmassaker

Picknick am Valentinstag

Der weiße Hai

Carrie – Des Satans jüngste Tochter

Das Omen

Rabid – Der brüllende Tod

Suspiria

Der Schrecken der Medusa

Halloween – Die Nacht des Grauens

The Fog – Nebel des Grauens / Nebel des Grauens

Freitag der 13

Shining

American Werewolf

Poltergeist

Tanz der Teufel

Begierde

Nightmare – Mörderische Träume

Re-Animator

A Chinese Ghost Story / Verführung aus dem Reich der Toten

Hellraiser – Das Tor zur Hölle

Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis

Der Todesking

Braindead

From Dusk till Dawn

Scream – Schrei!

Ringu

Anatomie

The Blair Witch Project

The Others

Van Helsing

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Register der Filmtitel

Einleitung

Die Lust am filmischen Horror ist ein Massenphänomen, das auf allgemeinmenschlichen Urängsten beruht, aber auch entscheidend in der Geisteswelt des 19. Jahrhunderts verwurzelt ist: Marx stellte die gegebene Ordnung in Frage und attackierte die gesellschaftliche Entfremdung des Individuums; Darwin begründete die Theorie vom »survival of the fittest« als antichristliches Motto des kreatürlichen Lebenskampfes; Nietzsche verkündete mit Gottes Tod den Zusammenbruch von religiösen und spirituellen Werten; Freud schließlich blickte ins Unterbewusste und fokussierte den Schrecken, der wir selbst sind. Diese vier Reiter der neuzeitlichen Apokalypse nahmen unserer Existenz die Sicherheit und führten sie so in die Moderne. In Wechselwirkung dazu griffen Literaten und Romanciers wie John Polidori, Charles Maturin, Mary Shelley, Bram Stoker, Edgar Allan Poe, Robert Louis Stevenson, H. P. Lovecraft oder Charles Brockden Brown in der Nachfolge der ›Gothic Literature‹ von Horace Walpole, William Beckford, Ann Radcliff und Matthew Lewis die Zeitströmungen und ihre jeweiligen zentralen Ängste auf und überhöhten sie literarisch auf der Grundlage alter Mythen, Legenden und Erzählungen aus aller Herren Länder. Damit legten sie den Grundstein für einen Großteil des Figuren- und Motivinventars und der Erzählmuster des Horrorfilms, denn obwohl dieser immer noch abfällig betrachtet wird, ist er doch im Grunde (hoch)literarisch geprägt. Vielleicht ist in dieser literarischen Tradition auch – neben den Produktionsgegebenheiten – ein Grund dafür zu sehen, dass der filmische Horror stark angelsächsisch geprägt ist, ohne hervorragende und erfolgreiche Filme anderer Provenienz damit in Abrede zu stellen. Die deutsche Schauerromantik beispielsweise hat keine vergleichbaren kinematographischen Folgen gezeitigt, wie auch der deutsche Horrorfilm immer vergleichsweise unbedeutend geblieben ist. Das Kino und seine Horrorvorlagen gingen eine enge Liaison ein – manchmal durch Bühnenadaptationen vermittelt –, auch weil sie verbindet, dass beide Kinder des 19. Jahrhunderts sind. Schon Filmpioniere wie Georges Méliès (Dracula und Le Manoir du diable, beide 1896), William N. Selig (Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1908), J. Searle Dawley (Frankenstein, 1910) und der große D. W. Griffith (The Avenging Conscience, 1914, nach Werken Poes) ließen sich von den literarischen Stoffen inspirieren.

In einem weiten, wirkästhetischen Verständnis meint Horrorfilm alles, was im Kino und auf dem Bildschirm beim Zuschauer gezielt Angst, Panik, Schrecken, Gruseln, Schauer, Ekel, Abscheu hervorrufen soll – negative Gefühle in all ihren Schattierungen. Während Suspense und Spannung dem Psychothriller eigen sind, ist diese Gefühlsskala – bei aller Relativität des Genrebegriffs (vgl. Jancovich) – konstitutiv für das Horrorgenre und schlägt die Brücke zwischen seinen beiden grundlegenden Tendenzen: den phantastischen oder übersinnlichen Erzählungen um Untote wie Vampire und Zombies, um Werwölfe und Katzenmenschen, Geister und Dämonen auf der einen Seite und auf der anderen Seite den in der Wirklichkeit fundierten Geschichten, die sich so zugetragen haben könnten, mit ihren menschlichen Monstren wie Peeping Tom Mark Lewis oder Psycho Norman Bates (beide 1960), Miss Giddens (The Innocents, 1961) oder tierischen Ungeheuern wie Der weiße Hai (Jaws, 1975). Gemeinsam demonstrieren sie, dass der Horrorfilm sich letztlich immer um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse dreht und die denkbar radikalste Negation einer heilen Welt ist. »Das Heimliche wird unheimlich, das Natürliche unnatürlich, das Menschliche unnormal, die Idylle gerät zum Chaos« (Heinzlmeier/Menningen/Schulz). Stephen King, der als meistverfilmter zeitgenössischer Horrorautor das literarische Erbe des 19. Jahrhunderts angetreten hat, versuchte sich an einer dreistufigen Nomenklatur des Horrorfilms: Der Schrecken existiert in der Imagination des Zuschauers, der Film selbst deutet nur an und suggeriert; Horror präsentiert sich visuell und konkret erfahrbar, wahrt aber Grenzen des guten Geschmacks, welche die Ebene des Ekels nicht mehr kennt, die stattdessen bis in die Extreme der Gewalt geht und die Auflösung des Körpers zelebriert.

 

Im Grunde hat King damit zugleich eine Kurzcharakteristik essentieller Etappen der Horrorfilmgeschichte skizziert, von heute auf viele Zuschauer harmlos wirkenden Schreckensfilmen wie Nosferatueine Symphonie des Grauens (1922) und I Walked with a Zombie (Ich folgte einem Zombie, 1943) über Filme wie The Exorcist (Der Exorzist, 1973) hin zu den Splatter- und Gorefilmen mit hohem ›Body Count‹ und den Slasherfilmen und Fun-Splattern à la Braindead (1991). Letztere eint, dass sie die Auflösung und Destruktion des Körpers thematisieren oder zelebrieren. Die extreme Körperlichkeit dieser Filme spiegelt sich auch in ihrer Begrifflichkeit, die auf blood and guts, ›Blut und Eingeweide‹, geronnenes Blut (engl. gore), herumspritzende (engl. to splatter) Körpersäfte und Innereien sowie auf aufgeschlitzte (engl. to slash) Leiber verweist.

Eine Ausnahme von dieser Angsterzeugung bilden die Genreparodien, die mit genau den Ängsten und Genre-Topoi spielen, sie aber, wenn sie ihren Gegenstand ernst nehmen, zugleich auch unterschwellig bedienen. Das unterscheidet beispielsweise Polanski gelungenen Dance of the Vampires (Tanz der Vampire, 1967) von Mel Brooks’ unterhaltsamem Klamauk Dracula: Dead and Loving It (Dracula – Tot aber glücklich, 1996): Nach vermeintlicher Rettung trägt der schrullige Professor Abronsius das Böse, das er eigentlich vernichten wollte, in Gestalt der Neu-Vampirin Sarah und seines von ihr gebissenen Assistenten Alfred erst in die Welt hinaus. Dasselbe gilt für den Kinder-Horrorfilm, der sich in Der kleine Vampir nach den berühmten Kinderbüchern von Angela Sommer-Bodenburg komödiantisch des Subgenres Vampirfilm ohne Altersbeschränkung bedient, während in den bislang drei Harry Potter-Verfilmungen (2001, 2002 und 2004) die Horrorelemente wie in den Romanen mit zunehmendem Alter des Protagonisten verstärkt zu Tage treten. Der von Tim Burton produzierte poetische Horrorfilm Nightmare Before Christmas (1993) wurde nur auf Grund seiner Eigenschaft als Puppentrickfilm als vermeintlich kindertauglich eingeschätzt. Wie die Kurzfilme Frankenweenie (1984) und Frankenstein Punk (1986), der Anime Chôjin densetsu Urotsukidôji (Legend of the Overfiend, 1989) oder ¡Vampiros en la Habana! (1985) beweist er, dass Horrorgenre und Animationsfilm kompatibel sind, auch wenn dies eher die Ausnahme darstellt.

Wie die schwarzen (Skelett-)Männer aus Burtons Weihnachts-Nachtmahr verweisen die im Horrorfilm thematisierten Ängste auf Urängste und negative Erfahrungen der Kindheit, auf Dinge, die auch dem Erwachsenen noch Alpträume bescheren. Über die Identifikation mit den erleidenden Figuren werden sie gezielt angesprochen und ausgelöst. »Understandig fear is part of us, and must be embraced«, so Horrorspezialist Clive Barker. Immer wieder zeigt der Horrorfilm, der Halbnah- und Naheinstellungen bevorzugt, deshalb ein Gesicht voller Furcht und Entsetzen in Großaufnahme, manchmal sogar in extremer Vergrößerung. Charakteristisch ist, dass es sich um das Gesicht einer jungen Frau handelt. Diese Tatsache hat das dem Horrorfilm genuine Rollenfach der ›Scream Queen‹ hervorgebracht, in dem die im August 2004 verstorbene Fay Wray (King Kong, 1933), Barbara Steele (La maschera del demonio / Die Stunde, wenn Dracula kommt, 1960), Jamie Lee Curtis (Halloween, 1978) und Neve Campbell (Scream, 1996), jede zu ihrer Zeit, berühmt wurden, ihm aber auch harte Anfeindungen seitens der feministischen Filmkritik und der Frauenbewegung als misogyn eingetragen.

Doch anders als im wirklichen Leben können wir uns im Film ganz dem Schrecken hingeben, ihn in seinen extremen Darstellungen regelrecht lustvoll genießen, sitzen wir doch sicher im Kino- oder Fernsehsessel und müssen keine negativen Auswirkungen auf unser Leben befürchten. Es herrscht ein heimliches Einverständnis zwischen Machern und Publikum, fernab wirklicher Gefahren und Bedrohungen Schauergefühle und Gänsehaut, Schrecken und Angst miteinander zu zelebrieren, den eigenen dunklen Seiten, unausgelebten Begierden, uneingestandenen Neigungen, größten Ängsten zu begegnen. Genau mit dieser Sicherheit spielt Scream 2 (1997), wenn ein Zuschauer, der sich die verfilmten tödlichen Ereignisse des ersten Teils im Kino anschaut, zwischen Popcorn und Cola von einem Killer in der berühmt gewordenen, zu einem Schrei verzerrten Maske ermordet wird.

Obwohl ihm immer wieder Ernsthaftigkeit und Tiefgang abgesprochen wird, verhandelt der Horrorfilm letztlich existenzielle Fragen über das Gute und das Böse, den Tod und ein Leben danach. Letztlich geht es immer um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, um Gewalt, die Rache der Natur und ihrer Kreaturen. Er dringt an die ungeahnten Grenzen der Realität, des Menschlichen, des Erträglichen vor. Stets geht es um nichts weniger als um eine letale Bedrohung, um Leben und Tod. Zugleich ist dem Genre aber auch ein wichtiges reflexives Moment eigen, das den Betrachter immer wieder auf sich selbst zurückverweist und ihn mit dem Bösen in sich konfrontiert, auch wenn dies nur mittelbar über die filmische Repräsentation geschieht. Wichtig dafür ist, dass im Gegensatz zu der immer komplexer werdenden Realität eines jeden Einzelnen die Welt des Horrorfilms ein überschaubarer Mikrokosmos ist, sei es die kleine Stadt Wisborg in Nosferatu, das unwirtliche Bates-Motel aus Psycho oder die doppelte Abgeschlossenheit des düsteren Herrenhauses auf der britischen Kanalinsel Jersey in The Others (2001), die idyllischen Kleinstädte in The Fog (1980) und A Nightmare on Elm Street (Nightmare – Mörderische Träume, 1984), das insulare Urlaubsparadies in Jaws, die experimentierfreudige Jungärzte-WG in Re-Animator (1985), der Wald des Blair Witch Projects (1999) oder im Extremfall der Mensch an sich, während der Makrokosmos unendlicher Sphären hingegen typisch ist für die Science Fiction. In dem überschaubaren Rahmen des Horrorfilms und der verabredeten geschützten Rezeptionssituation kann man sich dem hingeben, was sonst nur zu gerne verdrängt wird, und die kathartische Wirkung erfahren, die schon Aristoteles in seiner Katharsis-Theorie beschrieb. Denn Horrorfilm ist eine rituelle Entäußerung grundlegender Ängste, mit dem Ziel, diese zu distanzieren, zu kontrollieren und schließlich zu überwinden. Nicht zuletzt darin bestehen der Reiz und der Erfolg dieses Genres, das so überaus lebendig und vital ist, gerade weil es so viel mit uns selbst, den eigenen Ängsten und Abgründen zu tun hat. Eine Faszination, die regelrecht süchtig machen kann. Denn die Wirkung hält so lange an, wie der Film läuft, im besten Falle auch noch ein wenig darüber hinaus, aber dann ist der Zuschauer wieder auf seine eigene Verfassung zurückgeworfen. Bis zum Kauf der nächsten Kinokarte, bis zum Griff zu einer weiteren Videokassette oder DVD, schließlich hat kein Genre außer dem Sexfilm so viele Direct-to-Video-Produktionen hervorgebracht. Sie sind Teil des gänzlich eigenen und eigentümlichen Universums, das sich der Horrorfilm geschaffen hat wie sonst vielleicht nur das Erotikkino – schließlich ist mit beiden auch eine Menge Geld zu verdienen. Anders als beim Sciene-Fiction-Genre gelang es dem Horrorfilm, sich flächendeckend auszubreiten, sowohl auf der Produktions- und Distributions- als auch auf der Rezeptionsebene. Bis heute bedient er unterschiedlichste Qualitäts- und Kommerzstufen: Auf dem Jahrmarkt der Leinwandattraktionen tummeln sich sowohl Hollywood-Großproduktionen, Mainstream-Streifen und Independents als auch Low- und No-Budget-Filme, produzieren in Ehren ergraute internationale Zeremonienmeister wie John Carpenter und Wes Craven neben Shootingstars wie Robert Rodriguez und unermüdlichen Szeneund Undergroundfilmern wie Olaf Ittenbach und Andreas Schnaas, entstehen Filme mit höchster Bild- und Tonqualität neben verwackelten und schlecht ausgeleuchteten Feierabendproduktionen auf Video oder digitalen Trägern, bei denen nur die Leidenschaft ihrer Macher größer ist als der bei jeder Einstellung ins Auge springende Mangel an Geld. Nur der Sexfilm kennt eine ähnlich reiche Sub- und Amateurkultur.

Die Gefühle, die das Horrorkino beim Betrachter auslöst, sind aber ebenso extrem individuell, wie das, was sie hervorruft, äußerst zeitabhängig ist. Horrorfilme laufen daher stärker noch als andere Genrefilme Gefahr, schnell altmodisch zu wirken, weil beispielsweise Bela Lugosi als Graf Dracula heute keine Alpträume mehr hervorruft, King Kong die Zuschauer nicht wie einst aus dem Kino rennen lässt oder der berühmte Duschmord in Psycho keinen Schock mehr auslöst. Auf diese kritischen Halbwertzeiten reagiert das Genre fast zyklisch mit zahlreichen Remakes, Bearbeitungen klassischer Protagonisten und Themen sowie Fortsetzungen, Prequels, Ripp-offs und Spin-offs, die im Idealfall versuchen, qualitativ einen genuinen Schrecken für ihre Zeit zu erzeugen, im schlechtesten und leider häufigsten Fall jedoch rein quantitativ auf mehr Blut und Eingeweide sowie einen höheren ›Body-count‹ setzen. Gelungene Neuverfilmungen der Universal-Klassiker wurden in den fünfziger und sechziger Jahren zum Grundstein des britischen Hammer Studios, bevor John Badham und Francis Ford Coppola mit ihren Interpretationen von 1979 und 1992 das Genre bereicherten; Karl Freunds The Mummy (Die Mumie, 1932) wurde nach Terence Fishers Verfilmung für die Hammer Studios (Die Rache der Pharaonen, 1959) Ende der neunziger Jahre digital zu multiplem Leben erweckt, George A. Romeros Klassiker Dawn of the Dead (1977) kam 2003 unter der Regie des Videoclip- und Werbefilmregisseurs Zack Snyder in neuem Gewand daher, das Remake von Tobe Hoopers Skandalfilm The Texas Chainsaw Massacre (Blutgericht in Texas, 1974) ließ Ende 2003 die Hollywood-Kassen klingeln, vom Siebziger-Jahre-Erfolgsfilm The Exorcist steht ein Prequel ins Haus. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Damit erreicht das Horrorkino im Gegensatz zu anderen Genres eine so starke generische Geschlossenheit, Moden und Trends eingeschlossen, dass es wie ein Perpetuum mobile wirkt und – angetrieben von unseren Ängsten und Befürchtungen sowie einem alten Stoff-, Figuren- und Motivinventar – sich dreht und dreht. Und dabei nicht verkennt, dass letztlich jede Zeit ihren eigenen Schrecken hat, der sich in neuen Motiven oder Aktualisierungen niederschlägt. Diesem als Autor und Regisseur nachzuspüren und filmisch Ausdruck zu verleihen, nicht zuletzt das macht einen guten Horrorfilm aus. Im besten Fall reagiert das Genre höchst sensibel auf gesellschaftliche und kulturelle Prozesse und Veränderungen. Ergänzend dazu gibt es Figuren wie das Horror-Baby aus It’s Alive (Die Wiege des Bösen, 1973) oder Amando de Ossorios reitende Templer aus La noche del terror ciego (Die Nacht der reitenden Leichen, 1971), die ihrer Zeit verhaftet bleiben und keine eigenen Subgenres zu begründen vermochten, aber trotzdem ihren festen Platz in der Ikonografie des Genres einnehmen, wie beispielsweise in beiden Fällen die Anspielungen des Horrorfans Peter Jackson in Braindead und der Lord of the Rings-Trilogie (2001–03) demonstrieren.

 

Der Horrorfilm gilt wie Science Fiction und Fantasy als Teil des phantastischen Kinos. Neben den mehr oder weniger reinen Horrorwerken adaptieren andere Genres, vor allem der Thriller und Science-Fiction-Film, seit Jahren verstärkt Elemente des Horrorkinos, wie dieses sich ohne Hemmungen bei ihnen bedient, exemplarisch beim Western in John Carpenters Vampires (1998), bis hin zur Genre-Mischung wie in From Dusk till Dawn (1996) und zu einer grenzwertigen Nähe zum Thriller, Science-Fiction- und Märchenfilm – dass Grimms Märchen die ersten Horrorgeschichten sind, die wir als Kinder erzählt bekommen, schlägt sich in konsequenten Märchenverfilmungen wie Snow White: A Tale of Terror (Schneewittchen, 1997) oder in Motivanleihen wie bei Carrie (1976) nieder – und nicht zuletzt zum Sexfilm. Denn neben dem Tod stehen Sexualität, erotische Verdrängung, Fehlentwicklung geschlechtlicher Identität bis hin zur Sexualpathologie oft im Fokus, sei es in Murnaus Nosferatu, in Hitchcocks Psycho oder in den Teen-Horrorfilmen, die voreheliche Sexualität so gerne abstrafen. Die Fotografin Diane Arbus versteht Horrorfilm gar als Zusammenhang von Sex und Tod.

Charakteristisch für den Horrorfilm ist, dass das Böse, der eigentliche Antagonist im Mittelpunkt steht und oft Kultcharakter erwirbt: Ungeachtet des Titels geht es bei Frankenstein nicht um den ›Mad Scientist‹, sondern um das von ihm geschaffene Monster. Ganz ähnlich Dracula, die Mumie, Jekyll/Hyde, das Phantom der Oper, Michael Myers, Jason Voorhees, Freddy Krueger, die Liste ließe sich endlos fortsetzen. »Horrorfilm, das ist immer auch ein Kino der Außenseiter, ein Kino auf Seiten der Vergessenen, der Seltsamen, der Dubiosen« (Hans Schifferle). Sie verkörpern das schlechthin Andere, Fremde und damit Unheimliche, weshalb sie auch oft ausländische Namen wie Caligari und Cesare (Das Cabinet des Dr. Caligari, 1919), Dracula, Nosferatu, Hjalmar Poelzig (The Black Cat / Die schwarze Katze, 1934), Irena Dubrovna (Cat People / Katzenmenschen, 1942) oder überdeutlich Murder Legendre (White Zombie, 1932) tragen. Eine Tradition, die von den seriellen Bösewichtern Jason Voorhees (Friday the 13th / Freitag der 13., 1980) und Freddy Krueger (A Nightmare on Elm Street) wieder aufgegriffen wurde. Schauspieler wie Boris Karloff, Bela Lugosi, Vincent Price, Christopher Lee sind als Bösewichter zu Kult-Stars mit einer großen Fan-Gemeinde geworden. Der positive Held und Retter fällt dagegen ab, bleibt bis auf wenige Ausnahmen blass und vermag sich nicht in unsere Phantasie einzuschreiben. Keiner erinnert sich an Sam Loomis, jeder jedoch an Norman Bates. Ein Sonderfall sind die ›Scream Queens‹ als Opfer mit Starqualitäten. Eine Ausnahme von der Regel, die sich in den neunziger Jahren zum Trend verstärkte, als in einem Paradigmenwechsel nicht mehr wie einst die – männlichen – Monster- und Täterdarsteller in der Nachfolge von Karloff, Lugosi und Lee zum Star wurden, sondern die – weiblichen – Opfer, Verfolgten und ›Final Girls‹ wie Neve Campell, Sarah Michelle Gellar, Courtney Cox, Jennifer Love Hewitt und Asia Argento.

In der Filmkritik, auf wissenschaftlicher Ebene und vor allem gesellschaftlich hat das Horrorgenre den denkbar schwersten Stand. Seine Werke werden nach verschiedensten Theorien und Methoden analysiert, immer wieder gerne psychoanalytisch und feministisch, bösen Verrissen sowie moralischen Verdikten ausgesetzt und zensiert, verstümmelt, verboten, denn unentrinnbar haftet ihnen der Ruf an, ästhetisch minderwertig und moralisch verderblich zu sein. Ersteres Urteil manifestiert sich darin, dass der Horrorfilm in klassischen Filmgeschichten im Vergleich zu anderen Genres deutlich unterrepräsentiert ist. Der Ausgleich erfolgt durch eine Unzahl von spezialisierten Festivals, Fanzines, Genrepublikationen und -zeitschriften wie Fangoria oder Splatting Image, wie sie kein anderes Genre kennt. Der zweite Vorwurf führt dazu, dass der Horrorfilm immer wieder auf dem gesellschaftlichen Prüfstand steht und sich mit Klischees und Vorurteilen konfrontiert sieht, sein Umgang mit Gewalt fördere die Gewaltbereitschaft seiner Zuschauer und inspiriere Jugendliche zu Nachahmertaten. Traurige Berühmtheit erlangte der ›Zombie-Prozess‹ um einen 15-Jährigen, der nach dem wiederholten Ansehen von Friday the 13th maskiert wie Jason Voorhees seine kleine Cousine und eine Nachbarin mit einer Axt und einem Buschmesser schwer verletzte. Die Debatte über die Wechselbeziehung zwischen Horrorfilm und realer Gewalt erreichte einen neuen Höhepunkt, dem aus konservativer Sicht unbequemen Filmgenre wurde eine Mitverantwortung zugeschrieben, die sich schuldmindernd für den Täter auswirkte. Das Genre reagierte auf das heikle Thema offensiv, bezog aber deutlich Stellung: In Scream 2 gibt Wes Craven dem Mörder das Tatmotiv, Film und Fernsehen öffentlich dafür verantwortlich machen zu wollen, dass er zu einem Monster geworden ist, lässt aber zugleich keinen Zweifel an der Verantwortung eines jeden Einzelnen für sein Tun.

Dieser hartnäckigen Ablehnung und Ächtung des Horrors steht die umso größere Liebe seiner Anhänger gegenüber. Die Geschichte dieses Genres ist immer auch die Geschichte seiner Fans, die kaum einem Genre so treu sind. Zugleich sind sie es leid, sich immer wieder für ihre Genrevorliebe neu legitimieren und gegen Vorverurteilungen als besonders gewalt-affin und asozial wehren zu müssen. Es ist immer noch nicht genügend akzeptiert, »dass in einer Person sowohl ein eigenes, nicht weiter zu rechtfertigendes Interesse an Bildern der Gewalt, als auch die Überzeugung Platz finden kann, dass ›Grausamkeit das Schlimmste ist, was wir tun‹ (Richard Rorty)« (Lau). Auch wenn Horrorfans in der großen Mehrzahl männlich sind, gibt es – entgegen früherer Positionen der feministischen Filmkritik – auch eine selten wahrgenommene weibliche Anhängerschaft, die eine »›subversive affinity‹ with the monster« (Cherry in Jancovich) auszeichnet. Ihre Vorliebe gilt zumeist dem Vampirfilm, während der Slasher das am wenigsten gemochte Subgenre ist.

Die für diesen Band herausgestellten Filme repräsentieren – bei aller unvermeidbaren Subjektivität und Reduktion der Auswahl – das Genre Horrorfilm in seinen Entwicklungen und verweisen wieder auf andere Genrewerke. Renommierte und Nachwuchs-Autoren gehen der Frage nach, worin bei dem jeweiligen Film das Spezifische des Horrors liegt. So wird Das Cabinet des Dr. Caligari explizit als – höchst einflussreicher – Horrorfilm rezipiert, da seine filmhistorische Bedeutung als Meisterwerk des Expressionismus lange Zeit genau diesen Blick verstellte. Der Film ist beispielhaft dafür, wie sehr nach den frühen Horrorwerken der Filmpioniere der deutsche Expressionismus das Genre inhaltlich und visuell grundlegend prägte und durch Emigranten wie Paul Leni, Karl Freund und Fritz Lang auch Hollywood beeinflusste. Mit Nosferatu gestaltete F. W. Murnau die erste bedeutende »Dracula«-Verfilmung, der Anfang der dreißiger Jahre Tod Brownings Dracula folgte und bis in die heutige Zeit unzählige weitere Bearbeitungen des Stoffes, die den Vampirfilm zu einem der vitalsten und facettenreichsten Subgenres machen. Überhaupt zählen die frühen dreißiger Jahre zu den produktivsten Phasen des Horrorfilms, als vor allem in Hollywood und den Universal Studios eine Vielzahl der stilbildenden Klassiker und Prototypen entstanden, neben Dracula Frankenstein und Dr. Jekyll and Mr. Hyde (beide 1931), White Zombie und King Kong. Obwohl sie heute teilweise veraltet und wenig beängstigend wirken, haben sie immer noch großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Genres, denn oft stellen sie als aus heutiger Sicht kindertaugliche Gruselfilme den ersten Kontakt mit dem Genre dar. Peter Jacksons Faszination für Merian C. Coopers und Ernest B. Schoedsacks King Kong führte beispielsweise dazu, dass er überhaupt Regisseur werden wollte. Dank des überragenden Erfolgs seiner Trilogie The Lord of the Rings ist er nun finanziell dazu in der Lage, sein lang gehegtes Traumprojekt einer opulenten Neuverfilmung von King Kong in die Tat umzusetzen.

Während des Zweiten Weltkriegs erlebte der Horrorfilm einen deutlichen Einbruch, galt er doch angesichts des realen Schreckens und Leides als unangemessen. In Großbritannien wurde er durch das British Board of Film Censors sogar regelrecht verboten. Der Produzent Val Lewton vermochte dem Genre jedoch neue Impulse und eine poetische Dimension zu geben: In seinem heute legendären elfteiligen Horrorzyklus für RKO mit Werken wie Cat People und I Walked with a Zombie ist das Schreckliche nicht vordergründig visuell präsent, sondern der psychologische Horror zwischen Mythen und Aberglaube kommt dank geschickter Verkürzungen und einer effektvollen Lichtdramaturgie in der Phantasie der Zuschauer zum Tragen.

Neben deutlich auf ein jugendliches Publikum spekulierenden Filmen wie I Was a Teenage Werewolf (Der Tod hat schwarze Krallen, 1957) sorgten in den fünfziger Jahren hingegen die tierischen Monster der ›Creature Features‹ für Furore und waren als Melange aus Horror und Science Fiction Ausdruck der Angst vor einer nicht mehr beherrschbaren Realität, die durch atomare Bedrohung, wissenschaftliche Experimente, Kalten Krieg und kommunistische Unterwanderung geprägt war. Der durch Strahlen mutierte Riesenaffe Godzilla (1955), wissenschaftlich manipulierte Wesen wie die giftige Riesenspinne Tarantula (1955) oder die urzeitliche Creature from the Black Lagoon (Der Schrecken vom Amazonas, 1954) reüssierten im B-Picture. Zeitgleich setzte Roger Corman auf als Farb- und Breitwandfilm opulent in Szene gesetzte Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen wie House of Usher (Die Verfluchten, 1960), obwohl die beste Adaption immer noch Jean Epsteins Stummfilm La chute de la maison Usher (Der Untergang des Hauses Usher, 1928) ist. Die britischen Hammer Studios propagierten seit Ende der fünfziger Jahre den gothic horror und schufen mit zahlreichen Neuverfilmungen wie Dracula eine eigene Marke, deren Wiederbelebung in Zuge der anhaltenden Horror-Renaissance angestrebt wurde, jedoch ohne an die früheren Erfolge anknüpfen zu können. Peeping Tom und Psycho setzten zu Beginn der sechziger Jahre neue Maßstäbe für die Ausrichtung des Genres. Der Horror wurde psycho-sexuell und in der Alltagsrealität verankert, das Böse ist keine außerhalb des Menschen existierende Kraft mehr und damit besiegbar, sondern der Mensch selbst ist das Monster. Das ›Stalker‹-Motiv sollte zudem den Horrorfilm der siebziger und achtziger Jahre entscheidend beeinflussen. Nicht zuletzt auf Grund großzügigerer Zensurbestimmungen hielten Ende der sechziger Jahre graphisch explizitere und extremere Gewaltdarstellungen aus dem Undergroundbereich Einzug in die populären Genrefilme. Dazu trugen auch der italienische und spanische Horror bei, denn der europäische Film hatte das Genrekino wie den (Spaghetti-)Western für sich entdeckt. Neben einer Vorliebe für Kannibalenfilme reüssierte der italienische Horror mit Werken von Mario Bava, Lucio Fulci, Riccardo Freda sowie ihren Nachfolgern Dario Argento, Pupi Avati, Michele Soavi und Mariano Baino, während aus Spanien der unermüdliche Vielfilmer Jesús Franco eine mittlerweile rekordverdächtige Anzahl von Filmen ablieferte. Das Subgenre des Splatterfilms prägte sich aus und wurde so dominant, dass nur noch wenige Horrorfilme ohne explizite Splatterelemente auskamen. Oft als gedankenlose Gewaltorgien abqualifiziert, fokussieren Splatterfilme eine traumatisierte Körperlichkeit und sind »in erster Linie Dokumente über das Unbehagen am eigenen Körper, weniger Ausdruck von Aggressionen als vielmehr von Traumen. […] Es sind die Opfer, um die es sich in diesen Filmen dreht. Mit ihnen soll sich der Zuschauer identifizieren und Angst haben« (Harzheim). Paradebeispiele dafür sind Horrorfilme wie The Texas Chainsaw Massacre, Halloween und Evil Dead (Tanz der Teufel, 1982). Wie Night of the Living Dead (Die Nacht der lebenden Toten, 1968), der Auftakt von George A. Romeros einflussreicher Zombie-Trilogie, die dem Bild vom Untoten eine neue Prägung gab, stehen sie für einen unabhängigen Horrorfilm, der jenseits des großen Studiobetriebes mit auffallend kleinem Budget entstand und Kino von Fans für Fans sein wollte. Erst nach dem Erfolg hielten mit den Fortsetzungen die Kommerzialisierung und damit größere Budgets Einzug. Als einflussreich erwiesen sich die US-amerikanischen E. C. Comics (so genannt nach ihrem Verlag Educational Comics, nachfolgend Entertainment Comics, der später die MAD-Hefte herausbrachte) mit ihrem grell überzeichneten Stil, skurrilen Figuren und Schockeffekten. Zu ihren Fans gehören Romero und Stephen King, die mit dem Episodenfilm Creepshow (Creepshow – Die unheimlich verrückte Geisterstunde) 1982 eine Hommage an die Welt der E. C. Comics in die Kinos brachten.

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