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Die Äbtissin von Castro

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Er redete dem armen Mädchen eine gräßliche Ketzerei ein, die ich kaum wiederzugeben wage, nämlich: wenn ein Vater seine eigne Tochter umarme, würden die Kinder, die daraus geboren werden, Heilige; ja, daß alle von der Kirche verehrten großen Heiligen solcherart zur Welt gebracht worden seien, sodaß ihr Großvater mütterlicherseits zugleich ihr Vater war.

Wenn Beatrice seinen abscheulichen Wünschen widerstand, überfiel er sie mit den grausamsten Schlägen, so daß dieses arme Mädchen solch unglückliches Leben nicht länger aushalten konnte und den Einfall hatte, dem Beispiel, das ihre Schwester ihr gegeben hatte, zu folgen. Sie richtete eine sehr eingehende Bittschrift an unsern Heiligen Vater, den Papst, aber es ist anzunehmen, daß Francesco Cenci Maßnahmen getroffen hatte, denn es scheint, daß diese Schrift nie in die Hände Seiner Heiligkeit gelangt ist; wenigstens war es unmöglich, sie im Sekretariat der Memoriali aufzufinden, als Beatrice im Gefängnis war und ihr Verteidiger das Schriftstück dringend suchte; es hätte wohl in irgendeiner Weise die unerhörten Ausschweifungen im Schloß von Petrella bezeugen können. Wäre es nicht für jedermann augenscheinlich gewesen, daß Beatrice Cenci sich im Fall der berechtigten Notwehr befunden hatte? Dies Memoriale sprach auch im Namen Lucrezias, der Stiefmutter Beatrices.

Francesco Cenci kam dieser Versuch zur Kenntnis und man kann sich denken, mit welcher Wut er die schlechte Behandlung der beiden unglücklichen Frauen verdoppelte.

Das Leben wurde ihnen gradezu unerträglich, und damals war es – da sie wohl sahen, daß sie von der Gerechtigkeit des Papstes nichts erhoffen konnten, denn die Höflinge waren durch die reichen Geschenke Francescos gewonnen – daß ihnen der Gedanke kam, zum äußersten Mittel zu greifen, das sie ins Verderben gebracht hat, aber das wenigstens den Vorteil hatte, ihre Leiden in dieser Welt zu beenden.

Man muß wissen, daß der berühmte Monsignore Guerra oft in den Palast der Cenci ging; er war hoch gewachsen und ein sehr schöner Mann und hatte die eigene Gabe vom Schicksal erhalten, daß er alles, was er tun wollte, mit einer ganz besondern Anmut vollbrachte. Man hat vermutet, daß er Beatrice liebte und die Absicht hatte, die Mantellata zu lassen, um Beatrice zu heiraten; aber obgleich er mit äußerster Sorgfalt seine Gefühle zu verbergen suchte, wurde er von Francesco Cenci verabscheut, der ihm vorwarf, mit seinen Kindern gemeinsames Spiel zu machen. Sobald Monsignore Guerra erfuhr, daß Signore Cenci von seinem Palast abwesend sei, stieg er in die Gemächer der Damen, verbrachte mehrere Stunden der Unterhaltung mit ihnen und hörte ihre Klagen über die unglaubliche Behandlung an, der alle beide ausgesetzt waren. Es scheint, daß Beatrice als erste wagte, dem Monsignore Guerra von dem Plan, den sie gefaßt hatten, zu sprechen. Mit der Zeit gewannen sie ihn dafür und auf Beatrices lebhaftes und wiederholtes Drängen willigte er ein, diesen Plan Giacomo Cenci mitzuteilen, ohne dessen Zustimmung man nichts unternehmen konnte, da er der älteste Bruder und nach Francesco das Haupt der Familie war.

Es gelang außerordentlich leicht, ihn in die Verschwörung zu ziehen: er wurde von seinem Vater äußerst schlecht behandelt und bekam nicht die geringste Unterstützung, was ihm um so empfindlicher erschien, als er verheiratet und Vater von sechs Kindern war. Man wählte für die Zusammenkünfte, wo man beriet, wie man Francesco Cenci ermorden könnte, die Wohnung des Monsignore Guerra. Die Sache ging in angemessenen Formen vor sich, und man holte bei jeder Einzelheit die Meinung der Stiefmutter und des jungen Mädchens ein. Als endlich eine Entscheidung getroffen war, wählte man Untergebene Francesco Cencis, die ihn tödlich haßten. Der eine hieß Marzio, war ein Mann von Herz und den unglücklichen Kindern Francescos sehr anhänglich; er willigte ein, an dem Vatermord teilzunehmen, um sich ihnen angenehm zu machen. Olimpio, der zweite, war vom Fürsten Colonna zum Kastellan der Festung La Petrella im Königreich Neapel ernannt worden, aber durch seinen allmächtigen Einfluß auf den Fürsten hatte ihn Francesco Cenci davonjagen lassen.

Man verabredete alles mit den beiden Männern. Da Francesco Cenci angekündigt hatte, daß er, um der schlechten Luft in Rom zu entgehen, den folgenden Sommer auf dem Kastell La Petrella verbringen würde, war man auf den Gedanken gekommen, ein Dutzend neapolitanischer Banditen anzuwerben; Olimpio erbot sich, sie herbeizuschaffen. Man entschied sich dafür, sie in den Wäldern um La Petrella zu verbergen, damit man sie unverzüglich benachrichtigen könne; wenn Francesco Cenci sich auf den Weg mache, sollten sie ihn dann von der Straße weg entführen und seiner Familie Botschaft schicken, daß sie ihn gegen ein hohes Lösegeld frei lassen würden. Dann würden die Kinder genötigt sein, nach Rom zurückzukehren, um die von den Briganten geforderte Summe zustande zu bringen; sie sollten aber vorgeben, sie nicht in solcher Schnelligkeit aufbringen zu können und die Briganten würden, wenn sie kein Geld anlangen sähen, ihrer Drohung gemäß Francesco Cenci ermorden.

Auf diese Weise sollte niemand die wirklichen Urheber dieses Todes verdächtigen können.

Aber als Francesco Cenci Anfang des Sommers von Rom nach Petrella reiste, benachrichtigte der Spion, der die Abreise melden sollte, zu spät die in den Wäldern verstreuten Banditen, und sie hatten nicht mehr Zeit, zur Landstraße hinunterzugelangen. Cenci kam ohne Hindernis nach Petrella, und die Briganten, die keine Lust hatten, noch länger auf eine zweifelhafte Beute zu warten, gingen nun anderswo auf eigne Rechnung zu rauben aus.

Was den vorsichtigen und argwöhnischen alten Francesco Cenci betraf, so wagte er sich niemals aus seinem Kastell heraus. Und weil sich seine schlechte Laune mit den zunehmenden Altersgebrechen, die ihm unerträglich waren, steigerte, verdoppelte er die grausame Behandlung, die er die armen Frauen erdulden ließ. Er behauptete, daß sie sich über seine Gebrechlichkeit freuten.

Beatrice, welche durch die schrecklichen Dinge, die sie erleiden mußte, zum Äußersten getrieben wurde, ließ Marzio und Olimpio an die Mauer des Kastells rufen. Nachts, während ihr Vater schlief, sprach sie aus einem niedrigen Fenster mit ihnen und warf ihnen Briefe zu, die an Monsignore Guerra gerichtet waren. Mittels dieser Briefe wurde verabredet, daß Monsignore Guerra tausend Piaster an Marzio und Olimpio versprechen sollte, wenn sie Francesco Cenci ermorden würden. Ein Drittel der Summe sollte ihnen in Rom durch Monsignore Guerra im voraus gezahlt werden, und die beiden andern Drittel von Lucrezia und Beatrice, sobald sie nach vollbrachter Tat über Cencis Geldschrank verfügen könnten.

Außerdem wurde noch vereinbart, daß die Sache am Tage Mariä Geburt geschehen solle, und die beiden Männer wurden durch List in die Festung eingelassen. Aber Lucrezia ließ sich durch den Respekt, den man einem Fest der Madonna schuldet, zurückhalten und bestimmte Beatrice, den Mord einen Tag hinauszuschieben, um nicht eine doppelte Sünde zu begehen.

Es war also am 9. September 1598 abends; Mutter und Tochter hatten mit großem Geschick Francesco Cenci Mohnsaft gegeben und dieser Mann, der so schwer zu täuschen war, fiel in tiefen Schlaf.

Gegen Mitternacht ließ Beatrice selbst Marzio und Olimpio in die Festung ein; darauf führten sie Lucrezia und Beatrice in das Zimmer des alten Mannes, welcher fest schlief. Dort verließ man sie, damit sie das vollbringen sollten, was ausgemacht war, und die beiden Frauen warteten im Nebenzimmer. Plötzlich sahen sie die zwei Männer bleich und ganz außer sich zurückkommen.

„Was gibt es?“ riefen die Frauen. „Daß es eine Schande und Schmach ist, einen armen schlafenden Greis zu töten!“ antworteten die Männer. „Das Mitleid hat uns gehindert zu handeln.“

Als sie diese Entschuldigung hörte, wurde Beatrice von Empörung ergriffen und begann sie zu beschimpfen, indem sie sagte: „Also Ihr Männer, die Ihr für solche Tat wohl vorbereitet seid, habt nicht den Mut, einen schlafenden Mann zu töten! Wie viel weniger würdet Ihr wagen, ihm ins Gesicht zu sehen, wenn er wach ist! Und, um es so zu Ende zu führen, habt Ihr gewagt, Geld zu nehmen! Nun wohl, da Eure Feigheit es will, werde ich selbst meinen Vater töten; und was Euch betrifft, sollt Ihr dann nicht mehr lange leben!“

Durch diese wenigen zündenden Worte wieder angefeuert und auch, weil sie eine Verminderung des festgesetzten Preises fürchteten, traten die Männer von neuem ins Zimmer ein und die Frauen folgten ihnen. Der eine nahm einen großen Nagel, setzte ihn senkrecht aufs Auge des schlafenden Alten, der andere trieb diesen Nagel mit einem Hammer in den Kopf. In der gleichen Weise ließ man einen großen Nagel in den Hals eindringen, so daß diese arme, von so vielen frischen Sünden belastete Seele vom Teufel geholt wurde; der Körper sträubte sich, allein vergeblich.

Als die Sache abgetan war, gab das junge Mädchen Olimpio eine dicke goldgefüllte Börse, Marzio gab sie einen Tuchmantel ihres Vaters, der mit goldener Tresse besetzt war und schickte die beiden fort.

Als die Frauen allein geblieben waren, begannen sie den großen in den Kopf gedrungenen Nagel, sowie den im Halse zu entfernen; dann schleiften sie den Körper, nachdem sie ihn in ein Leintuch eingewickelt hatten, durch eine lange Reihe von Zimmern bis zu einer Galerie, die auf einen verödeten Garten führte. Von dort warfen sie den Körper auf einen großen Holunderbaum, der an diesem einsamen Ort wuchs, hinab. Da am Ende dieser kleinen Galerie die Abtritte lagen, hofften sie, wenn man am nächsten Morgen den Körper des Alten in den Ästen des Holunders finden würde, auf die Vermutung, er sei am Wege zum Abtritt ausgeglitten und hinuntergestürzt.

Es geschah genau so, wie sie es vorausgesehen hatten. Am Morgen, als man den Leichnam fand, erhob sich großer Lärm in dem Kastell; die Frauen selber verabsäumten nicht, laut zu schluchzen und über den unglücklichen Tod des Vaters und Gatten zu klagen. Allein, wenn die junge Beatrice auch den Mut der beleidigten Tugend besaß, die nötige Klugheit für das Leben hatte sie noch nicht: schon am frühen Morgen hatte sie der Frau, die in der Festung die Wäsche besorgte, ein blutbeflecktes Leintuch gegeben, wobei sie ihr sagte, sie möge sich nicht über eine solche Menge Blut wundern, denn sie habe während der ganzen Nacht an großem Blutverlust gelitten, und so ging für den Augenblick alles gut.

 

Man gab Francesco Cenci ein ehrenvolles Begräbnis, und die Frauen kehrten nach Rom zurück, um die langersehnte Ruhe zu genießen. Sie glaubten an die Dauer ihres Glückes, weil sie nicht wußten, was in Neapel vor sich ging.

Die Gerechtigkeit Gottes, der nicht wollte, daß ein so fürchterlicher Vatermord unbestraft bleibe, veranlaßte, daß der oberste Richter, als man in dieser Hauptstadt erfuhr, was im Kastell Petrella vor sich gegangen war, sofort Mißtrauen empfand und einen königlichen Kommissär sandte, um den Leichnam zu untersuchen und alle verdächtigen Personen festzunehmen.

Der königliche Kommissär ließ alle, die in der Festung wohnten, verhaften. Alle diese wurden in Ketten nach Neapel geführt, aber nichts erschien in ihren Aussagen verdächtig, außer, daß die Wäscherin aussagte, sie hätte von Beatrice ein blutiges Tuch oder deren mehrere erhalten. Man fragte sie, ob Beatrice eine Erklärung für die großen Blutflecken gegeben habe; sie antwortete, daß Beatrice von einem natürlichen Unwohlsein gesprochen habe. Man fragte sie dann, ob so große Flecken von einem solchen Unwohlsein herrühren konnten; sie meinte, nein, weil die Flecken auf dem Tuch von einem zu lebhaften Rot waren.

Man schickte diese Aussage sofort an die Justizbehörde in Rom, aber trotzdem vergingen mehrere Monate, bevor man bei uns daran dachte, die Kinder des Francesco Cenci verhaften zu lassen. Lucrezia, Beatrice und Giacomo hätten sich tausendmal in Sicherheit bringen können, sei es, daß sie unter dem Vorwand einer Pilgerfahrt nach Florenz gingen, sei es, daß sie sich nach Civita Vecchia einschifften; aber Gott versagte ihnen diese rettende Eingebung.

Monsignor Guerra hatte von den Vorgängen in Neapel Mitteilung erhalten und rüstete sofort Leute aus, die er beauftragte, Marzio und Olimpio zu töten; aber nur Olimpio konnte in Terni ermordet werden. Die neapolitanische Justiz hatte Marzio verhaften lassen, der nach Neapel geführt wurde, wo er sofort alles gestand.

Diese schreckliche Aussage wurde gleich der Justiz in Rom geschickt, welche nun beschloß, Giacomo und Bernardo, die beiden einzigen überlebenden Söhne Francescos, wie auch seine Witwe Lucrezia verhaften und in das Gefängnis von Corte Savella bringen zu lassen. Beatrice wurde im Palast ihres Vaters von einem großen Trupp Sbirren bewacht. Marzio wurde aus Neapel herbeigeschafft und auch in das Gefängnis Savella gebracht; dort stellte man ihn den beiden Frauen gegenüber, die mit Standhaftigkeit leugneten; besonders Beatrice wollte durchaus nicht den Mantel mit den Tressen wiedererkennen, den sie Marzio gegeben hatte. Dieser Brigant war plötzlich voller Enthusiasmus für die bewundernswürdige Schönheit und die erstaunliche Beredsamkeit, mit der das junge Mädchen dem Richter antwortete, und leugnete alles, was er in Neapel gestanden hatte. Man folterte ihn, aber er gestand nichts und zog vor, in Qualen zu sterben: eine gerechte Huldigung der Schönheit Beatrices.

Nach dem Tode dieses Mannes und da die Rolle des Mantels nicht erwiesen war, fanden die Richter keine hinreichenden Gründe, um die beiden Söhne Cenci oder die beiden Frauen auf die Folter zu legen. Man führte sie alle vier auf das Kastell St. Angelo, wo sie mehrere Monate ganz ruhig verlebten.

Alles schien beendet und niemand in Rom zweifelte daran, daß dieses schöne, mutige Mädchen, das so lebhafte Teilnahme erregt hatte, bald in Freiheit gesetzt würde, als unglücklicherweise die Justiz den Briganten festnehmen konnte, der Olimpio in Terni getötet hatte; nach Rom überführt, gestand dieser Mann alles.

Monsignor Guerra, der durch das Geständnis des Briganten so seltsam kompromittiert war, wurde geladen, ohne Verzug vor Gericht zu erscheinen; das Gefängnis und vielleicht der Tod waren ihm sicher. Aber dieser bewundernswerte Mann, dem vom Geschick verliehen war, alles gut zu machen, gelang es, sich in einer Weise zu retten, die ans Wunder grenzt. Er galt für den schönsten Mann am päpstlichen Hof und war in Rom zu bekannt, als daß er hoffen konnte, sich zu retten; übrigens hielt man gute Wacht an den Toren und wahrscheinlich stand auch vom Augenblick der Vorladung an sein Haus unter Aufsicht. Man muß wissen, daß er sehr groß war, von weißester Hautfarbe, einen schönen blonden Bart hatte und wundervolles Haar von der gleichen Farbe.

Mit unerklärlicher Geschwindigkeit wußte er einen Kohlenhändler zu gewinnen, nahm seine Kleider, ließ sich Haar und Bart rasieren, färbte sich das Gesicht, kaufte zwei Esel und zog hinkend durch die Straßen Roms, um seine Kohlen zu verkaufen. Er nahm in bewunderungswürdiger Weise ein ungeschliffenes und stumpfsinniges Benehmen an und lief überall, den Mund voll Brot und Zwiebeln, herum, seine Kohlen ausschreiend, während hunderte von Sbirren ihn nicht nur in Rom, sondern auch auf den Landstraßen suchten. Endlich, als seine Erscheinung der Mehrzahl der Sbirren wohl bekannt war, wagte er sich aus Rom hinaus, seine zwei mit Kohlen beladenen Esel immer vor sich hertreibend. Er begegnete mehreren Abteilungen Sbirren, welche nicht daran dachten, ihn anzuhalten. Seither hat man nur noch einen Brief von ihm erhalten; seine Mutter hat ihm Geld nach Marseille geschickt, und man vermutet, daß er als Soldat in Frankreich den Krieg mitmacht.

Das Geständnis des Mörders von Terni und diese Flucht des Monsignor Guerra, die in Rom erstaunliches Aufsehen machte, mehrten den Verdacht und die Indizien gegen die Cenci in solcher Weise, daß sie aus dem Kastell St. Angelo fortgeschafft und wieder ins Gefängnis Savella gebracht wurden.

Als die beiden Brüder auf die Folter gespannt wurden, waren sie weit davon entfernt, der Seelengröße des Briganten nachzueifern; sie waren so kleinmütig, daß sie alles gestanden. Signora Lucrezia Petroni war so an die Weichheit und an die Annehmlichkeiten des großen Luxus gewöhnt und außerdem war sie so dick, daß sie die Tortur des Seils nicht ausgehalten hätte; sie sagte alles aus, was sie wußte. Aber nicht war es so mit der jungen, lebhaften und mutigen Beatrice Cenci. Weder gute Worte noch Drohungen des Richters Moscati erreichten etwas bei ihr. Sie ertrug die Torturen des Seils ohne ein Zeichen der Aufregung und mit vollendetem Mut. Niemals konnte sie der Richter zu einer Antwort bringen, die sie auch nur im mindesten kompromittierte, und weit mehr noch: es gelang ihr durch ihre geistvolle Lebendigkeit, den berühmten Richter Ulysse Moscati gänzlich in Verwirrung zu bringen. Er war dermaßen erstaunt über die Art dieses jungen Mädchens, daß er es für Pflicht hielt, Seiner Heiligkeit dem glücklich regierenden Papst Clemens VIII. davon Bericht zu erstatten.

Seine Heiligkeit wollte die Akten des Prozesses selbst einsehen. Er befürchtete, daß der durch seine profunde Wissenschaft wie durch den überragenden Scharfsinn seines Geistes so berühmte junge Ulysse Moscati von der Schönheit Beatrices getroffen worden sei und sie bei den Vernehmungen schone. Daraus folgte, daß Seine Heiligkeit ihn von der Leitung dieses Prozesses enthob und diesen einem anderen strengeren Richter gab. Wirklich hatte dieser Barbar den Mut, ohne Mitleid einen so schönen Körper ad torturam capillorum zu martern, d. h. man folterte Beatrice Cenci, indem man sie an den Haaren aufhing.

Während sie am Seil hochgezogen war, ließ dieser neue Richter ihre Stiefmutter und ihre Brüder vor Beatrice erscheinen. Sobald Giacomo und Signora Lucrezia sie so sahen, riefen sie ihr zu:

„Die Sünde ist begangen, man muß nun die Buße auf sich nehmen und sich nicht den Körper mit zweckloser Hartnäckigkeit zerreißen lassen.“

„Also Ihr wollt unser Haus mit Schande bedecken“, antwortete das junge Mädchen, „und in Schmach sterben? Ihr befindet Euch in einem großen Irrtum; aber da Ihr es wünscht, sei es.“

Und sich zu den Sbirren wendend, fuhr sie fort: „Bindet mich los, und man lese mir die Aussage meiner Mutter vor; ich werde dem zustimmen, dem zugestimmt werden muß und das leugnen, was geleugnet werden muß.“

So geschah es; sie gestand die ganze Wahrheit. Sofort nahm man allen die Ketten ab und weil es fünf Monate war, seit sie die Brüder nicht gesehen hatte, wollte sie mit ihnen speisen; sie verbrachten alle vier einen sehr heiteren Tag.

Aber am folgenden Tag wurden sie von neuem getrennt; die beiden Brüder wurden in das Gefängnis von Tordinona geführt und die beiden Frauen blieben im Gefängnis Savella. Unser Heiliger Vater, der Papst, der den authentischen Akt mit den Geständnissen aller gesehen hatte, befahl, daß sie ohne Aufschub an den Schweif ungezähmter Pferde gebunden und so zu Tode geschleift werden sollten.

Ganz Rom erschauerte, als es diese strenge Entscheidung erfuhr. Viele Kardinäle und Fürsten warfen sich dem Papst zu Füßen, indem sie ihn anflehten, den Unglücklichen zu erlauben, ihre Verteidigungsschrift einzureichen.

„Und sie, haben sie ihrem alten Vater Zeit gegeben, die seine zu überreichen?“ antwortete unwillig der Papst.

Schließlich genehmigte er aus besonderer Gnade einen Aufschub von fünfundzwanzig Tagen. Sogleich begannen die ersten Advokaten Roms in dieser Sache, welche die ganze Stadt mit Aufregung und Mitleid erfüllt hatte, zu schreiben. Am fünfundzwanzigsten Tag erschienen sie alle zusammen vor Seiner Heiligkeit. Nicolo d'Angelis sprach als erster; aber er hatte kaum zwei Zeilen seiner Verteidigungsschrift gelesen, als Clemens VIII. ihn unterbrach:

„Also, es finden sich in Rom Menschen, die ihren Vater ermorden und danach Advokaten, welche diese Menschen verteidigen!“ Alle schwiegen, als Farinacci wagte, das Wort zu ergreifen.

„Heiligster Vater,“ sagte er, „wir sind nicht hier, um das Verbrechen zu verteidigen, sondern um zu beweisen, wenn wir es können, daß einer oder mehrere dieser Menschen am Verbrechen unschuldig sind.“

Der Papst gab ihm das Zeichen, zu sprechen, und er sprach drei lange Stunden; danach nahm der Papst alle ihre Schriftstücke an sich und schickte sie fort. Als sie gingen, war Altiere der Letzte; er hatte Furcht, sich kompromittiert zu haben und warf sich vor dem Papst auf die Knie, indem er sagte:

„Es blieb mir nichts übrig, als in dieser Sache zu erscheinen, denn ich bin Anwalt der Armen.“

Worauf der Papst antwortete:

„Wir wundern uns nicht über Euch, sondern über die anderen.“

Der Papst wollte sich nicht niederlegen, sondern verbrachte die ganze Nacht damit, die Verteidigungsschriften der Advokaten zu lesen; er ließ sich bei dieser Arbeit von dem Kardinal von San Marcello helfen. Seine Heiligkeit schien dermaßen gerührt, daß man etwas Hoffnung für das Leben dieser Unglücklichen schöpfen konnte. Um die Söhne zu retten, suchten die Advokaten die ganze Schuld auf Beatrice zu wälzen. Da im Prozeß bewiesen worden war, daß ihr Vater mehrmals in einer verbrecherischen Absicht Gewalt angewendet hatte, hofften die Advokaten, daß ihr der Mord vergeben würde, da sie sich im Zustand der berechtigten Notwehr befand; und wenn es so geschah, daß dem Haupturheber des Verbrechens das Leben geschenkt wurde, wie wäre es möglich, ihre Brüder, die durch sie verleitet waren, mit dem Tode zu bestrafen?

Nach dieser in seinen Pflichten als Richter verbrachten Nacht, befahl Clemens VIII., daß die Angeklagten ins Gefängnis zurückgeführt und in geheimer Haft gehalten würden. Es war erwiesen, daß Beatrice den Monsignor Guerra liebte, aber niemals die Regeln der strengsten Tugend überschritten hatte: man konnte ihr also bei wahrer Gerechtigkeit nicht die Verbrechen eines Ungeheuers anrechnen und sie strafen, weil sie von ihrem Verteidigungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Was hätte man getan, wenn sie eingewilligt hätte? Mußte es sein, daß die menschliche Rechtsprechung das Mißgeschick eines so liebenswürdigen, so bemitleidenswerten und schon so unglücklichen Wesens noch vergrößerte? Hatte sie nicht nach einem so traurigen Leben, daß sie schon, bevor sie 16 Jahr alt war, mit allen Arten des Unglücks überhäuft hatte, das Recht auf weniger schreckliche Tage? Jedermann in Rom schien ihre Verteidigung übernommen zu haben. Wäre ihr nicht verziehen worden, wenn sie Francesco Cenci erdolcht hätte, als er zum ersten Mal das Verbrechen versuchte?

Papst Clemens VIII. war milde und voll Erbarmen. Wir begannen zu hoffen, er würde, – ein wenig beschämt über die Grille, die ihn das Beweisverfahren der Advokaten hatte unterbrechen lassen, – jener verzeihen, die Gewalt mit Gewalt vergolten hatte, und wahrhaftig nicht als vorschnelle Erwiderung des Verbrechens, sondern erst, als man es von neuem an ihr versuchen wollte. Ganz Rom war in ängstlicher Spannung; da erhielt der Papst die Nachricht des gewaltsamen Todes der Marchesa Constanza Santa Croce. Ihr Sohn Paolo Santa Croce hatte diese sechzig Jahre alte Dame mit Dolchstichen getötet, weil sie sich nicht verpflichten wollte, ihn zum Erben aller ihrer Güter einzusetzen. Der Bericht fügte hinzu, daß Santa Croce die Flucht ergriffen habe und daß man keine Hoffnung hätte, ihn festzunehmen. Der Papst erinnerte sich an den Brudermord der Massini, der vor kurzer Zeit begangen worden war. Aufs Tiefste betrübt über diese Häufung von Morden an Nahverwandten, glaubte Seine Heiligkeit, es sei nicht gestattet, zu verzeihen. Als der Papst den verhängnisvollen Bericht über Santa Croce erhielt, befand er sich, es war am 6. September, im Palast von Monte Cavallo, um am folgenden Tage ganz in der Nähe der Kirche Santa Maria degli Angeli zu sein, wo er einen deutschen Kardinal zum Bischof weihen sollte.

 

Am Freitag, zur zweiundzwanzigsten Stunde, das ist vier Uhr nachmittags, ließ er Ferrante Taverna, den Gouverneur von Rom, rufen und sagte diesem wörtlich: „Wir geben die Sache der Cenci an Euch, damit das Recht durch Eure Fürsorge und ohne jeden Aufschub geschehe.“

Der Gouverneur kam, sehr bewegt von dem Auftrag, den er erhalten hatte, in seinen Palast zurück; er fertigte sogleich das Todesurteil aus und berief die Kongregation, um über die Art der Vollstreckung zu beraten.

Samstag früh, am 11. September 1599, begaben sich die ersten Signori Roms, Mitglieder der Brüderschaft der Confortatori, in die beiden Gefängnisse, nach Corte Savella, wo Beatrice und ihre Stiefmutter waren und nach Tordinona, wo sich Giacomo und Bernardo Cenci befanden. Während der ganzen Nacht vom Freitag zum Sonnabend taten die römischen Herren, die erfahren hatten, was vorging, nichts anderes, als vom Palazzo Monte Cavalli zu denen der ersten Kardinäle zu eilen, um wenigstens zu erreichen, daß die Frauen im Innern des Gefängnisses hingerichtet würden und nicht auf schmählichem Schafott, und daß man den jungen Bernardo Cenci begnadigte, da er kaum fünfzehn Jahr alt und gewiß nicht ins Verbrechen eingeweiht gewesen sei. Der edle Kardinal Sforza hat sich vor allen in dieser verhängnisvollen Nacht durch seinen Eifer ausgezeichnet; aber ein so mächtiger Fürst er auch war, konnte er doch nichts ausrichten. – Das Verbrechen von Santa Croce war ein niedriges Verbrechen, es war wegen des Geldes begangen; doch das Verbrechen Beatrices war begangen, um die Ehre zu retten.

Während die mächtigsten Kardinäle so viele unnütze Schritte taten, hatte unser großer Rechtsgelehrter Farinacci die Kühnheit, zum Papst vorzudringen und, bei seiner Heiligkeit angelangt, besaß dieser erstaunliche Mann die Geschicklichkeit, ihn bei seiner Gewissenhaftigkeit zu packen und schließlich gelang es ihm, Bernardo Cenci das Leben zu retten.

Als der Papst dies große Wort aussprach, konnte es vier Uhr morgens sein (vom Sonnabend, dem 11. September). Die ganze Nacht war auf dem Platz bei der Engelsbrücke an den Vorbereitungen dieser grausamen Tragödie gearbeitet worden. Indessen waren alle notwendigen Abschriften des Todesurteils erst um fünf Uhr morgens beendet, so daß man den armen Unglücklichen, die ruhig schliefen, erst um sechs Uhr früh die verhängnisvolle Nachricht ankündigen konnte.

Das junge Mädchen vermochte zuerst nicht einmal die Kraft zu finden, sich anzukleiden. Sie stieß in einem fort durchdringende Schreie aus und überließ sich ganz haltlos der schrecklichsten Verzweiflung. „Wie ist es möglich, oh! Gott!“ schrie sie, „daß ich so unvorbereitet sterben muß?“

Lucrezia dagegen benahm sich ganz gefaßt; erst kniete sie nieder und betete, dann forderte sie gelassen ihre Tochter auf, sich mit ihr in die Kapelle zu begeben, um sich mit ihr auf den großen Übergang vom Leben zum Tode vorzubereiten.

Dies Wort gab Beatrice ihre ganze Ruhe wieder; soviel Maßlosigkeit und Aufwallung sie zuerst gezeigt hatte, so gefaßt und verständig war sie nun, seit ihre Stiefmutter ihre große Seele zu sich selbst zurückgerufen hatte. Von diesem Augenblick an war sie ein Spiegel der Standhaftigkeit, den ganz Rom bewundert hat.

Sie verlangte einen Notar, um ihr Testament zu machen, was ihr bewilligt wurde. Sie bestimmte, daß ihr Leichnam nach San Pietro in Montorio gebracht werde und hinterließ den Nonnen der Wundmale des Heiligen Franziskus 300 000 Francs, welche Summe dazu dienen sollte, fünfzig arme Mädchen auszustatten. Dieses Beispiel bewegte auch die Signora Lucrezia dazu, daß sie ihr Testament machte und die Anordnung traf, ihren Leichnam nach San Giorgio zu überführen; sie hinterließ 500 000 Francs Almosen für diese Kirche und machte noch andere fromme Legate.

Um acht Uhr beichteten sie, hörten darauf die Messe und nahmen das Heilige Abendmahl. Aber bevor sie zur Messe gingen, erwog Beatrice, daß es nicht passend sei, auf dem Schafott, vor den Augen des ganzen Volks mit den reichen Gewändern zu erscheinen, die sie trugen. Sie bestellte zwei Kleider, das eine für sich, das andere für ihre Mutter. Die Gewänder wurden wie Nonnenkutten gearbeitet, ohne Aufputz an Brust und Schultern, nur gefältelt mit weiten Ärmeln. Das Kleid der Stiefmutter war aus schwarzer Baumwolle, das des jungen Mädchens aus blauem Taft mit einer dicken Schnur, welche den Gürtel bildete.

Als man die Kleider brachte, erhob sich Signora Beatrice, die auf den Knien lag und sagte der Signora Lucrezia: „Frau Mutter, die Stunde unsres Leidens nähert sich, es wird gut sein, daß wir uns bereiten; legen wir diese neuen Gewänder an und leisten wir uns zum letztenmal gegenseitig den Dienst, uns anzukleiden.

Man hatte auf dem Platz vor der Engelsbrücke ein Schafott errichtet. Um die dreizehnte Stunde (acht Uhr morgens) brachte die Brüderschaft der Barmherzigkeit ihr großes Kruzifix zur Tür des Gefängnisses. Giacomo Cenci schritt als erster aus dem Kerker; er kniete fromm auf der Schwelle nieder, betete und küßte die heiligen Wunden des Gekreuzigten. Ihm folgte sein junger Bruder Bernardo Cenci, der gleich ihm gebundene Hände und ein kleines Brett vor den Augen hatte. Die Menge war ungeheuer und es entstand ein Tumult, weil eine Vase aus einem Fenster fast auf den Kopf eines der Bußbrüder fiel, der eine brennende Fackel zur Seite des Banners trug.

Alles sah auf die beiden Brüder, als unversehens der Fiskal von Rom hervortrat und sagte: „Signor Bernardo, unser Heiliger Vater schenkt Euch das Leben, fügt Euch darein, Eure Verwandten zu begleiten und bittet Gott um Gnade für sie.“

Sogleich nahmen ihm seine beiden Begleiter das kleine Brett fort, das er vor den Augen trug. Der Henker machte Giacomo Cenci für den Karren bereit und hatte ihm schon sein Gewand ausgezogen, um ihn mit der Zange zwicken zu können. Als der Henker zu Bernardo kam, beglaubigte er die Unterzeichnung der Begnadigung, band ihn los, nahm ihm die Handschellen ab und weil er wegen der Marter mit der Zange ohne Rock war, setzte ihn der Henker auf den Karren und hüllte ihn in einen prächtigen Tuchmantel mit goldenen Tressen. Man sagte, daß es der Mantel sei, den Beatrice nach der Tat in der Festung La Petrella Marcio gegeben hatte. Die ungeheure Menge in den Straßen an den Fenstern und auf den Dächern kam plötzlich in Bewegung; man hörte ein dumpfes, tiefes Murmeln, man begann weiterzusagen, daß dieses Kind begnadigt sei.

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