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Armadale

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»Sie brauchen Geld’, sagte ich. »Wie nun, wenn ich zu arm wäre, Ihnen welches zu geben?«

»In dem Falle«, entgegnete er, »muß ich daran denken, daß Sie selbst ein Schatz für mich sind. Ich würde mich in die schmerzliche Nothwendigkeit versetzt finden, einem der beiden Herren, die ich mit Ihnen in der Oper sah, meine Ansprüche auf Sie begreiflich zu machen, dem Herrn natürlich, den Sie jetzt mit Ihrer Gunst beglücken.«

Ich antwortete ihm nicht, denn ich hatte keine Antwort zu geben. Meine Worte wären doch nur verschwendet gewesen, hätte ich ihm seine Ansprüche an mich bestreiten wollen. Er wußte so gut wie ich, daß er auch nicht den Schatten von Anspruch an mich hatte. Allein ebenso gut wußte er, daß der bloße Versuch, einen solchen Anspruch zu erheben, mein ganzes früheres Leben nothwendig ans Licht ziehen und mich bloßstellen mußte.

Noch immer schwieg ich und sah auf die See hinaus. Warum, weiß ich nicht, vielleicht weil ich instinctgemäß lieber irgend sonst wohin sehen wollte als auf ihn.

Ein kleines Segelboot näherte sich der Küste. Den Mann, der es steuerte, verbarg das Segel, aber das Boot war so nahe, daß ich die Flagge auf dem Maste zu erkennen glaubte. Ich sah nach der Uhr. Ja, es war Armadale, der von Saum-Lucia herüberkam, uns in gewohnter Weise zu besuchen.

Ehe ich meine Uhr wieder in den Gürtel gesteckt hatte, sah ich die Mittel und Wege, mich aus der entsetzlichen Lage zu ziehen, in der ich mich befand, so deutlich vor mir, wie ich sie jetzt vor mir sehe.

Ich kehrte um und schritt einem höheren Punkte des Strandes zu, wo mehrere Fischerkähne an das Land gezogen waren, die uns den Blicken jedes unten Landenden vollkommen verbargen. Manuel sah wahrscheinlich, daß ich meine bestimmte Absicht dabei hatte, und folgte mir, ohne ein Wort zu äußern. Sobald wir unter dem Schirme der Boote sicher waren, zwang ich mich, zu meiner eigenen Rettung, ihn wieder anzusehen.

»Was würden Sie sagen«, fragte ich, »wenn ich nicht arm, sondern reich wäre? Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen hundert Pfund geben könnte?«

Er stutzte. Ich sah deutlich, daß er sich nicht auf die Hälfte der erwähnten Summe Hoffnung gemacht hatte. Daß seine Zunge log, während sein Gesicht die Wahrheit sprach, und daß er mir zur Antwort gab: »Lange nicht genug«, ist überflüssig zu bemerken.

»Wie wäre es«, fuhr ich fort, ohne von Dem, was er sagte, Notiz zu nehmen, »wie wäre es, wenn ich Ihnen das Mittel zeigen könnte, wodurch Sie sich doppelt, dreimal, fünfmal soviel wie hundert Pfund zu verschaffen vermöchten? Wären Sie kühn genug, Ihre Hand auszustrecken und es zu nehmen?«

Von neuem funkelten seine Augen vor Begierde. In athemloser Erwartung meiner nächsten Worte sank seine Stimme zu einem Flüstern herab.

»Wer ist die Person?« fragte er. »Und welches Risico ist dabei?«

Ich antwortete ihm auf der Stelle in den deutlichsten Worten. Wie ich ein Stück Fleisch der wilden Bestie vorgeworfen hätte, die mich verfolgte, so warf ich ihm Armadale vor.

»Die Person ist ein reicher junger Engländer«, sagte ich. »Er hat eben die hier im Hafen liegende Yacht Dorothea gemiethet und braucht nun einen Bootsmeister und eine Mannschaft Sie sind vordem Offizier in der spanischen Marine gewesen, Sie sprechen englisch und italienisch gleich geläufig, Sie sind mit Neapel und Allem, was zu ihm gehört, gründlich bekannt. Der reiche junge Engländer kennt die Sprache nicht und der Dolmetscher, welcher ihm dient, versteht nichts vom Seewesen. Er weiß nicht mehr, wo und wie er sich hier an diesem fremden Orte die nöthige Hilfe verschaffen soll, kennt die Welt nicht besser als das Kind, das dort mit seinem Stöckchen Löcher in den Sand gräbt, und trägt all sein Geld in Creditbriefen bei sich. Soviel hinsichtlich der Person. Das Risico mögen Sie selbst schätzen.«

Mit jedem Worte, welches ich sprach, wurde der gierige Glanz in seinen Augen heller und heller. Ehe ich geendet hatte, war er schon völlig bereit, das Risico zu übernehmen.

»Wann kann ich den Engländer sehen?« fragte er hastig.

Ich näherte mich dem der See zugekehrten Ende des Kahns und bemerkte, daß Allan eben ans Land stieg.

»Sie können ihn jetzt sehen«, antwortete ich und deutete auf die Stelle.

Nach einem langen Blicke auf Armadale, der sorglos den Hang des Strandes hinanschlenderte, zog sich Manuel hinter das schützende Boot zurück. Er wartete einen Augenblick, versank in tiefes Nachdenken und stellte mir dann, diesmal im leisesten Flüstern, eine neue Frage.

»Wenn das Schiff bemannt ist«, sagte er, »und der Engländer in See sticht, wie viele Freunde werden mit ihm segeln?«

»Er hat nur zwei Freunde hier«, entgegnete ich, »den andern Herrn, den Sie in der Oper gesehen haben, und mich. Er wird uns beide einladen, ihn auf der Fahrt zu begleiten, wir werden beide aber ablehnen.«

»Stehen Sie mir dafür?«

»Ich stehe Ihnen unbedingt dafür.«

Er ging ein paar Schritte von mir fort und blieb dann, das Gesicht von mir abgewandt, abermals nachdenkend stehen. Alles, was ich sehen konnte, war, daß er seinen Hut abnahm und sich die Stirn mit dem Taschentuch abwischte, Alles, was ich hören konnte, daß er in höchster Aufregung in seiner Muttersprache zu sich selbst sprach.

Als er zu mir zurückkam, bemerkte ich eine Veränderung an ihm. Sein Gesicht überzog ein häßliches fahles Gelb und seine Augen sahen mich mit feindseligem Mißtrauen an.

»Eine letzte Frage«, sagte er und trat näher an mich heran, während er mit einem auffälligen Nachdruck fortfuhr: »Was haben Sie für ein Interesse bei der Sache?«

Ich schrak vor ihm zurück. Die Frage mahnte mich, daß ich ein Interesse bei der Sache hatte, das mit dem andern Interesse, Manuel und Midwinter von einander fern zu halten, ganz und gar nicht im Zusammenhange stand. Bis jetzt hatte ich blos daran gedacht, daß Midwinter’s Fatalismus mir den Weg gebahnt hatte, indem er von vornherein Armadale jedwedem Fremden preisgab, der diesem in seiner Verlegenheit zu Hülfe kam. Bis jetzt war das Einzige was ich im Auge hatte, der Gedanke gewesen, durch Aufopferung Armadale’s mich selbst gegen die Bloßstellung zu schützen, die mir drohte. In meinem Tagbuche lüge ich nicht. Ich heuchle nicht, daß ich keinen Augenblick Armadale’s Geldbeutel oder die Sicherheit von Armadale’s Leben in Erwägung gezogen habe. Ich haßte ihn zu wüthend, um mich um die Fallen zu kümmern, die meine Zunge ihm vielleicht unter die Füße legte. Gewiß aber hatte ich vor jener letzten Frage nicht bedacht, daß Manuel, wenn er in seiner gewissenlosen Geldgier seinen eigenen Zwecken diente, auch meine Pläne fördern. Die eine alles Andere überwiegende Sorge, mich von einer Bloßstellung vor Midwinter zu retten, hatte meinen Geist derart erfüllt, daß sie jeden andern Gedanken ausschloß.

Da ich nicht alsbald antwortete, so wiederholte Manuel seine Frage in einer andern Wendung.

»Sie haben mir Ihren Engländer vorgeworfen«, sprach er, »wie man weiland dem Cerberus seinen guten Bissen zuwarf. Würden Sie dazu so völlig bereit sein, wenn Sie nicht noch Ihre besonderen Motive dazu hätten? Ich wiederhole meine Frage; Sie haben ein Interesse bei der Sache – worin besteht es?«

»Ich habe zweierlei Interessen«, antwortete ich. »Einmal das Interesse, Sie zu zwingen, daß Sie meine hiesige Stellung respectiren, und dann das Interesse, mich für immer und ewig von Ihrem Anblicke zu befreien? Ich sprach mit einer Kühnheit, wie er sie bisher noch nicht an mir gewohnt gewesen war. Das Bewußtsein, daß ich den Schuft zu einem Werkzeuge in meinen Händen machte und ihn zwang, blindlings meine Pläne zu fördern, während er seine eigenen Zwecke verfolgte, hoben meinen Muth; ich war wieder ich selbst.

Er lachte. »Starke Worte sind bei gewissen Gelegenheiten das Privilegium der Damen«, sagte er. »Vielleicht befreien Sie sich für immer und ewig von meinem Anblicke, vielleicht auch nicht. Wir wollen die Entscheidung darüber der Zukunft überlassen. Allein das andere Interesse, welches Sie bei der Sache haben, kann ich nicht recht begreifen. Was ich von dem Engländer und seiner Yacht wissen muß, das haben Sie mir gesagt und haben mir keine Bedingungen gestellt, ehe Sie den Mund aufthaten. Wodurch wollen Sie mich zwingen, wie Sie sagen, Ihre, hiesige Stellung zu respectiren?«

»Das will ich Ihnen erklären«, versetzte ich. »Zuerst sollen Sie meine Bedingungen hören. Ich bestehe darauf, daß Sie mich binnen fünf Minuten verlassen; ich bestehe darauf, daß Sie sich nie wieder in der Nähe des Hauses sehen lassen, wo ich wohne, und ich verbiete Ihnen, sich jemals wieder, auf welchem Wege es auch sei, mit mir oder mit dem andern Herrn in Verbindung zu setzen, welchen Sie mit mir im Theater gesehen haben?

»Und wenn ich nun nein sagte?« fiel er ein. »Was wollen Sie in diesem Falle thun?«

»In dem Falle«, antwortete ich, »werde ich dem jungen Engländer zwei Worte sagen, und Sie werden Ihren Platz im Opernchore wieder einnehmen?

»Sie sind ein kühnes Weib, daß Sie es für ausgemacht halten, ich hätte schon meine Absichten auf den Engländer und sicher dabei reüssiren würde. Wie wissen Sie —«

»Ich kenne Sie«, sagte ich, »und das ist genug.«

Einen Augenblick schwiegen wir beide. Er sah mich an und ich ihn. Wir verstanden einander.

Er war der erste, welcher wieder das Wort nahm. Das schurkische Lächeln erstarb auf seinem Gesichte und seine Stimme sank von neuem mißtrauisch zu den leisesten Tönen herab.

»Ich nehme Ihre Bedingungen an«, sprach er. »So lange als Ihre Lippen verschlossen sind, werden es auch die meinigen sein, ausgenommen, wenn ich finde, daß Sie mich hintergangen haben. In diesem Falle ist unser Vertrag gelöst und Sie werden mich wiedersehen. Morgen werde ich mich dem Engländer mit den erforderlichen Zeugnissen vorstellen, die mir sein Vertrauen gewinnen sollen. Sagen Sie mir seinen Namen!«

Ich nannte ihn.

 

»Geben Sie mir seine Adresse!«

Ich gab sie ihm und wandte mich zum Gehen. Noch ehe ich aber aus dem Schutze der Boote herausgetreten war, hörte ich ihn wieder hinter mir.

»Noch ein Wort«, sagte er. »Manchmal passieren Unglücksfälle aufs der See. Interessiert Sie der Engländer genug, daß, im Falle ihm ein Unglück zustößt, Sie wissen wollen, was aus ihm geworden ist?«

Ich blieb stehen und überlegte meinerseits. Es war mir unverkennbar mißlungen, ihn zu überzeugen, daß ich, indem sich ihm Armadales Geld und in wahrscheinlicher Folge auch Armadale’s Leben preisgab, kein besonderes geheimes Interesse dabei verfolgte. Und ebenso war es jetzt klar, daß er in seiner Verschlagenheit sich selbst mit meinen geheimen Plänen in Verbindung zu bringen suchte, indem er die Wege zu einem späteren Verkehre zwischen uns anbahnen wollte. Unter den obwaltenden Umständen konnte kein Zweifel sein, wie ich ihm zu antworten hatte; Wenn der UnglücksfalL auf welchen er anspielte, Armadale wirklich traf, so brauchte ich Manuel’s Vermittelung nicht, um Kenntniß davon zu erhalten. Ein leichtes Studium der Todeslisten in den Spalten der englischen Zeitungen benachrichtigte mich ja von Allem, was ich wissen wollte, und gewährte mir noch den weitem Vortheil, daß man in einer derartigen Angelegenheit auf die Wahrheit der Blätter bauen konnte. Ich dankte also Manuel in aller Form und lehnte seinen Vorschlag ab. »Da mich der Engländer nicht weiter interessiert«, sagte ich, »so hege ich auch nicht den besonderen Wunsch, von seinem Schicksale benachrichtigt zu werden.«

Er sah mich einen Augenblick aufmerksam und mit einem gewissen Interesse an, das er mir selbst noch nicht gezeigt hatte.

»Mag das Spiel, das Sie spielen«, erwiderte er, langsam und nachdrücklich sprechend, »sein, welches es will, ich mache keinen Anspruch darauf, es zu erfahren. Nichtsdestoweniger aber wage ich eine Prophezeiung: Sie werden es gewinnen. Denken Sie daran, wenn wir uns wieder treffen.« Er nahm seinen Hut ab und verneigte sich gravitätisch. »Gehen Sie Ihren Weg, Madame, und lassen Sie mich meinen gehen!«

Mit diesen Worten erlöste er mich von seinem Anblick. Ich blieb noch eine Minute, um mich in der frischen Luft wieder zu sammeln, und kehrte dann nach Hause zurück.

Der erste Gegenstand, auf den meine Augen fielen, als ich in das Wohnzimmer eintrat, war Armadale selbst.

Er hatte auf meine Heimkunft gewartet, um mich zu bitten, daß ich meinen Einfluß auf seinen Freund geltend machen möchte. Ich fragte, was er damit meinte, und erfuhr, daß Midwinter bereits gethan, was er beim nächsten Zusammensein mit Armadale hatte thun wollen. Er hatte diesem mitgetheilt, daß er mit seinem Journalartikel nicht so bald fertig werden könne, wie er gehofft, und ihm gerathen, er möchte sich eine Mannschaft für die Yacht zu verschaffen suchen, ohne auf seine Beihilfe zu warten.

Dies Vernehmend, hatte ich nun das Versprechen zu erfüllen, das ich Midwinter gegeben, als er mir mein Verfahren in dieser Angelegenheit vorgezeichnet. Armadales Aerger über meinen Beschluß, nicht zu vermitteln, äußerte sich in der vor allen andern mich am meisten beleidigenden Gestalt. Er wollte meinen wiederholten Betheuerungen, daß ich keinen Einfluß besäße, den ich zu seinen Gunsten geltend machen könne, durchaus nicht glauben. »Wäre Neelie meine Frau«, sagte er, »sie könnte mit mir Alles machen, was sie wollte, und ich bin überzeugt, wenn Sie nur wollen, Sie können mit Midwinter auch Alles machen, was Sie wollen.« Hätte der verblendete Narr wirklich die letzten schwachen Regungen von Reue und Mitleid in meinem Herzen ersticken wollen, so hätte er diesem verhängnißvollen Besuche nichts Entsprechenderes sagen können! Ich warf ihm einen Blick zu, welcher ihn, soweit ich dabei in Frage kam, energisch zum Schweigen brachte. Grollend und murrend ging er aus dem Zimmer. »Alles ganz schön«, sprach er zu sich selbst, »von der Bemannung der Yacht zu reden. Ich verstehe kein Wort von ihrem Kauderwelsch hier und der Dolmetscher denkt, ein Fischer und ein Seemann sind eins und dasselbe. Man mag mich hängen, wenn ich weiß, was ich mit dem Schiffe anfangen soll, jetzt, wo ich’s gemiethet habe!« Morgen wird er’s wahrscheinlich wissen. Und wenn er wie gewöhnlich zu uns kommt, so werde auch ich es wissen!

Den 25. October, zehn Uhr abends. Manuel hat ihn! Er hat uns so eben verlassen, nachdem er länger als eine Stunde hier gewesen ist und die ganze Zeit von nichts Anderm gesprochen hat als von seinem wunderbaren Glück, das ihn gerade die Hilfe finden ließ, wo er sie am nothwendigsten brauchte.

Heute Nachmittag war er auf dem Molo mit seinem Dolmetscher, wie es scheint, und versuchte vergeblich sich der am Strande umherlungernden Bevölkerung verständlich zu machen. Gerade als er in Verzweiflung das Beginnen aufgab, bot ein Fremder, der in der Nähe stand – vermuthlich war ihm Manuel vom Hotel nach dem Molo gefolgt – freundlich seine Vermittelung bei dem Geschäfte an. »Ich spreche Ihre Sprache, Sir, und die der Leute da«, sagte er, kenne Neapel gut und bin durch meinen Beruf mit dem Meere vertraut. Kann ich Ihnen dienen?« Das unvermeidliche Resultat erfolgte. In seiner gewohnten unbeholfenen Manier wälzte Armadale ohne Verzug und Bedenken alle seine Schwierigkeiten auf die Schultern des artigen Fremden. Sein neuer Freund drang indeß so ehrenhaft wie möglich darauf, erst die üblichen Formalitäten zu erfüllen, ehe er zugeben könne, daß die Sache in seine Hände gelegt würde. Er bat um die Erlaubniß, Mr. Armadale mit seinen Zeugnissen über Charakter und Befähigung aufwarten zu dürfen. Nachmittags war er dann verabredetermaßen mit allen seinen Papieren und mit der traurigsten Geschichte von seinen Leiden und Entbehrungen als politischer Flüchtling, die Armadale jemals gehört hatte, im Hotel erschienen. Die Unterredung war entscheidend. Mit dem Auftrage, die nöthige Mannschaft für die Yacht zu werben und während der beabsichtigten Versuchsreise den Posten eines Bootsmeisters zu bekleiden, verließ Manuel das Hotel.

Gespannt beobachtete ich Midwinter, während Armadale uns diese Einzelheiten erzählte, und auch dann als dieser die Zeugnisse seines neuen Bootsmeisters vorlegte, die er seinem Freunde zur Einsichtnahme mitgebracht hatte.

Für den – Moment schienen Midwinter’s abergläubische Ahnungen sämtlich über seiner natürlichen Sorge für den Freund vergessen zu sein. Mit der scrupulösesten Gründlichkeit und dem geschäftsmäßigsten Mißtrauen prüfte er die Papiere des Fremden, nachdem er mir gesagt hatte, daß je eher je lieber Armadale in fremden Händen sein müsse. Als Midwinter die Zeugnisse zurückgab, flog ein leises Roth über sein Gesicht; er schien die Inconsequenz seines Benehmens zu empfinden und zum ersten Male zu bemerken, daß ich anwesend war und es wahrnahm. »Gegen die Zeugnisse da ist nichts einzuwenden; ich freue mich, daß Du endlich erlangt hast, was Du suchst.« Das war Alles, was er Armadale zum Abschiede sagte. Sobald als dieser den Rücken gewandt hatte, sah ich nichts mehr von Midwinter. Wiederum hat er sich für den Abend in seinem Zimmer eingeschlossen.

Nur noch eine Sorge bleibt mir übrig. Wird Midwinter fest bei seinem Entschlusse beharren, wenn die Yacht segelfertig ist, und ohne mich seine Begleitung verweigern?

Den 26. October. Schon die Vorboten des kommenden Verhängnisses. Ein Brief von Armadale an Midwinter, den dieser mir so eben zugeschickt hat. Er lautet folgendermaßen:

»Lieber Mid! Ich bin zu sehr beschäftigt, um heute kommen zu können. Um Himmelswillen mache, daß Du mit Deiner Arbeit fertig wirst! Der neue Bootsmeister ist seine Zehntaufend werth. Er hat einen Engländer seiner Bekanntschaft ausfindig gemacht, der gleich als erster Matrose eintreten kann, und denkt sicher in Zeit von drei, vier Tagen die Mannschaft zusammen zu bringen. Ich sterbe vor Sehnsucht nach ein bischen Seewind, und Dir muß es auch so gehen, oder Du bist kein ordentlicher Seemann. Die Takelage ist fertig, die Provisionen kommen allmälig herbei und morgen oder übermorgen werden wir die Anker lichten können. Noch nie im Leben war ich in so guter Stimmung. Empfiehl mich Deiner Frau und sage ihr, sie würde mir eine große Gunst erweisen, wenn sie sofort käme und Alles anordnete, was sie noch in der Damenkajüte vermißt. Ganz der Deinige A. A«

Darunter war von Midwinter’s Hand geschrieben:

»Vergiß nicht, was ich Dir gesagt habe. Schreibe – das wird ihm unsere Ablehnung milder beibringen – und bitte ihn, uns zu entschuldigen und von der Probefahrt zu dispensieren.«

Ohne einen Augenblick zu verlieren, habe ich demgemäß geschrieben. Je eher Manuel erfährt, wie er es gewiß durch Armadale erfahren wird, daß meinerseits das Versprechen, nicht mitzufahren, bereits erfüllt ist, um so sicherer wird er sich fühlen.

Den 27. October. Ein Brief von Armadale als Antwort auf den Meinigen. Er ist voll ceremoniösen Bedauerns, daß er meine Gesellschaft auf der Fahrt entbehren soll und hofft, Midwinter werde mich noch zu einer Aenderung meines Beschlusses vermögen. Warte ein bischen, bald wirft du erfahren, daß auch Midwinter nicht mit dir segelt!

Den 30. October. Bis heute nichts Neues zu verzeichnen. Heute ist endlich die Veränderung in unserm beiderseitigen Leben eingetreten!

In der freudigsten Stimmung, voll lauten Jubels erschien Armadale diesen Morgen, um zu verkünden, daß die Yacht segelfertig sei, und zu fragen, wann Midwinter sich würde an Bord begeben können. Ich sagte ihm, er möchte bei Midwinter selbst sich danach erkundigen. Mit einer letzten Bitte, meine Ablehnung mir noch einmal zu überlegen, verließ er mich. Ich antwortete ihm mit einer letzten Entschuldigung und setzte mich dann allein ans Fenster, um das Resultat der im anstoßenden Zimmer stattfindenden Unterredung abzuwarten.

Von dem, was jetzt zwischen Midwinter und seinem Freunde vorging, hing meine ganze Zukunft ab. Bis hierher war Alles glatt und eben gegangen. Midwinter’s Entschluß oder vielmehr der Gedanke, daß Midwinter’s Fatalismus schließlich doch das Feld räumen könne, war die einzige Gefahr, die ich noch fürchtete. Ließ er sich bereden, Armadale auf seinem Ausfluge zu begleiten, dann würde Manuel’s Erbitterung gegen mich vor nichts zurückbeben, er würde sich erinnern, daß ich dafür eingestanden, Armadale werde von Neapel allein abfahren, und noch ehe das Schiff den Hafen verlassen, mein ganzes früheres Leben vor Midwinter enthüllen und bloßstellen. Wie ich daran dachte und wie Minute auf Minute langsam verstrich, ohne daß mir etwas Anderes als das unbestimmte Gesumme der Stimmen aus dem nächsten Zimmer ins Ohr drang, wurde mir die Ungewißheit fast unerträglich. Umsonst suchte ich meine Aufmerksamkeit auf das Leben unten auf der Straße zu richten. Ich sah mechanisch aus dem Fenster und gewahrte nichts.

Plötzlich, ich kann nicht sagen, nach wie langer oder wie kurzer Zeit, hörte das Stimmengesumme auf. Die Thür öffnete sich und Armadale trat allein über die Schwelle.

»Ich wünsche Ihnen wohl zu leben«, sagte er kurz, »und hoffe, wenn ich erst verheirathet bin, meine Frau wird Midwinter niemals derart der Quere kommen, wie mir Midwinter’s Frau der Quere gekommen ist!«

Er sah mich zornig an und machte mir eine zornige Verbeugung; dann wandte er sich brüsk um und ging.

Jetzt sah ich die Leute auf der Straße wieder! Ich sah die ruhige See und die Masten der Schiffe im Hafen, wo die Yacht lag! Von neuem konnte ich denken, konnte ich athmen! Die Worte, welche mich vor Manuel retteten, die Worte, die vielleicht Armadale’s Todesurtheil waren, sie waren gesprochen worden. Die Yacht segelte ohne Midwinter wie ohne mich!

Das erste Gefühl des Entzückens war fast sinne berückend. Es war indeß das Gefühl eines Moments. Wenn ich an den einsamen Midwinter drüben im Zimmer dachte, sank mir wieder der Muth.

Ich trat auf den Corridor hinaus, um zu horchen, und hörte nichts. Ich klopfte leise an die Thür und erhielt keine Antwort. Ich machte die Thür auf und sah hinein. Das Gesicht mit beiden Händen bedeckt, so saß er am Tische. Ich sah ihn schweigend an und sah den Schimmer von Thränen, die ihm durch die Finger träufelten.

»Laß mich allein«, sagte er, ohne die Hände zu bewegen. »Ich muß es allein überwinden?

Ich ging wieder in das Wohnzimmer. Wer kann die Weiber verstehen? »Wir verstehen uns ja selbst nicht. Daß er mich fortschickte, schnitt mir ins Herz. Das harmloseste, das sanfteste Weib in der Welt hätte es nicht bitterer empfinden können, als ich es empfand. Und das nach dem, was ich gethan, nach dem, was ich den Augenblick zuvor, ehe ich zu ihm ins Zimmer ging, gedacht hatte! Wer vermag es zu erklären? Niemand, ich selbst am allerwenigsten.

Eine halbe Stunde später that sich die Thiir auf und ich sah ihn die Treppe hinabeilen. Ohne weitere Ueberlegung lief ich ihm nach und fragte, ob ich vielleicht mit ihm gehen solle. Er blieb nicht stehen und antwortete mir auch nicht. Ich kehrte ans Fenster zurück und sah ihn, Neapel und dem Meere den Rücken kehrend, eiligen Fußes die Straße hinabschreiten.

 

Vielleicht hatte er mich gar nicht gehört, das begreife ich jetzt. Für den Augenblick hielt ich sein Benehmen für unverzeihlich und ihn für lieblos und brutal gegen mich. In wahnwitziger Wuth auf ihn setzte ich meinen Hut auf, schickte nach einem Wagen und sagte, er solle mich hinfahren, wohin er wolle. Wie alle Fremde fuhr er mich nach dem Museum, damit ich mir die Statuen und Gemälde beschaue. Glühenden Gesichts stürmte ich von Saal zu Saal, während sämtliches anwesendes Publikum mich verwundert anstarrte. Wie ich wieder zu mir kam, weiß ich nicht. Ich setzte mich wieder in den Wagen und ließ mich, ich weiß nicht warum, nach Hause jagen, soviel die Pferde laufen konnten. Ich riß Hut und Mantel ab und setzte mich abermals ans Fenster. Der Anblick des Meeres kühlte mich. vergaß Midwinter und dachte an Armadale und seine Yacht. Kein Lüftchen rührte sich, keine Wolk war am Himmel, der weite Golf glatt wie ein Spiegel.

Die Sonne ging unter, die kurze Dämmerung kam und schwand. Ich trank eine Tasse Thee und dachte und träumte dabei. Als ich mich vom Tische erhob und wieder ans Fenster trat, war der Mond herausgekommen, doch das Meer lag so ruhig wie vorher.

Noch immer sah ich hinaus, als Midwinter wieder unten auf der Straße erschien. Inzwischen hatte ich mich so weit gefaßt, um mich seiner Gewohnheiten zu erinnern und zu wissen, daß er versucht haben mochte, durch eine seiner langen, einsamen Wanderungen sich die Last vom Herzen zu wälzen. Als ich ihn die Thür seines Zimmers öffnen hörte, war ich klug genug, ihn nicht wieder zu stören; gern wartete ich, wo ich war.

Kurz daraus hörte ich, wie er das Fenster aufmachte, und sah, wie er auf den Balcon hinaustrat und nach einem raschen Blick auf die See seine Hand emporhob. Für den Moment war ich zu einfältig, daran zu denken, wie er einst selbst Seemann gewesen war, und konnte darum nicht begreifen, was seine Gebärde bedeuten sollte. Neugierig wartete ich, was nun zunächst geschehen würde.

Er ging ins Zimmer zurück, kam aber nach wenigen Minuten wieder heraus und hielt wie zuvor seine Hand in die Luft. Diesmal blieb er stehen, lehnte sich über die Balustrade des Balcons und blickte mit gespannter Aufmerksamkeit beharrlich in den Mondschein hinaus.

Lange stand er unbeweglich. Dann sah ich ihn plötzlich zusammenschrecken. Im nächsten Augenblicke sank er auf die Kniee und legte die Hände gesaltet auf das Eisengitter des Balcons »Gott der Allmächtige segne und erhalte Dich, Allan«, sprach er andächtig. »Lebe wohl auf ewig!«

Ich sah auf das Meer hinaus. Eine sanfte Brise hatte sich erhoben und kräuselte das im ruhigen Mondlichte funkelnde Wasser. Ich sah wieder hin, da glitt zwischen mir und dem Reflex des Mondes ein langes schwarzes Schiff mit großen, dunkeln, geisterhaften Segeln sanft und geräuschlos wie eine Schlange über die See.

Mit der Nacht war der ersehnte Wind gekommen und Armadales Yacht hatte ihre Probefahrt begonnen.

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