Der weiße Maulwurf

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Der weiße Maulwurf
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Der weiße Maulwurf

Walther Kabel

Inhaltsverzeichnis

Der weiße Maulwurf

1. Kapitel.

2. Kapitel.

3. Kapitel.

4. Kapitel.

5. Kapitel.

Das alte Fräulein Födösy

1. Kapitel.

2. Kapitel.

3. Kapitel.

4. Kapitel.

5. Kapitel.

Impressum

Der weiße Maulwurf
1. Kapitel.

Der Fall „Tussi Berkamp“.

Einen Kriminalfall mit einem verzwickten Vorspiel dem Leser mundgerecht zu machen, ohne ihn durch die nackte Wiedergabe von Polizeiberichten und Auszügen aus Tageszeitungen zu ermüden, ist stets dann äußerst schwierig, wenn man selbst – in diesem Falle Harst und ich – erst in einem späteren Stadium aktiv auftritt.

Ich wähle daher hier die Form einer unpersönlichen Erzählung, der ich immerhin einige Reize zu verleihen vermag.

– Der Abend des 13.Mai war mild und windstill.

In der Parkstraße des Berliner Vorortes Dahlem saßen auf den Bänken der Kinderspielplätze dieses breiten, urwüchsigen Waldstreifens vereinzelte Pärchen und lauschten den Tönen eines Lautsprechers der nahen Villen, der bei offenen Fenstern in voller Tonstärke die Hauptmotive aus dem „Rosenkavalier“ von Strauß wiedergab.

Auch die große Villa des Generaldirektors Lüning lag einem dieser Spielplätze schräg gegenüber, die Fensterfront war jedoch dunkel, nur neben dem Wintergarten schimmerten ein paar helle Streifen: Die Fenster des Salons der Gattin des Generaldirektors, die soeben den Freund des Hauses, Doktor Gerbert für einige Zeit beurlaubt hatte.

Er wollte mit seinem Motorrad noch schnell im Postamt Grunewald eine dringende Depesche aufgeben.

Das war etwa zehn Minuten vor zehn …

Gleich darauf bemerkte ein jüngerer Mann, der mit seiner derzeitigen Braut auf einer der Bänke saß, ein gewisser Baluschewski, im Gebüsch etwas Blankes liegen, – es war ein Motorrad.

Herr Baluschewski nahm an, daß es einem Jüngling gehörte, der in der Nähe wartend auf und ab schritt und mit dem er später ins Gespräch kam.

Ziemlich genau um zehn Uhr kehrte Generaldirektor Lüning in der kleinen Limousine seiner Stieftochter Tussi Berkamp aus der City heim.

Er hatte für den Abend seine beiden Chauffeure beurlaubt, und Tussi sollte ihn sofort wieder in die City zurückbringen, wo er mit einigen amerikanischen Finanzgrößen eine Konferenz verabredet hatte.

In dem Auto lag eine Aktentasche, die 200 000 Mark in Devisen enthielt. Lüning brauchte die Summe für die geplanten Transaktionen mit den Amerikanern.

Das Auto hielt vor der Pforte des Parkes der Villa, der sehr ausgedehnt war, der Generaldirektor eilte ins Haus, um noch einige Akten zu holen, überließ die wertvolle Tasche jedoch nur für kurze Zeit der Aufsicht seiner Stieftochter.

In der Villa kam ihm nämlich wie immer der unlängst erst von einer leichten Fleischvergiftung genesene Diener Josef Strahl entgegen, und er befahl dem noch etwas blassen Manne, durch den Seitenausgang – der Hauptausgang war für das Personal verboten – auf die Straße zu eilen und auf das Geld mit acht zu geben.

Er selbst begab sich in sein Arbeitszimmer. –

Tussi Berkamp, ein frisches, junges Mädchen, machte sich der wertvollen Tasche wegen weiter keine Gedanken. Sie war etwas müde von der Frühjahrsluft, und ihr junges, heißes Herz beschäftigte sich mit anderen Dingen …

Urplötzlich tauchte da neben dem Auto ein bärtiger Mann auf, öffnete die Tür, Tussi stieß zwei leise Angstschreie aus und sank schwer verletzt in sich zusammen, während der Räuber mit der Tasche ebenso blitzschnell das Weite suchte.

Das friedliche Bild der stillen Parkstraße war mit einem Male gänzlich verändert.

Der Diener Josef Strahl, der infolge seiner geschwächten Kräfte angeblich nicht sofort Lärm geschlagen und soeben erst den Vorgarten erreicht hatte, meldete Lüning halb ohnmächtig vor Schreck das Geschehene, und als die Kriminalpolizei eintraf, war die durch Messerstiche schwer verletzte Tussi längst in das nahe Dahlem-Sanatorium geschafft worden, der Diener Strahl erlitt während seiner Vernehmung einen schweren Anfall von Herzschwäche und mußte gleichfalls in das Sanatorium gebracht werden, den Räuber hatte niemand so recht zu Gesicht bekommen, niemand sah, wohin er flüchtete, alle Nachforschungen blieben ergebnislos, inzwischen war auch Doktor Gerbert zurückgekehrt, doppelte Trauer war in das Haus Lüning eingezogen, vor kurzem war in dem Ostseebade Zinnowitz Frau Lünings Tante plötzlich verstorben, ein altes Fräulein namens Vilja Födösy, und nun lag auch Tussi Berkamp mit dem Tode ringend in dem weißen Krankengemach. –

Über alledem waren vier Tage verstrichen.

Die Zeitungen hatten über den Raubmordversuch sehr eingehend berichtet, die fleißigen Reporter hatten viel Material zusammengetragen, und besonders eins der kleineren Blätter Berlins, das notgedrungen auf grobe Sensation sich eingestellt hatte, der „Allerweltskurier“, schien über Dinge informiert zu sein, die nicht gerade an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden brauchten.

Zum Glück waren die Stichverletzungen Fräulein Berkamps doch nicht lebensgefährlich, der Diener Strahl tat bereits wieder Dienst, und in diesem Stadium der Angelegenheit wurden wir am 18. Mai durch den Besuch einer in tiefe Trauer gekleideten Dame überrascht, die sich als Frau Geraldine Lüning vorstellte und dann mit einiger Nervosität ihr unklares Anliegen vorbrachte.

Wir beide hatten den Fall Berkamp natürlich genau verfolgt, Harald war jedoch nicht dazu zu bewegen gewesen, sich auf eine bestimmte Annahme hinsichtlich des Täters festzulegen, da hier Familienverhältnisse mitsprachen, die er bei seinem ausgesprochenen Reinlichkeitsgefühl nicht mit in seine Schlußfolgerungen einbeziehen wollte. Der „Allerweltskurier“ hatte da von drei anonymen Briefen gesprochen, von denen er der Polizei nur noch die Abschriften vorlegen konnte, da die Originale stets verbrannt würden. In einem der Briefe war auch Herr Baluschewski erwähnt worden, in einem anderen schien Doktor Gerbert eine Rolle zu spielen.

Und nun saß eine der Mitbetroffenen dieser Tragödie hier vor uns und fand offenbar nicht den Mut, ihre Wünsche und Befürchtungen in schlichte Worte zu kleiden.

Harald fragte denn auch schließlich:

„Ich verstehe noch immer nicht recht, gnädige Frau, weshalb Sie sich in dieser Sache an uns wenden. Die Kriminalpolizei ist an der Arbeit, und ich bin überzeugt, daß sie es an dem nötigen Eifer nicht fehlen lassen wird. Ihr Gatte ist ein sehr bekannter Großkaufmann.“

Frau Geraldine Lüning, in zweiter Ehe mit Siegfried Lüning, Generaldirektor der Lüning-Werke, seit zehn Jahren verheiratet, war eine schlanke Dame, die sich getrost für dreißig ausgeben durfte. Wir wußten, daß an diesen dreißig in Wahrheit neunzehn fehlten.

In ihrem Benehmen ganz große Dame, unterstrich sie noch über Gebühr jene müde Vornehmtuerei, die immerhin ein Gutes hat: Sie ist ein dichter Schleier für all die Charakterschwächen, die bei temperamentvollem Auftreten so leicht zur Bloßstellung des eigenen Ichs führen.

Haralds Frage konnte diese Frau nicht verwirren. Dazu war Frau Geraldine zu abgeklärt, zu stark gewappnet gegen jeglichen Angriff.

„Ich würde kein Mittel unversucht lassen, den Täter vor Gericht zu bringen“, erwiderte Frau Lüning und ordnete den langen schwarzen Schleier, um ihre schönen Hände und kostbaren Ringe wieder einmal zu zeigen.

„Entschuldigen Sie, gnädige Frau, - das glaube ich Ihnen nicht recht“, meinte Harald mit fataler Offenheit … „Ich bin nun einmal ein Mensch, der seine Mitmenschen sehr bald durchschaut. Ich behaupte, Sie haben einen ganz bestimmten Verdacht gegen eine Person, die in den Zeitungsartikeln ebenfalls erwähnt wurde, natürlich mit der nötigen Vorsicht … In dieser Hinsicht sind die Reporter modernste Diplomaten: Alles andeuten, aber nichts Bestimmtes verlauten lassen! Kitzel für die Leser … Jeder mag sich das Gedruckte auslegen, wie er will ..!“

Der Hieb saß. Die Frau verlor die Maske für Sekunden, errötete tief und schaute zur Seite.

Harald lächelte unmerklich.

„Ich will ehrlicher sein wie Sie … Ich denke an Doktor Gerbert“, fügte er rücksichtslos hinzu. „Gerbert ist ständiger Gast in Ihrer Villa, und gewisse Blätter haben dies weidlich ausgeschlachtet.“

Die Dame ließ den schwarzen Schleier fallen.

Sehr praktisch …

Ihr einziges Kind lebte noch, lag schwer verletzt in einer Klinik, und die Tante, die dort vor kurzem in Zinnowitz gestorben, rechtfertigte diese düstere Tracht erst recht nicht.

Frau Lüning beschränkte sich auf vieldeutige, sehr theatralische Handbewegungen. Die Stimmung wurde dadurch noch ungemütlicher. Weshalb verabschiedete die Dame sich nicht? Wir hatten ihr nichts mehr zu sagen.

 

Sie blieb …

Merkwürdig genug, sie wurde immer nervöser. Und dann warf sie all diese lächerlichen Mätzchen urplötzlich ab und wurde Mensch, Weib, gequältes Wesen.

„Herr Harst, ich ertrage das nicht länger … Sie lassen Doktor Gerbert beobachten ..! Um Gotteswillen, sagen Sie mir die Wahrheit, verdächtigen Sie ihn wirklich?! Ich spreche hier als Mutter, – Gerbert verehrt Tussi …“

Harald duldete es, daß sie nach seiner Hand gegriffen hatte und daß sie diese Hand verzweifelt umklammerte. Er duldete es und blieb höflich-gemessen.

„Als Mutter ..?! Nur das … Eine Bewerbung über den Umweg über die Mutter kann sehr leicht falsch ausgelegt werden. Zwischen Ihnen und Gerbert bestehen irgend welche Beziehungen, die höchst unklar sind.“

Antwort?!

… Ein mutloser leiser Seufzer, ein leichtes Zusammensinken der bisher gestrafften Gestalt.

Sie gab Harsts Hand frei, und sie fiel wieder zurück in die frühere Gekünsteltheit, erhob sich sehr langsam, streifte die Handschuhe über und meinte nur:

„Es ist zwecklos … Verzeihen Sie, daß ich Sie ohne stichhaltige Gründe in Anspruch nahm, Herr Harst.“

Wir standen gleichfalls auf, Haralds Verbeugung war sehr abgezirkelt. „Die Gründe kenne ich nun, gnädige Frau. Sie hören noch von mir.“ Es klang ohne jede Wärme. „Schraut wird Sie hinausbegleiten … Auf Wiedersehen …“

Sie neigte den Kopf, – das war alles, – sie wandte sich zur Tür, und als sie diese bereits halb durchschritten hatte, drehte sie sich nochmals um.

„Wissen Sie etwas über den weißen Maulwurf, Herr Harst?“

Bisher hatte sie uns nicht überraschen können, durch nichts, ihr Besuch war farblos gewesen wie eine Anstandsvisite. Jetzt im letzten Augenblick warf sie eine Frage hin, die auch Harald nicht zu deuten wußte. Ich merkte es ihm an, und er entgegnete auch nachdenklich-gedehnt:

„Weißer Maulwurf? – Nein …“

Ein seltsames kurzes Auflachen ertönte hinter dem schwarzen Schleier, dann verließ sie ohne jedes weitere Wort unser Haus und fuhr in ihrer dunklen Limousine davon. –

Dieser Besuch hatte immerhin zur Folge, daß Harald sofort unsere altbewährten Helfer von der Detektei Argus gründlich in Bewegung setzte. Wir wußten, daß zwischen Frau Lüning und dem alten Fräulein Födösy in Zinnowitz starke Unstimmigkeiten geherrscht hatten, Frau Lüning hatte nicht einmal an dem Begräbnis teilgenommen, und es gab da vieles auf unsere Art aufzuklären.

Ohne die Bemerkung über den weißen Maulwurf wäre all dies unterblieben. Harald witterte jetzt etwas durchaus nicht Alltägliches hinter diesem Kriminalfall, und sein Jagdeifer war erwacht.

Wir traten auf den Plan …

Oder besser: Wir fuhren mit bestimmten Absichten in die Stadt.

2. Kapitel.

Wir kaufen fünf Briefe.

Ein schnittiges Auto sauste zur City, wo in einer düsteren Seitenstraße des Zeitungsviertels die Redaktion des „Allerweltskurier“ sehr bescheiden sich eingenistet hatte. Der Herr Chefredakteur Schwarz verriet schon durch seine äußere Erscheinung, daß er sich ebenso mühsam über Wasser hielt wie sein Blatt.

Die Unterredung währte trotzdem zehn Minuten, denn der Herr verstand sein Geschäft, und erst als Harald einen Scheck über fünfhundert Mark ausgestellt hatte, besann Schwarz sich plötzlich, daß er die Originale der drei Briefe doch nicht verbrannt habe, händigte sie uns aus und bat … um Diskretion wegen seiner Gedächtnisschwäche.

Wir bestiegen unseren Benzinwindhund und gondelten gen Westen, wo Herr Kasimir Baluschewski in einer Mietskaserne möbliert im Hofgebäude in der Mansarde einen Mordsrausch ausschlief, wie seine Wirtin uns zuflüsterte.

Baluschewski wach zu bekommen, war schwer, sehr schwer.

Kasimirs Stube glich einem Schweinestall. Aber er hatte Geld, und Haralds Angebot stieg bis dreihundert Mark, bevor Herr Kasimir uns das beichtete und aushändigte, was er der Polizei vorenthalten hatte. – Diskretion Geldsache ..!

„… Herr Harst, dem Briefe lagen zweihundert Mark bei … Sehr nobel!!“, erklärte dieses Edelgewächs, während Harald das Schreiben überflog und mich mitlesen ließ.

Es lautete: „Geehrter Herr, ich schicke Ihnen eingeschrieben anbei eine Summe, die Ihnen und Ihrer Braut einige frohe Stunden bereiten soll. Wollen Sie als Dank für die Spende an den nächsten fünf Abenden mit Ihrer Braut den Kinderspielplatz in Dahlem, Ecke Heyden-Straße und Parkstraße, besuchen, und dort von neun bis elf abends ausharren und alle Vorgänge in Ihrer Nähe genau beobachten. – Ein Wohltäter.“

Kasimir, übrigens ein ganz netter Bursche, von seinem Nachtkostüm und anderem abgesehen, vertraute uns gegen weitere fünfzig Mark noch an, daß er sich mit dem jungen Kaufmann, dem das Motorrad gehörte, längere Zeit unterhalten habe, der Jüngling heiße Peter Schnee und wohne ganz in der Nähe, – Augusta-Straße 11.

Wir verabschiedeten uns, – den uns angebotenen Kognak lehnten wir ab, da uns in dieser Umgebung sogar der Appetit auf Alkohol verging.

Also nun: Peter Schnee!! – Merkwürdige Geschichte, auch er wohnte möbliert, auch er war stellungslos und lag mit Kater im Bett, auch er war geschäftstüchtig, der fünfte anonyme Brief kostete auch zweihundert Mark. Aber sonst stellte Peter Schnee eine völlig verschiedene Spezies von Mensch dar wie Kasimir. Es war ein flottes, sauberes Kerlchen, etwa 23 Jahre alt … – Der Brief? – – Der Leser darf sich auf eine Überraschung gefaßt machen.

„Geehrter Herr, ich übersende Ihnen gleichzeitig durch Postanweisung fünfhundert Mark und bitte Sie, dafür ein Motorrad für alt zu kaufen und an den fünf nächsten Abenden von halb neun bis elf das Rad auf dem Kinderspielplatz Ecke Heydenstraße und Parkstraße ins Dunkle zu stellen und selbst in einiger Entfernung auf und ab zu gehen. Ein altes Motorrad können Sie für 200 Mark bekommen. – Ein alter Freund Ihres Vaters, der ungenannt bleiben möchte.“

Wie mir beim Überfliegen dieser ebenfalls getippten Zeilen, die Peter Schnee der Polizei verheimlicht hatte, zu Mute war, wird jeder Einsichtsvolle leicht begreifen.

„Der alte Freund“ war natürlich der mörderische Bursche, der Tussi Berkamp niedergestochen hatte. – Sollte dies einem der lieben Leser noch nicht klar sein, muß er schon noch auf die weitere Entwicklung der Dinge warten.

Wir sagten Peter Schnee Lebewohl, wir hatten nun fünf anonyme Briefe, und daheim stellten wir fest, daß sie sämtlich mit derselben Schreibmaschine getippt waren – sämtlich!

Was durfte man hieraus folgern?

Harald, in seinem Arbeitszimmer auf und ab gehend, erklärte im nüchternsten Kathederton: „Mein lieber Alter, du bist im Bilde, hoffe ich … Kasimir und Peter erhielten Briefe und Geld am 10. Mai, beide sollten fünf Abende den Kinderspielplatz besuchen, beide taten es, beide waren ohne Stellung, und Peter Schnee hat sogar nur hundert Mark für sein Benzinwrack bezahlt. Mit absoluter Gewißheit ergibt sich aus alledem folgendes: Der Überfall auf Lüning oder dessen Tochter war vorbereitet, jemand wußte, daß der Generaldirektor in den nächsten Tagen eine Konferenz mit den Amerikanern haben und zweihunderttausend Mark mit sich führen würde. Der Täter war also genau eingeweiht, er legte sich seinen Plan zurecht, wie ein Schachspieler, er wollte den Verdacht auf Gerbert lenken, Gerbert ist Motorradler, und irgendwie wurde der junge Privatgelehrte veranlaßt, gerade vor 10 Uhr abends am 13. Mai die Villa mit seinem Motorrad zwecks Aufgabe einer Depesche zu verlassen. – Nun aber stellen sich die Widersprüche gegen den letzten Teil dieser an sich unanfechtbaren Theorie ein. Alle fünf anonymen Briefe stammen von dem Täter. Dieser Mann benimmt sich seltsam. Er meldet anonym dem übelsten der Berliner Presseerzeugnisse den Aufenthalt Kasimirs in dem Wäldchen. – Wozu? – Die Antwort erscheint auf den ersten Blick einfach: Kasimir soll das herrenlose Motorrad erwähnen!! – Weshalb? – Das Motorrad soll den Eindruck erwecken, als ob es das Doktor Gerberts gewesen wäre, die Polizei soll also auf Gerberts Person gestoßen werden. – Nun erwähne ich die mir noch undurchsichtigen Schachzüge des Täters oder vielmehr das Unbegreifliche seiner Vorbereitungen. Als leidlich intelligenter Mensch, und das ist er fraglos, muß er mit der Möglichkeit rechnen, daß der schwarze Kasimir den auf dem Promenadenweg der Anlagen auf und ab wandelnden Peter Schnee fragte, ob das herrenlose Rad etwa sein Eigentum sei. Dies geschah ja auch. Mithin – bitte gib genau acht, denn nun kommt die Hauptsache – mithin verdarb der Täter das, was er zunächst so schlau eingefädelt hatte, indem er die Möglichkeit offen ließ, Kasimir könnte den ausdauernden abendlichen Spaziergänger, unseren Peter Schnee, ansprechen und des Mordes wegen ausfragen. – Ich behaupte, und auch dabei bleibe ich, daß hier nicht etwa ein fehlerhafter Schachzug des Täters vorliegt, sondern eine satanisch kluge Berechnung.“

Harald stand vor mir und schaute mich versonnen an.

„Satanisch kluge Berechnung“, wiederholte er. „Insofern nämlich satanisch, als Schnee mit voller Absicht als Besitzer des scheinbar herrenlosen Motorrades hingestellt werden sollte. Begreifst du das Teuflische dieser List? Dein Kopfschütteln erstaunt mich. Ich durfte annehmen, du wärest genügend Geistesakrobat geworden, auch derartige Schliche zu durchschauen. Der Täter ist nicht Gerbert, aber die Polizei sollte unbedingt auf Gerbert aufmerksam gemacht werden. Hätte Peter Schnee vor der Polizei alles ausgesagt und auch den Spender der fünfhundert Mark erwähnt, würde die Mordkommission 3, die den Fall in Arbeit hat, den an Peter gerichteten Brief genau so sorgsam untersucht haben wie wir, und bei Gerbert, der ohnedies verdächtig erscheint, sich dessen Schreibmaschine angesehen haben. Ich gehe jede Wette ein, daß alle fünf Briefe mit dieser Maschine getippt sind. – Dein noch immer recht zweifelnder Gesichtsausdruck stört mich nicht. Ich werde Gerbert anrufen.“

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