Бесплатно

Die beiden Dianen

Текст
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

IX.
Der abwesende Arnauld du Thill übt noch einen tödtlichen Einfluß auf Martin-Guerre aus

Es war ein Augenblick furchtbarer Angst und äußerster Krise.

Gabriel sah sich zwischen drei Gefahren. Unter ihm schien das Meer seine Beute mit Grauen erregender Stimme zu rufen. Vor ihm versperrten ihm zwölf erschrockene, unbewegliche Männer, welche weder vorwärts, noch rückwärts konnten, durch ihre Masse den Weg zu der dritten Gefahr, zu den englischen Piken und Büchsen, die ihrer vielleicht oben harrten.

Von allen Seiten zeigten sich auf dieser schwankenden Leiter der Schrecken und der Tod.

Zum Glück war Gabriel nicht der Mann, der, selbst zwischen Abgründen, lange zögerte, und er hatte in einer Minute seinen Entschluß gefaßt.

Er fragte sich nicht, ob seine Hand nicht ausglitschen, ob er nicht den Schädel auf den Felsen unten zerschmettern würde. Sich an dem Seil zur Seite anklammernd, hob er sich allein durch die Kraft seiner Faustgelenke empor und kam so nach und nach an den zwölf Männern, welche vor ihm waren, vorüber.

Durch die wunderbare Stärke seines Körpers und seines Geistes gelangte er so bis zu Yvonnet, ohne auf ein Hinderniß zu stoßen, und konnte endlich seine Füße neben die von Martin-Guerre setzen.

»Willst Du vorwärts?« sagte er mit kurzem, gebieterischem Tone zu Yvonnet.

»Ich habe . . . den Schwindel . . .« erwiderte der Unglückliche, dem die Zähne klapperten und die Haare sich sträubten.

»Willst Du vorwärts?« wiederholte der Vicomte.

»Unmöglich!« sagte Yvonnet. »Ich fühle, daß ich . . . wenn meine Füße und Hände die Sprossen verlassen, an die sie sich anstemmen, hinabstürze.«

»Wir werden sehen!« versetzte Gabriel.

Er erhob sich bis an den Gürtel von Yvonnet und setzte ihm die Spitze seines Dolches auf den Rücken.

»Fühlst Du die Spitze meines Dolches?« fragte er ihn.

»Ja, ja, ach! Gnade, ich habe Angst, Gnade.«

»Die Klinge ist fein und scharf,« fuhr Gabriel mit wunderbarer Kaltblütigkeit fort. »Bei der geringsten Bewegung dringt sie wie von selbst ein. Höre wohl. Martin-Guerre wird vor Dich gehen, und ich werde hinter Dir bleiben. Folgst Du Martin nicht, machst Du Miene, zu straucheln, so schwöre ich Dir daß Du nicht fallen und die Andern nicht fallen machen wirst, denn ich nagle Dich mit meinem Dolche an die Wand, bis sie Alle über Deinen Leichnam gestiegen sind.«

»Oh! seid barmherzig, gnädiger Herr, ich werde gehorchen,« rief Yvonnet von einer Angst durch eine noch viel stärkere geheilt.

»Martin,« sagte der Vicomte d’Ermès, »Du hast mich gehört, steige hinauf.«

Martin führte seinerseits die Bewegung aus, die er seinen Herrn hatte machen sehen, und war nun der Erste.

»Marsch!« sprach Gabriel.

Martin-Guerre stieg muthig empor und Yvonnet, den Gabriel, welcher sich nur der linken Hand und seiner Füße bediente, beständig mit seinem Dolche bedrohte, vergaß seinen Schwindel und folgte dem Stallmeister.

So legten die vierzehn Männer die hundert und fünfzig letzten Sprossen zurück.

»Bei Gott,« dachte Martin-Guerre, bei dem die gute Laune wiederkehrte, als er die Entfernung sich vermindern sah, die ihn von der Plattform des Thurmes trennte, »bei Gott! der gnädige Herr hat da ein vortreffliches Mittel gegen den Schwindel gefunden!«

Während er diese freudige Betrachtung beendigte, fand sich sein Kopf auf dem Niveau des Randes der Plattform.

»Seid Ihr es?« fragte eine Martin unbekannte Stimme.

»Bei Gott!« antwortete der Stallmeister mit leichtem Tone.

»Es war Zeit,« versetzte die Schildwache, »die dritte Runde wird sogleich kommen.«

»Gut! wir werden sie empfangen,« sprach Martin-Guerre.

Und er setzte siegreich ein Knie auf den steinernen Rand.

»Ah!« rief plötzlich der Mann vom Fort, indem er ihn besser in der Finsternis zu unterscheiden suchte, »Wie heißest Du?«

»Ei! Martin-Guerre . . .«

Er vollendete nicht.

Pierre Peuquoy . . . dieser war es . . . ließ ihm nicht Zeit, das andere Knie aufzusetzen, stieß ihn wüthend mit der Fläche seiner beiden Hände zurück und stürzte ihn in den Abgrund.

»Jesus!« sagte nur der arme Martin.

Und er fiel, doch ohne zu schreien und indem er sich mit einer letzten erhabenen Anstrengung abwandte, um die Andern nicht fallen zu machen.

Yvonnet, der ihm folgte und, da er auf’s Neue festen Boden unter sich fühlte, seine ganze Kaltblütigkeit Und Kühnheit wieder gewann, Yvonnet schwang sich auf die Plattform und nach ihm alle Andere.

Pierre Peuquoy setzte ihnen keinen Widerstand entgegen. Er blieb unempfindlich und wie versteinert stehen.

»Unglücklicher!« sagte der Vicomte d’Ermès zu ihm, indem er ihn am Arme packte und schüttelte. »Welcher Wahnsinn hat Euch erfaßt? Was hatte Euch Martin-Guerre gethan?«

»Mir? nichts!« antwortete der Waffenschmied mit dumpfem Tone. »Aber Babette! meiner Schwester!«

»Ah! das hatte ich vergessen!« rief Gabriel erschüttert. »Armer Martin! . . . Doch er ist es nicht! . . . Kann man ihn nicht noch retten?«

»Retten bei einem Sturze von mehr als zweihundert und fünfzig Fuß auf den Felsen.« sprach Pierre Peuquoy mit einem scharfen Gelächter. »Geht, Herr Vicomte, Ihr werdet zu dieser Stunde besser thun, wenn Ihr daran denkt, wie Ihr Euch selbst und Eure Gefährten retten könnt.«

»Meine Gefährten und meinen Vater und Diana,« sagte zu sich selbst der junge Mann, durch diese Worte zu den Pflichten und Gefahren seiner Lage zurückgerufen.

»Gleichviel!« sprach er laut, »mein armer Martin!«

»Es ist nicht der Augenblick, den Schuldigen zu beweinen!« unterbrach ihn Pierre Peuquoy.

»Schuldig! er war unschuldig, sage ich Euch und ich werde es Euch beweisen. Doch Ihr habt Recht, der Augenblick ist noch nicht gekommen. Sprecht, seid Ihr immer noch geneigt, uns zu dienen?« fragte Gabriel den Waffenschmied mit einem gewissen trotzigen Ungestüm.

»Ich bin Frankreich und Euch treu ergeben« antwortete Pierre Peuquoy.

»Nun wohl, was haben wir zu thun?«

»Eine Nachtrunde wird vorüberkommen,« antwortete der Bürger. »Ihr müßt die vier Mann, aus der sie besteht, knebeln und binden . . . Doch,« fügte er bei, »es ist nicht mehr Zeit, sie zu überrumpeln, hier sind sie.«

Während Pierre Peuquoy noch sprach, kam die städtische Patrouille wirklich von einer inneren Treppe auf die Plattform hervor. Machte sie Lärm, so war Alles verloren.

Die zwei Scharfenstein, Oheim und Neffe, welche von Natur sehr neugierig und vorwitzig waren, streiften zum Glück schon gegen diese Seite hin. Die Leute von der Bunde hatten nicht Zeit, einen Schrei auszustoßen. Eine breite Hand schloß jedem von ihnen von hinten den Mund und warf sie zugleich kräftig auf den Rücken.

Pilletrousse und zwei Andere liefen herbei und konnten nun ohne Mühe die vier erstaunten Milizen knebeln und entwaffnen.

»Gut angefangen! sagte Pierre Peuquoy. »Nun muß man sich der andern Schildwachen bemächtigen, gnädiger Herr, und dann kühn zu den Wachthäusern hinabsteigen. Wir haben zwei Posten zu nehmen. Doch fürchtet nicht, von der Zahl überwältigt zu werden. Durch Jean und mich bearbeitet, ist die Hälfte der städtischen Miliz den Franzosen ergeben und erwartet sie, um ihnen beizustehen. Ich will zuerst hinabgehen und diese Verbündeten benachrichtigen, daß es Euch gelungen ist, den Thurm zu erreichen. Beschäftigt Euch während dieser Zeit mit den Schildwachen. Komme ich wieder herauf, so sind schon drei Viertel des Geschäftes abgemacht.«

»Ah! wie würde ich Euch danken,« sagte Gabriel, »wenn nicht der Tod von Martin-Guerre . . . Und dennoch war dieses Verbrechen für Euch eine Gerechtigkeit.«

»Noch einmal, überlaßt das Gott und meinem Gewissen, Herr d’Ermès,« erwiderte mit ernstem Tone der strenge Bürger, »handelt Eurerseits, indes ich meinerseits handeln werde.«

Alles ging ungefähr so, wie es Pierre Peuquoy vorhergesehen hatte. Die Schildwachen waren zum großen Theile der Sache der Franzosen zugethan. Einen einzigen Mann, welcher Widerstand leisten wollte, hatte man bald gebunden und unschädlich gemacht. Als Pierre Peuquoy begleitet von Jean Peuquoy und einigen anderen sicheren Freunden, wieder heraufkam, war schon die ganze Höhe des Fort von Risbank in der Gewalt des Vicomte d’Ermès.

Es handelte sich nun darum, sich zum Herrn der Hauptwachen zu machen. Mit der Verstärkung, welche die Peuquoy brachten, zögerte Gabriel keinen Augenblick, hinabzusteigen.

Man benützte geschickt den ersten Moment der Ueberraschung und Unentschlossenheit.

Zu dieser frühen Stunde schliefen diejenigen, welche durch ihre Geburt oder durch ihre Interessen zu den Engländern hielten, meistentheils noch auf ihren Feldbetten. Sie waren, gleichsam ehe sie erwachten, schon geknebelt.

Der Tumult, denn es, war kein Kampf, dauerte nur einige Minuten. Die Freunde von Peuquoy riefen: »Es lebe Heinrich II.! Es lebe Frankreich!« Die Gleichgültigen und die Neutralen schlossen sich wie dies gewöhnlich der Fall ist, der Seite an, welche vom Erfolg begünstigt wurde. Diejenigen, welche einen Widerstand versuchten, mußten bald der Ueberzahl weichen. Es gab im Ganzen nur drei Todte und fünf Verwundete und es fielen nur drei Büchsenschüsse. Der fromme Lactance hatte das Unglück, daß zwei von diesen Todten und einer von den Verwundeten auf seine Rechnung kamen. Es war nur gut, daß er Muße haben sollte!

Es hatte noch nicht sechs Uhr geschlagen, als Alles im Fort von Risbank den Franzosen unterworfen war. Die Widerspenstigen und Verdächtigen wurden in sicheren Gewahrsam gebracht, und die ganze übrige städtische Garde umgab und begrüßte Gabriel als einen Befreier.

So wurde ohne einen Schwertstreich, in weniger als einer Stunde, durch eine seltsame, übermenschliche Anstrengung dieses Fort genommen, welches zu beschützen, den Engländern nicht einmal eingefallen, so mächtig schien es die See zu vertheidigen! dieses Forts, das doch der Schlüssel vom Hafen von Calais, von Calais selbst war.

 

Die Sache wurde so rasch und so gut ausgeführt, daß der Thurm von Risbank eingenommen war und der Vicomte d’Ermès neue Schildwachen mit einem neuen Losungswort gestellt hatte, ehe man etwas davon in der Stadt erfuhr.

»Doch bevor nicht Calais ebenfalls übergeben ist, betrachte ich unsere Aufgabe nicht als beendigt,« sprach Pierre Peuquoy zu Gabriel. »Ich bin der Ansicht, Ihr solltet Jean und die Hälfte unserer Leute behalten, um das Fort von Risbank zu behaupten, und mich mit der andern Hälfte in die Stadt ziehen lassen. Wir werden den Franzosen dort besser als hier durch eine nützliche Diversion dienen. Es ist ersprießlich, nach den Seilen von Jean die Waffen von Pierre anzuwenden.«

»Befürchtet Ihr nicht, Lord Wentworth dürfte Euch in seiner Wuth übel mitspielen?« sagte Gabriel.

»Seid unbesorgt, erwiderte Pierre Peuquoy, »ich werde mit List zu Werke gehen: bei unseren Unterdrückern seit zwei hundert Jahren ist dies guter Krieg. Wenn es sein muß, beschuldige ich Jean, er habe uns verrathen. Wir sind von überlegenen Streitkräften überrumpelt, und trotz unseres Widerstandes gezwungen worden, uns auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Man hat diejenigen von uns, werde ich sagen, welche sich weigerten, Euren Sieg anzuerkennen, aus dem Fort weggejagt. Es steht zu schlecht mit den Angelegenheiten von Lord Wentworth, als daß er uns nicht danken und sich den Anschein geben sollte, er glaube uns.«

»Gut, begebt Euch also nach Calais zurück,« sprach Gabriel. »Ihr seid wie ich sehe, eben so gewandt, als muthig; und es ist richtig, daß Ihr mich, wenn ich zum Beispiel einen Ausfall mache, werdet unterstützen können.«

»Oh! ich bitte Euch, wagt das nicht!« sagte Pierre Peuquoy. »Ihr seid nicht genug an Kräften und habt wenig zu gewinnen und Alles zu verlieren bei einem Ausfall. Ihr seid nun Eurerseits unangreifbar hinter diesen guten Mauern. Bleibt hier. Ergreift Ihr die Offensive, so könnte Euch Lord Wentworth das Fort von Risbank wohl wieder abgewinnen. Und nachdem man so viel gethan, wäre es doch sehr schade, Alles wieder zu nichte zu machen.«

»Wie!« versetzte Gabriel, »soll ich müßig und das Schwert an der Seite bleiben, während Herr von Guise und alle unsere Leute ihr Leben einsetzen?«

»Ihr Leben gehört ihnen und das Fort von Risbank gehört Frankreich,« entgegnete der kluge Bürger. »Hört jedoch. Wenn ich den Augenblick für günstig erachte und es nur noch eines letzten entscheidenden Schlages bedarf, um Calais den Engländern zu entreißen, so werde ich sowohl diejenigen, welche ich mit mir führe, als alle Einwohner, welche unsere Meinung theilen, zum Aufstand bewegen. Dann könnt Ihr, da Alles zum Sieg reif sein wird, einen Ausfall machen, um uns durch einen Handstreich zu unterstützen und dem Herzog von Guise die Stadt zu öffnen.«

»Aber wer wird mich benachrichtigen, daß ich es unternehmen kann?« fragte der Vicomte d’Ermès.

»Ihr gebt mir das Horn zurück, das ich Euch anvertraut habe, und an dessen Ton ich Euch erkannte. Hört man es vom Fort von Risbank abermals schallen, so fallt ohne Furcht aus, und Ihr könnt zum zweiten Male an dem Sieg theilnehmen, den Ihr so gut vorbereitet habt.«

Gabriel dankte Pierre Peuquoy herzlich, wählte mit diesem die Leute aus, welche mit ihm in die Stadt zurückkehren sollten, um den Franzosen im Falle der Noth beizustehen, und begleitete sie freundlich bis zu den Thoren des Fort von Risbank, aus dem sie, wie man glauben machen wollte, schmählich ausgetrieben worden.

Nachdem dies geschehen, war es halb acht Uhr und der Tag fing an, den Himmel zu bleichen.

Gabriel wollte selbst darüber wachen, daß die Fahnen Frankreichs, welche den Herzog von Guise beruhigen und die englischen Schiffe erschrecken sollten, auf dem Fort von Risbank aufgepflanzt würden. Er stieg dem zu Folge auf die Plattform, welche Zeuge der Ereignisse dieser furchtbaren und glorreichen Nacht gewesen war.

Ganz bleich näherte er sich der Stelle, wo die Strickleiter angebunden gewesen und von wo der arme Martin-Guerre, ein Opfer des unseligsten Mißverständnisses hinabgestürzt worden war.

Schauernd neigte er sich hinaus, denn er dachte, er würde auf dem Felsen den verstümmelten Leichnam seines treuen Stallmeisters erblicken.

Doch sein Blick fand ihn Anfangs nicht und mußte ihn mit einem Erstaunen suchen, in das sich ein Anfang von Hoffnung mischte.

Eine bleierne Rinne, durch welche das Regenwasser des Thurmes ablief, hatte den Körper auf der Hälfte des Weges in seinem furchbaren Sturz aufgehalten, und hier sah ihn Gabriel wie entzwei gebrochen, unbeweglich hängen.

Beim ersten Anblick glaubte Gabriel, er wäre leblos. Doch er wollte wenigstens die letzten Pflichten gegen ihn erfüllen.

Pilletrousse, der weinend dabei stand, und den Martin-Guerre stets geliebt hatte, vereinigte seine Ergebenheit mit dem frommen Gedanken seines Herrn. Er ließ sich fest an die Strickleiter der Nacht binden und wagte sich in den Abgrund.

Als er nicht ohne Mühe den Körper seines Freundes heraufbrachte, gewahrte man, daß er noch athmete.

Ein herbeigerufener Wundarzt bestätigte, daß er lebe, und der brave Stallmeister kam in der That wieder ein wenig zum Bewußtsein. Doch nur, um mehr zu leiden. Martin-Guerre befand sich in einem grausamen Zustand. Er hatte einen Arm verrenkt und einen Schenkel gebrochen.

Der Wundarzt konnte den Arm wieder einrichten, aber er hielt die Amputation des Beines für nothwendig, wagte es jedoch nicht, eine so schwierige Operation zu übernehmen. Mehr als je ärgerte sich Gabriel, daß er, obgleich Sieger, im Fort von Risbank eingeschlossen war. Zuvor schon peinlich, wurde ihm das Warten nun vollends gräßlich.

Hätte man den erfahrenen Meister Ambroise Paré zu Hilfe rufen können, so wäre Martin-Guerre vielleicht gerettet gewesen.

X.
Lord Wentworth kann sich nicht mehr halten

Obgleich der Herzog von Guise bei näherer Ueberlegung nicht an den glücklichen Erfolg eines so verwegenen Unternehmens glauben konnte, wollte er sich doch selbst überzeugen, ob es dem Vicomte d’Ermès gelungen oder nicht gelungen wäre. In der schwierigen Lage, in der er sich befand, hofft man sogar aus das Unmögliche.

Er kam vor acht Uhr mit einem nicht sehr zahlreichen Gefolge zu Pferde, zu der hervorragenden Stelle des Ufers, die ihm Gabriel bezeichnet hatte, und von wo aus man wirklich mittelst eines Fernrohrs das Fort von Risbank sehen konnte.

Bei dem ersten Blick, den der Herzog nach dem Fort warf, stieß er ein Triumphgeschrei aus.

Er täuschte sich nicht, er erkannte die Fahne und die Farben Frankreichs! Diejenigen, welche ihn umgaben, bestätigten ihm, daß es keine Täuschung war, und theilten seine Freude.

»Mein braver Gabriel!« rief der Herzog. »Er hat wahrhaftig dieses Wunder vollbracht! Ist er nicht erhaben über mir, der ich zweifelte? Nun haben wir durch sein Werk jede Muße, die Einnahme von Calais vorzubereiten und zu sichern, kommt der Entsatz von England, so wird es Gabriel übernehmen, ihn zu empfangen.«

»Gnädigster Herr,« sprach einer von dem Gefolge des Herzogs, der eben das Fernrohr gegen das Meer richtete, »es scheint, Ihr habt sie herbeigerufen. Schaut, sind dort am Horizont nicht englische Segel?«

»Sie werden sich beeilt haben!« versetzte Herr von Guise. »Laßt sehen.«

Er nahm das Rohr und schaute ebenfalls.

»Es sind wahrhaftig unsere Engländer!« sagte er. »Teufel! sie haben keine Zeit verloren, und ich erwartete sie nicht so bald. Wißt Ihr, daß, wenn wir zu dieser Stunde das alte Schloß angegriffen hätten, die rasche Ankunft der Verstärkung uns einen schlimmen Streich gespielt haben dürfte? Ein doppelter Grund zur Dankbarkeit gegen Herrn d’Ermès! Er verleiht uns nicht nur den Sieg, er rettet uns von der Schmach der Niederlage. Doch da wir nicht mehr so sehr bedrängt sind, wollen wir sehen, wie sich die Ankommenden benehmen, und wie sich seinerseits der junge Gouverneur des Fort von Risbank gegen sie verhalten wird.«

Es war vollkommen Tag, als die englischen Schiffe im Angesicht des Fort eintrafen.

Die französische Fahne erschien ihnen wie ein drohendes Gespenst.

Und als wollte er ihnen diese unerhörte Erscheinung bestätigen, ließ sie Gabriel mit drei oder vier Kanonenschüssen begrüßen.

Man konnte also nicht mehr zweifeln! es war die Fahne Frankreichs welche auf dem englischen Thurme flatterte. Wie der Thurm, mußte also auch schon die Stadt in der Gewalt der Belagernden sein. Trotz ihrer großen Eile kamen dennoch die Hilfstruppen zu spät.

Nach einigen Minuten des Erstaunens und der Unentschlossenheit, schienen die englischen Schiffe sich allmälig zu entfernen und nach Dover zurückzukehren.

Sie brachten wohl hinreichend Streitkräfte, um Calais zu unterstützen, doch nicht genug, um es wieder einzunehmen.

»Gottes Lob!« rief der Herzog von Guise entzückt, »sprecht mir von diesem Gabriel! Er versteht es eben so gut, zu behaupten, als zu erobern. Er hat Calais in unsere Händen gebracht, und wir brauchen sie nur noch zu schließen, um die schöne Stadt zu halten.«

Und er stieg wieder zu Pferde und kehrte freudig in das Lager zurück, um die Belagerungsarbeiten zu beschleunigen.

Die menschlichen Ereignisse haben beinahe immer ein doppeltes Gesicht, und während sie die Einen lachen machen, machen sie die Andern weinen. In demselben Augenblick, wo sich der Herzog von Guise die Hände rieb, raufte sich Lord Wentworth die Haare aus.

Nach einer, wie wir gesehen, von düsteren Ahnungen bewegten Nacht, war er endlich gegen Morgen entschlummert, und er trat erst aus seinem Zimmer, als die angeblich Besiegten des Fort von Risbank, Pierre Peuquoy an ihrer Spitze, die Unglückskunde in die Stadt brachten.

Der Gouverneur wurde gleichsam zuletzt davon unterrichtet.

In seinem Schmerz und in seinem Grimm wollte er seinen Ohren nicht trauen. Er befahl, den Anführer der Flüchtigen vor ihn zu führen.

Man brachte bald Pierre Peuquoy, der mit gesenktem Kopfe und einer sehr den Umständen angemessenen Miene eintrat.

Der listige Bürger erzählte noch ganz erschrocken den nächtlichen Ueberfall und schilderte die dreihundert verwegenen Abenteurer, welche das Fort von Risbank plötzlich erklettert hatten, – ohne Zweifel unterstützt durch einen Verrath, den zu ergründen ihm, Pierre Peuquoy, keine Zeit geblieben.

»Aber wer befehligte die dreihundert Mann?« fragte Lord Wentworth.

»Mein Gott! Euer ehemaliger Gefangener, Herr d’Ermès,« antwortete frei heraus der Waffenschmied.

»Oh! meine wachen Träume!« rief der Gouverneur.

Dann sprach er, die Stirne gefaltet, von einer unvermeidlichen Erinnerung berührt zu Pierre Peuquoy:

»Herr d’Ermès ist, wie mir scheint, während seines Aufenthaltes hier Euer Gast gewesen?«

»Ja, Mylord,« antwortete Pierre, ohne unruhig zu werden. »Ich habe auch allen Grund, zu glauben . . . warum es Euch verbergen? . . . daß mein Vetter Jean, der Weber, bei dieser Machination mehr betheiligt ist, als er sollte.«

Lord Wentworth schaute den Bürger schief an. Doch der Bürger schaute Lord Wentworth unerschrocken ins Gesicht.

Wie er es in seiner Kühnheit vermuthet hatte, fühlte sich der Gouverneur zu schwach, während er Pierre Peuquoy als zu mächtig in der Stadt kannte, um seinen Argwohn durchblicken zu lassen.

Nachdem er sich nach einigen Einzelheiten erkundigt hatte, entließ er ihn mit traurigen, aber freundschaftlichen Worten.

Als Lord Wentworth allein war, versank er in tiefe Niedergeschlagenheit.

Hatte er nicht Grund hierzu? Auf ihre schwache Garnison beschränkt, gegen jeden Entsatz, käme er zu Wasser.

»Ja!« rief er wuthschäumend aus, »sie sollen ihren Sieg theuer erkaufen! Calais ist in ihrer Gewalt, dies ist leider nur zu gewiß; aber ich werde mich bis auf den letzten Mann vertheidigen! Und auch Du, Geliebter der schönen Diana, sollst nicht zu sehr über unsern Untergang jubeln! Dein sterbender und besiegter Nebenbuhler bereitet Dir eine furchtbare Ueberraschung.«

Hierauf verließ er seine Wohnung, um den Muth seiner Soldaten anzufeuern und seine Befehle zu geben.

Die beiden Tage des 5. und 6. Januar vergingen in gleich energischen Anstrengungen von Seiten der Belagerer wie der Belagerten. Arbeiter und Soldaten arbeiteten auf beiden Seiten mit demselben Muthe und derselben heroischen Beharrlichkeit. Aber der Marschall Strozzi welcher die Belagerungsarbeiten leitete, schien alle Vertheidigungsmaßregeln und alle Bewegungen der Engländer zu errathen, als wären die Wälle von Calais durchsichtig gewesen.

Um so lästiger wurde Gabriel die Unthätigkeit, zu welcher er während dieser Zeit gezwungen war. In dem von ihm eroberten Fort eingeschlossen, beschränkte sich seine ganze Wirksamkeit auf eine sorgfältige Wachsamkeit, die ihn jedoch keineswegs beschäftigte. Wenn er dann seine Runde gemacht hatte, setzte er sich gewöhnlich an das Lager seines treuen Martin-Guerre, um ihn zu trösten und ihm Muth zuzusprechen.

 

Der wackere Leibknappe ertrug seine Leiden mit einer bewunderungswürdigen Geduld. Was ihn aber schmerzlich betrübte und verwunderte, war das abscheuliche Verfahren, welches Peter Peuquoy gegen ihn beobachtet hatte.

Die Aufrichtigkeit seines Kummers und seines Erstaunens, als er über diesen Punkt aufgeklärt wurde, hätte auch den letzten Zweifel vernichtet, den Gabriel noch über Martins Rechtschaffenheit hegen konnte.

Der junge Mann entschloß sich also, Martin-Guerre seine eigene Geschichte zu erzählen, so wenigstens, wie er nach Muthmaßungen und Erscheinungen glaubte, daß sie sein müsse: es war für ihn nun unzweifelhaft, daß ein Betrüger seine wunderbare Aehnlichkeit mit Martin benützt hatte, um unter dem Namen von diesem allerlei gemeine und verwerfliche Handlungen zu begehen, deren Verantwortlichkeit zu übernehmen ihn wenig kümmerte, und auch, ohne Zweifel, um alle Vortheile sich zuzuwenden, die er von seinem Sosie auf sich zu übertragen im Stande gewesen war.

Gabriel war bemüht, diese Offenbarung in Gegenwart von Jean Peuquoy zu machen. In seinem Gewissen als redlicher Mann erschrak und betrübte sich Jean Peuquoy über die Folgen des unseligen Irrthums. Aber er war besonders aufgebracht und unruhig über den, welcher sie Alle so sehr hintergangen hatte. Wer war dieser Elende? war er auch verheirathet? wo verbarg er sich?

Martin-Guerre seinerseits erschrak bei dem Gedanken an eine so große Schlechtigkeit. Während er sich freute, daß sein Gewissen von einem Haufen von Missethaten befreit wurde, die er sich so lange zum Vorwurf gemacht hatte, fühlte er sich trostlos, wenn er bedachte, daß von einem solchen Elenden sein Namen geführt und sein Ruf geschändet worden war. Und wer weiß, welche Ausschweifungen sich der Schurke unter dem Schutze seines Pseudonymen noch zu dieser Stunde erlaubte, wo Martin an seiner Stelle auf dem Schmerzensbette lag?

Was das Herz des guten Martin-Guerre hauptsächlich mit Traurigkeit und Mitleid erfüllte, war die Episode von Babette Peuquoy. Oh! nun entschuldigte er die Heftigkeit von Pierre Peuquoy. Er verzieh ihm seine Gewaltthat nicht nur, sondern er billigte sie; er hatte wohl daran gethan, so seine unwürdig verletzte Ehre zu rächen! Martin war es jetzt, der den betrübten Jean Peuquoy tröste und beruhigte.

Der gute Stallmeister vergaß hierbei nur Eines, daß er im Ganzen für den wahren Schuldigen bezahlt hatte.

Machte ihn Gabriel lächelnd darauf aufmerksam, so erwiderte Martin-Guerre:

»Gleichviel, ich segne noch meinen Unfall, wenn ich davon komme, so wird mein armes hinkendes oder besser noch, fehlendes Bein dazu dienen, daß es mich von dem Betrüger und Verräther unterscheidet.«

Doch leider war dieser mittelmäßige Trost, den sich Martin gab, noch sehr problematisch, denn sollte er mit dem Leben davon kommen? Der Wundarzt der städtischen Garde stand nicht dafür. Es hatte der schnellen Hilfe eines geschickten Praktikers bedurft, und zwei Tage waren bald abgelaufen, ohne daß der beunruhigende Zustand von Martin anders als durch ein paar ungenügende Verbände erleichtert worden.

Dies war für Gabriel keiner von den geringsten Gegenständen der Ungeduld, und sehr oft, bei Tag wie bei Nacht, erhob er sich und horchte, ob er nicht den ersehnten Ton des Hornes vernahm, der ihn seiner gezwungenen Müßigkeit entziehen sollte. Doch kein Geräusch brachte Abwechselung in den entfernten, monotonen Lärmen der zwei Artillerien von Frankreich und England.

Erst am Abend des 6. Januars, als Gabriel schon sechsunddreißig Stunden im Besitz, des Fort von Risbank war, glaubte Gabriel auf der Seite der Stadt einen vermehrten Tumult und ungewöhnliches Geschrei des Triumphes oder der Noth und Niederlage zu hören.

Die Franzosen waren nach einem heißen Kampfe als Sieger in das alte Schloß eingedrungen.

Calais konnte nun nicht mehr über vierundzwanzig Stunden widerstehen.

Nichtsdestoweniger verging der 7. Januar in unerhörten Anstrengungen der Engländer, um eine so wichtige Stellung wieder zu gewinnen und um sich auf den letzten Punkten, die sie noch besaßen, zu behaupten.

Doch weit entfernt, den Feind einen Zoll breit Boden wiedererobern zu lassen, nahm ihnen Herr von Guise allmälig immer mehr Terrain ab; so daß es bald Gewißheit war, der andere Tag würde Calais nicht mehr unter englischer Herrschaft sehen.

Es war drei Uhr Nachmittags: Lord Wentworth, der sich seit sieben Tagen nicht geschont und den man beständig in der ersten Reihe, den Tod gebend und ihm trotzend, gesehen hatte, dachte, es blieben den Seinigen kaum noch zwei Stunden physischer und moralischer Kraft.

Da rief er Lord Derby und fragte ihn:

»Wie lange glaubt Ihr, daß wir uns noch halten können.«

»Ich befürchte, nicht mehr länger als drei Stunden,« antwortete traurig Lord Derby.

»Doch Ihr würdet für zwei Stunden stehen?« versetzte der Gouverneur.

»Abgesehen von einem unerwarteten Ereigniß, würde ich dafür stehen,« erwiderte Lord Derby, den Weg messend, den die Franzosen noch zu machen hatten.

»Nun, mein Freund,« sprach Lord Wentworth, ich übergebe Euch das Commando und ziehe mich zurück. Haben die Engländer in zwei Stunden, doch nicht früher, Ihr versteht mich! haben die Unsrigen in zwei Stunden keine günstigere Chance, so erlaube ich Euch, so befehle ich Euch sogar, um Eure Verantwortlichkeit mehr sicher zu stellen, zum Rückzug blasen zu lassen und Capitulation zu verlangen.«

»In zwei Stunden, das genügt, Mylord,« erwiedert Derby.

Lord Wentworth nannte seinem Lieutenant die Bedingungen, die er fordern könnte, und die ihm der Herzog von Guise ohne Zweifel bewilligen würde.

»Doch, Mylord,« sprach Lord Derby, »Ihr vergeßt Euch bei diesen Bedingungen. Nicht wahr, ich habe Herrn von Guise auch zu fragen, ob er Euch gegen Lösegeld annehme?«

Ein düsteres Feuer glänzte in dem Blicke von Lord Wentworth.

»Nein, nein,« entgegnete er mit einem seltsamen Lächeln, »kümmert Euch nicht um mich, Freund. Ich habe mir Alles, was ich brauche, was ich noch wünsche, gesichert.«

»Wenn jedoch . . .« wollte Lord Derby einwenden.

»Genug,« sprach der Gouverneur mit gebietendem Ton. »Thut nur, was ich Euch sage, nichts mehr. Gott befohlen! Ihr werdet in England für mich bezeugen daß ich gethan habe, was Menschen möglich, um meine Stadt zu vertheidigen, und daß ich nur dem Unglück gewichen bin? Ihr, was Euch betrifft, kämpft auch bis zum letzten Augenblick, aber schont die Ehre und das englische Blut, Derby, das ist mein letztes Wort. Gott befohlen.«

Ohne mehr sagen oder hören zu wollen, verließ der Gouverneur, nachdem er Lord Derby die Hand gedrückt hatte, den Kampfplatz, zog sich allein in sein ödes Haus zurück, und verbot, durch die strengsten Befehle, ihm unter irgend einen Vorwand zu folgen.

Er war sicher, wenigstens zwei Stunden vor sich zu haben.

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»