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Erinnerungen eines Policeman

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2

Ich hatte nicht einmal nöthig, in den erstere Stock des Gartenhauses zu gehen ; denn auf der Treppe begegnete mir meine weinende Gattin. Der Doctor Garland folgte ihr. Ich erzählte ihm sogleich was meinem Hausherrn Henry Benshawe begegnet war.

Er hörte mich mit großer Aufmerksamkeit und Theilnahme an. Nach einigen Bemerkungen. die von seinem tiefen Studium der Geisteskrankheiten Zeugniß gaben, versprach er, am andern Morgen wiederzukommen, um sich von dem Befinden des Kranken zu überzeugen. Es wurde verabredet, daß ich sogleich an Mr. Orley, den Onkel Benshawe’s, schreiben sollte, falls der Zustand des Letzteren bedenklich wäre.

Am andern Morgen erkundigte ich mich sogleich nach dem Befinden des armen Benshawe. Er war um sechs Uhr ausgestanden, hatte wie gewöhnlich um acht Uhr gefrühstückt, und schien ruhig und mehr heiter als traurig gestimmt.

Der Doktor Garland hielt Wort. Um neun Uhr kam er zu mir. Wir gingen hinunter. Ich klopfte an Benshawe’s Thür; er antwortete: »Herein!«

Ich trat ein. Der Doctor Garland folgte mir.

Benshawe saß an einem Tische und hatte einige Papiere vor sich. In der Vermuthung, daß ich angeklopft, hatte er seine Fassung zusammengenommen und schien ruhig und unbekümmert. Aber er konnte sich einer Bewegung des Erstaunens, ja fast des Schreckens nicht erwehren, als er die Gestalt des Doctors hinter mir erscheinen sah. Anfangs wurde er leichenblaß, dann bedeckten sich seine Wangen mit einer fieberhaften Röthe.

Der Eindruck,∂. den dieser Anblick auf ihn machte, erinnerte mich natürlich an die Geschichte des Bildes. Ich sah mich nach demselben um ; das Bild war umgedreht, die Vorderseite gegen die Wand gekehrt.

Benshawe that sich offenbar Gewalt an, um seine Aufregung zu verbergen, und als ihn der Doctor Garland ganz unbefangen fragte, wie es ihm gehe, antwortete er:

»Ich sehe wohl, mein Freund Waters hat Sie vermuthlich mit der albernen Geschichte unterhalten, die ihn gestern Abend so in Schrecken setzte. Es ist in der That merkwürdig, daß man einen so einfachen Spaß nicht versteht. Da ist z. B. John Kemble . . .«

Der Doctor unterbrach den Unglücklichen, der zum Beweise, daß er nicht wahnsinnig sey, tolles Zeug zu schwatzen begann.

»Lieber Mr. Benshawe,« sagte er, »es handelt sich hier nicht um John Kemble, sondern um die Aehnlichkeit zwischen Laura und Mistreß Irwin. Vor Allem wünsche ich die Geschichte dieses Bildes kennen zu lernen.«

Benshawe zögerte einen Augenblick. Er warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, dann sah er den Doktor Garland mit einem würdevollen Ausdruck an, dessen ich ihn nicht fähig gehalten hätte.

»Sir,« erwiederte er, »ich weiß nicht, was mich – wenigstens in diesem Augenblicke – zwingen könnte Ihnen über die eingebildete oder wirkliche Aehnlichkeit zwischen Laura und Mistreß Irwin meine Ansicht zu sagen. Die Geschichte des Bildes hängt genau mit gewissen Verhältnissen meines Privatlebens zusammen, die ich für mich zu behalten wünsche. Ihre Anwesenheit ist daher überflüssig und ich ersuche Sie, sich sogleich zu entfernen.«

Gegen diese Aufforderung war nichts einzuwenden. Benshawe machte von seinem Hausrecht Gebrauch; er schien wieder im vollen Besitz seiner Geisteskräfte zu seyn; wir waren ohne seine Einladung erschienen und er hatte das Recht, uns die Thür zu weisen.

Wir stammelten einige Entschuldigungen und empfahlen uns.

Als wir in meiner Wohnung waren, sah mich der Doctor Garland an.

»Nun, was sagen Sie dazu?« fragte er.

»Ich bleibe bei meiner Behauptung,« antwortete ich; »er ist wahnsinnig.«

»Ja, ich bin Ihrer Meinung. Denn trotz seiner Selbstbeherrschung lag in seinem Blicke etwas Unsicheres, Verworrenes, das ein unverkennbares Zeichen des Wahnsinns ist. Aber jetzt ist er auf seiner Hut und die Klugheit gebietet uns, einen neuen Anfall abzuwarten, ehe wir einen Entschluß fassen; um so mehr, da seine erste fixe Idee ganz harmlos zu seyn scheint.«

»Man sieht wohl,« erwiederte ich, »daß Sie nicht anwesend waren, als er in Mistreß Irwin’s Zimmer trat, und daß Sie nicht gesehen haben, wie furchtbar damals seine Augen funkelten. Aber trotzdem theile ich Ihre Ansicht: wir haben kein Recht, seine Wohnung zu betreten. Ich werde ihn indeß nicht aus den Augen lassen.«

Der Doctor Garland entfernte sieh mit dem Versprechen, sich auf den ersten Wink zu meiner Verfügung zu stellen.

Fünf bis sechs Wochen ging Alles recht gut; es fand kein bemerkenswerthes Ereigniß statt. Benshawe gab sich indeß keine Mühe mehr, seine Abneigung gegen mich zu verbergen. Eines Morgens ließ er mir sogar durch einen Gerichtsdiener meine Wohnung aufzukündigen. In sechs Wochen sollte ich ausziehen.

Inzwischen machte ich von den Mitteln Gebrauch, die mir als Agenten der Sicherheitsbehörde zu Gebote standen: zwei meiner Leute erhielten den Auftrag, Benshawe genau zu beobachten und alle seine Schritte zu überwachen.

Während dieser Zeit hatte sich der erste Schmerz der armen Mistreß Irwin etwas beruhigt. Die wichtigste Angelegenheit nach dem Tode ihres Gatten war die Sorge für ihren Lebensunterhalt und die Zukunft ihres Kindes. Die Leitung des kleinen Geschäfts wurde einem Werkführer übertragen und man hoffte, daß die Subsistenz der Familie für die Zukunft gesichert sey.

In den ersten drei Monaten nach dem oben erzählten Ereigniß zeigte Benshawe wohl zuweilen eine ungemeine Nervenreizbarkeit, aber er hatte doch die Grenzen der Vernunft nicht überschritten, und so oft ihm die junge Witwe begegnet war, hatte er sich bescheiden und anständig gegen sie benommen; ich begann daher zu hoffen, daß der durch die Aehnlichkeit hervorgerufene heftige Anfall nicht wiederkehren werde.

Aber ich irrte mich. Eines Sonntagabends, als wir in meiner Wohnung am Theetische saßen, stürzte Mistreß Irwin bleich und zitternd ins Zimmer. Sie trug ihren Knaben auf dem Arm. Ihre Aufregung war so heftig, daß sie erschöpft in einen Armsessel sank und nicht im Stande war, unsere Frage zu beantworten. Aber es bedurfte eigentlich keiner Antwort, ich ahnte ohnedies, was vorgegangen war.

Als Mrß. Irwin endlich sprechen konnte, erzählte sie mir, Mr. Benshawe habe sie seit einigen Tagen durch sein, auffallendes Benehmen in Schrecken gesetzt. Er habe ihr aufgelauert und allerlei tolles Geschwätz angefangen, sie bald Mistreß Irwin, bald Laura Hargrave genannt, und behauptet, sie sey eine und dieselbe Person, er habe sie vormals in Yorkshire gekannt und sey mit ihr verlobt gewesen. Sie behauptete, daß sie ihn nicht früher als Irwin gekannt, weil ihr Sohn seinem Vater zu ähnlich sey und sie unaufhörlich an letzteren erinnere; wenn der Knabe todt sey oder entfernt werde, so werde sie wieder an ihre erste Liebe denken.

»Er muß wirklich wahnsinnig seyn,« setzte die junge Frau weinend und erröthend hinzu ; »denn er warb so eben um meine Hand, die ich ihm um alle Schätze der Welt nicht bewilligen würde. Auf meine ablehnende Antwort ging er höchst aufgebracht fort, um ein Papier zu holen, welches, wie er behauptete, den klarsten Beweis enthalte, daß ich wirklich die Laura sey, welche er meine. – Was sagen Sie dazu, Mr. Waters? Glauben Sie nicht, daß ich für mich und mein Kind Alles zu fürchten habe?«

Ich sah in diesem auffallenden Benehmen nichts als einen neuen Anfall von Wahnsinn, der aber für Mrß Irwin gefährlich werden konnte. Benshawe, der höchstens fünfunddreißig Jahre alt war, liebte die schöne, trauernde Witwe zum Rasend werden, und in seinem neuen Wahnsinn, der die alte Geisteskrankheit wieder geweckt hatte, verwechselte er Ellen mit jener Laura, die ihm in früheren Jahren dieselben Gefühle eingeflößt hatte.

Unter anderen Verhältnissen würden wir über diesen Liebeswahnsinn gelacht haben; aber in den Augen des Unglücklichen lag ein unheimlicher, drohender Ausdruck, der nichts Gutes verkündete und die Furcht der jungen Witwe vollkommen rechtfertigte.

Wir gaben daher ihren dringenden Bitten nach, denn sie wollte uns holen, und begleiteten sie nach Hause, um Benshawe, der sogleich wieder kommen wollte, zu erwarten.

Kaum waren wir zehn Minuten in dem Gartenhause, so hören wir hastige Fußtritte auf der Treppe. Er sollte uns nicht finden und doch durften wir uns nicht weit entfernen, um der jungen Witwe nöthigenfalls zu Hilfe zu kommen. Ich trat daher mit meiner Frau in ein kleines Cabinet; durch die Glasthür konnten wir Alles hören und sehen, was vorging.

Benshawe stürzte blaß und verstört in das Zimmer. Er vermochte kaum einige Worte zu stammeln. In der zitternden Hand hielt er das erwähnte Papier.

Er trat auf Mrß. Irwin zu und hielt ihr das Papier vor die Augen.

»Hier . . . sehen Sie!« sagte er. »Behaupten Sie noch, daß Sie dieses Lied nicht kennen? Behaupten Sie noch, daß diese an der Seite stehenden Worte nicht von Ihrer Hand sind? Wenn Sie es behaupten, so bin ich hier, um Sie Lügen zu strafen.«

»Mr. Benshawe,« antwortete die junge Witwe mit einer Entschlossenheit, die sie ohne unsere Anwesenheit gewiß nicht gehabt hätte, »ich schwöre Ihnen, daß ich dieses Lied nicht kenne. Was Sie mir da sagen, ist wirklich zu abgeschmackt: vor dreizehn Jahren zählte ich ja kaum neun Jahre, ich war damals noch ein Kind.«

»Sie beharren also bei Ihrem Leugnen, Grausame? Bedenken Sie denn nicht, was ich um Ihretwillen gelitten, wie viele Thränen ich vergossen, wie viele Nächte ich durchwacht seit dem Unglückstage, wo ich Ihren leblosen Körper aus dem Wasser ziehen sah, seit der verwünschten Stunde, wo man Sie für todt ausgab!«

»Todt!« erwiederte Miß. Irwin. »Gerechter Himmel! Reden Sie doch nicht solchen Unsinn, Mr. Benshawe. . . Ich soll Laura seyn, ich soll in Yorkshire geboren, ich soll ertrunken seyn! Fürwahr, bei dem Geschwätz könnte ich selbst den Verstand verlieren . . . Nein, man bat mich nie aus dem Wasser gezogen: man hat nie Ursache gehabt, mich für todt zu halten. Lassen Sie mich in Ruhe. Sie machen mir Angst!«

 

»Unerhörte Frechheit!« eiferte Benshawe. »Wir Drei, Sie, der verwünschte Bodfort und ich, sind also nicht am 7. August 1821 auf dem Teiche zu Lowfield spaziren gefahren? Und der Kahn, in welchem wir saßen, ist nicht plötzlich umgeschlagen während des erbitterten Kampfes zwischen ihm und mir? . . . Sie vergessen ja, daß wir Nebenbuhler waren, daß wir Beide Sie liebten . . . O! ich begreife: dieses Kind weckt in Ihnen Erinnerungen, welche . . .«

Mrß. Irwin schrie laut auf und da ich Benshawe durch die Glasthür unablässig beobachtet hatte, so eilte ich auf der Stelle ins Zimmer. Der Wahnsinnige hatte das Kind bei der Kehle gefaßt. Ich ergriff seine Hand und stieß ihn mit solcher Gewalt zurück, daß er am andern Ende des Zimmers rücklings zu Boden fiel. Aber er sprang schnell wieder auf, trat auf mich zu und suchte in den Taschen nach einem Messer oder sonst einer Waffe. Aber er mochte wohl fühlen, daß er in einem Ringkampf mit mir den kürzeren ziehen würde, er begnügte sich daher mit einem wüthenden Blicke und stürzte zum Zimmer hinaus.

Die Sache war nun bedenklich geworden: es war vorauszusehen, daß er in seinem Wahnsinn einen verzweifelten Entschluß fassen werde. Ich schrieb daher noch denselben Abend an Mr. Orley nach Yorkshire, um ihn von dem Zustande seines Neffen in Kenntniß zu setzen und um schleunige Abreise nach London zu ersuchen. Inzwischen verdoppelten wir unsere Vorsichtsmaßregeln, um Mrß. Irwin und ihr Kind gegen jeden Ueberfall von Seiten des Wahnsinnigen zu schützen.

Aber die Wahnsinnigen besitzen gemeiniglich eine Hartnäckigkeit und Bosheit, gegen welche die umsichtigsten Vorkehrungen nichts vermögen. Ueberdies war ich durch meinen Beruf den ganzen Tag und oft während der Nacht in den entferntesten Stadttheilen beschäftigt.

Als ich am Abend des vierten Tages nach der Absendung meines Briefes an Mr. Orley meine Geschäfte abgethan hatte, fand ich die ganze Nachbarschaft in Bewegung und die Straße mit Menschen angefüllt. Mistreß Irwin, hieß es, sey dem Tode nahe aus Verzweiflung über ihren Sohn, der auf eine unerklärliche Weise in den Fluß Hea gefallen und ertrunken sey. Dies war wenigstens die allgemeine Meinung, obschon man den Fluß vergebens durchsucht hatte. Man habe den schwarzen Federhut des armen Knaben nahe am Ufer auf dem Wasser schwimmend gefunden; der vergebens gesuchte Körper sey vermuthlich durch die Strömung bis in die Themse fortgerissen worden.

Ein entsetzlicher Verdacht kam mir sogleich in den Sinn.

»Wo ist Mr. Benshawe?« fragte ich.

Niemand wußte es. Niemand hatte ihn seit zwei Uhr Nachmittags gesehen, und eben zu dieser Stunde war das Kind verschwunden.

Aus Allem, was ich gesehen und gehört hatte, aus dem Haß, den Benshawe gegen den kleinen George hegte, war mit der größten Wahrscheinlichkeit zu schließen, daß kein Anderer als er das Verbrechen begangen haben konnte. Ich ließ daher sogleich die mäßigen Gaffer und Klatschschwestern aus dem Hause schaffen und eilte zu Mistreß Irwin. Ich fand bei ihr den Doctor Garland, der ihr die erste Hilfe leistete. Der Schlag war furchtbar gewesen, man fürchtete eine Gehirnentzündung Der Doctor hatte ihr sogleich Blut gelassen und zweckmäßige Arzneien verordnet, um das Fieber im Entstehen zu unterdrücken.

Der Doctor hegte denselben Verdacht, der bei mit fast zur Gewißheit geworden war; aber er wollte mir durchaus keinen Rath geben, er verließ sich, wie er sagte, auf meine Einsicht und Erfahrung. Leider war ich damals noch ein Neuling in derlei Geschäften, in denen ich später eine gewisse Gewandtheit und Uebung erlangte. Wenn ich mich jetzt in gleichen Verhältnissen befände, so würde das Resultat gewiß nicht so unglücklich seyn, wie es damals war.

Ich war entschlossen, Mr. Benshawe zu erwarten. Der Werkführer erbot sich, gemeinschaftlich mit mir zu wachen. Eine Stunde nach der andern verstrich, und mit jedem Glockenschlage, der die stille Nacht durchbebte, stieg meine Aufregung. Um elf Uhr hätte ich ihn den Händen der Gerechtigkeit überliefern mögen; um Mitternacht schien es mir, daß ich diese Geduld nicht mehr haben, daß ich ihn mit meinen eigenen Händen erwürgen würde.

Die aus dem Zimmer der Mrß. Irwin kommenden Klagetöne waren für mich furchtbare Anregungsmittel; ich sah die unglückliche Mutter als Opfer jener unheilvollen fixen Idee, die der Wahnsinnige so geschickt verborgen hatte.

Erst um zwei Uhr Nachts hörten wir hastige aber unsichere Fußtritte näher kommen. Benshawe’s Hand zitterte so stark, daß er wohl eine halbe Viertelstunde mit dem Hauptschlüssel manövrirte, ehe er das Schlüsselloch fand. Ich wunderte mich daher gar nicht, ihn bleich und wankend wie ein Gespenst eintreten zu sehen.

Wie ich später erfuhr, war ihm unweit des Hauses ein Bekannter begegnet, von welchem er erfahren hatte, Mistreß Irwin sey todt oder dem Tode nahe. Ich wußte, daß er nie Wein trank, und gleichwohl wankte er wie ein Betrunkener. Er stolperte die zum Krankenzimmer führende Treppe hinan. Auf dem Gange stand er still, der Anblick der Thür schien ihm einen heftigen Schrecken einzujagen; denn er wurde leichenblaß und seine Zähne klapperten.

»Nein,« sagte er zu uns, »es kann nicht wahr seyn, daß Laura . . . daß Mistreß Irwin dem Tode nahe . . .«

»Sie irren sich, Mr. Benshawe,« erwiederte ich sehr ernst und lauter als nöthig war, denn wir befanden uns nur wenige Schritte vor der Thür des Krankenzimmers. »Wenn mein Argwohn gegründet ist,« fuhr ich fort, wenn Sie den Knaben ins Wasser gestürzt haben, so werden Sie in kurzem zwei Menschenleben auf dem Gewissen haben.«

Ein röchelnder Ton kam aus der Kehle des Unglücklichen; seine Finger zuckten krampfhaft, und er bemühte sich vergebens, seine Cravate zu lösen. In demselben Augenblicke entstand in dem Schlafzimmer der Mrß. Irwin ein Geräusch, als ob zwei Personen miteinander im Handgemenge wären. Die Wärterin, welche wir ihr gegeben hatten, rief laut um Hilfe.

»Eilen Sie zu der Kranken,« sagte ich zu dem Werkführer, und trat auf Benshawe zu, um seine Halsbinde zu lösen, denn an seinen verzerrten Gesichtszügen sah ich, daß er dem Ersticken nahe war. Aber er verkannte meine Absicht, sprang auf die Seite – und stand plötzlich vor Mistreß Irwin, die aus ihrem Zimmer kam.

Das Gesicht der armen Dulderin war ganz verstört, der Schrecken hatte sie furchtbar erschüttert. Ihr weißes Nachtkleid war mit Blut bedeckt; in dem Handgemenge mit der Wärterin war der Verband losgegangen und das Blut quoll wieder aus der geschlagenen Ader.

Der Anblick der blassen, mit Blut befleckten Frau war selbst für mich entsetzlich; aber auf Benshawe, der trotz seiner leidenschaftlichen Liebe die Ursache dieses Unglücks war, wirkte dieser Anblick wie ein Donnerschlag.

Als nun gar die arme, verzweifelte Mutter ihre Kräfte zusammennahm, ihren blutigen Arm hob und ihn im Namen ihres todten Kindes verfluchte, wurde Henry Benshawe völlig vernichtet. Der Fluch der Mutter schien sogleich in Erfüllung zu gehen. Er taumelte zurück, streckte die Arme hoch über den Kopf empor, und ehe ich Zeit hatte die Hand auszustrecken, um ihn zu halten, fiel er auf der obersten Stufe rücklings nieder und stürzte die ganze Treppe hinunter.

Ich eilte ihm mit dem Werkführer nach; wir hoben ihn auf. Das Blut strömte ihm zugleich aus dem Munde und aus einer tiefen Wunde an der rechten Schläfe.

Ich rief der Wärterin zu, sich der Kranken anzunehmen, und versprach der Letzteren, sogleich wiederzukommen. Benshawe war völlig bewußtlos. Wir trugen ihn in seine Wohnung und brachten ihn zu Bett.

Der Werkführer entfernte sieh sogleich, um den Doctor Garland zu holen.

Ungeachtet des starken Blutverlustes hielt es der Arzt für nothwendig, ihm rasch zur Ader zu lassen, aber erst bei Tagesanbruch schlug Benshawe die Augen auf. Seine Zunge war völlig gelähmt, und trotz seiner Anstrengungen vermochte er kein Wort hervorzubringen.

An den Bewegungen seiner Gesichtsmuskels und an seinen fruchtlosen Sprechversuchen war indeß leicht zu sehen, daß er Alles verstand, was im Zimmer gesprochen wurde. Der Doctor Garland trat nun vor sein Bett und sagte in ernstem, feierlichem Tone:

»Sennor, Ihre Stunden sind gezählt; ehe dieser Tag sich neigt. werden Sie vor Gott stehen! Gehen Sie in sich und beweisen Sie Ihre Reue durch ein offenes Geständniß, wenn Sie das furchtbare Verbrechen, das man Ihnen zur Last legt, begangen haben.«

Er bot alle seine Kräfte auf, um durch eine verneinende Geberde zu antworten; er stieß einen lauten aber unverständlichen Schrei aus.

»Wenn hingegen das Kind lebt,« fuhr der Doktor fort, »so lassen Sie die Mutter nicht länger in der schrecklichen Verzweiflung, in welche Sie sie gestürzt haben, und geben Sie uns auf irgend eine Weise zu verstehen, wo der Knabe zu finden ist.«

Er hob seine zitternde Hand und deutete auf seinen Ueberrock, den wir auf einen Stuhl geworfen harten. Ich nahm den Rock und breitete ihn auf dem Bett aus, aber die eine Hand war völlig gelähmt, wie seine Zunge, und die andere vermochte er kaum zu bewegen. Ich mußte daher selbst die Taschen durchsuchen. In der Brusttasche fand ich einige Papiere, die ich auf der Bettdecke ausbreitete. Er deutete mit dem Finger auf eines derselben. Es war ein kleiner Zettel, auf welchem nur folgende Adresse stand:

»Mr. Thompson, Camden Town.«

»Was bedeutet dieser Zettel?« fragte ich; »ist der Knabe unter dieser Adresse zu finden?«

Er nickte bejahend.

Ich wagte zu der Mutter nur einige unbestimmte Trostworte zu sprechen, denn ich schenkte den Worten des todkranken Wahnsinnigen wenig Glauben.

Er hatte indeß die Wahrheit gesagt.

Um drei Uhr Nachmittags trat Mistreß Irwin, ihren kleinen Georges auf dem Arm tragend, in das Zimmer des Sterbenden, und widerrief mit ihrer sanften, tröstenden Stimme den Fluch, den sie über ihn ausgesprochen.

Es schien fast, als hätte der Unglückliche auf diese freundliche Erscheinung gewartet, um den Geist aufzugeben. Bei dem Anblick der Mistreß Irwin, welche, wie die heilige Jungfrau, ihr Kind auf dem Arme hielt, begannen die bleichen, verzerrten Lippen zu lächeln und sich aufzuthun, um einen Seufzer auszustoßen. – Dieser Seufzer war der letzte.

Der arme Wahnsinnige war in ein besseres Leben eingegangen.

IV.
Die Verfolgung

1

Eines Morgens ließ mich der Polizeidirector in sein Bureau rufen, um mir einen höchst schwierigen Auftrag zu ertheilen. Es handelte sich um die Verfolgung und Entdeckung eines gewandten und gefährlichen Gauners, der bis dahin allen Nachforschungen der Sicherheitsbehörde entgangen war. Dieser noch junge, kaum fünfundzwanzigjährige Industrieritter war mit einer sehr achtbaren Familie in London verschwägert. Ein nettes Verbrechen hatte die Augen der Polizei wieder auf ihn gelenkt: er hatte sich durch einen argen Mißbrauch des Vertrauens in den Besitz einer beträchtlichen Summe gesetzt, welche seinem Brotherrn gehörte.

Er hieß George Masters.

Das Resultat meiner ersten Nachforschungen war die Entdeckung, daß George Masters mit einer Bande der gefährlichsten Industrieritter in Verbindung stand und daß er die Absicht hatte, mit der gestohlenen Summe nach Amerika zu gehen. Jenseits des Oceans hoffte er dann geborgen zu seyn.

Ich ließ George Meisters scharf beobachten und unablässig verfolgen, trotz aller von seinen Spießgesellen mit großer Schlauheit gegebenen falschen Andeutungen und Nachweisungen. Es gelang mir, ihn bis Plymouth zu verfolgen, wo ich ihn zu meinem größten Bedauern aus den Augen verlor, obschon ich genau mußte, daß er sich in der Stadt befand.

Aber wo war er versteckt? das vermochte ich nicht ausfindig zu machen.

Ich hatte George Masters nie gesehen, aber ich hatte ein so genaues Signalement erhalten und seine Person war mir so ausführlich geschildert worden, daß ich in meinem eiteln Selbstvertrauen keinen Augenblick zweifelte, ich würde ihn erkennen, wenn ich das Glück hätte ihn zu begegnen.

Dieselben Personen, die ihm bis Plymouth gefolgt waren, hatten mir gemeldet, daß er nicht nur im Begriff sey England zu verlassen, sondern auf einem segelfertig liegenden Schiffe abzureisen gedenke.

Dieses Schiff lag aus der Rhede von Plymouth vor Anker und sollte bei dem ersten günstigen Winde absegeln.

Ich legte der Einschiffung der Passagiere die nach Neuyork reisen wollten, durchaus kein Hinderniß in den Weg; denn ich beabsichtigte den Ausreißer am Bord des Schiffes zu verhaften.

Eine halbe Stunde vor der Abfahrt und als ich gewiß wußte, daß alle Passagiere am Bord waren, bestieg ich ein Boot, das ich schon im Voraus gemiethet hatte. Zwei Polizeibeamte von Plymouth begleiteten mich.

Außer uns nahmen wir vier Bootsleute und den Patron mit. Zwei Leute ruderten und einer saß am Steuerruder. Der Patron stand vorn auf der Spitze des Fahrzeugs

 

Ich befahl gerade auf die »Columbia« loszusteuern. So hieß das Schiff, wo ich den Dieb zu finden hoffte. Ja dem Augenblicke, wo ich diesen Befehl gab, blies der Südostwind so heftig, daß der Patron erklärte, er brauche mindestens noch einen Mann, nicht um das Schiff zu erreichen, sondern um wieder ans Land zurückzukehren weil wir auf der Rückfahrt zugleich gegen Wind und den Strom zu kämpfen haben würden. Der Matrose, den er noch aufzunehmen wünschte, sollte die Ruderer ablösen. Ich hatte gegen diese Verstärkung der Mannschaft nichts einzuwenden; ich gab meine Zustimmung und der Patron winkte einem jener vacirenden Seeleute, die sich an den Hafenplätzen umhertreiben und eine gute Gelegenheit abwarten, sich auf den Tag, auf einen Monat oder auf ein Jahr zu verdingen.

Der junge Matrose kam herbei und wechselte einige Worte mit dem Patron, um über den Lohn für seine Bemühung einig zu werden. Dann sprang er in das Boot und nahm statt des schon anwesenden Matrosen am Steuerruder Platz, so daß die Ruderer also nicht von ihm, sondern von einem der ersten abgelöst werden sollten.

Kaum hatte sich das Boot vom Ufer entfernt, so schien die Prophezeiung des Patrons in Erfüllung zu gehen ; denn eine Welle schlug mit solcher Gewalt gegen das kleine Fahrzeug, daß der Patron, die Ruderer, der Ersatzmann und der Steuermann ihre Mützen tief übers Gesicht zogen, um ihre Augen gegen den blendenden Schaum zu schützen.

In weniger als zehn Minuten riefen wir das Schiff an. Der Capitän, obschon etwas unwillig über unsern Besuch, leistete meiner Aufforderung, die ein Befehl werden konnte, sogleich Folge. Er empfing uns am Bord und ließ zuerst alle Passagiere, dann die ganze Mannschaft vom Lieutenant bis zum letzten Schiffsjungen, an uns vorübergehen. Aber zu meinem größten Erstaunen war George Masters nicht da. Ich durchsuchte das Schiff vom Verdeck bis zum Kiel; ich erkannte zu meinem Verdruß, daß der Gentleman, den ich suchte, den Capitän der »Columbia« noch nicht mit seinem Besuch beehrt hatte.

Ich stieg sehr verstimmt die Leiter wieder hinunter, nahm meinen Platz in dem Boote wieder ein und befahl wieder ans Land zu fahren. Während wir gegen Wind und Strömung kämpften, zog das Schiff die Segel auf, lichtete die Anker und verließ rasch den Hafen.

Während ich dem Schiffe nachschaute, legte ich unwillkürlich die Hand auf den Arm des mir zunächst sitzenden Ruderers, als ob ich noch einen Zweifel hegte und erst als das Schiff hinter dem Vorgebirge verschwunden war, ließ ich meinen Matrosen die Freiheit, ans Land zurückzukehren-

»Sie hätten besser gethan, nicht anzuhalten,« murrte der Patron; »wir haben Wind und Strömung gegen uns. Wir werden viel Arbeit bekommen ehe wir landen.«

»Wir sind ja darauf vorbereitet,« entgegnete ich; »wir haben einen Ersatzmann . . .«

In diesem Augenblicke bemerkte ich, daß nur vier Mann in der Schaluppe waren und daß ein Anderer am Steuer saß.

»Halt,« rief ich, »was ist aus dem fünften Matrosen geworden, der das Steuerruder führte?«

Statt mir zu antworten, wandte sich der alte Seemann um und sagte zu dem Steuermann:

»Langsam, Billy, langsam, den Helmstock gegen den Steuerbord ! «

Meine plötzliche und unerwartete Frage hatte den Patron offenbar in Verlegenheit gesetzt, aber sein von Wind und Wetter gebräuntes Gesicht blieb gleichgültig. Ich stand auf und wiederholte meine Frage in sehr entschiedenen Tone.

Ehe der alte Seemann antwortete, spie er einen schwärzlichen Speichelstrahl aus, dann sagte er mit einem unbeschreiblichen Ausdruck, der ein Gemisch von Frechheit, Natürlichkeit, Schwachheit und Spott war:

»Der Andere, Sir? Er war ein Passagier, der nach dem Yankeelande reist.«

»Wie, nach dem Yankeelande?«

»Ja wohl, und auf meine Frage, wohin er gehe, antworte er mir: Nach New-York, um von einer Brustkrankheit zu genesen.«

Ich bebte vor Zorn. Die Polizeibeamten von Plymouth waren ganz bestürzt, die Frechheit George Masters schien ihnen kaum glaublich.

»He! He!« lachte der alte Patron, »der Gentleman ist fürwahr kein Dummkopf, wenn er wirklich derselbe ist, den Sie suchen . . . Haben Sie denn nicht gesehen, wie er an den Steuerruderketten der »Columbia« hinaufkletterte, als Sie wieder ins Boot hinunterstiegen? Der Schlaukopf schien lieber bei uns zu bleiben, während Sie das Schiff durchsuchten und erst an Bord zu gehen, als Sie wieder zu uns kamen.«

Diese Erklärung begleitete er mit einem neuen Hohngelächter.

Ungeachtet meines Aergers besaß ich doch Selbstbeherrschung genug, die Spöttereien des alten Schurken unbeantwortet zu lassen.

»Geschwind vorwärts!« sagte der eine Beamte von

Plymouth, »damit wir bald ans Land kommen. Ein guter Kanonenschuß kann das Schiff noch aufhalten.«

»Das ist wahr,« antwortete der Seemann mit phlegmatischer Ruhe, »aber Sie müssen erst vom Admiral den Befehl dazu erwirken, und ich glaube, daß wir erst bei Einbruch der Nacht am Hafendamm landen werden. Die »Columbia« wird dann wohl schon auf der offenen See seyn.«

Aus dieser Antwort und aus unserer langsamen Rückkehr nach Plymouth konnte ich mit Sicherheit schließen, daß der alte Seemann mit dem Flüchtlinge einverstanden war.

In der Ueberzeugung, daß er sich weder durch Befehle noch durch Bitten bewegen lassen würde schneller zu rudern, stellte ich mich, als ob ich auf die Verfolgung des Gauners verzichtete und verbarg meinen Zorn hinter einem stoischen Stillschweigen.

Als wir ans Land stiegen, war es nicht mehr möglich, das Schiff durch einen Kanonenschuß aufzuhalten. Die »Columbia« hatte bereits einen Vorsprung von einer Stunde; sie mußte schon zehn bis zwölf Seemeilen zurückgelegt haben, wenn sie nicht durch einen Unfall aufgehalten worden war.

Einer unserer Agenten, der als Bewohner einer Seestadt einige Kenntniß vom Wetter hatte, bemerkte die Vorzeichen eines Sturmes oder Gewitters. Er trat auf mich zu und sagte:

»Es würde mich gar nicht wundern, wenn das heranaziehende Ungewitter das Schiff nöthigte, wieder in unsern Hafen einzulaufen.«

»Das ist möglich,« erwiederte ich; »aber um völlig sicher zu seyn, befragen Sie den Matrosen dort, der das Meer mit so philosophischen Blicken betrachtet, der Mann ist gewiß mit allen Launen Neptuns sehr vertraut.«

Der Agent ging auf den Matrosen zu und berührte seine Schulter.

»Camerad,« sagte er, »glaubt Ihr, daß das heranziehende Ungewitter das Auswandererschiff zwingen wird, in irgend einem Hafen an der Küste eine Zuflucht zu suchen?«

Der Matrose nahm langsam seine Pfeife aus dem Munde und sah den Frager mit einem so possenhaften widrigkomischen Ausdruck an, daß die Umstehenden in lautes Gelächter ausbrachen. Ohne dem Polizeibeamten direct zu antworten, rief der junge Matrose einer in unserer Nähe befindlichen alten Theerjacke zu:

»Komm her, Tom. und sieh diesen Gentleman an, er wünscht zu wissen, in welchen Hafen man einlaufen kann, ehe man Land’s End im Rücken hat. Der Gentleman meint, das Schiff, das eben unter Segel ging, werde durch den Nordostwind in einen Hafen getrieben werden. Du bist älter und erfahrener als ich, Tom, sey daher so gut und gib ihm die Adresse von einem recht komfortablen Seehafen.«

Das laute Gelächter der Bummler reizte den Beamten so sehr, daß er seinen Zorn durch eine drohende Geberde zu erkennen gab.

»Lassen Sie die Leute nur über ihre mangelhaften geographischen Kenntnisse spotten,« sagte ich lachend, »folgen Sie uns. Wir haben mehr zu thun, als mit den Matrosen über topographische Fragen zu streiten.«

Wir entfernten uns. Als wir bei dem alten Tom vorübergingen, sagte er lächelnd zu dem erzürnten Agenten:

»Jim ist ein vorwitziger, dummer Junge, der von den Vorzeichen des Wetters gar keinen Begriff hat. Er spricht vom Winde, so wie ich vorn chinesischen Kaiser sprechen würde, den ich gar nicht kenne und nie gesehen habe, und bemerkt nicht, daß sich der Wind dreht wie eine Marketenderin, die ein Dutzend Kunden zugleich bedienen will. Glauben Sie dem alten Tom Davis, Sir, in zwei Stunden haben wir Südwestwind und einen famösen Wind, darauf können Sie sich verlassen. Wenn dann die »Columbia« noch nicht an der offenen See ist, und ich glaube es schwerlich, so muß sie umkehren , und Sie werden sehen , daß sie geschwinder als beim Auslaufen um das Vorgebirge fahren wird.«

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