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Erster Band

I
Steeple-Chase

Am 27. März geriet die kleine Stadt Kehl, – wenn man überhaupt Kehl eine Stadt nennen kann, – die Stadt Kehl, sagen wir, gerieth in Aufruhr durch die Ankunft den zwei Postchaisen, welche die einzige Straße der Stadt mit einer solchen Geschwindigkeit hinabfuhren, daß man befürchten konnte, in dem Augenblicke, wo sie auf die Schiffbrücke gelangen, die nach Frankreich führt, werde das geringste Verfehlen der Richtung Pferde, Postillons, Postchaisen und Reisende in den Fluß mit den poetischen Legenden werfen, der Frankreich im Osten als Grenze dient.

Die zwei Postchaisen, welche an Schnelligkeit zu wetteifern schienen, hemmten indessen den Gang bei zwei Dritteln der Straße, und hielten am Ende der dem Thore eines Gasthauses an, über dem ein blechenes Schild knarrte, darstellend einen Mann mit einem dreieckigen Hute auf dem Kopfe, mit langen Stiefeln an den Beinen, bekleidet mit einem blauen Rocke mit rothen Revers, geschmückt mit einem Riesenzopfe, unter dessen bespornten Füßen man die drei Worte: Zum großen Friedrich, lesen konnte.

Der Wirth und seine Frau, die bei dein donnerartigen Lärmen, den in der Ferne die Räder der zwei Wagen machten, auf ihre Thürschwelle gelaufen waren und durch die Geschwindigkeit der Wagen die Hoffnung verloren hatten, Reisende zu beherbergen, welche mit solcher Sturmeseile fuhren, – der Wirth und seine Frau, als sie zu ihrer unaussprechlichen Freude die zwei Postchaisen vor ihrem Hause anhalten sahen, stürzten, der Wirth an den Schlag des ersten Wagens, die Wirthin an den Schlag des zweiten.

Aus dem ersten Wagen stieg rasch ein Mann von etwa fünfzig Jahren, angethan mit einem bis ans Kinn zugeknöpften blauen Ueberrocke, mit schwarzen Beinkleidern und einen breitkrämpigen Hut auf dem Kopfe. Er hatte einen steifen Schnurrbart, ein festes Auge, eine wohlgebogene Braue, bürstenförmig geschnittene Haare: die, Braue war schwarz wie das Auge, die sie beschattete, aber Haare und Schnurrbart fingen an zu ergrauen.

Aus dem zweiten Wagen stieg mit Würde ein majestätischer, kräftig gebauter Bursche aus, so weit man ihn unter seiner Polonaise mit goldenen Schnüren und Borten und unter seinem ungarischen Mantel, oder, um den wahren Namen seines Kleides zu sagen, unter seiner mit Stickereien überladenen Guba, in die er vom Kopfe bis zu den Füßen gehüllt war, beurtheilen konnte.

Sah man diesen reichen Pelz, die Leichtigkeit, mit der er getragen wurde, die männliche Miene von demjenigen, welcher ihn trug, so hätte man gewettet, der Reisende sei ein edler walachischer Hospodar, der den Jassy oder Bucharest komme , oder wenigstens ein reicher Magyar, der von Pesth komme und sich nach Frankreich begebe, um eine diplomatische Note ratifizieren zu lassen. Doch den edlen Fremden von nahe betrachtend, hätte man alsbald gesehen, die Wette sei verloren; denn trotz des dicken Backenbarts, der sein Gesicht umrahmte, trotz des aufgestutzten Schnurrbarts, den er mit einer affektierten Sorglosigkeit hakenförmig drehte, würde man sehr rasch unter diesem aristokratischen Anscheine Merkmale der Gemeinheit erkannt haben, die den Unbekannten vom fürstlichen oder aristokratischen Range, den man ihm beim ersten Anblicke gewährt, zu dem eines Intendanten von vornehmem Hause oder eines Officiers dritten Ranges erniedrigt hätten.

Und, in der That, wie der Leser ohne Zweifel schon Herrn Sarranti in dem aus dem ersten Wagen aussteigenden Reisenden erkannt hat, ebenso hat er, wir sind hiervon überzeugt, Meister Gibassier in dem erkannt, welcher aus dem zweiten Wagen ausstieg.

Man erinnert sich, daß Herr Jackal, der mit Carmagnole nach Wien abreiste, Gibassier beauftragt hatte, Herrn Sarranti in Kehl zu erwarten. Gibassier hatte sich vier Tage im Gasthanse zur Post breit gemacht; am Abend des fünften hatte er sodann am Horizont Carmagnole erscheinen sehen, welcher als Courier durchreiste und im Vorübergehen ihn, im Auftrage von Herrn Jackal, benachrichtigte, da Herr Sarranti am Morgen des 26. ankommen müsse, so habe er, Gibassier, sich nach Steinbach zu begeben, wo er im Gasthofe zur Sonne eine Postchaise, die ihn erwarte, und in dieser Postchaise alle zur Ausführung der Befehle, die er erhalten, nothwendigen Verkleidungen finden werde.

Diese Befehle waren sehr einfach, aber darum, weil sie einfach, nicht leichter ausführbar: sie bestanden darin, daß er Herrn Sarranti nicht aus dem Gesichte verlieren, sich auf der ganzen Reise wie sein Schatten an ihn anhängen und in Paris angekommen sich beharrlich ihm anschließen solltet und Alles dies so geschickt, daß Herr Sarranti keinen Verdacht schöpfen könnte.

Herr Jackal Verließ sich auf die wohlbekannte Gewandtheit von Gibassier, was die Veränderung seines Costume und seines Gesichtes betraf.

Gibassier reiste auf der Stelle nach Steinbach ab, fand das Gasthaus, in dem Gasthofe den Wagen und in dem Wagen eine ganze Auswahl von Trachten, unter denen er als die wärmste für die Reise die wählte, mit der wir ihn in dem Augenblicke, wo er wieder vor uns erschienen ist, aufgeputzt gesehen haben.

Doch zu seinem großen Erstaunen verging der Tag des 26. und ein Theil der Nacht folgte, ohne daß er einen Reisenden ankommen sah, dessen Signalement mit dem, welches man ihm gegeben, übereinstimmte.

Endlich, gegen zwei Uhr Morgens, hörte er das Klatschen einer Peitsche und das Klingen von Schellen. Er ließ anspannen, blieb nur so lange, als er

brauchte, um sich zu versichern, der durch das doppelte Geräusch angekündigte Fremde sei wirklich Herr Sarranti, und fast sicher, er habe seinen Mann, befahl er dem Postillon, in gewöhnlichem Train abzufahren.

Zehn Minuten nachher ging Herr Sarranti, der nur die erforderliche Zeit, um die Pferde zu wechseln und eine Tasse Fleischbrühe zu sich zu nehmen, geblieben war, ebenfalls wieder ab und eilte dem nach, der ihm zu folgen beauftragt war.

Was Gibassier vorhergesehe, geschah. Zwei Stunden von Steinbach hatte ihn Herr Sarranti schon eingeholt; da aber nach den Reglements der Post kein Reisender dem Andern ohne die Erlaubnis von diesem vorfahren soll, weil er auf der nächsten Station die einzigen Pferde des Stalles nehmen könnte, so folgten sich die zwei Wagen eine Zeit lang, ohne daß der zweite dem ersten vorzufahren wagte. Ungeduldig, ließ Herr Sarranti endlich Gibassier um Erlaubnis hierzu bitten. Die Erlaubnis wurde mit einer Artigkeit gegeben, welche Herrn Sarranti bewog, selbst aus seinem Wagen zu steigen, um dem ungarischen Edelmanne zu danken; nachdem dies geschehen war, grüßte man sich Von beiden Seiten, Herr Sarranti stieg wieder in seinen Wagen und fuhr, durch die Erlaubnis begünstigt, wie der Wind weiter.

Gibassier folgte ihm, doch diesmal, indem er dem Postillon einschärfte, welchen Train auch Herr Sarranti fahren möge, ebenso zu fahren.

Der Postillon gehorchte, und wir haben die zwei Postchaisen in starkem Galopp in die Stadt Kehl einfahren und vor dem Gasthause zum Großen Friedrich anhalten sehen.

Nachdem sie sich höflich, jedoch ohne ein Wort auszutauschen, gegrüßt hatten, traten beide Reisende in das Wirthshaus ein, gelangten in das Speisezimmer, setzten sich Jeder an einen Tisch, und verlangten zu frühstücken, Herr Sarranti in vortrefflichem Französisch , Gibassier mit einem unverkennbaren deutschen Accente.

Immer stillschweigend, kostete Gibassier verächtlich von allen Schüsseln, die man ihm vorsetzte, und als er seine Rechnung bezahlt hatte und sah, daß Herr Sarranti aufstand, stand er auch auf und kehrte langsam und in der Stille zu seinem Wagen zurück.

Die zwei Postchaisen setzten sodann ihren zügellosen Lauf wieder fort, wobei der Wagen von Herrn Sarranti immer dem von Gibassier voranfuhr, jedoch nur um etwa zwanzig Schritte.

In dem Augenblicke, wo man gegen Abend in Nancy ankam, hatte der Postillon von Herrn Sarranti, der es, als erster Brautführer von einem seiner Vettern, sehr unangenehm gefunden hatte, seinen Schmaus wegen einer Station von elf Lieues, hin und zurück, verlassen zu müssen, der Postillon von Herrn Sarranti, durch seinen Kameraden davon unterrichtet, sein Reisender wünsche schnell zu fahren und bezahle gut, hatte seine Pferde einen rasenden Galopp laufen lassen, durch den er gute anderthalb Stunden an den zwei Posten gewonnen haben würde und zu rechter Zeit zurückgekommen wäre, um den Ball zu eröffnen, hätten nicht in dem Momente, wo man am Abend in Nancy ankam, Pferde, Postillon und Wagen auf einem jähen Abhange einen so entsetzlichen Purzelbaum gemacht, daß ein Schmerzensschrei der Brust des empfindsamen Gibassier entschlüpfte , der aus seiner Postchaise hinzueilte um Herrn Sarranti Hilfe zu leisten.

Gibassier handelte so zu Befreiung seines Gewissens, denn nach dem Purzelbäume, den er den Wagen halte machen sehen, war er der Ueberzeugung, der Reisende, den derselbe enthielt, bedürfe mehr der Tröstungen eines Priesters, als des Beistandes eines Reisegefährten.

Zu seinem großen Erstaunen fand er Herrn Sarranti frisch und gesund, und selbst der Postillon hatte nur eine Schulter ausgerenkt und einen Fuß verstaucht. Hatte aber die Vorsehung, als eine gute Mutter, was sie war, die Menschen bewahrt, so hatte sie dagegen ihre Genugthuung an den Thieren und am Wagen genommen; eines von den Pferden blieb auf der Stelle todt, das andere schien den Schenkel gebrochen zu haben. Eine von den Achsen des Wagens war gebrochen, und eine ganze Seite des Kastens, die, auf welche man umgeworfen hatte, war völlig zerbröckelt.

Man konnte also im Ernste nicht daran denken, sich wieder auf den Weg zu begeben.

Herr Sarranti stieß einige Fläche aus, die keinen Charakter von englischer Geduld offenbarten. Er mußte indessen seinen Entschluß fassen, was er ohne Zweifel zu thun im Begriffe war, hätte nicht der Magyar Gibassier in einer halb französischen, halb deutschen Sprache, die aber in Wirklichkeit weder das Eine, noch das Andere war, seinem unglücklichen Reisegefährten einen Platz in seinem Wagen angeboten.

 

Das Anerbieten kam so gelegen und schien so sehr von gutem Herzen gemacht zu sein, daß Herr Sarranti es ohne Bedenken annahm.

Man brachte das Gepäcke aus dem ersten Wagen in den zweiten, man versprach dem Postillon, ihm Hilfe von Nancy zu schicken, wovon man nur noch eine Stunde entfernt war, und man fuhr mit derselben Geschwindigkeit weiter.

Nachdem die ersten Artigkeiten ausgetauscht waren, vermied Gibassier, der keine Gewißheit hatte, er spreche das reine Deutsch, und befürchtete, Herr Sarranti, obgleich Corse kenne dieses Idiom gründlich, Gibassier, sagen wir, vermied sorgfältig jede Frage und beschränkte sich darauf, daß er die artigen Worte seines Gefährten mit Ja und Nein erwiderte, deren Accent sich immer mehr der französischen Sprache näherte.

Man kam nach Nancy; man hielt im Hotel du Grand-Stanislas an, das zugleich das Posthaus ist.

Herr Sarranti stieg aus, wiederholte seine Danksagungen gegen den Magyaren, und wollte sich zurückziehen.

»Sie haben Unrecht, mein Herr,« sagte Gibassier; »Sie schienen mir Eile zu haben, nach Paris zu kommen: Ihr Wagen wird vor morgen nicht wieder hergestellt sein, und Sie verlieren einen Tag.«

»Das wäre mir um so ärgerlicher,« erwiderte Sarranti, »als mir derselbe Unfall schon bei meiner Abfahrt von Regensburg widerfahren ist, und ich dabei vierundzwanzig Stunden verloren habe.«

Gibassier erklärte sich nun erst den Vorzug, der ihn in Steinbach so sehr beunruhigt hatte.

»Doch,« fuhr Herr Sarranti fort, »ich werde nicht warten, bis mein Wagen wieder-hergestellt ist, sondern einen andern kaufen.«

Und er gab in der That dem Postmeister Befehl, ihm einen Wagen zu kaufen, – was für einer es auch wäre, Calèche, Coupé, Landau oder sogar Cabriolet, – mit dem er seine Reise auf der Stelle fortsetzen könnte.

Gibassier dachte, so rasch auch der Wagen gefunden wäre, hätte er doch wohl Zeit, zu Mittag zu speisen, während sein Reisegefährte ihn untersuchen, um den Preis handeln würde und seine Bagage darauf packen ließe. Er hatte seit Morgens um acht Uhr nichts zu sich genommen, und obschon sein Magen im äußersten Falle an Genügsamkeit mit dem eines Kamels zu rivalisieren vermochte, ließ gerade, weil dieser Fall eintreten konnte, der kluge Gibassier, nie, wenn sie sich hat« die Gelegenheit , sich zu verproviantieren, ungenutzt vorübergehen.

Ohne Zweifel hielt es Heer Sarranti seinerseits für geeignet, dieselben Vorsichtenmßregeln zu nehmen, wie der würdige Magyar, denn Beide setzten sich, wie sie es am Morgen gethan, jeder an einen andern Tisch, klingelten, Inn den Kellner zu rufen, und sprachen mit einer Betonung, welche eine lobenswerthe Einhelligkeit der Meinungen andeutete, nur die drei Worte:

»Kellner, ein Mittagsbrod!«

II
Das Hotel du Grand-Turc, Place Saint-André-des-Arcs

Für diejenigen, welche sich darüber wundern sollten, daß sie Herrn Sarranti das Anerbieten, – so annehmbar es für einen Mann, der Eile hatte, war, – das ihm Gibassier machte, nicht haben annehmen sehen, bemerken wir, daß, wenn Jemand schlauer ist, als der Polizeiagent, der einen Menschen verfolgt, wie schlau auch dieser Polizeiagent sein mag, dies der Verfolgte ist.

Es regte sich also im Geiste von Herrn Sarranti ein unbestimmter Verdacht in Betreff dieses Magyaren, der so schlecht Französisch sprach, und dennoch, wenn man etwas Französisch zu ihm sagte, ziemlich verständig auf Alles antwortete, was man ihm sagen mochte, dagegen wenn man Deutsch, Polnisch oder Walachisch mit ihm sprach, – drei Sprachen, in denen Herr Sarranti vollkommen Meister war, – in den Tag hinein ja oder nein antwortete, sich sogleich in seine Guba hüllte und den Anschein gab, als schliefe er.

In Folge dieses Verdachts war Herr Sarranti, der sich während der anderthalb Meilen, die er mit ihm, von dem Orte, wo der Wagen gebrochen, bis zu dem Gasthanse gemacht, wo er sein Mittagsbrod bestellt hatte, sehr unbehaglich gefühlt, entschlossen, den Beistand seines gefälligen, aber schweigsamen Reisegefährten auszuschlagen.

Darum hatte Herr Sarranti, der nicht warten konnte, bis der seinige wiederhergestellt war, und nicht in dem des edlen Ungarn Platz nehmen wollte, einen Wagen verlangt.

Gibassier war zu schlau, um dieses Mißtrauen nicht zu bemerken. Während er zu Mittag speiste, befahl er auch, sogleich anzuspannen, da er nothwendig am andern Tage in Paris ankommen müsse, wo er ungeduldig vom österreichischen Gesandten erwartet werde.

Als die Pferde angespannt waren, grüßte Gibassier Herrn Sarranti mit einer herzlichen Kopfbewegung, drückte seine Pelzmütze auf seine Ohren nieder und ging ab . . .

Da Herr Sarranti ebenfalls Eile hatte, so war es wahrscheinlich, er werde dem directen Wege wenigstens bis Ligny folgen. Dort würde er ohne Zweifel Bar-le-Duc zu seiner Rechten lassen, um, auf der Straße von Ancervillee Saint-Dizier und Vitry-le-Francais zu erreichen.

Nur bei Vitry-le-Francais entstand ein Zweifel. Würde Herr Sarranti, hier angekommen, eine krumme Linie beschreibend, über Chalons gehen, oder unmittelbar über Fère-Champenoise, Coulanniers, Crécy und Lagny reisen?

Das war eine Frage, die sich erst in Vitry-le-Francais entscheiden ließ.

Gibassier bezeichnete seinen Weg über Toul, Ligny, Saint-Dizier;, doch eine halbe Meile von Vitry hielt er an, und er hatte mit seinem Postillon eine Besprechung von ein paar Minuten, nach welchen sich der Wagen auf die Seite geworfen mit einer gebrochenen Vorderachse auf der Erde fand.

Gibassier war ungefähr seit einer halben Stunde hier in dieser so wohl bekannten traurigen Lage, welche von Herrn Sarranti so gut geschätzt werden mußte, als die Postchaise von diesem oben auf einer Anhöhe erschien.

Als er sich dem umgeworfenen Wagen näherte, streckte Herr Sarranti den Kopf zum Schlage hinaus, und er sah aus der Straße seinen Magyaren, der mit Hilfe des Postillon vergebliche Versuche machte, um seine Chaise in den Stand zu bringen, die Reise fortsetzen zu können.

Es wäre von Herrn Sarranti eine Verletzung aller Pflichten der Höflichkeit gewesen, hätte er Gibassier in einer solchen Verlegenheit gelassen, während Gibassier bei einem ähnlichen Umstande sich und seinen Wagen zu seiner Verfügung gestellt hatte.

Er bot ihm also ebenfalls an, zu ihm einzusteigen, was Gibassier mit einer merkwürdigen Discretion annahm, indem er Vitry-le-Francais als das Ziel der Verlegenheit festsetzte,. welche er Seiner Excellenz Herrn von Bornis zu verursachen einwilligte. – Das war der Name, unter welchem Herr Sarranti reiste.

Man transportierte auf den Wagen von Herrn von Bornis den Riesenkoffer des Magyaren, und man schlug den Weg nach Vitry-le-Francais ein, wo man zwanzig Minuten nachher ankam.

Man hielt vor der Post an.

Herr von Bornis verlangte Pferde: Gibassier irgend eine Carriole, um seine Reise fortzusetzen.

Der Postmeister zeigte unter seiner Remise ein altes Cabriolet, das, so alt es war, den Bedürfnissen von Gibassier zu entsprechen schien.

Beruhigt über das Schicksal seines Gefährten, nahm Herr von Bornis von diesem Abschied und gab, wie dies Gibassier gedacht hatte, Befehl, der Straße nach Fère-Champenoise zu folgen.

Gibassier schloß seinen Handel mit dem Postmeister und reiste ab, indem er dem Postillon den Befehl gab, derselben Straße zu folgen, welche der Reisende, der ihm voranging, eingeschlagen hatte.

Der Postillon sollte fünf Franken in dem Augenblicke erhalten, wo man den Wagen erblicken würde.

Der Postillon trieb seine Pferde zum schnellsten Laufe an, doch man kam zur Station, ohne etwas gesehen zu haben.

Auf der Station fragte man Postmeister und Postillon: keine Postchaise war seit dem vorhergehenden Tage vorübergekommen.

Die Sache war klar: Sarranti mißtraute. Er hatte die Straße nach Fère-Champenoise angegeben und die nach Châlons eingeschlagen.

Gibassier war zurückgeblieben.

Es war keine Minute zu verlieren, um in Meaux vor Sarranti anzukommen.

Gibassier ließ sein Cabriolet hier, nahm aus seinem Koffer das vollständige Costume eines Cabinetscouriers, Blau und Gold, zog eine Lederhose und weiche Stiefeln an , warf auf seinen Rücken den Depechensack, entledigte sich seines Backenbartes und seines Schnurrbartes und verlangte einen Postklepper.

In einem Augenblicke war der Postklepper gesattelt und Gibassier auf dem Wege nach Sésanne.

Er hoffte Meaux über la Ferté-Gaucher und Coulomniers zu erreichen.

Er hielt weder um zu trinken, noch um zu essen, machte dreißig Lieues in einem Zuge und kam vor dem Thore von Meaux an.

Keine der, welche Gibassier beschrieb, ähnliche Postchaise war passirt.

Gibassier hielt an, ließ sich in der Küche Mittagsbrod servieren, aß, trank und wartete.

Ein gesatteltes Pferd wartete auch.

Nach einer Stunde traf der mit so großer Ungeduld erwartete Wagen ein.

Es war finstere Nacht.

Sarranti ließ sich ein Bouillon in seinen Wagen bringen und gab Befehl, nach Paris über Claye zu fahren: – das genügte Gibassier.

Er ging zum Hofthore hinaus, schwang sich auf sein Pferd und erreichte bald, indem er einen Seitenweg durch ein Gäßchen einschlug, die Straße nach Paris.

Nach Verlauf von zehn Minuten sah er hinter sich die zwei Laternen der Postchaise von Sarranti glänzen.

Das war fortan Alles, was er brauchte: er sah und wurde nicht gesehen. Es handelte sich nur darum, auch nicht gehört zu werden.

Er wählte die Seite des Weges und galoppierte immer ein Kilometer vor dem Wagen.

Man kam in Bondy an.

Hier war in einem Nu der Cabinetscourier in einen Postillon verwandelt, und gegen ein Trinkgeld von fünf Franken, trat der Postillon, der fahren sollte, mit Dankbarkeit seine Tour ab.

Herr Sarranti erschien.

So nahe bei Paris war es nicht der Mühe wert anzuhalten; er steckte den Kopf durch den Schlag und verlangte Pferde.

»Hier sind schon, Herr, und zwar famose,« antwortete Gibassier.«

Es war in der That ein Paar von den trefflichen Schimmeln des Perche , welche immer wiehern und stampfen.

»Wollt ihr wohl ruhig sein, ihr Teufelsmähren!« rief Gibassier, während er sie ihren Platz mit der Geschicklichkeit eines vollendeten Postillon an der Deichsel einnehmen ließ.

Als sodann die Pferde angespannt waren, fragte der falsche Postillon, mit dem Hute in der Hand, an den Wagenschlag tretend:

»Wo werden Sie absteigen, Herr?«

»Place Saint-André-des-Arcs, Hotel du Grand-Turc,« antwortete Herr Sarranti.

»Gut!« rief Gibassier, »es ist, als ob Sie schon dort wären!«

»Und wann werden wir da sein ?« fragte Herr Sarranti.

»Oh! in anderthalb Stunden ; die Funken müssen davon fliegen!«

»Rasch, vorwärts! zehn Franken Trinkgeld, wenn wir in einer Stunde an Ort und Stelle sind.«

»Man wird da sein, Bürger!« sagte Gibassier.

Und er schwang sich auf das Sattelpferd und ging im Galopp ab.

Diesmal war er sicher, Sarranti werde ihm nicht entkommen.

Man erreichte die Barrière. Die Douaniers nahmen die rasche Durchsuchung vor, mit der sie die Reisenden beehren, welche mit Extrapost reisen, sprachen das sacramentliche Wort: »Weiter!« und Herr Sarranti, der sieben Jahre früher aus Paris durch die Barrière de Fontainebleau abgegangen war, kehrte dahin durch die Barrière de la Petite-Villette zurück.

Eine Viertelstunde nachher fuhr man in starkem Trabe in den Hof des Hotel du Grand-Turc, Place Saint-André-des-Arcs, ein.

Es waren im Gasthause nur zwei Zimmer, welche auf demselben Boden einander gegenüberlagen, unbesetzt: die Nummer 6 und die Nummer 11.

Der Kellner führte Herrn Sarranti, und dieser wählte die Nummer 6.

Als der Kellner hinabging, rief Gibassier:

»He! sagen Sie doch, Freund!«

»Was gibt es, Postillon?« fragte verächtlich der Kellner.

»Postillon! Postillon!« wiederholte Gibassier; »ganz gewiß bin ich Postillon. Nun? ist dabei eine Schande?«

»Nicht daß ich wüßte; nur nenne ich Sie Postillon, weil Sie Postillon sind!«

»Gut!« sprach Gibassier.

Und er machte brummend zwei Schritte gegen seine Pferde.

»Was wollen Sie denn von mir’s« fragte der Kellner.

»Ich? Nichts.«

»Sie riefen ja vorhin . . . «

»Was?«

»»Sagen Sie doch, Freund!««

»»Ah! es ist wahr . . . Nun, die Sache verhält sich so: Herrn Poirier . . . Sie kennen ihn wohl?«

»Welchen Herrn Poirier?«

»Ei! Herrn Poirier . . . «

»Ich kenne keinen Herrn Poirier.«

 

»Herrn Poirier, der Pächter bei uns: Sie kennen ihn nichts Herrn Poirier, der eine Herde von vierhundert Stück Vieh hat! Sie kennen Herrn Poirier nicht?«

»Ich sage Ihnen, daß ich ihn nicht kenne.«

»Desto schlimmer! er wird mit dem Wagen von elf Uhr kommen, mit dem Wagen von Plat d’Etain.

Sie kennen ihn wohl, den Wagen von Plat d’Etain?«

»Nein.«

»Sie kennen also Nichts-? Was haben Sie denn Ihr Vater und Ihre Mutter gelehrt, wenn Sie weder Herrn Poirier, noch den Wagen von Plat d’Etain kennen? . . . Ah! man muß zugestehen, es gibt sehr fehlerhafte Eltern!«

»Wo wollen Sie denn aber hinaus mit Ihrem Herrn Poirier?«

»Ah! ich wollte Ihnen hundert Saus in seinem Auftrage geben; doch wenn Sie ihn nicht kennen . . . «

»Man kann Bekanntschaft machen.«

»Doch wenn Sie ihn nicht kennen . . . «

»Wozu denn aber diese hundert Sons? Er gibt mir nicht hundert Sous wegen meiner schönen Augen . . . «

»Oh! nein, da Sie schielen, mein Freund.«

»Gleichviel! warum beauftragt Sie Herr Poirier, mir hundert Saus zu geben?«

»Um ihm ein Zimmer im Hotel aufzubewahren, weil er im Faubourg Saint-Germain zu thun hat; und er sagte zu mir: »»Charpillon!«« Das ist mein Name, Charpillon vom Vater auf den Sohn.«

»Das freut mich sehr, Herr Charpilon.«

»Er sagte zu mir: »»Charpilon, Du wirst hundert Sous dem Mädchen vom Hotel du Grand-Turc, Place Saint-André-des-Arcs, geben, damit es mir ein Zimmer aufbewahrt.«« Wo ist das Mädchen?«

»Das ist unnöthig, ich werde ihm das Zimmer so gut aufbewahren, als das Mädchen.«

»Ei nein! da Sie ihn nicht kennen . . . «

»Ich brauche ihn nicht zu kennen, um ihm ein Zimmer aufzubewahren.«

»Ah! das ist wahr; Sie sind nicht ganz so dumm, als Sie aussehen!«

»Ich danke.«

»Hier sind die hundert Saus; Sie werden ihn wohl erkennen, wenn er kommt.«

»Herrn Poirier?«

»Ja.«

»Besonders, wenn er seinen Namen sagt.«

»Oh! er wird ihn sagen; er hat keine Gründe, seinen Namen zu verheimlichen.«

»Dann wird man ihn in das Zimmer Nummer 11 führen.«

»Sehen Sie einen dicken Kumpan, mit einem Nasenwärmer der ihm das halbe Gesicht bedeckt, und einem Ueberrocke den kastanienbraunem Castorin, so können Sie dreist sagen: »»Das ist Herr Poirier!««

Und hiernach: gute Nachts lassen Sie Nummer 11 gut heizen, denn Herr Poirier ist sehr verfroren . . . Ah! und warten Sie doch, ich glaube, es wäre ihm nicht unangenehm, wenn er ein guten Abendbrod in seinem Zimmer fände.«

»Schon!«

»Und ich vergaß noch . . . « sagte der falsche Charpillon.

»Was?«

»Die Hauptsache! Er trinkt nur Bardeauxwein.«

»Wohl! er wird eine Flasche Bordeaux auf seinem Tische finden.«

»Dann wird er nichts mehr zu wünschen haben, als Augen zu besitzen, wie die Deinigen, um gegen Bondy sehen zu können, wenn Charenton brennt.«

Und mit einem gewaltigen Gelächter, das von dem Vergnügen zeugte, welches ihm dieser feine Scherz bereitete, verließ der falsche Postillon das Hotel du Grand-Turc.

Eine Viertelstunde nachher hielt ein Cabriolet vor der Thüre des Gasthauses; ein Mann stieg aus unter dem von Charpillon angegebenen Signalement und wurde, nachdem er sich als denselben Herrn Poirier, den man erwartete, zu erkennen gegeben, vom Kellner unter zahllosen Bücklingen in das Zimmer Nummer 11 geführt, wo ein gutes Abendbrod aufgetragen war, und wo eine Flasche Bordeaux-Wein, in einer vernünftigen Entfernung dem Feuer stehend, den Grad von Lauigkeit erreichte, welchen ihm, ehe sie ihn trinken, die wahren Feinzüngler geben.

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