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Pauline

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X

Die Hochzeit wurde zu Lucienne in den ersten Tagen des November gefeiert, von, wo wir zu Anfang der Wintersaison nach Paris zurückkehrten.

Wir bewohnten mit meiner Mutter ein und dasselbe Hotel. Meine Mutter hatte mir beim Abschluß des Ehekontraktes 25000 Livres Rente angewiesen und der Graf hatte beinahe dieselbe Summe angegeben. Ihr blieben noch 15000. Unser Haus konnte sich, wenn auch nicht zu den reichsten, doch zu den angesehensten der Vorstadt St. Germain zählen.

Horaz stellte mir zwei seiner Freunde vor, welche er wie seine Brüder zu empfangen bat. Seit 6 Jahren verband sie eine so innige Freundschaft, daß man sie gewöhnlich nur die Unzertrennlichen nannte. Ein Vierter, den sie noch jeden Tag betrauerten, hatte sich im Oktober des vorigen Jahres in den Pyrenäen, wo er ein Schloß besaß, auf der Jagd erschossen. Ich kann Ihnen die Namen dieser beiden Männer noch nicht nennen, Sie werden am Ende meiner Erzählung die Ursache leicht erraten; da ich jedoch bisweilen genötigt sein werde, sie zu bezeichnen, so will ich den einen Heinrich, den andern Max nennen.

Ich kann nicht sagen, daß ich glücklich war: die Gefühle, welche ich für den Grafen Horaz hegte, waren und sind mir noch unerklärlich; man könnte sie eine mit Furcht gemischte Achtung nennen. Auf Alle, die ihn umgaben, machte er übrigens denselben Eindruck, selbst seine beiden Freunde, so frei und ungezwungen sie sich auch gegen ihn benahmen, widersprachen ihm selten und räumten ihm, wenn auch nicht die Rechte eines Herrn, doch die eines altern Bruders ein. Obgleich in allen körperlichen Hebungen geschickt, standen sie ihm in Hinsicht der Kraft weit nach. Der Graf hatte den Bildersaal in einen Fechtsaal umgewandelt und eine Allee des Gartens zum Schießplatz geweiht. Diese Herren kamen alle Tage, sich in der Führung des Degens oder der Pistolen zu üben. Bisweilen wohnte ich diesen Kämpfen bei. Horaz war dann stets mehr ihr Lehrer als ihr Gegner. Er bewahrte bei diesen Übungen immer jene bewunderungswürdige Ruhe, von welcher er bei Frau von Lucienne eine Probe gab, und mehrere Duelle, die für ihn rühmlich endigten, bestätigten, daß jenes kalte Blut, im wichtigsten Augenblicke so selten, ihn keinen Augenblick verließ. Horaz blieb also, trotz aller Vertraulichkeit, ein für mich höheres, über den Standpunkt der gewöhnlichen Menschen erhabenes Wesen.

Was ihn betrifft, so schien er glücklich zu sein, wenigstens pflegte er sehr oft zu sagen, daß er es sei, obgleich seine von Sorgen umdüsterte Stirn für das Gegenteil zeugte. Bisweilen störten schreckliche Träume seinen Schlaf, und dann gab es Augenblicke, wo dieser am Tage so ruhige und tapfere Mann beim Erwachen aus einem solchen Traume vor Schrecken zitterte wie ein Kind. Er schrieb diese Zufälle einer Begebenheit zu, welche sich mit seiner Mutter während der Schwangerschaft zugetragen hatte; diese war nämlich auf einer Reise in die Sierra von Räubern angehalten und an einen Baum gebunden worden, von wo aus sie die Ermordung eines Reisenden, der denselben Weg machte, mit angesehen hatte. Daher kam es, daß es gewöhnlich Raub- und Mordscenen waren, die sich während des Schlafes seinem Geiste darstellten. Deswegen und wohl mehr um der Wiederkehr solcher Träume zuvorzukommen, als aus wirklicher Furcht, legte er stets, wo er auch war, beim Schlafengehen ein Paar Pistolen zur Hand. Dieß setzte mich Anfangs in große Furcht, denn ich dachte mit Zittern daran, daß er in einem Anfall von Somnambulismus Gebrauch von diesen Waffen machen möchte; doch nach und nach wurde ich ruhig und gewöhnte mich daran, ihn diese Vorsichtsmaßregeln nehmen zu sehen. Eine andere noch auffallendere Erscheinung, die ich mir erst jetzt erklären kann, bestand darin, daß Tag und Nacht ein gesatteltes, reisefertiges Pferd bereit stand.

Der Winter verstrich unter Festen und Bällen. Horaz hatte eine ausgebreitete Bekanntschaft, so daß sich, da seine Gesellschaftszimmer mit den meinigen verbunden waren, der Kreis unserer Bekanntschaften verdoppelte. Er begleitete mich mit außerordentlicher Gefälligkeit überall hin, und, was alle Welt in Erstaunen setzte, hatte gänzlich aufgehört zu spielen. Im Frühjahr gingen wir auf's Land.

Hier fanden wir alle alten Erinnerungen wieder. Die Zeit verging, theils zu Hause, theils bei unsern Nachbarn. Wir besuchten fortwährend Frau von Lucienne und ihre Kinder und betrachteten diese als eine uns verwandte Familie. Kaum schien eine Veränderung mit meinem Zustande als Mädchen eingetreten zu sein und mein Leben war fast dasselbe. Wenn dieses Verhältnis kein glückliches war, so hatte es doch wenigstens ganz den Anschein, es zu sein, so daß man sich leicht täuschen konnte. Nur jene unerklärliche Schwermut, die sich des Grafen mehr und mehr bemächtigte, trübte es. Jene Träume wurden immer häufiger und schrecklicher. Oft ging ich zu ihm, wenn er am Tage unruhig war, oft weckte ich ihn des Nachts aus seinen Träumen; sobald er mich jedoch erblickte, nahm er jene kalte ruhige Miene an, welche so großen Eindruck auf mich gemacht hatte. Dock konnte man sich nicht täuschen, der Abstand dieser scheinbaren Ruhe vom wahren Glück war zu groß.

Im Monat Juni fanden sich Heinrich und Max, die beiden jungen Leute, von denen ich bereits gesprochen habe, wieder bei uns ein. Wir wußten, welche große Freundschaft sie mit Horaz verband und empfingen sie daher, meine Mutter wie ihre Kinder, ich wie meine Brüder. Sie bewohnten die Zimmer, welche fast an die unsrigen stießen; mein Mann ließ Klingeln von einem besonderen Klange anbringen, deren Züge aus seinem Zimmer in die ihrigen und aus den ihrigen in das seinige gingen, und befahl, daß statt eines jetzt stets drei gesattelte, Pferde bereit gehalten werden sollten. Meine Kammerfrau sagte mir unter Anderem, daß, wie sie von der Dienerschaft gehört habe, jene Herrn die nämliche Gewohnheit hätten, wie mein Mann, und nie schliefen, ohne ein Paar geladene Pistolen auf den vor dem Bette stehenden Tisch zu legen.

Seit der Ankunft feiner Freunde lebte Horaz fast nur für sie. Ihre Vergnügungen waren dieselben, wie zu Paris, Reiten, Fechten, Pistolenschießen. So verstrich der Juli. Gegen die Mitte des August kündigte mir der Graf an, daß er in einigen Tagen genötigt sei, mich auf zwei oder drei Monate zu verlassen. Dieß war die erste Trennung seit unserer Hochzeit, und ich erschrak daher bei diesen Worten. Der Graf versuchte, mich zu beruhigen. indem er mir sagte, daß das Ziel dieser Reise, wie ich vielleicht glaube, nicht weit, sondern eine der nächsten Provinzen, nämlich die Normandie sei,; er wolle mit seinen Freunden nach dem Schlosse Burcy reisen. Jeder von ihnen besäße ein Landhaus, der eine in der Vendée, der andere zwischen Toulon und Rice. Der bereits Verstorbene besaß ein solches in den Pyrenäen und der Graf Horaz in der Normandie, so daß, jedes Jahr zur Zeit der Jagd wechselweise Einer die Andern auf seinem Landsitze empfing, wo sie dann drei Monate mit einander zubrachten. Dieses Jahr war die Reihe, seine Freunde zu bewirten, an Horaz. Ich erbot mich sogleich, ihn zu begleiten und die Honneurs seines Hauses zu machen, allein der Graf erwiderte mir, daß das Schloß weiter nichts sei, als ein Rendezvous zur Jagd, und zwar schlecht erhalten, schlecht möbliert, wohl gut genug für Jäger, die gewohnt seien, zu leben, so gut es eben gehe, aber nicht für eine Frau, die an alle Bequemlichkeiten, an allen Luxus des Lebens gewöhnt sei,. Er werde übrigens während seines Aufenthaltes dort Befehl geben, daß Alles in den gehörigen Stand gesetzt werde, damit ich, wenn ihn die Reihe wieder träfe, als ehrsame Burgfrau die Honneurs seines Hauses machen könne.

Dieser Fall, so einfach und natürlich er auch meiner Mutter erschien, beunruhigte mich doch entsetzlich. Ich hatte ihr noch nie von dem Trübsinn, von dem Entsetzen erzählt, welches den Grafen so oft befiel, aber welche Auslegungen er denselben auch zu geben suchte, ich legte ihm stets einen andern Grund unter, den er mir nicht sagen konnte oder wollte. Dennoch würde es meinerseits als lächerlich erschienen sein, wenn ich wegen einer Abwesenheit von drei Monaten hätte verdrießlich sein, und anderseits sonderbar, wenn ich hätte darauf bestehen wollen, dem Grafen zu folgen. Ich verschloß also meine Unruhe in mir und sprach nicht mehr von jener Reise.

Der Tag der Trennung erschien. Es war der 27te August. Die Herrn wollten zur Eröffnung der Jagd, welche auf den 1ten Sept. angesetzt war, in Burcy eintreffen. Sie reisten mit Extrapost ab und ließen sich ihre Pferde durch den Malaien nach bringen, der sie auf dem Schlosse treffen sollte.

Im Augenblicke der Abreise konnte ich mich der Tränen nicht enthalten; ich zog Horaz in ein Nebenzimmer und bat ihn nochmals inständig, mich mitzunehmen. Ich erzählte ihm meine sonderbare Angst, ich erinnerte ihn an seinen Tiefsinn, an jene unbegreiflichen Schreckbilder, die ihn so oft beunruhigten. Das Blut stieg ihm in's Gesicht und zum ersten Male sah ich ihn ein Zeichen der Ungeduld von sich geben. Doch unterdrückte er es sogleich und mit der größten Sanftmut versprach er, mir zu schreiben, wenn das Schloß irgend bewohnbar sei, woran er jedoch zweifle, daß ich dahin nachkommen solle. Bei diesem Versprechen und mit dieser Hoffnung faßte ich mich wieder, so daß ich bei seiner Entfernung ruhiger war, als ich geglaubt hätte.

Gleichwohl waren die ersten Tage nach seiner Abreise schrecklich für mich. Es war kein Liebesschmerz, ich wiederhole es Ihnen, der mich beunruhigte, sondern vielmehr das unbestimmte anhaltende Vorgefühl eines großen Unglücks. Den zweiten Tag nach seiner Abreise empfing ich einen Brief von ihm aus Caen datiert; er hatte sich in dieser Stadt kurze Seit aufgehalten, um da zu essen, und sich des Zustandes von Unruhe erinnernd, in welchem er mich verlassen hatte, hatte er mir schreiben wollen. Die Lektüre dieses Briefes that mir einigermaßen wohl, allein das letzte Wort desselben erneuerte meine Befürchtungen, die mir um so schrecklicher vorkamen, als sie für mich allein wirklich da waren, während sie jedem Andern als nur in der Einbildung existierend erscheinen mußten; anstatt mir zu schreiben »auf Wiedersehen, sagte mir der Graf »Lebewohl. Der Geist, wenn er einmal befangen ist, legt Kleinigkeiten eine große Bedeutung unter; ich glaubte in Ohnmacht sinken zu müssen, als ich dieses Wort las.

 

Einen zweiten Brief des Grafen empfing ich aus Burcy selbst. Er hatte das Schloß, welches er seit 3 Jahren nicht besucht hatte, in einem schrecklichen Zustande gefunden: kaum gab es ein Zimmer, in welches Regen und Wind nicht eindrangen, und es war also nicht möglich, für dieses Jahr nur im Entferntesten an eine Reise dahin zu denken. Ich erwartete einen solchen Brief, warum? weiß ich nicht; er machte daher auch weniger Eindruck auf mich, als der erste.

Einige Tage später lasen wir in der Zeitung die ersten Nachrichten von den Raub- und Mordanfällen, welche die Normandie beunruhigten. Ein dritter Brief von Horaz brachte uns gleichfalls diese Nachrichten von ihm, allein er schien diesen Ereignissen nicht die Wichtigkeit beizulegen, die ihnen die öffentlichen Blätter gaben. Ich antwortete ihm, um ihn zu bitten, so schnell als möglich zu uns zurückzukehren, denn diese Gerüchte schienen mir der Anfang zur Verwirklichung meiner Befürchtungen zu sein.

Bald wurden die Nachrichten immer schrecklicher. Nun ward ich von Trübsinn und abscheulichen Träumen heimgesucht. Ich wagte nicht mehr, dem Grafen zu schreiben, mein letzter Brief war ohne Antwort geblieben; ich begab mich zu Frau von Lucienne, die seit dem Tage, wo ich mich ihr entdeckte, meine Ratgeberin geworden war; ich erzählte ihr meine Angst und meine Ahndungen. Sie wiederholte mir, was mir meine Mutter schon zwanzig Mal gesagt hatte, daß den Grafen nur die Befürchtung, ich möchte dort wenig Bequemlichkeit finden, abgehalten habe, mich mitzunehmen, sie wüßte am besten, wie sehr er mich liebe, ihr habe er sich vertraut und seit der Zeit so oft für das Glück gedankt, was er, wie er sagte, ihr allein zu verdanken habe. Diese Gewißheit, die mir über des Grafen Liebe wurde, führte endlich einen Entschluss herbei. Ich beschloß, wenn die nächste Briefpost mir seine Rückkehr nicht melden sollte, selbst abzureisen und zu ihm zu eilen.

Ich empfing einen Brief, aber statt seine Rückkehr zu melden, zeigte er mir an, daß er genötigt sei, noch sechs Wochen oder zwei Monate entfernt von mir zu bleiben. Der Brief war voll von Liebesbeteuerungen. Er schrieb, daß nur jene alte Verbindlichkeit gegen seine Freunde ihn von seiner Rückkehr abhalten könnte und nur die Überzeugung, daß ich mich in den alten Räumen sehr unwohl befinden würde, ihn verhinderten, mich dahin kommen zu lassen. Wenn ich noch unschlüssig gewesen wäre, so würde mich dieser Brief vollends bestärkt haben. Ich ging zu meiner Mutter hinab' und sagte ihr, daß Horaz mir erlaubt habe, zu ihm zu kommen und ich den andern Tag Abends abreisen würde. Sie wollte mich durchaus begleiten und ich hatte große Mühe, ihr begreiflich zu machen, daß, wenn er für mich fürchte, er noch viel mehr Ursache haben müsse, für sie zu fürchten.

Ich reiste mit der Post ab, meine Kammerfrau, die aus der Normandie war, begleitete mich. Bei unserer Ankunft zu St. Laurent-du-Moni bat sie mich um Erlaubnis, drei oder vier Tage bei ihren Verwandten, die zu Crévecoeur wohnten, zubringen zu dürfen, und ich gab ihr dieselbe, ohne daran zu denken, daß ich ihrer Dienste in dem Augenblicke, wo ich in einem bloß von Männern bewohnten Hause absteigen würde, am meisten bedürftig sein würde. Doch wollte ich auch Horaz beweisen, daß er sehr unrecht habe, an meiner Standhaftigkeit zu zweifeln.

Gegen sieben Uhr Abends kam ich in Caen an. Der Postmeister, welcher gehört hatte, daß eine allein reisende Dame Pferde nach dem Schlosse Burcy verlange, kam selbst an den Schlag meines Wagens und drang so in mich, die Nacht hier zu bleiben und meine Reise erst den andern Morgen fortzusetzen, daß ich endlich nachgab. Ich wäre über dem zu einer Zeit auf dem Schlosse angekommen, wo Alles schlief und wo in Folge der Ereignisse, die sich in der Umgegend zutrugen, die Tore vielleicht so fest geschlossen waren, daß sie, mir gar nicht geöffnet werden konnten.

Die Abende wurden bereits kühl, ich trat daher einstweilen in das Zimmer des Postmeisters, bis man mir ein eigenes in Stand gesetzt haben würde. Die Wirtin erzählte mir da, wahrscheinlich um mir jede Reue über meinen Entschluß und die daraus entstehende Verzögerung meiner Reise zu benehmen. Alles, was sich seit vierzehn Tagen oder drei Wochen in der Umgegend zugetragen. Der Schrecken hatte den höchsten Grad erreicht; Niemand wagte mehr, eine Viertelstunde weit aus der Stadt zu gehen, sobald die Sonne untergegangen war.

Ich brachte eine schreckliche Nacht zu. Je näher ich dem Schlosse kam, desto mehr verließ mich meine Zuversicht. Vielleicht hatte der Graf andere Gründe, sich von mir entfernt zu halten, als diejenigen, die er mir angab; wie mußte er mich dann empfangen? Meine plötzliche, unerwartete Ankunft war ein Ungehorsam gegen seine Befehle, ein Eingriff in seine Rechte. Jenes Zeichen von Ungeduld, welches er nicht zurückhalten konnte und welches das erste war, das ihm je entschlüpfte, verkündigte es nicht einen unwiderruflichen Entschluß? Ich hatte einige Augenblicke die Absicht, ihm von Caen aus zu schreiben, daß ich da sei, und zu warten, bis er mich abhole. Aber alle meine Befürchtungen, erregt und unterhalten durch das Wachen in meinem fieberhaften Zustande, verschwanden, nachdem ich einige Stunden geschlafen hatte und der anbrechende Tag mein Zimmer erhellte. Ich sammelte allen meinen Mut und verlangte Pferde. Nach zehn Minuten reiste ich ab.

Um neun Uhr Morgens, zwei Lieues von Buisson, hielt der Postillon an und zeigte mir das Schloß Burcy. Man sah deutlich den Park, der sich bis auf zwei hundert Schritte der Straße näherte. Ein Seitenweg führte an ein Gitterthor. Er fragte mich: ob es dieses Schloß wäre, nach welchem ich wolle? ich bejahte es und wir fuhren nun durch das Gehege.

Das Thor war verschlossen. Wir klingelten mehrmals, ohne daß man uns hörte. Ich begann schon zu bereuen, daß ich meine Ankunft nicht vorher gemeldet hatte; es konnte leicht sein, daß der Graf mit seinen Freunden auf einer Jagdpartie abwesend war, was sollte dann auf einem so einsamen Schlosse aus mir werden, dessen Tore ich mir vielleicht nicht einmal öffnen lassen konnte? Mußte ich nicht am Ende in einer schlechten Dorfschenke ihre Rückkunft erwarten? Das wäre mir unmöglich gewesen. Endlich stieg ich voller Ungeduld aus und läutete mit aller Kraft. Ein lebendes Wesen erschien endlich hinter dem Gebüsch bei der Biegung einer Allee. Ich erkannte den Malaien und gab ihm ein Zeichen, daß er sich beeilen möchte. Er kam und öffnete.

Ich nahm mir nicht erst die Mühe, wieder einzusteigen, sondern eilte die Allee hin, durch welche ich den Malaien hatte kommen sehen; bald erblickte ich das Schloß. Beim ersten Anblick schien mir dasselbe in sehr gutem Zustande zu sein. Ich eilte die Treppe hinauf, trat in ein Vorzimmer, hörte sprechen, stieß noch eine Tür auf und befand mich im Speisesaale, Horaz gegenüber, welcher mit Heinrich frühstückte. Jeder hatte zu seiner Rechten ein Paar Pistolen auf dem Tische liegen.

Als der Graf mich bemerkte, erhob er sich und wurde so blaß, daß man Hütte glauben sollen, er werde unwohl. Ich dagegen zitterte dermaßen, daß ich nicht im Stande war, ihm die Hand zu reichen. Ich war im Begriff zu fallen, als er herzusprang und mich aufhielt.

Horaz, sagte ich zu ihm, verzeihe mir, es war mir nicht möglich, länger entfernt von Dir zu bleiben. . . ich war zu unglücklich, zu unruhig. . . ich bin ungehorsam gewesen.

Und daran thatest Du sehr unrecht, sprach er mit dumpfer Stimme.

O! wenn Du es wünschest, rief ich, erschrocken über den Ton seiner Stimme, so werde ich im Augenblicke wieder abreisen. . . Ich habe Dich wieder gesehen. . . weiter bedarf ich nichts. . .

Nein, sagte der Graf, nein, weil Du nun einmal hier bist, so bleibe. . . bleibe und sei, willkommen.

Bei diesen Worten umarmte er mich und sich Gewalt anthuend, nahm er sogleich wieder jenen Schein der Ruhe an, der mich oft mehr schreckte als das zornigste Gesicht.

XI

Doch allmälig schmolz der Eisschleier, welchen der Graf über sein Gesicht gezogen zu haben schien. Er hatte mich in ein Zimmer geführt, welches für mich bestimmt und ganz im Geschmack Ludwigs des XV. meublirt war.

Ja! ich kenne es, unterbrach ich sie, es ist dasselbe, in welchem ich gewesen bin. O, mein Gott! mein Gott! ich fange an, mir Alles zu erklären!. . .

Hier, fuhr Pauline fort, bat er mich um Verzeihung wegen seines Benehmens bei meinem Empfang; die Überraschung über meine so unerwartete Ankunft, die Besorgnisse wegen der mannigfachen Entbehrungen, die ich während eines zweimonatlichen Aufenthaltes in diesem alten Gemäuer erdulden müsse, hätten ihn hingerissen. Indessen da ich allen Hindernissen getrotzt, so sei es ihm lieb, daß ich da sei, er werde sich bemühen, mir den Aufenthalt auf dem Schlosse so angenehm als möglich zu machen; unglücklicher Weise habe er aber für diesen oder den folgenden Tag eine Jagdpartie zugesagt und werde mich deshalb für einen oder zwei Tage verlassen müssen, werde jedoch ferner keine neuen Verbindlichkeiten der Art mehr eingehen, denn meine Gegenwart solle ihm als Entschuldigungsgrund dienen. Ich erwiderte, daß er ganz frei und ich nicht gekommen sei, ihm in seinen Vergnügungen hinderlich in den Weg zu treten, sondern vielmehr, um mein durch die Gerüchte von den vielen Mordtaten beunruhigtes Herz zu beruhigen. Der Graf lächelte.

Ich war von der Reise ermüdet, legte mich daher nieder und schlief ein. Am zwei Uhr trat der Graf in mein Zimmer und fragte mich, ob ich geneigt sei, eine Luftfahrt auf dem Meere mitzumachen; das Wetter war ausgezeichnet schön, ich nahm die Einladung an.

Wir stiegen in den Park hinab, den die Orne durchströmte. An dem einen Ufer dieses kleinen Flusses lag eine niedliche Barke von sehr langer fremdartiger Bauart. Horaz sagte mir, daß sie nach dem Muster der malaiischen Barken gebaut sei und diese Konstruktion besonders viel zu ihrer außerordentlichen Schnelligkeit beitrage. Wir stiegen ein, Horaz, Heinrich und ich. Der Malaie setzte sich an's Ruder, und wir fuhren mit Hilfe des Stromes schnell dahin. Nachdem wir das Meer erreicht hatten, entfalteten Horaz und Heinrich das lange dreieckige Segel, welches um den Mast geschlungen war, und nun eilte die Barke auch ohne Hilfe des Ruders mit reißender Schnelligkeit über die Wellen.

Zum ersten Male sah ich den Ozean und dieser großartige Anblick nahm mich so sehr in Anspruch, daß ich gar nicht bemerkte, wie wir auf eine kleine Barke zusteuerten, die uns Signale gab. Erst die Stimme des Grafen, der einen der Männer jener Barke anrief, erweckte mich aus meinen Träumereien.

Holla! He! Schiffer, schrie er ihm zu, was giebt es Neues in Havre?

Meiner Treu, nichts von Bedeutung, antwortete eine Stimme, die mir bekannt war, und in Burey?

Ein neuer unerwarteter Besuch, wie Du siehst, ist angekommen, eine alte Bekanntschaft von Dir, Madame Horaz von Beuzeval, meine Frau.

Wie! Frau von Beuzeval? rief Max, den ich nun erkannte.

Sie selbst; solltest Du noch zweifeln, so komm' heran und mache ihr Dein Compliment.

Die Barke näherte sich: Max und zwei Matrosen befanden sich darin; er trug ein elegantes Fischerkleid und auf der Schulter ein Netz zum Auswerfen in's Meer. An unserer Seite angekommen, wechselten wir einige höfliche Worte; dann ließ Max sein Netz fallen, stieg an Bord unseres Schiffchens, sprach heimlich einige Worte mit Heinrich, grüßte mich und sprang wieder in sein Fahrzeug.

Glücklicher Fang! rief ihm Horaz zu.

Glückliche Reise! antwortete Max, und die Barke und das Boot trennten sich.

Die Stunde des Mittagsmahles nahte und wir trafen wieder an der Mündung des Flusses ein. Die Flut hatte sich jedoch zurückgezogen, das Wasser war nicht tief genug, um bis in den Park zu gelangen, wir mußten deshalb am Ufer aussteigen und über die Dünen gehen.

Ich machte denselben Weg, den Sie drei oder vier Nächte später zurücklegten, gelangte auf die Strandsteine, dann zwischen die großen Kräuter, erstieg den Hügel, erreichte die Abtei, sah das Kloster und seinen kleinen Friedhof, ging den Corridor entlang und gelangte durch eine dichte Baumgruppe in den Park des Schlosses.

Am Abende trug sich nichts Bemerkenswertes zu. Horaz war sehr aufgeräumt, sprach von den Verschönerungen, die er für künftigen Winter in unserem Hotel anbringen wollte und von einer im Frühjahr zu machenden Reise. Er wollte meine Mutter und mich nach Italien führen und in Venedig vielleicht einen jener Marmorpalläste kaufen, um die Zeit des Karnevals dort zuzubringen. Heinrich war weniger aufgeräumt, schien befangen und bei dem leisesten Geräusch unruhig. Alle diese Einzelheiten, die ich im Augenblicke kaum bemerkte, vergegenwärtigten sich später meinem Geiste wieder mit allen ihren Veranlassungen, die mir damals noch verborgen waren und sich mir erst aus den fernern Erfolgen erklärten.

 

Wir zogen uns in unsere Zimmer zurück; Heinrich allein blieb im Salon. Er wollte noch aufbleiben, um zu schreiben. Es wurde ihm Tinte und Feder gebracht und er setzte sich an das Kamin.

Den andern Morgen beim Frühstück hörten wir auf eine ganz eigene Art die Klingel an der Parktüre ziehen. Max!. . . sagten Horaz und Heinrich zu gleicher Zeit, und in der Tat derjenige, den sie genannt hatten, sprengte sogleich im Galopp in den Hof.

Ah, bist Du da, sagte Horaz lachend, ich bin sehr erfreut, Dich zu sehen, aber ein andermal schone meine Pferde ein Bisschen mehr; sieh' einmal, in welchen Zustand Du den armen Pluto versetzt hast.

Ich fürchtete, nicht zur rechten Zeit zu kommen, antwortete Max. – Madame, wandte er sich an mich, entschuldigen Sie', daß ich mich Ihnen so gestiefelt und gespornt vorstelle; allein Horaz hat, was sich leicht erklären läßt, vergessen, daß wir für heute eine Hetzjagd mit Engländern verabredet haben, fuhr er, das Wort Engländer besonders betonend, fort, und diese sind bloß deshalb gestern Abend mit dem Dampfboote angekommen. Es ist also nötig, daß wir nicht zurückbleiben, sondern unser Wort halten.

Sehr wohl, sagte Horaz, wir werden da sein.

Doch weiß ich nicht, ob wir jetzt unser Versprechen noch halten können, entgegnete Max, sich nach mir wendend. Diese Jagd wird zu ermüdend sein, als daß uns Madame begleiten könnte.

O, sein Sie ohne Sorge, meine Herrn, antwortete ich schnell, ich bin nicht hierher gekommen, ein Hindernis für ihre Vergnügungen zu sein. Gehen Sie, ich werde Ihrer Abwesenheit die Festung bewachen.

Du siehst, sagte Horaz, Pauline ist eine brave Burgfrau aus alter Zeit, es fehlen nur die Zofen und Pagen, denn sie hat jetzt nicht einmal eine Kammerfrau, da die ihrige auf der Reise zurückgeblieben ist und erst in 8 Tagen ankommen wird.

Willst du jedoch zurückbleiben, Horaz, sagte Heinrich, so will ich dich bei den Insulanern entschuldigen; das geht ja ganz leicht.

Nein, rief der Graf lebhaft, ihr vergeßt, daß ich mich ganz besonders verpflichtet habe. Es ist durchaus nötig, daß ich selbst dabei bin; Pauline wird uns, wie schon gesagt, entschuldigen.

Vollkommen, erwiderte ich, und um Dich ferner nicht zu stören, will ich mich in mein Zimmer begeben.

Ich werde im Augenblicke dahin folgen, sagte Horaz, und, sich mir mit außerordentlicher Artigkeit nähernd, führte er mich bis zur Tür und küßte mir die Hand.

Ich begab mich in mein Zimmer; in wenig Minuten folgte mir Horaz dahin. Er war schon im Jagdkleide und kam, um Abschied von mir zu nehmen. Ich begleitete ihn bis an die Treppe, wo ich mich den andern beiden Herren empfahl. Diese drangen von Neuem in den Grafen, bei mir zu bleiben, ich aber verlangte dringend, daß er sie begleite. Sie reisten endlich ab und versprachen, den andern Morgen zurückzukehren.

Ich blieb mit dem Malaien allein im Schlosse; diese sonderbare Gesellschaft würde vielleicht jede andere Frau erschreckt haben, allein ich wußte, daß derselbe dem Grafen seit dem Tage, wo er ihn mit seinem Dolche die Tigerin in ihrem Lager hatte angreifen sehen, ganz ergeben war. Hingerissen von jener mächtigen Bewunderung, welche Menschen im Naturzustande für den Mut hegen, war er dem Grafen von Bombay nach Frankreich gefolgt und hatte ihn seitdem keinen Augenblick verlassen. Sein wildes Ansehen und seine fremdartige Kleidung würden durchaus keinen Grund der Beunruhigung für mich abgegeben haben; allein ich befand mich in einem Lande, welches seit Kurzem der Schauplatz der unerhörtesten Ereignisse war. Obgleich ich weder Horaz noch Heinrich, welche als Männer diese Gefahren verachteten oder wenigstens sich das Ansehen gaben, sie zu verachten, nie davon hatte sprechen hören, so traten doch alle jene beklagenswerten, blutigen Begebenheiten, sobald ich allein war, wieder vor meinen Geist. Da ich übrigens am Tage wohl nichts zu befürchten hatte, so ging ich in den Park hinab und beschloss, den Vormittag die Umgebungen des Schlosses zu besehen, welches ich nun 2 Monate bewohnen sollte.

Meine Schritte richteten sich natürlich nach der Gegend hin, die mir schon bekannt war; ich besah mir nochmals die Ruinen der Abtei und zwar, diesmal genau. Sie haben sie selbst durchforscht, ich brauche sie Ihnen also nicht erst zu beschreiben. Ich trat durch das verfallene Portal und befand mich bald auf dem Hügel, der über das Meer ragt.

Dieß war das zweite Mal daß ich jenes großartige Schauspiel genoss, es hatte also noch nichts von seinem Reize verloren. Ich blieb hier zwei Stunden unbeweglich sitzen, es mit starren Augen betrachtend. Nach Verlauf dieser Zeit verließ ich den Hügel ungern, doch hatte ich mir vorgenommen, auch die andere Partien des Parks zu besuchen. Ich stieg herab an das Ufer des Flusses, dem ich einige Zeit folgte, fand die Barke, in welcher wir Tags vorher unsere Spazierfahrt gemacht hatten, dort angelegt und zwar so, daß sie jeden Augenblick bestiegen werden konnte. Bei diesem Anblick fiel mir, ich weiß nicht, warum? das stets gesattelte Pferd im Stalle ein. Dieser Gedanke erweckte einen andern: ich dachte an das stete Misstrauen, welches Horaz hegte und seine Freunde teilten, an jene Pistolen, welche stets auf dem Tische vor seinem Bett bereit lagen, an jene Pistolen, die auf dem Tische lagen, als ich ankam. Wenn sie die Gefahr verachteten, warum trafen sie solche Vorsichtsmaßregeln? und wenn zwei Männer nicht zu frühstücken wagten, ohne die Waffen in Bereitschaft zu haben, wie konnten sie mich allein lassen, ohne irgend eine Verteidigung? Alles dieß war unbegreiflich; und wie sehr ich mich auch anstrengte, diese trüben Gedanken zu verscheuchen, sie kehrten immer wieder. Während sie mich beschäftigten, ging ich immer weiter und befand mich bald in einem finsteren Dickicht. Hier, mitten in einem wirklichen Walde von Eichen, stand ein Pavillon, ganz einsam und fest verschlossen. Ich umging ihn, aber Türe und Laden waren so fest zu, daß es mir trotz meiner Neugier nicht gelang, mehr als das Äußere zu sehen. Ich nahm mir vor, bei dem ersten Spaziergange, den ich mit Horaz machen würde, den Weg hierher zu nehmen, denn ich hatte mein Augenmerk auf den Pavillon geworfen und wünschte, ihn zu meinem Arbeitszimmer zu machen, zu welchem er sich durch seine Lage ganz eignete.

Ich kehrte in das Schloß zurück. Auf die Untersuchung der Umgebungen folgte nun die des Innern; das Zimmer, welches ich bewohnte, stieß auf der einen Seite an einen Salon, auf der andern an die Bibliothek. Ein Korridor lief durch das ganze Gebäude hin und teilte es in zwei Theile. Meine Wohnung war die vollständigste, der übrige Teil des Schlosses war in kleine, von einander getrennte Logis getheilt, bestehend aus einem Zimmer, einem Vorzimmer und einem Ankleidekabinett; ich fand alle sehr wohnlich eingerichtet, was auch der Graf mir früher darüber gesagt und geschrieben haben mochte.

Da die Bibliothek mir wohl am ersten ein Gegengift gegen die Einsamkeit und Langeweile darbieten konnte, so beschloss ich, mich vor allen Dingen mit den Hilfsmitteln bekannt zu machen, die sie mir zu gewähren hatte. Sie bestand größtenteils aus Romanen des 18ten Jahrhunderts, welche bewiesen, daß der vorige Besitzer des Schlosses eine besondere Vorliebe für Voltaire und Crebillon gehabt habe. Einige neuere Bände zeichneten sich vor den übrigen aus und schienen erst von dem jetzigen Besitzer angekauft zu sein. Sie bestanden aus Werken über Chemie, Geschichte und Reisen. Ich bemerkte unter andern eine schöne englische Ausgabe des Werkes von Daniel über Indien und beschloss, dasselbe für die Nacht zu meinem Gefährten zu wählen, da ich während derselben wenig zu schlafen fürchtete, zog daher einen Band aus dem Bücherbrett und trug ihn auf mein Zimmer.

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