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Pauline

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O! wenn Sie einiges Mitleid im Herzen haben, rief die arme Frau, so töten Sie mich! töten Sie mich!

Was antwortet sie? murmelte Max.

Sie antwortet, daß es niederträchtig sei, sagte Horaz, und ich gestehe, daß ich ein wenig ihrer Meinung bin.

Nun. . . sagten Max und Heinrich zu gleicher Zeit und standen auf.

Nun, macht was ihr wollt, erwiderte Horaz, setzte sich wieder, schenkte ein Glas Champagner ein und trank.

O! tötet mich, tötet mich doch! schrie das Frauenzimmer von Neuem, als sie die beiden jungen Leute auf sich zukommen sah.

In diesem Augenblicke geschah, was leicht vorauszusehen war. Max und Heinrich, vom Weine erhitzt, standen einander gegenüber und sahen sich, beide von einer Begierde getrieben, zornig an.

Du willst sie mir also nicht überlassen? sagte Max.

Nein! antwortete Heinrich.

Nun wohl, so werde ich sie nehmen.

Das wollen wir sehen.

Heinrich! Heinrich! rief Max mit den Zähnen knirschend, ich schwöre bei meiner Ehre, diese Frau muß mein werden!

Und ich verspreche dir bei meinem Leben, daß sie die meinige wird und ich halte, wie ich glaube, mehr auf mein Leben, als du auf deine Ehre.

Jetzt traten Beide einen Schritt zurück, zogen ihre Jagdmesser und gingen auf einander los.

Habt Erbarmen, habt Mitleiden, um Gottes willen, tötet mich! schrie die auf dem Bette liegende Frau zum dritten Male.

Was habt ihr eben gesagt? rief Horaz, der noch immer da saß, sich mit herrischer Stimme an die jungen Leute wendend.

Ich habe gesagt, erwiderte Max, indem er einen Streich nach Heinrich führte, daß diese Frau mein werden müsse.

Und ich habe gesagt, antwortete Heinrich, seinen Gegner bedrohend, daß sie mir gehören müsse und nicht ihm und ich werde das, was ich gesagt habe, zu behaupten wissen.

Nun wohl! murmelte Horaz, ihr habt Beide gelogen, es wird sie keiner haben.

Bei diesen Worten nahm er eine Pistole vom Tische, hob sie langsam in der Richtung des Bettes in die Höhe und gab Feuer. Die Kugel ging zwischen den beiden Streitenden durch und traf die Frau in's Herz.

Bei diesem Anblick stieß ich einen furchtbaren Schrei aus und fiel ohnmächtig nieder, dem Anscheine nach gleichfalls tot, wie jene, die geschossen worden war.

XIII

Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in dem Grabgewölbe; der Graf, durch mein Geschrei und das Geräusch meines Falles geleitet, hatte mich ohne Zweifel in dem Laboratorium gefunden und meine Ohnmacht, welche einige Stunden gedauert haben mußte, benutzt, um mich in jenes Gewölbe zu bringen. Neben mir auf einem Steine fand ich eine Lampe, ein Glas und einen Brief. Das Glas enthielt Gift. Was der Brief enthielt, will ich Ihnen sagen..

Tragen Sie Bedenken, mir denselben zu zeigen, rief ich aus, und setzen Sie nur ein halbes Vertrauen in mich?

Ich habe ihn verbrannt, antwortete Pauline, aber sein Sie ruhig, ich habe keine Silbe davon vergessen.

»Du hast gewollt, Pauline, daß ich die Bahn des Verbrechens ganz durchlaufe: Du hast Alles gesehen, Alles gehört, ich habe Dir also nichts mehr zu sagen. Du weißt, wer ich bin oder vielmehr was ich bin.

»Wenn das Geheimnis, welches Du durchdrungen hast, mir allein gehörte, wenn kein anderes Leben als das meinige auf dem Spiele stände, so würde ich dasselbe eher in die Schanze schlagen, als Dir ein Haar krümmen. Dieß schwöre ich Dir, Pauline.

»Aber eine unbedachte Äußerung, ein Zeichen von Schrecken, welches Dir die Erinnerung an das Gesehene entlockt, ein Wort, welches Dir im Traum entschlüpft, kann nicht allein mich, sondern noch zwei Andere auf's Schaffot bringen. Dein Tod sichert drei Leben. Du mußt daher sterben.

»Ich hatte einen Augenblick den Gedanken, Dich während Deiner Ohnmacht zu töten, allem dazu fehlte mir der Mut, denn Du, Pauline, bist die einzige Frau, die ich geliebt habe. Wenn Du meinem Rathe gefolgt oder vielmehr meinen Befehlen gehorcht hättest, so würdest Du jetzt bei Deiner Mutter sein; klage Dich also wegen Deines Geschickes selbst an.

»Du erwachst in einem Grabgewölbe, in welches seit zwanzig Jahren Niemand hinabgestiegen ist und vielleicht während noch zwanzig, Jahren Niemand wieder, hinabsteigen wird. Hege also keine Hoffnung auf Hilfe, es würde unnütz sein. Neben diesem Briefe findest Du Gift. Alles, was ich noch für Dich tun kann, besteht darin, daß ich Dir, statt eines langsamen und schmerzhaften Dahinscheidens, einen schnellen und sanften Tod anbiete.

»Niemand hat Dich gesehen, Niemand kennt Dich; dies Frauenzimmer, welches ich tötete, um Max und Heinrich wieder zu versöhnen, wird statt Deiner eingesargt und nach Paris in das Begräbnis Deiner Familie geschafft. Deine Mutter wird über dasselbe weinen und glauben, sie weine über ihr Kind.

»Adieu, Pauline, ich bitte Dich weder um Verzeihung, noch um Mitleid. Ich bin schon lange ein Verfluchter und Deine Verzeihung würde mich nicht mehr retten.

Es ist grässlich, rief ich aus; o mein Gott, mein Gott! was haben Sie leiden müssen!

Ja. Es bleibt mir nun nichts mehr zu erzählen übrig, als mein Todeskampf, und so. . .

Es schadet nichts, rief ich, sie unterbrechend, es schadet nichts, erzählen Sie.

Ich las diesen Brief zwei oder drei Mal und konnte mich noch immer nicht von seiner Wahrheit überzeugen. Es gibt Dinge, gegen die sich die Vernunft sträubt; man hat sie vor sich, unter den Händen, vor den Augen, man betrachtet, man berührt sie, und doch glaubt man nicht an sie. Ich ging schweigend nach der Gittertür, sie war verschlossen. Ich umging zwei oder drei Mal schweigend das Gewölbe, seine feuchten Wände mit meiner ungläubigen Hand berührend, dann setzte ich mich still in einen Winkel meines Grabes. Ich war gut eingeschlossen; beim Schein der Lampe erblickte ich den Brief und das Gift, dennoch zweifelte ich noch; ich sagte zu mir, wie man sich oft im Traume sagt: ich schlafe, ich werde sogleich erwachen.

So blieb ich unbeweglich sitzen, bis meine Lampe anfing zu flackern. Da faßte mich ein schrecklicher Gedanke, der mir bis jetzt noch nicht beigekommen war, nämlich der, daß sie verlöschen möchte. Ich stieß einen Schrei des Schreckens aus und stürzte auf sie zu; das Öl war beinahe aufgebrannt. Bald sollte ich im Dunkeln zu sterben lernen.

O, was hätte ich darum gegeben, Öl auf dieser Lampe zu haben! hätte ich sie mit meinem Blute nähren können, ich würde mir mit den Zähnen eine Ader geöffnet haben. Sie flackerte noch. Bei jedem Aufblitzen verlor die Flamme an Leben und der Kreis der Finsternis, der während ihres hellen Brennens sehr entfernt war, nahete sich mir immer mehr. Ich lag vor ihr auf den Knien, die Hände zusammengefügt; ich dachte nicht daran, zu Gott zu beten, nur zu ihr betete ich, sie. . .

Endlich kämpfte sie nur noch gegen die Finsternis, wie ich bald gegen den Tod kämpfen sollte. Vielleicht ermutigte ich sie durch meine eigenen Gefühle, denn es schien mir, als wenn sie sich fest an das Leben anklammere und zittere, dieses Feuer verlöschen zu lassen, welches gleichsam ihre Seele war. Bald trat der Todeskampf mit allen seinen Phasen bei ihr ein; wie bei einem Sterbenden die Kraft momentan zurückkehrt, so flammte auch sie hell auf, verbreitete ihre Hellung weiter als je vorher, sowie der fieberkranke Geist oft weit über die dem menschlichen Sehkreis gezogenen Grunzen hinaus sieht. Dann folgte eine lange Erschöpfung, die Flamme bebte wie jener letzte Atem, der den Lippen eines Sterbenden entschwebt, endlich erlosch sie, die Hellung mit sich nehmend, die das halbe Leben ist.

Ich fiel in den Winkel meines Gefängnisses zurück. Von diesem Augenblicke an zweifelte ich nicht mehr, denn sonderbarer Weise war ich, seitdem ich den Brief und das Gift nicht mehr sah, überzeugt, daß sie wirklich da waren.

Während es noch hell war, hatte ich nicht auf die tiefe Stille geachtet, die um mich herrschte, sobald aber das Licht erloschen war, beängstigte sie mich mit dem ganzen Gewicht der Finsternis. Übrigens war es so düster, so Geheimnisvoll, daß, wäre auch die Möglichkeit, gehört zu werden, da gewesen, ich Vielleicht doch gezögert haben würde, zu rufen. O! das war jenes tödliche Schweigen, welches sich während der Ewigkeit auf die Grabsteine niedersenkt!

Sonderbarer Weise hatte mich die Annäherung des Todes Denjenigen ganz vergessen lassen, der die Ursache desselben war. Ich dachte wohl an meine Lage, ich war vom Schrecken vernichtet, aber ich kann es sagen und Gott weiß es, wenn ich auch nicht daran dachte, ihm zu vergeben, so dachte ich doch auch nicht daran, ihm zu fluchen. – Bald fühlte ich Hunger.

Es verstrich nun wieder eine Zeit, deren Dauer ich nicht berechnen kann, während welcher jedoch wahrscheinlich der Tag vergangen und die Nacht angebrochen war, denn als die Sonne wieder aufging, beleuchtete ein Strahl derselben, der durch irgend eine Ritze drang, den Fuß eines Pfeilers. Ich stieß einen Schrei der Freude aus, als wenn dieser Strahl mir irgend eine Hoffnung brächte. Meine Augen hefteten sich mit solcher Ausdauer auf denselben, daß ich endlich alle Gegenstände, die sich auf der von ihm erleuchteten Stelle befanden, vollkommen erkannte. Einige Steine befanden sich dort, einige Holzspäne und einige Büschel Moos; das stete wiedererscheinen der Sonne an diesem Orte, hatte endlich dem Boden diese dürftige Vegetation entlockt. O, was hätte ich darum gegeben, wenn ich an der Stelle jener Steine, jener Holzspäne, jenes Mooses hätte sein können, um durch diese Spalte den Himmel noch einmal zu sehen!

Ein fürchterlicher Durst fing an, mich zu quälen, ich fühlte, daß meine Sinne sich verwirrten. Von Zeit zu Zeit schwebte blutiges Gewölk vor meinen Augen und meine Zähne schlössen sich krampfhaft wie in einer nervösen Krisis. Meine Augen waren noch fortwährend auf den Lichtstrahl gerichtet, welcher ohne Zweifel durch eine sehr kleine Öffnung eindrang, denn als die Sonne aufhörte, gerade auf sie herabzuscheinen, wurde ihr Strahl matter und kaum bemerkbar. Dieses Verschwinden des Lichtes benahm mir vollends den Mut; ich drehte mich vor Wut um und weinte konvulsivisch.

 

Mein Hunger hatte sich in einen heftigen Schmerz im Magen verwandelt, der Mund brannte mir wie Feuer, ich spürte ein großes Verlangen zu beißen. Ich nahm eine meiner Haarflechten zwischen die Zähne und zermalmte sie. Bald fühlte ich, daß ein dumpfes Fieber mich befiel, obgleich mein Puls kaum schlug. Ich fing an, an das Gift zu denken und fiel auf die Knie, um zu beten, allein alle meine Gebete waren vergessen; es war mir unmöglich, mir etwas Anderes als abgebrochene Phrasen ohne allen Zusammenhang in's Gedächtnis zurückzurufen. Die entgegen gesetztesten Gedanken kreuzten sich auf einmal in meinem Gehirn, ein Thema aus la Gazza sauste mir unaufhörlich vor den Ohren, ich fühlte selbst, daß ich im Begriff war, eine Beute des Wahnsinns zu werden. Ich sank der Länge nach nieder, das Gesicht nach der Erde gekehrt.

Eine Erstarrung, durch die Gemütsbewegung und Anstrengung hervorgerufen, bemächtigte sich meiner, ich entschlummerte, ohne daß mich das Gefühl meiner Lage verließ. Eine Reihe von Träumen begann, von denen die einen immer unzusammenhängender waren, als die andern. Dieser Schlaf, weit entfernt mich zu stärken, vernichtete meine Kraft vollends. Ich erwachte von Hunger und Durst gepeinigt; ich dachte zum zweiten Male an das Gift, welches neben mir stand und mir ein sanftes, schnelles Ende bereiten konnte, denn ich fühlte, daß, trotz meiner Schwäche, trotz dieses dumpfen Fiebers, welches durch meine Adern schlich, der Tod noch weit entfernt war, daß ich ihn noch manche Stunde erwarten mußte daß die schrecklichsten dieser Stunden noch nicht vergangen waren. Doch ich beschloß den Schein des Tages noch einmal zu erwarten, welcher den Tag vorher zu mir drang, wie ein Tröster, der in den Kerker des Gefangenen schlüpft. Ich blieb sitzen und verwandte kein Auge von dem Orte, wo er erscheinen mußte. Dieses Erwarten, diese Beschäftigung beschwichtigte einigermaßen die heftigen Schmerzen, welche ich litt.

Endlich erschien der erwünschte Strahl. Ich sah ihn bleich und matt herabsteigen, ohne Zweifel war an diesem Tage die Sonne durch Wolken verhüllt. Alles, was sie auf der Erde erleuchtete, stellte sich nun vor meinen Geist: die Bäume, die Wiesen, das schöne Gewässer, Paris, welches ich nie wieder sehen sollte, meine Mutter, die vielleicht schon die Nachricht meines Todes empfangen hatte und ihre noch lebende Tochter beweinte. Bei diesen Ansichten und Erinnerungen schwoll mir das Herz, ich brach in Schluchzen aus, ich zerfloss in Tränen; das war das erste Mal, seitdem ich mich in diesem Gewölbe befand. Nach und nach legte sich dieser Anfall, mein Schluchzen ließ nach, meine Tränen flössen sanfter. Mein Entschluss, mich zu vergiften, war bereits gefasst, doch litt ich weniger.

Ich blieb wie den Tag vorher, meine starren Augen nach dem Lichtstrahle gerichtet, so lange derselbe noch glänzte. Dann sah ich ihn, wie den Tag vorher, erbleichen und verschwinden. . . Ich begrüßte ihn mit der Hand. . . ich sagte ihm ein langes Lebewohl, denn ich war entschlossen, ihn nicht wieder zu sehen.

Nun sammelte ich mich und vertiefte mich in meine letzten, auf das Jenseits gerichteten Gedanken. Ich hatte nie in meinem Leben, weder als Jungfrau, noch als Frau etwas Böses getan; ich starb ohne irgend ein Gefühl des Hasses, ohne das Verlangen nach Rache. Gott mußte mich also als Tochter empfangen, ich konnte die Erde nur mit dem Himmel vertauschen. Dieß war der einzige Trost, der mir blieb, an ihm hielt ich mich fest.

Bald schien es mir, als wenn sich diese Gedanken nicht allein in mir, sondern auch über meine Umgebungen verbreiteten; ich fing an, jene heilige Begeisterung zu fühlen, welche den Mut der Märtyrer ausmacht, ich richtete mich ganz gerade auf und den Kopf gen Himmel gewendet schien es mir, als wenn meine Augen das Gewölbe und die Erde durchdrängen und meine Blicke bis zum Throne Gottes gelangten. In diesen Augenblicken wurden selbst meine Schmerzen durch diese religiöse Überspannung unterdrückt; ich ging nach dem Steine hin, auf welchem das Gift stand, als wenn ich es mitten durch die Finsternis sähe, ich ergriff das Glas, horchte, ob ich kein Geräusch vernehme, blickte um mich, ob ich kein Licht sähe, las in Gedanken nochmals jenen Brief, der mir sagte, daß seit 20 Jahren kein menschlicher Fuß diese unterirdischen Räume betreten habe und daß vielleicht wieder zwanzig Jahre vergehen könnten, ehe Jemand in sie herabstiege. Ich überzeugte mich von der Unmöglichkeit, den Leiden zu entgehen, die mir noch bevorstanden, führte das Glas an meine Lippen und trank, indem ich noch mit einem leisen Murmeln des Bedauerns und der Hoffnung den Namen meiner Mutter, die ich nun verlassen mußte, und den Namen Gottes nannte, den ich nun zu erblicken hoffte.

Dann fiel ich in die Ecke meines Gewölbes zurück; meine himmlische Vision war verschwunden, der Schleier des Todes spannte sich zwischen ihr und mir aus. Die Schmerzen des Hungers und Durstes waren wieder erschienen und vereinigten sich nun mit denen des Giftes. Ich erwartete mit Beklemmung jenen eisigen Schweiß, welcher mir meinen letzten Todeskampf ankündigen sollte. . . Plötzlich hörte ich meinen Namen; ich öffnete meine Augen wieder, ich sah Licht! Sie waren da, Sie standen an dem Gitter meines Grabes!. . . Sie, das heißt der Tag, das Leben, die Freiheit!. . . Ich stieß einen Schrei aus und stürzte auf Sie zu . . . Das Übrige wissen Sie.

Und nun, fuhr Pauline fort, ersuche ich Sie, mir auf ihr Ehrenwort den Schwur zu erneuern, den Sie mir schon geleistet haben, nämlich, daß Sie von diesem schrecklichen Drama nichts entdecken wollen, so lange noch einer der drei Hauptakteurs lebt, die in demselben eine Rolle spielten.

Ich erneuerte ihn.

XIV

Das Vertrauen, welches Pauline mir geschenkt hatte, machte mir ihre Stellung zu mir noch heiliger. Ich fühlte von nun an den ganzen Umfang dieses Gelübdes, welches mich, der ich sie innig liebte, ganz glücklich machte. Ich begriff aber auch zu gleicher Zeit sehr wohl, wie undelikat es von meiner Seite gewesen wäre, anders gegen sie von dieser Liebe zu sprechen, als durch die angelegentlichste Sorge und die ehrerbietigste Aufmerksamkeit. Der zwischen uns bereits besprochene Plan wurde angenommen, sie sollte als meine Schwester gelten und mich Bruder nennen. Ich erlangte noch von ihr, daß sie den Plan aufgab, Unterricht in Sprachen und in der Musik zu geben, indem ich ihr begreiflich machte, wie leicht es geschehen könne, daß sie von irgend Jemand, der sie in den Pariser Salons gesehen hatte, erkannt würde. Was mich betrifft, so schrieb ich an meine Mutter und meine Schwester, daß ich ein oder zwei Jahre in England zu bleiben gedachte. Pauline machte noch einige Schwierigkeiten, als ich ihr diesen Entschluß mitteilte, aber sie sah ein, daß seine Ausführung mich beglückte und hatte nicht mehr den Mut, darüber mit mir zu sprechen, so daß derselbe gleichsam eine stillschweigende Übereinkunft wurde.

Pauline hatte lange überlegt, ob sie ihr Geheimnis ihrer Mutter mitteilen sollte oder nicht, und ob sie, sonst für alle Welt tot, nur für diejenige noch leben sollte, der sie das Leben verdankte. Ich selbst war in sie gedrungen, es zu tun, zwar nur schwach, denn ich würde dadurch meine Stellung als ihr Beschützer verloren haben, die mich in Ermangelung eines andern Titels so glücklich machte; sie hatte jedoch nach langer Überlegung, zu meinem großen Erstaunen, diese Tröstung von sich gewiesen und wie sehr ich sie auch bat, mir die Gründe dieses Entschlusses zu sagen, so schlug sie mir noch die Entdeckung derselben ab, unter, dem Vorwande, daß sie mich betrüben würde.

Unsere Tage verflossen übrigens für sie in einem gewissen Trübsinn, der bisweilen für mich nicht ohne Reiz war, für mich, wenn auch nicht in Glück, doch, in der Hoffnung auf dasselbe, denn ich sah, daß sie sich mir von Tag zu Tag mehr durch jene zarten Berührungspunkte des Herzens näherte und mir, ohne daß sie es selbst bemerkte, wenn auch nur seltene, doch bemerkliche Beweise von der Veränderung gab, die in ihr vorging. Wenn wir zusammen arbeiteten, sie an einer Stickerei, ich an einer Zeichnung oder an einem Aquarellgemälde, so fand ich oft, wenn ich meine Augen erhob, die ihrigen auf mich gerichtet. Wenn wir ausgingen, so nahm sie Anfangs meinen Arm an, wie eine Fremde den eines Fremden annimmt. Dann, nach einiger Zeit, fühlte ich, wie sie, sei, es nun aus Schwäche oder aus Nachlässigkeit, ihren Arm sanft: auf dem meinigen ruhen ließ; wenn ich allein ausging und mich mein Weg fast immer um die Ecke der St. Jamesstraße führte, bemerkte ich sie schon von Weitem am Fenster, wie sie nach der Seite hinblickte, wo sie wußte, daß ich herkommen mußte. Alle diese Anzeigen, welche auch nur Beweise einer größeren Vertraulichkeit, einer beständigen Dankbarkeit sein konnten, erschienen mir als Offenbarungen eines zu erwartenden Glückes. Ich war ihr für jeden dieser Beweise dankbar, ich dankte ihr in meinem Innern, denn ich wagte nicht, es laut zu tun, weil ich fürchtete, sie würde dadurch selbst darauf aufmerksam gemacht, daß sie sich nach und nach an eine mehr als brüderliche Freundschaft gewöhne.

Ich hatte von meinen Empfehlungsbriefen Gebrauch gemacht und so einsam wir auch lebten, so mußten wir doch bisweilen Besuche empfangen, denn es war für uns nötig, sowohl das Getümmel der Welt zu vermeiden, als auch den Schein eines gänzlichen Zurückziehens von derselben. Unter unsern gewöhnlichen Bekannten befand sich ein junger Arzt, welcher sich seit drei oder vier Jahren durch seine gründlichen Studien und die glückliche Behandlung gewisser organischer Krankheiten in London einen großen Ruf erworben hatte. Dieser betrachtete Paulinen jedes Mal, wenn er zu uns kam, mir einer ernsten Aufmerksamkeit, die mich nach seinem Weggehen in einige Unruhe versetzte. In der Tür, jene schöne frische Farbe der Jugend, welche sonst ihre Wangen schmückte und deren Verschwinden ich dem Gram und und der Erschöpfung zuschrieb, waren seit der Nacht, in welcher ich sie sterbend in jenem Gewölbe fand, nicht wieder erschienen. Wenn je auf Augenblicke einige Röthe ihre Wangen bedeckte, so war es eine fieberhafte, die mich mehr beunruhigte, als die gewöhnliche Blässe. Bisweilen geschah es auch, daß sie plötzlich, ohne weitere Veranlassung, von Krämpfen befallen wurde, die mit Ohnmachten endigten, und daß sich in den auf solche Zufälle folgenden Tagen ein noch tieferer Trübsinn ihrer bemächtigte. Endlich erschienen diese Krämpfe so oft und mit so sichtlich zunehmender Heftigkeit, daß ich den Dr. Sercey bei dem nächsten Besuche aus seinen Betrachtungen weckte, in welche ihn der Anblick Paulinens stets versenkte, ihn beim Arme nahm und mit ihm in den Garten hinabging.

Wir gingen einige Male, um den kleinen Rasenplatz herum, ohne zu sprechen, dann ließen wir uns auf dieselbe Bank nieder, auf welcher mir Pauline ihre schreckliche Geschichte erzählt hatte. Auch hier saßen wir noch einige Zeit in Gedanken vertieft; endlich wollte ich das Schweigen brechen, als mir der Doktor zuvorkam.

Sie sind in Unruhe wegen der Gesundheit Ihrer Schwester, sprach er.

Ja, ich gestehe es und Sie selbst haben mich Befürchtungen vermuten lassen, die die meinigen noch vermehren.

Sie haben auch Grund dazu, fuhr er fort, ihre Schwester ist von einer chronischen Krankheit des Magens bedroht. Ist ihr irgend ein Zufall zugestoßen, der dieses Organ besonders afficirt hat?

Sie ist vergiftet gewesen.

Der Doktor dachte einige Augenblicke nach.

Ja, so ist es, sagte er, ich hatte mich nicht getäuscht; ich werde ihr eine Diät vorschreiben, die sie auf's Strengste halten muß. Was die moralische Behandlung betrifft, so hängt diese von Ihnen ab; verschaffen Sie Ihrer Schwester jede mögliche Zerstreuung, vielleicht leidet sie an Heimweh, eine Reise nach Frankreich wurde ihr dann sehr heilsam sein.

Sie will nicht nach Frankreich.

Nun wohl! so machen Sie einen Ausflug nach Schottland, nach Irland, eine Reise nach Italien, wohin Sie wollen; ich halte es für sehr nötig.

Ich drückte dem Doktor die Hand und wir gingen in's Haus zurück. Die Verordnungen sollte er an mich senden, denn ich hoffte, um Paulinen nicht zu beunruhigen, die Diät unmerklich in unserm einfachen Haushalte einzuführen. Diese Vorsicht war jedoch unnütz, denn kaum hatte sich der Doktor entfernt, so nahm mich Pauline bei der Hand.

Er hat Ihnen Alles gesagt, nicht wahr? sprach sie. Ich stellte mich, als wenn ich sie nicht verstände, sie lächelte schmerzlich. – Nun wohl, fuhr sie fort, deshalb habe ich meiner Mutter nicht schreiben wollen, denn wozu sollte es nützen, derselben ihr Kind wieder zu geben, damit es ihr der Tod ein oder zwei Jahr später wieder raubte? Es ist hinlänglich genug, Diejenigen, die man liebt, einmal zu beweinen.

 

Aber, sagte ich zu ihr, Sie sind in großem Irrtum über ihren Zustand, es ist eine Unpässlichkeit und weiter nichts.

O! es ist mehr als dieß, erwiderte Pauline mit demselben traurigen Lächeln, und ich fühle sehr wohl, daß das Gift Spuren seines Daseins zurückgelassen hat und ich sehr angegriffen bin; doch hören Sie, ich gebe die Hoffnung noch nicht auf. Ich wünsche noch zu leben, retten Sie mich also zum zweiten Mal, Alfred. Was wünschen Sie, daß ich tun soll?

Daß Sie den Vorschriften des Doktors folgen, sie sind leicht, eine fortdauernde einfache Diät, Zerstreuung, Reisen.

Wohin wollen wir reisen? ich bin sogleich bereit.

Wählen Sie selbst das Land, welches Sie am meisten anzieht.

Nach Schottland, wenn Sie wollen, weil die Hälfte des Weges bereits zurückgelegt ist. Nach Schottland? es sei,. Ich traf sogleich alle Vorbereitungen zur Abreise und nach drei Tagen verließen wir London. Wir hielten einen Augenblick an den Ufern des Flusses Tweed an, um sie mit jenen schönen Phrasen zu begrüßen, welche Schiller der Maria Stuart in den Mund legt:

 
Der Tweede schmales Bette trennt allein
Die heft'gen Geister: oft vermischte sich
Das Blut der Kämpfenden in ihren Wellen.
Die Hand am Schwerte, schauen sie sich drohend
Von beiden Ufern an seit tausend Jahren.
Kein Feind bedrängte Engelland, dem nicht
Der Schotte sich zum Helfer zugesellte;
Kein Bürgerkrieg entzündet Schottlands Städte,
Zu dem der Britte nicht den Zunder trug.
Und nicht verlöschen wird der Haß, bis endlich
Ein Parlement sie brüderlich vereint,
Ein Scepter waltet durch die ganze Insel.
 

Dann betraten wir Schottland.

Wir durchstreiften, den Walter Scott in der Hand, jenes poetische Land, welches er gleich einem Zauberer, der Gespenster heraufbeschwört, mit seinen alten Bewohnern bevölkert und sie mit den originellen lieblichen Schöpfungen seiner Phantasie untermischt hat; wir fanden den steilen Fußsteig wieder, welchen der kluge Dalgetty auf seinem guten Pferde Gustav hinaufritt. Wir gingen längs des Sees hin, über welchen die weiße Dame von Avenel in der Nacht wie ein Nebelbild dahin glitt. Wir saßen auf den Ruinen des Schlosses Lochleven zu derselben Stunde, in welcher die Königin von Schottland daraus entflohen war und besuchten an den Ufern des Tay jenen Kampfplatz, wo Torquil du Cyene seine sieben Söhne unter dem Schwerte des Waffenschmiedes Smith fallen sah, ohne eine andere Klage als die Worte auszustoßen, die er sieben Mal wiederholte: Noch einer für Cachar!. . . .

Dieser Ausflug wird ewig für mich ein Traum des Glücks bleiben, den die Zukunft nie verwirklichen kann. Pauline besaß eins von jenen allen Eindrücken offenen Gemütern, wie es der Künstler haben muß, und ohne welches eine Reise nichts ist als ein bloßes Wechseln des Aufenthalts, eine Beschleunigung der gewöhnlichen Bewegungen des Lebens, ein Mittel, den Geist durch den Anblick derjenigen Gegenstände zu zerstreuen, mit denen er sich beschäftigen sollte. Keine historische Erinnerung entging ihr, keine Poesie der Natur, mochte sie sich uns auch nur im Nebel des Morgens oder in der Dämmerung des Abends zeigen, war für sie verloren. Was mich betrifft, so war ich vom Netz der Liebe umstrickt. Seitdem mir Pauline ihre Geschichte erzählt hatte, war zwischen uns kein Wort mehr über das Vergangene gesprochen worden; für mich verschwand bisweilen die Vergangenheit, als hätte sie nie existiert, nur die Gegenwart, die mich mit ihr vereinigte, war mir Alles. In ein fremdes Land verschlagen, wo ich nur Paulinen, Pauline nur mich hatte, schlang sich dies Band, welches uns vereinigte, durch dieses Alleinstehen immer fester um uns. Ich bemerkte jeden Tag, daß ich einen weiteren Fortschritt in ihrem Herzen machte, sie räumte mir jeden Tag dadurch, daß sie mir die Hand drückte, daß sie mich anlächelte, daß sie ihren Arm auf den meinigen stützte oder ihren Kopf auf meine Schulter lehnte, ein neues Recht ein, welches sie ohne weitere Bedenklichkeit wegen des folgenden Tages vergab; und je mehr sie sich so gehen ließ, desto mehr hütete ich mich, jeden Ausfluß ihrer schönen Seele einsaugend, mit ihr von Liebe zu sprechen, aus Furcht, sie möchte darauf aufmerksam werden, daß wir schon längst die Grenzlinie zwischen Freundschaft und Liebe überschritten hätten.

In Hinsicht auf Paulinens Gesundheit war die Vorhersagung des Arztes teilweise in Erfüllung gegangen. Die Tätigkeit, in welcher der öftere Wechsel des Aufenthalts und die dadurch hervorgerufene Erinnerung ihren Geist unterhielt, wendeten denselben von jenen traurigen Gedanken ab, welche ihn niederdrückten, sobald kein bemerkenswerter Gegenstand ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Sie selbst begann nach und nach zu vergessen, und in dem Maße, als die Abgründe der Vergangenheit in den Schatten zurücktraten, färbten sich die Gipfel der Zukunft mit heiteren Farben. Der Horizont ihres Lebens, welchen sie früher durch die Grenzen des Grabes beschränkt glaubte, fing an, sich zu erheitern und eine leichter zu atmende Luft mischte sich in die erstickende Atmosphäre, in welche sie sich versetzt fühlte.

Wir brachten den ganzen Sommer in Schottland zu; dann kehrten wir nach London zurück. Hier fanden wir unser kleines Haus in Piccadilly wieder und in ihm jenen Genuss, welchen auch der Reiselustigste in den ersten Augenblicken nach der Rückkehr empfindet. Was in dem Herzen Paulinens vorging, weiß ich nicht, aber ich war nie so glücklich gewesen.

Was die Neigung betrifft, welche uns verband, so war sie so rein, wie die Liebe zwischen Geschwistern. Seit einem Jahre hatte ich Paulinen nie wieder gesagt, daß ich sie liebe, seit einem Jahre hatte Pauline mir nicht das geringste Geständnis gemacht; wir lasen über dem gegenseitig in unsern Herzen, wie in einem offenen Buche und hatten uns also nichts zu entdecken. Konnte ich mehr wünschen, als ich schon erreicht hatte?. . . Ich weiß es nicht. Meine jetzige Lage hatte einen solchen Reiz für mich, daß ich fürchtete, ein noch größeres Glück möchte einen mir unbekannten unseligen Ausgang herbeiführen. Wenn ich auch nicht ihr Geliebter war, so war ich doch mehr als Freund, mehr als Bruder. Ich war der Baum, an welchen sie sich klammerte, wie schwaches Epheu, ich war der Strom, auf welchem ihre Barke dahin glitt, ich war die Sonne, von welcher sie Licht empfing. Alles, was für sie da war, war durch mich da, und gewiß war der Tag nicht mehr ferne, wo diejenige, welche durch mich lebte, auch für mich leben sollte.

Wir hatten uns kaum wieder eingerichtet, als ich eines Tages einen Brief von meiner Mutter empfing. Sie benachrichtigte mich, daß sich meiner Schwester eine nicht allein annehmbare, sondern sogar glänzende Partie darböte: der Graf von Beuzeval, welcher zu seinem Vermögen auch noch 25000 Livres Renten von feiner ersten.Frau, Mademoiselle Pauline von Meulien, geerbt habe, hätte um Gabriele angehalten. . . .

Glücklicher Weise war ich allein, als ich diesen Brief öffnete, denn meine Bestürzung würde mich verraten haben. War diese Nachricht nicht sehr sonderbar? und welches neue Geheimnis der Vorsehung lag in dieser sonderbaren Vorherbestimmung, welche den Grafen Horaz dem einzigen Menschen wieder zuführte, der ihn kannte? Wie sehr ich mich auch zu beherrschen suchte, Pauline bemerkte doch sogleich bei ihrem Eintritte, daß mir während ihrer Abwesenheit etwas Außergewöhnliches zugestoßen sein mußte. Indessen wurde es mir nicht schwer, sie irre zu leiten und sobald ich ihr gesagt hatte, daß Familienangelegenheiten mich nötigten eine Reise nach Frankreich zu machen, schrieb sie natürlich meine Niedergeschlagenheit dem Verdruss über unsere Trennung zu. Sie selbst erbleichte und mußte sich setzen. Es war das erste Mal, daß wir uns von einander trennen mußten, seitdem sie durch mich gerettet worden war; über dem erregt der Augenblick der Trennung in Herzen, die sich lieben, selbst wenn diese Trennung kurz und gefahrlos ist, geheime Ahnungen, welche sie beunruhigend und schmerzlich machen, was auch die Vernunft zu unserer Beruhigung sagen mag.

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