Dracula

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Ich un­ter­nahm eine gründ­li­che Be­sich­ti­gung der ver­schie­de­nen Trep­pen und Gän­ge und ver­such­te, wel­che der Tü­ren sich etwa öff­nen lie­ße. Ei­ni­ge klei­ne Zim­mer zu­nächst der Hal­le wa­ren of­fen, aber es war nichts in ih­nen als al­tes Mo­bi­li­ar, grau ver­staubt und mot­ten­zer­fres­sen. Schließ­lich fand ich aber doch eine Tür am Ende der Trep­pe, die zwar ver­schlos­sen schi­en, aber doch un­ter mei­nem Druck et­was nach­gab. Ich ver­such­te es stär­ker und fand, dass sie nicht ei­gent­lich ver­schlos­sen war; der Wi­der­stand rühr­te da­her, dass die Türan­geln sich ge­senkt hat­ten und der Türflü­gel nun am Bo­den streif­te. Das war nun eine Mög­lich­keit, wie sie sich so rasch nicht mehr bot; ich nahm mei­ne gan­ze Kraft zu­sam­men und ver­moch­te auch die Tür so weit zu öff­nen, dass ich ein­tre­ten konn­te. Ich be­fand mich hier in dem Flü­gel des Schlos­ses, der rechts von den mir be­kann­ten Räu­men sich hin­zog, aber ein Stock­werk tiefer. Ich sah aus dem Fens­ter und er­kann­te, dass die­se Zim­mer­rei­he den süd­li­chen Teil des Schlos­ses bil­de­te; das letz­te Zim­mer hat­te Fens­ter nach Sü­den und Wes­ten.

Nach bei­den Sei­ten hin sah man in einen tie­fen Ab­grund. Das Schloss war auf ei­ner Fels­zun­ge auf­ge­baut, so­dass es von drei Sei­ten aus un­zu­gäng­lich war. Hier, wo­hin we­der Schleu­der, noch Bo­gen, noch Feld­schlan­ge reich­ten, wa­ren große Fens­ter an­ge­bracht; das Zim­mer, das ge­gen kei­nen feind­li­chen An­griff ge­si­chert wer­den muss­te, war licht und schön. Ge­gen Wes­ten zu dehn­te sich ein wei­tes Tal, und fer­ne, ganz fer­ne er­ho­ben sich ge­zack­te Fels­wäl­le, Gip­fel an Gip­fel; die stei­len Wän­de wa­ren be­wach­sen mit Ber­ge­sche und Dorn­ge­strüpp, de­ren Wur­zeln sich in den Spal­ten und Ris­sen und Rit­zen des Ge­stei­nes fest­klam­mer­ten. Hier war ich of­fen­bar in dem vor Zei­ten be­wohn­ten Teil des Schlos­ses, denn die Mö­bel wa­ren be­que­mer, als ich sie bis­her ge­se­hen hat­te. Die Fens­ter wa­ren ohne Vor­hän­ge; das gel­be Mond­licht flu­te­te breit durch die kris­tall­kla­ren Schei­ben und man konn­te so­gar Far­ben er­ken­nen. Da­bei mach­te es den Staub, der über al­lem lag, we­ni­ger be­merk­bar und ver­wisch­te ei­ni­ger­ma­ßen die Spu­ren der Zeit und der Mot­ten. Mei­ne Lam­pe schi­en nur klein zu bren­nen in dem glän­zen­den Mond­schein, aber ich war froh um sie, denn es lag eine schreck­li­che Ein­sam­keit über dem Rau­me, die mir das Herz zu­sam­men­zog und mei­ne Ner­ven er­zit­tern mach­te. Üb­ri­gens war es mir hier viel woh­ler als al­lein in mei­nem Zim­mer, das mir durch des Gra­fen Ge­gen­wart ver­lei­det wor­den war; mei­ne ner­vö­se Er­re­gung leg­te sich und eine wohl­tu­en­de Ruhe kam über mich. Hier sit­ze ich nun an ei­nem klei­nen ei­che­nen Tisch, an dem vor al­ters viel­leicht man­ches hüb­sche Fräu­lein mit vie­len Ge­dan­ken und vie­lem Er­rö­ten sein un­or­tho­gra­fi­sches Lie­bes­brief­chen krit­zel­te, und schrei­be ste­no­gra­fisch in mein Ta­ge­buch, al­les, was mir seit mei­ner letz­ten Ein­tra­gung pas­siert ist. Wir le­ben also wirk­lich im neun­zehn­ten Jahr­hun­dert? Und doch, wenn mich mei­ne Sin­ne nicht trü­gen, hat­ten und ha­ben die ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­te ih­ren ei­ge­nen Reiz, den »Mo­der­ni­tät« al­lein nicht zu über­bie­ten ver­mag.

Spä­ter. – Mor­gen des 16. Mai. – Gott schüt­ze mei­nen Ver­stand, das ist al­les, was ich noch sa­gen kann. Si­cher­heit und Si­cher­heits­ge­fühl sind für mich ver­gan­ge­ne Din­ge. So­lan­ge ich noch hier lebe, hof­fe ich nur ei­nes: dass ich nicht wahn­sin­nig wer­de – wenn ich es nicht schon bin. Wenn ich aber noch bei Sin­nen, dann ist der Ge­dan­ke ge­eig­net, einen ver­rückt zu ma­chen, dass von all den scheuß­li­chen Din­gen, die an die­sem ver­hass­ten Ort spu­ken, der Graf noch lan­ge nicht das schreck­lichs­te ist; nur bei ihm fin­de ich Schutz und sei es auch nur so lan­ge, als ich sei­nen Zwe­cken die­ne. Gro­ßer Gott! Gnä­di­ger Gott! Lass mich Ruhe be­wah­ren, denn sonst ist Wahn­sinn mein Los. Ich ge­win­ne nun Klar­heit über ei­ni­ge Din­ge, die mir schon Kopf­zer­bre­chen ge­macht ha­ben. Bis heu­te ver­stand ich nicht, was Sha­ke­s­pea­re mein­te, wenn er Ham­let sa­gen ließ:

»Mein Buch! Nur schnell mein Schreib­buch her,

’s ist Zeit, dass ich das al­les nie­der­schrei­be«,

aber jetzt, da ich das Ge­fühl habe, als gin­ge mein Ge­hirn aus den Fu­gen, als wäre ein ver­nich­ten­der Schlag dar­auf ge­fal­len, grei­fe ich wie­der zu mei­nem Ta­ge­buch. Die strik­te Ge­wohn­heit, pünkt­li­che Ein­tra­gun­gen zu ma­chen, soll mei­ne Angst et­was ab­len­ken.

Des Gra­fen ge­heim­nis­vol­le War­nung hat­te mich schon er­schreckt, als er sie aus­sprach; noch mehr er­schreckt sie mich jetzt, wenn ich dar­an den­ke, dass der Graf mich wohl in Zu­kunft in noch stren­ge­rem Ge­wahr­sam hal­ten wird. Ich wer­de mich hü­ten, noch ein­mal Zwei­fel in sei­ne Wor­te zu set­zen.

Als ich mein Ta­ge­buch ge­schrie­ben und zu­frie­den Buch und Stift in mei­ne Ta­sche ge­steckt hat­te, über­kam mich eine blei­er­ne Schläf­rig­keit. Des Gra­fen War­nung fiel mir ein, aber ich fand eine Freu­de dar­an, ihr nicht Ge­hör zu ge­ben. Es war der mit dem Ge­fühl der Schläf­rig­keit meist ver­bun­de­ne Starr­sinn, der mich so han­deln ließ. Das sanf­te Mond­licht wirk­te be­ru­hi­gend auf mich ein und die wei­te Aus­sicht täusch­te mir wohl­tu­end die Frei­heit vor. Ich ge­dach­te heu­te Nacht nicht zu den düs­te­ren, spu­k­er­füll­ten Ge­mä­chern zu­rück­zu­keh­ren, son­dern hier zu schla­fen, wo vor Zei­ten wohl die Schloss­frau­en sa­ßen und san­gen und dem Mü­ßig­gang sich er­ga­ben, wäh­rend sie mit vor Sehn­sucht er­füll­ten Her­zen der Heim­kehr ih­rer Män­ner war­te­ten, die drau­ßen in grau­sa­men Krie­gen kämpf­ten. Ich zog mir einen großen Lehn­stuhl aus dem Win­kel und stell­te ihn so, dass ich lie­gend die herr­li­che Aus­sicht nach Sü­den und Os­ten ge­nie­ßen konn­te; dann rich­te­te ich mich, ohne an Wei­te­res zu den­ken und ohne des di­cken Stau­bes zu ach­ten, zum Schla­fen ein.

Ich ver­mu­te, dass ich auch wirk­lich ein­ge­schla­fen bin; ich hof­fe es, aber ich fürch­te, es war doch nicht der Fall; denn das, was nun folg­te, war so na­tür­lich, so er­schre­ckend na­tür­lich, dass ich jetzt im vol­len, fro­hen Mor­gen­son­nen­schein nicht glau­ben kann, das al­les nur ge­träumt zu ha­ben.

Ich war nicht al­lein; das Zim­mer war das­sel­be, völ­lig un­ver­än­dert, ge­nau so wie ich es be­tre­ten hat­te; ich konn­te den Kor­ri­dor ent­lang mei­ne Fuß­spu­ren se­hen, die ich in die lang­jäh­ri­ge Staub­schicht ge­tre­ten. Im kla­ren Mond­licht stan­den mir ge­gen­über drei Frau­en, ih­rer Klei­dung und ih­rem Be­neh­men nach Da­men. Zu­gleich dach­te ich doch wie­der zu träu­men, denn sie war­fen kei­nen Schat­ten und das Licht des Mon­des leuch­te­te durch ihre Lei­ber. Sie nä­her­ten sich mir, be­trach­te­ten mich eine Wei­le und flüs­ter­ten dann mit­ein­an­der. Zwei von ih­nen wa­ren dun­kel­haa­rig und hat­ten hohe Ad­ler­na­sen wie der Graf, und große, durch­drin­gen­de, schwar­ze Au­gen, die in dem blei­chen Mon­den­schein fast rot aus­sa­hen. Die drit­te war hübsch, so hübsch, als man es sich nur den­ken kann, mit dich­tem gol­de­nen Wel­len­haar und Au­gen gleich hel­len Sa­phi­ren. Ich mein­te, ihr Ge­sicht schon ir­gend­wo ein­mal ge­se­hen zu ha­ben, aber es war mir nicht klar, wann und wo. Vi­el­leicht bei ei­ner von mir im Trau­me er­leb­ten Ge­fahr. Alle drei hat­ten blen­dend wei­ße Zäh­ne, die wie Per­len zwi­schen den Ru­bi­nen ih­rer wol­lüs­ti­gen Lip­pen her­vorglänz­ten. Sie hat­ten et­was an sich, das mir Un­be­ha­gen ver­ur­sach­te; ich ver­lang­te nach ih­nen und fühl­te den­noch To­des­angst. Ich emp­fand in mei­nem Her­zen ein wil­des, bren­nen­des Be­geh­ren, dass sie mich mit ih­ren ro­ten Lip­pen küs­sen möch­ten. Ich schrei­be dies nicht ger­ne nie­der, da viel­leicht ein­mal Mina die­se Zei­len le­sen und Schmerz dar­über emp­fin­den könn­te; aber es ist die Wahr­heit. Sie flüs­ter­ten mit­ein­an­der und dann lach­ten sie; ein sil­ber­nes, tö­nen­des La­chen, aber so hart, dass es un­mög­lich war zu glau­ben, die­se me­tal­li­schen Klän­ge kämen von mensch­li­chen, zar­ten Lip­pen. Es war wie das un­er­träg­li­che, zit­tern­de Sin­gen, das Was­ser­glä­ser her­vor­brin­gen, wenn man ih­ren Rand reibt. Das schö­ne Mäd­chen schüt­tel­te ko­kett ihre Lo­cken, die bei­den an­de­ren dräng­ten sie an mich her­an. Eine sag­te:

»Geh zu, du bist die ers­te, und wir kom­men nach dir an die Rei­he; du hast das Recht an­zu­fan­gen.« Die an­de­re füg­te hin­zu:

»Er ist jung und stark; das gibt Küs­se für uns alle.« Ich lag still und blin­zel­te nur un­ter mei­nen Li­dern her­vor, halb in To­des­angst, halb in won­ni­ger Er­war­tung. Das schö­ne Weib kam her­an und beug­te sich über mich, bis ich ih­ren Atem fühl­te. Er war süß, ho­nig­süß, und jag­te mir die­sel­ben Schau­er durch die Ner­ven wie ihr La­chen; den­noch roch man et­was Bit­te­res und Ab­sto­ßen­des durch ih­ren Atem – wie Blut. Ich scheu­te mich die Au­gen zu öff­nen, schiel­te aber nach den Frau­en und konn­te sie deut­lich er­ken­nen. Das schö­ne Mäd­chen beug­te sich über mich, in­dem sie sich auf die Knie nie­der­ließ und mir starr in die Au­gen sah. Es war eine wohl­be­rech­ne­te Wol­lüs­tig­keit, die an­zie­hend und ab­sto­ßend zu­gleich wirk­te, als sie ih­ren Na­cken beug­te, leck­te sie ihre Lip­pen wie ein Tier, so­dass ich im Licht des Mon­des den Spei­chel auf ih­ren Schar­lachlip­pen, ih­rer ro­ten Zun­ge und ih­ren wei­ßen Zäh­nen er­glän­zen sah. Im­mer tiefer beug­te sie sich her­ab, streif­te mir an Mund und Kinn vor­bei und nä­her­te sich mei­ner Keh­le, an der ich ih­ren hei­ßen Hauch ver­spür­te. Ich hör­te sau­gen­de Lau­te, als sie einen Au­gen­blick ein­hielt und sich Zäh­ne und Lip­pe leck­te. Dann hat­te ich das ei­gen­tüm­li­che Ge­fühl am Hal­se, das man emp­fin­det, wenn eine Hand, die einen kit­zeln will, nä­her kommt, im­mer nä­her… Ich fühl­te erst die zar­te, zit­tern­de Berüh­rung ih­rer wei­chen Lip­pen auf der über­emp­find­li­chen Haut mei­ner Keh­le und dann die har­ten Spit­zen zwei­er schar­fen Zäh­ne, die mich be­rühr­ten und dar­auf in­ne­hiel­ten. Ich schloss die Au­gen in schlaf­fer Ver­zückung und war­te­te… war­te­te mit ban­gem Her­zen.

 

Da, in die­sem Au­gen­blick, schoss mir ein an­de­res Ge­fühl wie ein Blitz durch den Leib. Ich fühl­te die Nähe des Gra­fen, der in ei­nem Sturm von Er­re­gung her­an­ge­kom­men zu sein schi­en. Mei­ne Au­gen öff­ne­ten sich un­will­kür­lich, ich sah, wie sei­ne Hand den wei­ßen Na­cken der schö­nen Frau er­griff und sie mit Rie­sen­kraft zu­rück­riss. Ihre blau­en Au­gen wa­ren wie ver­stört vor Wut, ihre Zäh­ne knirsch­ten und ihre fei­nen Wan­gen wa­ren ge­rötet vor Lei­den­schaft. Und erst der Graf! Nie sah ich einen sol­chen Grimm, eine sol­che Wut. Der rei­ne Dä­mon der Höl­le! Sei­ne Au­gen sprüh­ten förm­lich Flam­men. Das rote Licht in ih­nen brann­te, als ob die gan­ze Glut des höl­li­schen Feu­ers hin­ter ih­nen lo­de­re. Sein Ge­sicht war to­ten­bleich, die Züge hart wie aus Stein ge­mei­ßelt; die di­cken Au­gen­brau­en, die sich über der Nase tra­fen, wa­ren wie Bar­ren weiß­glü­hen­den Me­talls. Mit ei­ner stol­zen Ges­te wies er das Mäd­chen von sich und ging dann auf die an­de­ren zu, als wol­le er sie zu­rück­trei­ben; es war die­sel­be ge­bie­te­ri­sche Arm­be­we­gung, wie er sie den Wöl­fen ge­gen­über an­ge­wandt hat­te. Mit ei­ner Stim­me, die, ob­gleich lei­se und fast ge­flüs­tert, den­noch die Luft zu durch­schnei­den und an den Wän­den wi­der­zu­hal­len schi­en, sag­te er:

»Wie kann es eine von euch wa­gen, ihn an­zu­rüh­ren? Wie könnt ihr eure Au­gen auf ihn wer­fen, da ich es euch doch ver­bo­ten habe? Zu­rück! sage ich euch. Die­ser Mann ist mein. Hü­tet euch, dass ich euch nicht noch ein­mal bei ihm tref­fe, oder ihr habt mei­nen Zorn zu fürch­ten!« Das schö­ne Mäd­chen er­wi­der­te mit ei­nem ge­mei­nen, ko­ket­ten La­chen:

»Du hast nie ge­liebt und wirst nie lie­ben!« Da­rauf misch­ten sich die an­de­ren Mäd­chen ein und es er­tön­te ein so trau­ri­ges, har­tes, see­len­lo­ses La­chen, dass mir fast die Sin­ne schwan­den; es war, als wenn Teu­fel scherz­ten. Dann dreh­te sich der Graf um, sah mich eine Wei­le auf­merk­sam an und sag­te im lei­ses­ten Flüs­ter­to­ne:

»Ja, und ich kann doch lie­ben; ihr könnt doch selbst da­von er­zäh­len, von dem, was nun vor­ge­gan­gen ist. Ist es nicht so? Gut, ich ver­spre­che euch, dass, wenn ich ge­nug von ihm habe, ihr ihn nach Ge­fal­len küs­sen könnt. Aber jetzt geht! Geht nur! Ich muss ihn auf­we­cken, denn es gibt heu­te noch vie­les zu tun.«

»Und sol­len wir für den Abend leer aus­ge­hen?«, sag­te eine von ih­nen mit lei­sem La­chen und deu­te­te auf ein Bün­del, das er auf die Erde ge­wor­fen hat­te und das sich be­weg­te, als sei et­was Le­ben­des dar­in­nen. Zur Ant­wort schüt­tel­te er den Kopf. Ei­nes der Mäd­chen sprang hin­zu und öff­ne­te das Bün­del; wenn mei­ne Ohren mich nicht täusch­ten, hör­te ich das Stöh­nen und lei­se Wim­mern ei­nes hal­b­er­stick­ten Kin­des. Die Mäd­chen dräng­ten sich her­an, wäh­rend ich vor Schre­cken starr wur­de; aber als ich nä­her hin­sah, ver­schwan­den sie und mit ih­nen das schreck­li­che Bün­del. Es be­fand sich kei­ne Tür in ih­rer Nähe, und an mir konn­ten sie nicht vor­bei­ge­kom­men sein, ohne dass ich es be­merkt hät­te. Sie schie­nen ein­fach in den Strah­len des Mon­des zu zer­flie­ßen und durch das Fens­ter zu ent­wei­chen, denn ich konn­te au­ßen noch einen Au­gen­blick ihre un­be­stimm­ten schat­ten­haf­ten Um­ris­se er­ken­nen, ehe sie voll­kom­men ver­schwan­den. Dann über­wäl­tig­te mich das Grau­en und ich ver­lor das Be­wusst­sein.

1 Die Awa­ren (auch Ava­ren) wa­ren ein zen­tralasia­ti­sches Rei­ter­volk, des­sen eth­ni­sche und sprach­li­che Her­kunft noch nicht aus­rei­chend er­forscht wor­den ist. Sie be­herrsch­ten im Früh­mit­tel­al­ter über 200 Jah­re lang Mit­tel­eu­ro­pa von ih­ren Sied­lungs­ge­bie­ten in der Pan­no­ni­schen Tiefebe­ne und wa­ren in die­ser Zeit der wich­tigs­te Macht­fak­tor zwi­schen dem Fran­ken­reich und dem By­zan­ti­ni­schen Reich. <<<

2 Be­set­zung des heu­ti­gen Un­garn durch die Magya­ren. <<<

3 Die drit­te Schlacht auf dem Am­sel­feld fand zwi­schen dem 17. und dem 20. Ok­to­ber 1448 auf dem Ko­so­vo Pol­je (Am­sel­feld) zwi­schen dem Kö­nig­reich Un­garn, das eine rö­misch-ka­tho­li­sche Koali­ti­on un­ter Jo­hann Hunya­di ge­gen das Os­ma­ni­sche Reich un­ter Sul­tan Mu­rad II. an­führ­te, statt. Die Schlacht zog sich über drei Tage hin. <<<

4 Woi­wo­de ist ein sla­wi­scher Herr­scher­ti­tel. <<<

5 Kampf­platz; Schlacht­feld <<<

6 Mohács ist eine un­ga­ri­sche Stadt am rech­ten Do­nau­u­fer, in der Nähe der Gren­ze zu Kroa­ti­en und zu Ser­bi­en. Die Stadt ist Grenz­re­vi­si­ons­stel­le für Schif­fe. <<<

VIERTES KAPITEL

Jonathan Harkers Tagebuch

(Fort­set­zung)

Ich er­wach­te in mei­nem ei­ge­nen Bet­te. Wenn ich nicht al­les ge­träumt habe, hat mich der Graf hier­her ge­tra­gen. Ich ver­such­te, mir über die­se Sa­che Re­chen­schaft zu ge­ben, konn­te aber zu kei­nem un­zwei­fel­haf­ten Re­sul­ta­te kom­men. Üb­ri­gens hat­te ich doch ei­ni­ge klei­ne An­zei­chen da­für, so z.B., dass mei­ne Klei­der in ei­ner Wei­se ge­fal­tet und ne­ben mein Bett ge­legt wa­ren, die ich nicht mein ei­gen nen­ne. Mei­ne Uhr war nicht auf­ge­zo­gen, und es ist doch eine von mir stets pein­lich ge­nau ein­ge­hal­te­ne Ge­wohn­heit, dies zu tun, ehe ich ins Bett gehe; und noch meh­re­re sol­che De­tails. Aber all die­se Din­ge sind noch kei­ne voll­gül­ti­gen Be­wei­se, denn sie könn­ten eben­so gut die Ver­mu­tung be­stä­ti­gen, dass mein Geist eben nicht in nor­ma­ler Ver­fas­sung war und dass ihn aus die­sem oder je­nem Grun­de ir­gen­det­was in Un­ord­nung ge­bracht habe. Ich muss auf einen Be­weis war­ten. Über ei­nes je­doch bin ich recht froh: wenn es der Graf war, der mich hier­her brach­te, so muss es mit sehr großer Eile ge­sche­hen sein, denn mei­ne Ta­schen wa­ren un­be­rührt. Ich bin si­cher, dass er von dem Ta­ge­buch kei­ne Ah­nung hat­te, denn er hät­te es nicht ge­dul­det, son­dern es mir bei die­ser güns­ti­gen Ge­le­gen­heit ent­wen­det und dann ver­nich­tet. Wenn ich mich in die­sem Zim­mer um­se­he, das bis­her für mich so voll von Schre­cken war, so ist es mir doch jetzt eine Art Asyl, denn es kann nichts Ent­setz­li­che­res ge­ben als jene drei un­heim­li­chen Frau­en, die dar­auf war­te­ten – und noch war­ten – mein Blut zu trin­ken.

18. Mai. – Ich war wie­der drun­ten, um das Zim­mer im Lich­te des Ta­ges zu se­hen; ich muss der Wahr­heit auf den Grund kom­men. Als ich die Türe am Ende des Stie­gen­hau­ses pro­bier­te, war sie ver­schlos­sen. Ich drück­te so hef­tig da­ge­gen, dass Holz­tei­le wegsplit­ter­ten. Ich konn­te be­mer­ken, dass der Rie­gel nicht vor­ge­scho­ben war, aber das ir­gen­det­was von in­nen her das Öff­nen un­mög­lich mach­te. Ich glau­be nun doch, es war kein Traum, und wer­de auf­grund die­ser Mut­ma­ßung han­deln.

19. Mai. – Ich bin tüch­tig an der Ar­beit. Letz­te Nacht bat mich der Graf in der höf­lichs­ten Wei­se, ich möch­te drei Brie­fe schrei­ben; einen, dass mei­ne Ar­beit hier na­he­zu ge­tan sei und ich in we­ni­gen Ta­gen die Heim­rei­se an­tre­ten wer­de, den zwei­ten, dass ich am fol­gen­den Tage ab­zu­rei­sen ge­den­ke, und den drit­ten, dass ich das Schloss ver­las­sen hät­te und in Bistritz an­ge­kom­men sei. Ich woll­te erst pro­tes­tie­ren, fühl­te aber, dass bei der ge­gen­wär­ti­gen Lage der Din­ge es Wahn­sinn wäre, of­fen ge­gen den Gra­fen zu kämp­fen, in des­sen ab­so­lu­ter Ge­walt ich doch war; und eine Nicht­er­fül­lung sei­ner Bit­te hät­te nur sei­nen Zorn und sei­nen Arg­wohn er­regt. Er weiß, dass ich zu viel von sei­nen Ge­heim­nis­sen ken­ne, und ich darf nicht le­bend da­von kom­men, da ich ihm ge­fähr­lich wer­den könn­te; das ein­zi­ge, was ich tun kann, ist Zeit zu ge­win­nen. Vi­el­leicht bie­tet sich mir doch ir­gend eine Ge­le­gen­heit zur Flucht. Ich sah in sei­nen Au­gen einen Wi­der­schein des Grim­mes, der in ih­nen ge­lo­dert hat­te, als er die schö­ne Frau von mei­nem Lei­be weg­trieb. Er er­klär­te mir sei­nen Wunsch da­mit, dass die Pos­ten sel­ten und un­re­gel­mä­ßig gin­gen und dass mei­ne Freun­de mei­ne Nach­rich­ten leich­ter er­hiel­ten, wenn ich gleich jetzt schrie­be; und er ver­si­cher­te mir mit sei­ner gan­zen Be­red­sam­keit, dass mein letz­ter, von Bistritz da­tier­ter Brief dort bis zur fäl­li­gen Zeit auf­be­wahrt wür­de und dass man ihn dann eben nicht ab­ge­hen lie­ße, wenn ich etwa mei­nen Auf­ent­halt noch zu ver­län­gern ge­däch­te. Ich konn­te ihm nicht wi­der­spre­chen, woll­te ich ihm nicht neue Ver­dachts­grün­de ge­gen mich ge­ben. Ich sag­te da­her, ich sei voll­kom­men sei­ner An­sicht, und frag­te ihn, wel­che Da­ten ich auf die Brie­fe set­zen soll­te. Er rech­ne­te einen Au­gen­blick nach, dann ant­wor­te­te er:

»Auf den ers­ten Brief 12. Juni, auf den zwei­ten 19. Juni und auf den drit­ten 29. Juni.«

Ich weiß nun, wie lan­ge ich noch zu le­ben habe. Gott sei mir gnä­dig!

28. Mai. – Es gibt doch ei­ne Mög­lich­keit, zu ent­kom­men oder we­nigs­tens ein paar Wor­te nach Hau­se wis­sen zu las­sen. Eine Ban­de Szi­ga­nys1 ist ins Schloss ge­kom­men und hat im Hofe La­ger be­zo­gen. Die­se Szi­ga­nys sind Zi­geu­ner; ich habe ei­ni­ge No­ti­zen über sie in mei­nem Bu­che. Sie sind eine Ei­gen­tüm­lich­keit die­ses Land­stri­ches, aber ver­wandt mit den an­de­ren Zi­geu­nern, die über die gan­ze Welt zer­streut sind. Tau­sen­de von ih­nen no­ma­di­sie­ren in Un­garn und Trans­syl­va­ni­en und sind fast voll­kom­men recht­los. Sie stel­len sich da­her in der Re­gel un­ter den Schutz ei­nes Edel­man­nes oder Bo­ja­ren, des­sen Na­men sie dann an­neh­men. Sie sind un­er­schro­cken und ohne Re­li­gi­on, au­ßer ih­rem Aber­glau­ben, und spre­chen fast aus­schließ­lich ihr ei­ge­nes Idi­om der Zi­geu­ner­spra­che.

Ich will ei­ni­ge Brie­fe schrei­ben und ver­su­chen, die­se durch sie auf­ge­ben zu­las­sen. Ich habe schon durch mein Fens­ter mich mit ih­nen in Ver­bin­dung ge­setzt und Be­kannt­schaft mit ih­nen an­ge­knüpft. Sie nah­men ihre Hüte ab, ver­beug­ten sich und mach­ten mir Zei­chen, die ich aber eben­so we­nig ver­stand wie ihre Spra­che.

Die Brie­fe habe ich nun ge­schrie­ben. Der an Mina ist ste­no­gra­fiert, und Herrn Hawkins bat ich nur, sich mit ihr ins Ein­ver­neh­men zu set­zen. Ihr habe ich mei­ne Lage klar ge­schil­dert, ohne der Schre­cken Er­wäh­nung zu tun, die ich mir viel­leicht doch nur ein­bil­de. Es wür­de sie zu Tode ent­set­zen, wenn ich ihr mein gan­zes Herz aus­schüt­ten woll­te. Soll­ten die Brie­fe nicht be­för­dert wer­den, so soll der Graf we­nigs­tens nicht mein Ge­heim­nis und den gan­zen Um­fang mei­ner Er­fah­run­gen wis­sen.

Ich habe die Brie­fe ab­ge­ge­ben; ich schob sie zu­sam­men mit ei­nem Gold­stück den Zi­geu­nern zu und mach­te ih­nen Zei­chen, dass die Brie­fe auf­ge­ge­ben wer­den soll­ten. Der Mann, der sie an sich nahm, drück­te sie ans Herz, ver­beug­te sich und steck­te sie dann in sei­ne Müt­ze. Mehr konn­te ich nicht tun. Ich schlich mich ins Le­se­zim­mer und be­gann zu stu­die­ren. Da der Graf nicht da ist, schrei­be ich hier wei­ter…

Der Graf ist ge­kom­men. Er setz­te sich zu mir und sag­te in der ru­higs­ten Wei­se, in­dem er zwei Brie­fe öff­ne­te:

»Das ha­ben mir die Szi­ga­nys ge­ge­ben und muss ich doch da­von Kennt­nis neh­men, wenn ich auch nicht weiß, wo­her die Brie­fe rüh­ren. Se­hen Sie« – er muss­te die Brie­fe an­ge­se­hen ha­ben – »ei­ner ist von Ih­nen und für mei­nen Freund Pe­ter Hawkins; der an­de­re«, er be­merk­te beim Öff­nen die ihm frem­den Zei­chen, ein fins­te­rer Zug trat in sein Ant­litz und sei­ne Au­gen fun­kel­ten bös­ar­tig – »der an­de­re ist ein gars­ti­ges Ding, ein Miss­brauch von Freund­schaft und Gast­lich­keit! Er ist nicht un­ter­schrie­ben. Gut. So geht er uns wei­ter nichts an.« Und er hielt ru­hig Brief und Um­schlag an die Flam­me der Lam­pe, bis sie ver­zehrt wa­ren. Dann fuhr er fort:

 

»Den Brief an Hawkins wer­de ich, da er von Ih­nen ist, weg­schi­cken. Ihre Brie­fe sind mir hei­lig. Sie ver­zei­hen, mein Freund, dass ich ver­se­hent­lich das Sie­gel er­brach. Wol­len Sie den Brief nicht wi­der schlie­ßen?« Er reich­te mir den Brief und übergab mir mit ele­gan­ter Hand­be­we­gung ein neu­es Cou­vert. Ich konn­te nichts tun, als neu­er­dings das Schrei­ben zu adres­sie­ren und ihm schwei­gend aus­zu­hän­di­gen. Als er aus dem Zim­mer trat, hör­te ich ihn den Schlüs­sel lei­se um­dre­hen. Ei­nen Au­gen­blick spä­ter ging ich zur Türe und fand sie wirk­lich ver­schlos­sen.

Als nach zwei Stun­den der Graf wie­der ru­hig das Zim­mer be­trat, weck­te mich sein Kom­men auf, denn ich war auf dem Sofa ein­ge­schla­fen. Er war, wie ge­wöhn­lich, sehr höf­lich und lie­bens­wür­dig, und als er be­merk­te, dass ich ge­schla­fen habe, sag­te er: »So, mein Freund, Sie sind müde? Ge­hen Sie zu Bet­te. Da fin­den Sie am si­chers­ten Ruhe. Ich muss mir lei­der heu­te Abend das Ver­gnü­gen ver­sa­gen, mit Ih­nen zu plau­dern, denn ich habe sehr viel zu tun; also ge­hen Sie bit­te schla­fen.« Ich be­gab mich in mein Zim­mer, leg­te mich zu Bet­te und schlief ein, merk­wür­di­ger­wei­se ohne Traum. Es gibt auch eine Ruhe der Verzweif­lung.

31. Mai. – Als ich am Mor­gen er­wach­te, woll­te ich mich mit et­was Pa­pier und ei­ni­gen Um­schlä­gen aus mei­nem Kof­fer ver­se­hen und sie in mei­ner Ta­sche ver­ber­gen, um ei­ni­ge Brief zu schrei­ben und sie viel­leicht auf­ge­ben las­sen zu kön­nen. Aber wie­der eine Über­ra­schung, wie­der ein Schlag!

Jede Spur von Pa­pier war weg und da­mit alle mei­ne No­ti­zen, mei­ne Ei­sen­bahn­fahr­plä­ne, mein Kre­dit­brief; in der Tat al­les, was mir wirk­lich nütz­lich sein könn­te, wenn es mir wirk­lich ge­län­ge zu ent­kom­men. Ich saß und grü­bel­te eine Wei­le, dann kam mir ein Ge­dan­ke und ich such­te nach mei­nem Hand­kof­fer und in der Gar­de­ro­be, in der ich mei­ne Klei­der auf­ge­hängt hat­te.

Mein Rei­se­an­zug ist ver­schwun­den, eben­so mein Über­zie­her und mei­ne De­cke. Ich konn­te nir­gends eine Spur da­von ent­de­cken. Das schi­en mir wie­der eine neue Per­fi­die zu sein.

17. Juni. – Die­sen Mor­gen, als ich auf dem Ran­de mei­nes Bet­tes saß und mein Ge­hirn zer­mar­ter­te, hör­te ich drau­ßen Peit­schen­knall und das Stamp­fen und Schar­ren von Pfer­de­hu­fen auf dem fel­si­gen Wege, der zum Schloss­ho­fe führt. Voll Freu­de eil­te ich zum Fens­ter und sah zwei große Lei­ter­wa­gen her­ein­fah­ren, je­der ge­zo­gen von acht schwe­ren Pfer­den, bei je­dem Paar ein Slo­wa­ke mit mäch­ti­gem Hut, brei­tem, mes­sing­be­schla­ge­nem Gür­tel, schmut­zi­gem Schaf­fell und ho­hen Stie­feln. Ihre lan­gen Stä­be tru­gen sie in der Hand. Ich rann­te zur Türe, mit der Ab­sicht, hin­un­ter­zu­ge­hen und durch den Haup­tein­gang zu ih­nen zu flüch­ten, für die doch das Tor ge­öff­net sein muss­te. Wie­der eine Ent­täu­schung! Die Türe war von au­ßen ver­schlos­sen.

Da rann­te ich ans Fens­ter und rief sie an. Sie schau­ten stu­pid her­auf und deu­te­ten auf mich; dann kam der Het­man der Szi­ga­nys her­bei, und als er sah, dass sie auf mein Fens­ter wie­sen, sag­te er et­was, und alle lach­ten. Von da ab konn­te kei­ne Be­mü­hung mei­ner­seits, kein ver­zwei­fel­tes Schrei­en, kein to­des­ban­ges Fle­hen auch nur einen von ih­nen ver­an­las­sen, den Kopf nach mir zu wen­den. Sie wand­ten sich sicht­lich ab. Die Lei­ter­wa­gen ent­hiel­ten große, vier­e­cki­ge Kis­ten mit Hand­grif­fen aus dickem Strick; sie wa­ren of­fen­bar leer, nach der Leich­tig­keit zu schlie­ßen, mit der die Slo­wa­ken mit ih­nen her­um­war­fen, und dem hoh­len Ge­pol­ter, das sie da­bei mach­ten. Als sie alle ab­ge­la­den und in ei­nem großen Sta­pel in ei­ner Ecke des Ho­fes zu­sam­men­ge­stellt wa­ren, er­hiel­ten die Slo­wa­ken Geld von dem Szi­ga­ny; sie spuck­ten dar­auf, da­mit es ih­nen Glück brin­gen möch­te, und be­ga­ben sich dann schläf­rig zu ih­ren Pfer­den. Bald dar­auf hör­te ich, wie das Klat­schen ih­rer Peit­schen all­mäh­lich in der Fer­ne ver­hall­te.

24. Juni. – Vor Ta­ge­s­an­bruch. – Letz­te Nacht ver­ließ mich der Graf früh­zei­tig und schloss sich in sei­nem Zim­mer ein. So­bald ich frei war, rann­te ich die Wen­del­trep­pe hin­auf und späh­te aus dem Fens­ter nach Sü­den. Ich hat­te die Ab­sicht, dem Gra­fen auf­zu­pas­sen, denn ir­gen­det­was ist im Gan­ge. Die Szi­ga­nys sind im Schlos­se un­ter­ge­bracht und ver­rich­ten ir­gend eine Ar­beit. Ich weiß es ge­wiss, denn hier und da höre ich, wie aus wei­ter Fer­ne, die ge­dämpf­ten Lau­te von Spa­ten und Ha­cke. Was es auch sein mag, der Zweck der Ar­beit ist si­cher­lich eine grau­sa­me Schur­ke­rei.

Et­was we­ni­ger als eine hal­be Stun­de hat­te ich am Fens­ter ge­stan­den, da kroch et­was aus des Gra­fen Zim­mer. Ich lehn­te mich zu­rück, sah aber ge­spannt hin­aus und be­merk­te, wie der Mann ganz hin­aus­klet­ter­te. Es war ein neu­er Schreck für mich, als ich er­kann­te, dass er mei­ne Rei­se­klei­der trug und über sei­nen Schul­tern das un­heim­li­che Bün­del, das ich die ge­spens­ti­schen Frau­en kürz­lich hat­te mit­neh­men se­hen. Über den Zweck sei­nes Aus­flu­ges war wohl kein Zwei­fel mehr mög­lich, aber noch dazu in mei­nen Klei­dern! Das ist sein neues­ter Trick: er will, dass an­de­re mei­nen, mich ge­se­hen zu ha­ben, wie ich ihn Städ­ten oder Dör­fern ei­gen­hän­dig mei­ne Brie­fe auf­gab, und dass die Ver­bre­chen, die er ver­übt, mir zu­ge­mu­tet wer­den. Es macht mich ra­sen, wenn ich dar­an den­ke, dass er so et­was un­ge­straft tun kann, wäh­rend er mich hier ein­ge­sperrt hält; ein wirk­li­cher Ge­fan­ge­ner, aber ohne den Schutz des Ge­set­zes, der selbst des Ver­bre­chers Recht und Trost ist. Ich woll­te dann auf die Rück­kehr des Gra­fen war­ten und blieb un­ver­dros­sen lan­ge Zeit am Fens­ter ste­hen. Plötz­lich schi­en mir, als tanz­ten ein­zel­ne klei­ne Fleck­chen im Mond­licht. Sie wa­ren fein wie Staub, wir­bel­ten um­her und bil­de­ten ne­bel­ar­ti­ge Schwär­me. Ich sah ih­nen mit ei­ner ge­wis­sen Ruhe zu, es kam so­gar eine Art Be­ha­gen über mich. Ich lehn­te mich läs­sig an den Fens­ter­pfei­ler zu­rück, um so be­que­mer dem lus­ti­gen Spiel zu­se­hen zu kön­nen.

Et­was je­doch flö­ßte mir Un­be­ha­gen ein; es war ein lei­ses, we­hes Heu­len von Hun­den ir­gend­wo tief un­ten im Tale, wo­hin aber die Aus­sicht nicht reich­te. Es kam mir vor, als klän­ge das Heu­len im­mer lau­ter und als be­müh­ten sich die flat­tern­den Staub­wol­ken, im­mer neue Ge­stal­ten an­zu­neh­men, wäh­rend sie da im Mond­schei­ne tanz­ten. Ich fühl­te es, wie ich mich ge­gen die Stim­me der Ver­nunft wehr­te; ja mei­ne gan­ze See­le wehr­te sich da­ge­gen, und auch die wie­der­er­wach­ten Emp­fin­dun­gen hin­der­ten mich dar­an, ihr zu fol­gen. Ich wur­de ein­fach hyp­no­ti­siert! Ra­scher und ra­scher tanz­te der Staub und die Mond­strah­len schie­nen zu zit­tern; mehr und mehr sam­mel­ten sich die Ge­stal­ten, bis sie end­lich schwan­ken­den Phan­to­men gli­chen. Plötz­lich er­schrak ich, ich er­wach­te, und im wie­der­er­lang­ten Be­sitz mei­ner Sin­ne rann­te ich schwei­gend da­von. Die Phan­to­me, die sich da all­mäh­lich im Mond­schein ma­te­ria­li­siert hat­ten, wa­ren die drei ge­spens­ti­gen Mäd­chen, de­nen ich ver­fal­len war. Ich floh und fühl­te mich erst in mei­nem Zim­mer et­was si­che­rer, wo kein Mond schi­en und die Lam­pe noch freund­lich brann­te.

Als ein paar Stun­den vor­bei wa­ren, hör­te ich et­was Ent­setz­li­ches aus dem Zim­mer des Gra­fen, et­was wie eine tie­fe Weh­kla­ge, die rasch un­ter­drückt wird; dann eine furcht­ba­re To­ten­stil­le, die mich mit Schau­dern er­füll­te. Mit klop­fen­dem Her­zen ging ich zur Türe, um sie zu öff­nen; aber ich war in mei­nem Ge­fäng­nis ein­ge­schlos­sen; ich konn­te nichts, gar nichts tun. Ich setz­te mich hin und wein­te.

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