Dracula

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Wie ich so da saß, hör­te ich vom Schloss­hof her das Weh­ge­schrei ei­ner Frau. Ich sprang ans Fens­ter, riss es auf und sah hin­aus. Da war in der Tat ein Weib mit ver­wirr­tem Haar und hielt ihre Hand an die Brust, als woll­te sie ihr vom ra­schen Lau­fe zer­sprin­gen. Sie lehn­te in ei­nem Win­kel des Tor­we­ges. Als sie mein Ge­sicht am Fens­ter er­blick­te, stürz­te sie dro­hend vor­wärts und schrie mit gel­len­der Stim­me:

»Scheu­sal, gib mir mein Kind!«

Sie warf sich auf die Knie, hob ihre Hän­de zu mir em­por und wie­der­hol­te im­mer die­sel­ben Wor­te, die mir das Herz zer­ris­sen.

Dann rauf­te sie ihr Haar, zer­schlug sich die Brust und gab sich al­len Ge­walt­tä­tig­kei­ten un­er­träg­li­chen Schmer­zes hin. End­lich sprang sie wie­der auf und stürz­te nä­her her­an; ich konn­te sie nicht mehr se­hen, aber ich hör­te das Po­chen ih­rer Hän­de am Tor.

Ir­gend­wo hoch oben, wahr­schein­lich vom Turm, hör­te ich den Gra­fen mit har­ter, me­tal­li­scher Stim­me et­was ru­fen. Als Ant­wort er­tön­te von nah und fern das Heu­len der Wöl­fe. Ehe ei­ni­ge Mi­nu­ten ver­stri­chen wa­ren, kam ein Ru­del von ih­nen durch den wei­ten Ein­gang in den Schloss­hof ge­stürzt, wie be­frei­te Was­ser über den ge­bors­te­nen Damm.

Die Frau schrie nicht und die Wöl­fe heul­ten nur jäh auf; kur­ze Zeit spä­ter stri­chen sie ein­zeln da­von, sich die Lef­zen le­ckend.

Ich konn­te kein Mit­leid mit ihr ha­ben, denn ich wuss­te nun, was mit ih­rem Kin­de ge­sche­hen war. Da war sie bes­ser tot. Was soll ich tun? Was kann ich tun? Wie kann ich mich die­sem ent­setz­li­chen Wirr­sal von Nacht, Spuk und Angst ent­zie­hen?

25. Juni, mor­gens. – Nie­mand, der nicht schon in der Nacht Schreck­li­ches ge­lit­ten, weiß, wie süß und teu­er für Herz und Au­gen der Mor­gen sein kann. Als die Son­ne so hoch ge­stie­gen war, dass sie die Spit­ze des mei­nem Fens­ter ge­gen­über­lie­gen­den Tur­mes ver­gol­de­te, war es mir, als hät­te sich die Tau­be aus der Ar­che Noah dort nie­der­ge­las­sen. Mei­ne Angst zer­floss wie ein Ne­bel­schlei­er vor dem Gestirn des Ta­ges. Ich muss ir­gen­det­was un­ter­neh­men, so­lan­ge mir die Ta­ges­hel­le Mut gibt. Heu­te Nacht ging mein ers­ter, im Voraus da­tier­ter Brief ab; der ers­te in der ver­häng­nis­vol­len Rei­he, die jeg­li­che Spur mei­ner Exis­tenz von der Erde ver­lö­schen soll.

Ich will nicht dar­an den­ken. Han­deln!

Im­mer war es nur zur Nacht­zeit, dass ich be­läs­tigt und be­droht war oder mich in Furcht und Ge­fahr be­fand. Ich habe den Gra­fen bis heu­te noch nicht bei Tage ge­se­hen. Ist es denk­bar, dass er schläft, wäh­rend die an­de­ren wa­chen, und dass er wa­chen muss, wenn sie schla­fen? Könn­te ich nur in sein Zim­mer! Aber es gibt kei­ne Mög­lich­keit; die Türe ist im­mer ver­schlos­sen, kein Ein­gang für mich.

Halt, und den­noch gibt es einen Weg für den, der ihn zu ge­hen wagt. Wo er ging, da muss doch auch ein an­de­rer ge­hen kön­nen. Ich habe ihn selbst aus dem Fens­ter krie­chen se­hen; warum soll­te ich es ihm nicht nach­ma­chen und in sein Fens­ter stei­gen? Die Sa­che ist ver­zwei­felt, aber mei­ne Lage ist eine noch ver­zwei­fel­te­re. Ich wage es. Im schlimms­ten Fal­le be­deu­tet es den Tod, aber der Tod ei­nes Men­schen ist et­was an­de­res als der ei­nes Kal­bes; es öff­ne­te sich mir die ge­fürch­te­te Pfor­te ins Jen­seits. Gott gebe mir Kraft zu mei­nem Un­ter­neh­men! Leb wohl, Mina, wenn ich fehl­tre­te, le­ben Sie wohl, treu­er Freund und Va­ter, lebt wohl, ihr alle, und noch ein­mal Du, Mina!

Am glei­chen Tage, spä­ter… Ich habe das Wa­g­nis un­ter­nom­men und bin mit Got­tes Hil­fe un­ver­sehrt wie­der in mein Zim­mer zu­rück­ge­kehrt. Ich will al­les der Rei­hen­fol­ge nach be­rich­ten. Ich ging voll Mut di­rekt auf das Fens­ter der Süd­sei­te zu und stieg auf das schma­le Stein­ge­sims, das rings um das Ge­bäu­de läuft. Die Stei­ne wa­ren groß und roh be­hau­en, und den Mör­tel hat­te der Zahn der Zeit weg­ge­nagt. Ich zog mei­ne Stie­fel aus und mach­te mich auf den hoff­nungs­lo­sen Weg. Ich sah zu­erst eine Zeit lang in die grau­si­ge Tie­fe, da­mit mich nach­her nicht ein zu­fäl­li­ger Blick da hin­un­ter aus der Fas­sung bräch­te, aber dann hielt ich die Au­gen ab­ge­wandt. Ich kann­te ge­nau die Rich­tung und die Ent­fer­nung, die mich von des Gra­fen Fens­ter trenn­te, und mach­te mich auf den Weg, alle Vor­tei­le aus­nüt­zend, die sich mir bo­ten. Ich fühl­te kei­nen Schwin­del, kei­ne Angst – ich glau­be, weil ich zu er­regt war – und die Zeit schi­en mir lä­cher­lich kurz, die ich brauch­te, um an des Gra­fen Fens­ter zu ge­lan­gen. Ich hielt mich am Rah­men fest. Im­mer­hin war ich tief er­regt, als ich mit ge­beug­tem Rücken, mit den Fü­ßen vor­an, durch die Öff­nung ein­stieg. Ich sah mich nach dem Gra­fen um, mach­te aber zu mei­ner Über­ra­schung und Freu­de eine Ent­de­ckung: das Zim­mer war leer! Es war mit selt­sa­men Din­gen mö­bliert, die den Ein­druck mach­ten, als wür­den sie nicht be­nützt; das Mo­bi­li­ar war das glei­che wie in dem süd­li­chen Zim­mer und dicht mit Staub be­deckt. Ich be­gann so­fort nach dem Schlüs­sel zu su­chen, es steck­te aber kein sol­cher im Schlüs­sel­loch; auch sonst war nir­gends ei­ner zu fin­den. Das ein­zi­ge, was ich ent­deck­te, war ein großer Hau­fen Gold in ei­ner Ecke – Gold­stücke al­ler Art, rö­mi­sches, eng­li­sches, ös­ter­rei­chi­sches, un­ga­ri­sches, grie­chi­sches und tür­ki­sches Gold, gleich­falls mit ei­ner dich­ten Staub­schicht über­zo­gen, als läge es schon sehr lan­ge hier auf dem Bo­den. Kei­nes der Stücke war we­ni­ger als 300 Jah­re alt. Auch Ket­ten und Schmuck­sa­chen la­gen da­bei, ei­ni­ge mit Ju­we­len be­setzt, aber al­les alt und un­schein­bar.

In ei­ner Ecke des Zim­mers war eine schwe­re Türe; ich ver­such­te sie zu öff­nen, denn da ich den Schlüs­sel zum Zim­mer oder zum Au­ßen­tor nicht fin­den konn­te, was ja ei­gent­lich der Ge­gen­stand mei­nes Wun­sches war, muss­te ich wei­te­re Er­kun­dun­gen vor­neh­men, wenn nicht alle mei­ne Mühe um­sonst ge­we­sen sein soll­te. Die Tür war un­ver­schlos­sen und führ­te durch einen ge­pflas­ter­ten Gang zu ei­ner steil in die Tie­fe ab­fal­len­den Wen­del­trep­pe. Ich stieg hin­ab, in­dem ich mich vor­sich­tig wei­ter­tas­te­te; denn die Stie­gen wa­ren dun­kel und nur hier und dort fiel ein schwa­cher Licht­schim­mer durch die Schieß­schar­ten, die das di­cke Mau­er­werk durch­bra­chen. Un­ten ge­lang­te ich in einen fins­te­ren, tun­nel­ar­ti­gen Durch­gang, aus dem mir wi­der­li­cher Lei­chen­ge­ruch und der Dunst frisch auf­ge­gra­be­ner Erde ent­ge­gen­schlug. Je wei­ter ich im Durch­gang vor­drang, de­sto in­ten­si­ver wur­de der Ge­ruch. Schließ­lich kam ich an ein schwe­res al­tes Tor, das of­fen stand, und ich trat in eine ver­fal­le­ne Ka­pel­le, die of­fen­bar als Be­gräb­nis­platz ge­dient hat­te. Das Dach war ein­ge­fal­len und an meh­re­ren Stel­len führ­ten Stu­fen in Gr­ab­ge­wöl­be; der Bo­den war frisch um­ge­gra­ben und die Erde in mäch­ti­ge Holz­kis­ten ge­füllt, of­fen­bar die­sel­ben, wel­che die Slo­wa­ken ge­bracht hat­ten. Das war je­doch für mich nicht von In­ter­es­se und ich forsch­te wei­ter nach ei­nem Aus­gang, aber ver­ge­bens. Je­den Zoll­breit des Bo­dens un­ter­such­te ich, um kei­ne Mög­lich­keit zu über­se­hen. Ich stieg in die Ge­wöl­be hin­ab, in de­nen ein grau­es Däm­mer­licht herrsch­te; es war furcht­bar für mich. In zwei­en war ich ge­we­sen, ohne et­was an­de­res zu se­hen als alte Sarg­stücke und Hau­fen von Staub. Aber im drit­ten, da mach­te ich eine Ent­de­ckung.

Hier in ei­ner der großen Kis­ten, de­ren etwa fünf­zig her­um­ste­hen moch­ten, auf ei­nem Hau­fen fri­scher Er­de… lag der Graf! Er war tot oder er schlief, ich konn­te es nicht er­ken­nen; die Au­gen wa­ren of­fen und starr, aber ohne das glä­ser­ne Aus­se­hen von To­ten­au­gen, und die Wan­gen hat­ten trotz al­ler Lei­chen­bläs­se doch den war­men Schim­mer des Le­bens und die Lip­pen wa­ren rot wie im­mer. Aber kei­ne Spur von Be­we­gung an ihm, kein Puls, kein Atem­zug, kein Herz­schlag. Ich beug­te mich über ihn und horch­te nach ei­nem Le­bens­zei­chen. Er konn­te noch nicht lan­ge dort ge­le­gen ha­ben, denn der fri­sche Ge­ruch der Erde wäre doch in we­ni­gen Stun­den ver­flo­gen ge­we­sen. Ne­ben der Kis­te stand der De­ckel, von Na­gellö­chern durch­bohrt. Ich hoff­te, er wer­de die Schlüs­sel bei sich ha­ben; aber als ich ihn da­nach durch­su­chen woll­te, da fiel mein Blick auf sei­ne Au­gen, in de­nen, wenn er auch sich mei­ner Ge­gen­wart viel­leicht nicht be­wusst war, ein sol­cher Aus­druck des wil­des­ten Has­ses lag, dass ich ent­floh. Des Gra­fen Zim­mer durch das of­fe­ne Fens­ter ver­las­send, er­reich­te ich wie­der die Schloss­mau­er, an der ich hin­auf­klet­ter­te. Nach­dem ich mein Zim­mer er­reicht hat­te, warf ich mich keu­chend auf mein Bett und ver­such­te nach­zu­den­ken…

29. Juni. – Heu­te ist das Da­tum mei­nes letz­ten Brie­fes, und der Graf hat Maß­re­geln ge­trof­fen, dass man glau­ben soll­te, ich hät­te ihn selbst auf­ge­ge­ben, denn ich sah ihn das Schloss auf dem ge­wöhn­li­chen Wege ver­las­sen und in mei­nen Klei­dern. Als er so die Mau­er her­ab­stieg, wie eine Ei­dech­se, wünsch­te ich mir ein Ge­wehr oder sonst eine Mord­waf­fe, um ihn ver­nich­ten zu kön­nen; aber ich fürch­te, eine Waf­fe in mensch­li­chen Hän­den wird nicht im­stan­de sein, ihm ir­gen­det­was an­zu­ha­ben. Ich woll­te auf sei­ne Rück­kehr nicht war­ten, denn es ge­lüs­te­te mich nicht da­nach, die ge­spens­ti­schen Schwes­tern wie­der­zu­se­hen. Ich ging in die Biblio­thek zu­rück und las, bis ich ein­sch­lief.

Ich wur­de durch das Ein­tre­ten des Gra­fen ge­weckt, der so ver­bis­sen wie mög­lich dreinsah, als er zu mir sag­te:

»Mor­gen, mein Freund, heißt es also rei­sen. Sie keh­ren in ihr herr­li­ches Eng­land zu­rück, ich zu ei­ner Be­schäf­ti­gung, die so aus­ge­hen kann, dass wir uns viel­leicht nie wie­der se­hen. Ihr letz­ter Brief ist auf­ge­ge­ben wor­den; mor­gen wer­de ich nicht hier sein, aber al­les ist für Ihre Rei­se vor­be­rei­tet. Früh kom­men Szi­ga­nos, die noch ei­ni­ge Ar­bei­ten hier vor­zu­neh­men ha­ben, und auch ei­ni­ge Slo­wa­ken. Wenn alle fort sind, wird mein Wa­gen Sie ab­ho­len und zum Bor­gópass brin­gen, wo­selbst Sie den Post­wa­gen von der Bu­ko­wi­na nach Bistritz er­war­ten kön­nen. Aber ich den­ke, ich sehe Sie noch öf­ter hier auf Schloss Dra­cu­la.« Ich trau­te ihm nicht recht und woll­te sei­ne Auf­rich­tig­keit auf die Pro­be stel­len. Auf­rich­tig­keit! Es ist wie eine Pro­fa­na­ti­on die­ses Wor­tes, wenn man es in ei­nem Atem mit die­sem Scheu­sal nennt. Ich frag­te ihn ge­ra­de her­aus:

 

»Wa­rum soll ich denn nicht heu­te Nacht fah­ren?«

»Weil mein Kut­scher und mei­ne Pfer­de nicht ver­füg­bar sind, mein Bes­ter.«

»Aber ich wür­de recht ger­ne zu Fuße ge­hen. So­gleich möch­te ich am liebs­ten den Marsch an­tre­ten.« Er lä­chel­te sanft, ver­bind­lich; aber es lag in die­sem Lä­cheln so viel sa­ta­ni­scher Spott, dass ich fühl­te, es ste­cke ir­gend eine Tücke hin­ter die­ser Freund­lich­keit. Er fuhr fort:

»Und wie ist es mit Ihrem Ge­päck?«

»Ich brau­che es nicht. Ich kann es ge­le­gent­lich nach­schi­cken las­sen.« Der Graf stand auf und sag­te mit so fei­ner Ar­tig­keit, dass ich mir die Au­gen rei­ben muss­te, um mich zu ver­si­chern, dass ich nicht träu­me:

»ihr Eng­län­der habt eine Re­dens­art, die ich mir be­son­ders ge­merkt habe, weil sie das aus­drückt, was auch wir Bo­ja­ren be­fol­gen: ›Gib dem kom­men­den Gast dein Bes­tes, den ab­rei­sen­den aber hal­te nicht auf.‹ Kom­men Sie mit mir, lie­ber jun­ger Freund. Nicht einen Au­gen­blick sol­len Sie län­ger in mei­nem Hau­se sein, als Sie es selbst wün­schen, ob­gleich es mir leid­tut, dass Sie schon fort wol­len und das so plötz­lich wün­schen. Kom­men Sie mit!« Mit stei­fer Gran­dez­za stieg er, die Lam­pe in der Hand, vor mir die Stie­ge hin­un­ter und durch­schritt die Hal­le. Plötz­lich blieb er ste­hen:

»Hor­chen Sie!«

Ganz in der Nähe hör­ten wir das Bel­len von Wöl­fen. Es war, als er­hö­be sich der Lärm in dem Au­gen­blick, als er mit der Hand wink­te, gleich­wie ein großes Or­che­s­ter auf den Takt­strich des Di­ri­gen­ten ein­setzt. Nach ei­ner kur­z­en Pau­se schritt er in sei­ner gra­vi­tä­ti­schen Wei­se aufs Tor zu, zog die ge­wich­ti­gen Rie­gel zu­rück, hak­te die schwe­ren Ket­ten aus und öff­ne­te lang­sam.

Zu mei­nem höchs­ten Er­stau­nen muss­te ich be­mer­ken, dass das Tor un­ver­schlos­sen war. Voll Miss­trau­en sah ich nä­her hin, konn­te aber kei­nen Schlüs­sel ent­de­cken.

Als das Tor auf­ging, wur­de das Bel­len der Wöl­fe lau­ter und wil­der; ihre ro­ten Mäu­ler mit dem schaum­be­deck­ten Ge­biss und ihre klau­en­be­wehr­ten Füße dräng­ten sich her­ein. In die­sem Au­gen­blick ward es mir klar, dass es un­nütz wäre, einen Kampf ge­gen den Gra­fen auf­zu­neh­men. Ge­gen ihn, der sol­che Ver­bün­de­te hat, kann ich doch nichts aus­rich­ten. All­mäh­lich öff­ne­te sich das Tor wei­ter und des Gra­fen ha­ge­re Ge­stalt stand al­lein in der Öff­nung. Plötz­lich fuhr es mir durch den Sinn, dass der Tag mei­nes Un­ter­gan­ges ja da sei und ich den Wöl­fen vor­ge­wor­fen wer­den soll­te. Ich selbst hat­te es ja ver­an­lasst. Es lag eine teuf­li­sche Bos­heit in die­ser Idee, die dem Gra­fen voll­kom­men zu­zu­trau­en war, und ich schrie zu­letzt:

»Schlie­ßen Sie das Tor, ich war­te ger­ne bis mor­gen!« Dann be­deck­te ich mein Ge­sicht mit den Hän­den, um die bit­te­ren Trä­nen der Ent­täu­schung zu ver­ber­gen, die mir die Au­gen füll­ten. Mit ei­ner Be­we­gung sei­nes mäch­ti­gen Ar­mes zog der Graf das Tor zu und schob die Rie­gel wie­der vor, die in dem wei­ten Ge­wöl­be wi­der­hall­ten und klan­gen.

Wir kehr­ten schwei­gend zur Biblio­thek zu­rück, und eine oder zwei Mi­nu­ten spä­ter be­gab ich mich auf mein Zim­mer. Als ich mich noch ein­mal kurz um­wand­te, sah ich, wie Graf Dra­cu­la mir Hand­küs­se zu­warf, mit ei­nem Lä­cheln, auf das Ju­das in der Höl­le hät­te stolz sein kön­nen.

In mei­nem Zim­mer an­ge­kom­men, woll­te ich mich eben nie­der­le­gen, da hör­te ich ein Flüs­tern vor mei­ner Türe. Ich ging lei­se hin und lausch­te. Wenn mich mei­ne Ohren nicht täusch­ten, so war es die Stim­me des Gra­fen, wel­che sag­te:

»Zu­rück, zu­rück auf eure Plät­ze! Eure Zeit ist noch nicht ge­kom­men. War­tet! Habt Ge­duld! Mor­gen Nacht, mor­gen Nacht ist er euer!« Ein sü­ßes, lei­ses Ki­chern war die Ant­wort, und wü­tend stieß ich die Türe auf. Drau­ßen wa­ren die drei schreck­li­chen Frau­en, die gie­rig ihre Lip­pen leck­ten. Als sie mich er­blick­ten, bra­chen sie alle zu­sam­men in ein ent­setz­li­ches Ge­läch­ter aus und rann­ten da­von. Ich kehr­te in mein Zim­mer zu­rück und warf mich auf die Knie nie­der. Ist es denn schon so nahe, das Ende? Mor­gen! Mor­gen! Gott hilf mir und de­nen, die mich lieb ha­ben!

30. Juni, mor­gens. – Das wer­den wohl die letz­ten Wor­te sein, die ich in die­ses Ta­ge­buch schrei­be. Ich schlief bis kurz vor Ta­ge­s­an­bruch, und als ich auf­stand, warf ich mich auf die Knie nie­der, denn ich woll­te, dass der Tod, wenn er käme, mich we­nigs­tens nicht un­vor­be­rei­tet fän­de. Dann fühl­te ich die ei­gen­ar­ti­gen Ver­än­de­run­gen in der Luft und wuss­te, dass der Mor­gen da sei. Nun er­tön­te auch der er­sehn­te Hah­nen­schrei und ich wuss­te, dass ich ge­ret­tet war. Mit fro­hem Her­zen öff­ne­te ich mei­ne Türe und eil­te hin­un­ter nach der große Hal­le. Ich hat­te ge­se­hen, dass das Tor nicht ver­schlos­sen wor­den war und dass der Weg zur Frei­heit mir of­fen stand. Mei­ne Hän­de zit­ter­ten von Er­re­gung, als ich die schwe­ren Ket­ten aus­hak­te und die mas­si­ven Rie­gel zu­rück­schob.

Aber das Tor be­weg­te sich nicht; Verzweif­lung pack­te mich. Ich stieß im­mer und im­mer wie­der da­ge­gen und rüt­tel­te dar­an, dass es, so schwer es auch war, in den An­geln krach­te. Es konn­te nicht an­ders sein: der Graf muss­te es ver­schlos­sen ha­ben, nach­dem er von mir ge­gan­gen war.

Da er­griff mich ein wil­des Ver­lan­gen, des Schlüs­sels um je­den Preis hab­haft zu wer­den, und ich be­schloss, noch­mals die Mau­er hin­un­ter­zu­klet­tern und in des Gra­fen Zim­mer ein­zu­drin­gen. Er moch­te mich mei­net­hal­ben tö­ten – der Tod schi­en mir tau­send­mal bes­ser als das, was mir in Aus­sicht stand. Ohne zu zö­gern rann­te ich zu dem öst­li­chen Fens­ter und stieg, wie das ers­te Mal, die Mau­er hin­ab in das Zim­mer des Gra­fen. Es war leer, aber ich hat­te es nicht an­ders er­war­tet. Ich konn­te nir­gends einen Schlüs­sel er­bli­cken, aber der Hau­fen Gold war noch da. Ich ging durch die Eck­tü­re, die Wen­del­trep­pe hin­un­ter und dann durch den fins­te­ren Gang in die alte Ka­pel­le. Ich wuss­te jetzt ge­nau, wo ich das Scheu­sal zu su­chen hat­te.

Die große Kis­te stand noch auf dem­sel­ben Plat­ze, dicht an der Mau­er; der De­ckel lag schon dar­auf, war aber noch nicht fest­ge­macht; die Nä­gel sta­ken im Hol­ze und brauch­ten nur mehr ein­ge­schla­gen zu wer­den. Ich be­ab­sich­tig­te in ers­ter Li­nie, die Klei­der des Gra­fen nach ei­nem der Schlüs­sel zu durch­su­chen; ich hob den De­ckel ab und lehn­te ihn an die Wand. Dann aber sah ich et­was, das mein Herz mit tiefs­tem Grau­en er­füll­te. Da lag der Graf, aber er sah aus, als sei sei­ne Ju­gend wie­der zu­rück­ge­kehrt: Haar und Schnurr­bart, vor­dem weiß, wa­ren nun dun­kel, ei­sen­grau, die Wan­gen wa­ren vol­ler und die wei­ße Haut schi­en ro­sig un­ter­legt; der Mund war rö­ter als je, denn auf den Lip­pen stan­den Trop­fen fri­schen Blu­tes, das in den Mund­win­keln zu­sam­men­rann und von da über Kinn und Hals hin­un­ter­si­cker­te. Selbst die Au­gen la­gen nicht mehr so tief, denn es schi­en sich neu­es Fleisch um sie ge­bil­det zu ha­ben. Es schi­en mir, als sei die gan­ze grau­en­vol­le Krea­tur mit Blut ein­fach durch­tränkt; er lag da wie ein voll­ge­so­ge­ner Blut­egel. Ich schau­der­te, als ich mich über ihn beug­te, um ihn zu durch­su­chen – je­der mei­ner Sin­ne sträub­te sich ge­gen eine Berüh­rung; aber ich muss­te, sonst war ich ver­lo­ren, ein si­che­res blu­ti­ges Fest­mahl für die ent­setz­li­chen Drei. Ich tas­te­te den gan­zen Kör­per ab – kei­ne Spur von ei­nem Schlüs­sel. Dann hielt ich einen Au­gen­blick inne und be­trach­te­te den Gra­fen. Es lag ein höh­ni­sches Lä­cheln auf dem auf­ge­dun­se­nen Ge­sicht, das mich hät­te wahn­sin­nig ma­chen kön­nen. Das also war das We­sen, dem ich hel­fen woll­te, nach Lon­don über­zu­sie­deln, wo es viel­leicht Jahr­hun­der­te lang un­ter den sich drän­gen­den Mil­lio­nen von Men­schen sei­ne Blut­gier be­frie­di­gen und einen sich im­mer ver­grö­ßern­den Kreis von Halb­dä­mo­nen schaf­fen wür­de, um sie auf die Wehr­lo­sen zu het­zen. Schon die­ser Ge­dan­ke mach­te mich ra­sen.

Eine schreck­li­che Lust kam über mich, die Welt von die­sem Un­ge­heu­er zu be­frei­en. Eine töd­li­che Waf­fe war nicht zur Hand; so er­griff ich denn eine der Schau­feln, wel­che die Ar­bei­ter beim Fül­len der Kis­ten be­nützt hat­ten, und hol­te weit aus, um mit der ab­wärts­ge­rich­te­ten Schau­fel in das ver­hass­te Ge­sicht zu schla­gen. Da dreh­te sich plötz­lich der Kopf, und die Au­gen sa­hen mich voll an mit der gan­zen Glut ih­res Ba­si­lis­ken­blickes. Jä­hes Ent­set­zen lähm­te mich bei die­sem An­blick, die Schau­fel zit­ter­te in mei­nen Hän­den und fiel kraft­los nie­der, riss aber eine klaf­fen­de Wun­de in die Stir­ne des Lie­gen­den. Dann glitt sie mir aus der Hand, quer über die Kis­te, und als ich sie da wegs­tieß, be­rühr­te sie den da­ne­ben­ste­hen­den De­ckel, der um­fiel und das häss­li­che Bild mei­nen Au­gen ent­rück­te. Das letz­te, was ich sah, war das auf­ge­dun­se­ne blut­un­ter­lau­fe­ne Ge­sicht und das star­re höh­ni­sche Lä­cheln, wel­ches viel­leicht so­gar bei den Teu­feln der Höl­le nicht sei­nes­glei­chen ge­fun­den hät­te.

Ich dach­te und dach­te, was ich nun tun soll­te, aber mein Ge­hirn brann­te wie Feu­er und ich war­te­te, wäh­rend ein Ge­fühl der Verzweif­lung sich mei­ner be­mäch­tig­te. Wie ich so da­stand, hör­te ich aus der Fer­ne einen Zi­geu­ner­ge­sang von fro­hen Stim­men, der im­mer nä­her zu kom­men schi­en, und durch den Ge­sang das Rol­len schwe­rer Rä­der und das Knal­len von Peit­schen, die Slo­wa­ken und Szi­ga­nys, von de­nen der Graf ge­spro­chen, ka­men an. Ich warf noch einen ra­schen Blick rings um mich und auf die Kis­te, die den scheuß­li­chen Leib barg, und rann­te da­von in das Zim­mer des Gra­fen, ent­schlos­sen, hin­aus­zu­schlüp­fen, wenn die Türe ge­öff­net wür­de. An­ge­spannt horch­te ich und ver­nahm von un­ten das krei­schen­de Geräusch ei­nes Schlüs­sels in dem großen Schlüs­sel­loch und das Zu­rück­fal­len des schwe­ren To­res. Es müs­sen auch noch an­de­re Zu­gän­ge da ge­we­sen sein, aber je­mand hat den Schlüs­sel zu den ver­sperr­ten Tü­ren. Dann hör­te ich das Geräusch vie­ler stamp­fen­der Schrit­te, die dröh­nend fern in ir­gend ei­nem Durch­gang ver­hall­ten. Ich be­eil­te mich, wie­der hin­un­ter zu dem Ge­wöl­be zu kom­men, wo ich den neu­en Ein­gang fin­den muss­te; aber in die­sem Au­gen­blick kam ein ge­wal­ti­ger Wind­stoß, und die Türe zur Wen­del­trep­pe fiel mit ei­nem furcht­ba­ren Krach zu, so­dass der Staub von der Tür­krö­nung flog. Als ich hin­eil­te, um sie auf­zu­drücken, fand ich sie hoff­nungs­los fest ver­schlos­sen. Ich war von neu­em ge­fan­gen und das Netz des Ver­der­bens zog sich noch en­ger um mich zu­sam­men.

Wäh­rend ich dies schrei­be, ist un­ten im Durch­gang der Lärm stamp­fen­der Füße hör­bar und das Pol­tern auf­ge­la­de­ner schwe­rer Las­ten, of­fen­bar der erd­ge­füll­ten Kis­ten. Man hört et­was häm­mern, es ist die Kis­te, die zu­ge­na­gelt wird. Nun dröh­nen wie­der die schwe­ren Schrit­te durch die Hal­le, ge­folgt von den leich­teren un­be­schäf­tig­ter Mit­läu­fer. Das Tor wird ge­schlos­sen, die Ket­ten klir­ren, dann das Krei­schen des Schlüs­sels im Schlüs­sel­loch. Ich höre, wie er her­aus­ge­zo­gen wird; dann öff­net und schließt sich ein an­de­res Tor; wie­der höre ich Schloss und Rie­gel knar­ren.

Horch! Im Hofe und den Fels­weg hin­un­ter das Rol­len schwe­rer Rä­der, das Knal­len von Peit­schen und der Ge­sang der Szi­ga­nys, der im­mer wei­ter in der Fer­ne ver­hallt.

Ich bin im Schlos­se al­lein mit den furcht­ba­ren Wei­bern. Pfui! Mina ist doch auch ein Weib, und sie ha­ben so gar nichts ge­mein­sam. Sie sind Teu­fel der Höl­le!

Ich wer­de nicht bei ih­nen hier­blei­ben; ich wer­de ver­su­chen, die Schloss­mau­er noch tiefer hin­un­ter­zu­stei­gen, als ich es bis­her tat. Ich will mir et­was von dem auf­ge­sta­pel­ten Gol­de mit­neh­men, viel­leicht kann ich es doch noch brau­chen. Ich muss einen Aus­weg aus die­sem scheuß­li­chen Ge­fäng­nis fin­den.

 

Und dann fort! Heim! Fort mit dem schnells­ten, mit dem nächs­ten Zuge! Fort von die­sem ver­ruch­ten Ort, aus die­sem ver­wünsch­ten Lan­de, wo noch der Teu­fel und sei­ne Kin­der in Men­schen­lei­bern wan­deln.

Schließ­lich ist Got­tes Gna­de doch bes­ser als die die­ser Un­ge­heu­er – und der Ab­grund ist steil und tief. An sei­nem Fuße mag wohl ein Mann schla­fen – als ein Mann. Lebt wohl, ihr alle und Du, Mina!

1 Szi­ga­nys, Szi­ga­ny, Szi­ga­nos: Zi­geu­ner. <<<

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