Dracula

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FÜNFTES KAPITEL

Brief von Frl. Mina Murray an Frl. Lucy Westenraa.

9. Mai.

Lie­be Lucy!

Ver­gib mir, dass ich so lan­ge mit dem Brief­schrei­ben im Rück­stand blieb, aber ich wer­de von der Ar­beit fast er­drückt. Das Le­ben ei­ner Schulas­sis­ten­tin ist oft sehr er­mü­dend. Ich ver­lan­ge da­nach, bei Dir zu sein und an der See, wo wir frei wan­dern und un­se­re Luft­sch­lös­ser bau­en kön­nen. Ich habe in letz­ter Zeit sehr viel ge­ar­bei­tet, weil ich mich ger­ne Jo­na­than bei sei­nen Stu­di­en nütz­lich ma­chen möch­te; das ist auch der Grund, warum ich so flei­ßig ste­no­gra­fie­ren lern­te. Wenn wir ver­hei­ra­tet sind, wer­de ich Jo­na­than gern hel­fen; und wenn ich ge­nü­gend ste­no­gra­fie­ren kann, bin ich im­stan­de, sein Dik­tat auf­zu­neh­men und dann auf der Schreib­ma­schi­ne ab­zu­schrei­ben; das übte ich auch eif­rig. Er und ich, wir schrei­ben uns oft un­se­re Brie­fe im Ste­no­gramm und er führt ein ste­no­gra­fi­sches Ta­ge­buch über sei­ne Aus­land­rei­sen. Wenn ich bei Dir bin, wer­de ich gleich­falls ein sol­ches füh­ren. Ich mei­ne kei­nes von je­nen, zwei Sei­ten die Wo­che und den Sonn­tag in ein Eck­chen ge­schrie­ben, son­dern eine Art Jour­nal, in das ich schrei­ben kann, wann ich Lust habe. Ich glau­be ja, dass es für an­de­re Leu­te nicht von In­ter­es­se sein wird, aber dar­auf ist es auch gar nicht be­rech­net. Ich möch­te es gern Jo­na­than zei­gen, wenn ir­gen­det­was Mit­tei­lens­wer­tes dar­in ist; haupt­säch­lich soll es ein Übungs­heft für mich sein. Ich wer­de ver­su­chen, es so zu ma­chen wie die Jour­na­lis­ten: in­ter­view­en, Schil­de­run­gen ge­ben und Ge­sprä­che fest­hal­ten. Man hat mir er­zählt, dass man es bei ei­ni­ger Übung so weit brin­gen kann, dass man sich ge­nau al­les des­sen er­in­nern kann, was man den Tag über ge­hört und er­lebt hat. Nun ja, wir wer­den se­hen. Ich wer­de Dir alle mei­ne klei­nen Plä­ne aus­ein­an­der­set­zen, wenn wir bei­sam­men sind. Gera­de habe ich ei­ni­ge Zei­len von Jo­na­than aus Trans­syl­va­ni­en er­hal­ten. Er fühlt sich wohl und ge­denkt in ei­ner Wo­che die Rück­rei­se an­zu­tre­ten. Ich seh­ne mich da­nach, Neu­es von ihm zu hö­ren. Es muss so schön sein, frem­de Län­der ken­nen­zu­ler­nen. Ich freue mich wirk­lich dar­auf, wenn wir – ich mei­ne Jo­na­than und mich – sie ein­mal be­rei­sen wer­den. Es schlägt zehn Uhr. Gute Nacht.

Stets Dei­ne

Mina.

Wenn Du mir wie­der schreibst, musst Du mir vie­les er­zäh­len. Du hast mich lan­ge nichts wis­sen las­sen. Ich hör­te da Gerüch­te und ins­be­son­de­re von ei­nem hüb­schen, großen, kraus­haa­ri­gen Mann???

Brief von Frl. Lucy Westenraa an Frl. Mina Murray

17. Chat­ham-Street, Mitt­woch

Liebs­te Mina!

Ich muss schon sa­gen, Du tust mir sehr un­recht, wenn Du mich eine fau­le Brief­schrei­be­rin nennst. Ich habe Dir doch zwei­mal ge­schrie­ben, seit wir ab­reis­ten, und Dein letz­ter Brief war auch erst der zwei­te. Üb­ri­gens habe ich Dir ei­gent­lich nichts zu er­zäh­len. Ich wüss­te wirk­lich nichts, was Dich in­ter­es­sie­ren könn­te. In der Stadt ist es jetzt sehr amüsant, und wir ver­trei­ben uns die Zeit mit dem Be­such von Ge­mäl­de­ga­le­ri­en, mit Spa­zier­gän­gen und Rit­ten im Park. Was den großen, kraus­haa­ri­gen Mann be­trifft, so ver­mu­te ich, dass Du den meinst, der auf der letz­ten Un­ter­hal­tung mit mir war. Ir­gend­je­mand hat Dir of­fen­bar ir­gen­det­was auf­ge­bun­den. Es war Herr Holm­wood. Er kommt öf­ter zu uns, und er und Mama ver­tra­gen sich recht gut; sie ha­ben so viel mit­ein­an­der zu plau­dern. Wir tra­fen vor ei­ni­ger Zeit einen Herrn, der et­was für Dich wäre; aber Du bist ja schon an Jo­na­than ge­bun­den. Er ist eine her­vor­ra­gen­de Par­tie, hübsch, in glän­zen­den Ver­hält­nis­sen und aus gu­ter Fa­mi­lie. Er ist Arzt und wirk­lich tüch­tig. Den­ke Dir, er ist neun­und­zwan­zig Jah­re und lei­tet schon eine aus­ge­dehn­te Ir­ren­an­stalt. Herr Holm­wood stell­te ihn mir vor und er ver­sprach uns flei­ßig zu be­su­chen; er kommt auch häu­fig zu uns. Ich habe das Ge­fühl, als sei er ein sehr ener­gi­scher, aber da­bei sehr ru­hi­ger Mann. Er scheint fast völ­lig un­er­schüt­ter­lich. Ich kann mir leb­haft vor­stel­len, welch wun­der­ba­ren Ein­fluss er auf sei­ne Pa­ti­en­ten aus­üben muss… Er hat eine selt­sa­me Art, ei­nem di­rekt ins Ge­sicht zu se­hen, gleich­sam als wol­le er dort die Ge­dan­ken ab­le­sen. Er ver­sucht es auch öf­ter bei mir, aber ich schmeich­le mir, eine recht har­te Nuss für ihn zu sein. Ich ken­ne das aus mei­nem Spie­gel. Ver­suchst Du nicht auch öf­ter, Dein Ge­sicht zu stu­die­ren? Ich sage Dir, es ist kein schlech­tes Stu­di­um, und gibt Dir mehr zu den­ken, als Du dir vor­stel­len kannst, wenn Du es noch nicht ver­sucht hast. Er sagt mir, ich sei ihm ein schwie­ri­ges, psy­cho­lo­gi­sches Pro­blem, und ich bin so un­be­schei­den, es ihm zu glau­ben. Du weißt, ich habe an Klei­dern kein so leb­haf­tes In­ter­es­se, dass es mir mög­lich wäre, eine neue Mode zu be­schrei­ben. Klei­der sind et­was Lang­wei­li­ges. Aber das scha­det nichts, Ar­thur sagt das alle Tage. Nun weiß ich aber nichts mehr. Nun, wir ha­ben uns doch von klein auf alle un­se­re Ge­heim­nis­se an­ver­traut; wir ha­ben zu­sam­men ge­schla­fen und ge­ges­sen und ge­lacht und ge­weint; und da ich nun doch ein­mal et­was ge­sagt, mei­ne ich, noch mehr sa­gen zu müs­sen. Kannst Du es er­ra­ten? Ich hab ihn lieb. Ich schä­me mich, das zu schrei­ben, denn wenn ich auch si­cher glau­be, dass er mich liebt, hat er doch noch kein Wort da­von ver­lau­ten las­sen. Ach, Mina, wie lieb hab ich ihn, wie lieb, wie lieb! Nun ist mir wohl. Ich woll­te, wir sä­ßen zu­sam­men beim Aus­klei­den am Feu­er, wie wir es im­mer ta­ten, und ich könn­te Dir al­les er­zäh­len, was ich füh­le. Ich weiß nicht, wie ich auf ein­mal dazu kom­me, es Dir zu schrei­ben. Ich muss nun aber auf­hö­ren, denn ich fürch­te, mei­ne Trä­nen fal­len auf den Brief, und doch möch­te ich wie­der nicht auf­hö­ren, denn ich seh­ne mich da­nach, Dir al­les zu sa­gen. Lass mich bald von Dir hö­ren und tei­le mir mit, was Du von der Sa­che denkst. Nein, ich muss auf­hö­ren. Gute Nacht; bete für mich und bete für mein Glück.

Lucy.

P. S. Ich brauch’ Dir wohl nicht zu sa­gen, dass das al­les noch ge­heim blei­ben muss. Noch­mals gute Nacht.

L.

Brief von Frl. Lucy Westenraa an Frl. Mina Murray

Liebs­te Mina!

Dank, Dank und tau­send­mal Dank für Dei­nen lie­ben Brief. Nun bin ich doch froh, dass ich es Dir er­zählt habe und weiß, dass Du mir zu­stimmst.

Liebst, es reg­net nicht, es schüt­tet. Wie pas­send die al­ten Re­dens­ar­ten oft sind. Hier bin ich, die ich im Sep­tem­ber zwan­zig wer­den soll, und hat­te bis heu­te noch kei­nen An­be­ter, we­nigs­tens noch kei­nen ernst­haf­ten, und heu­te ka­men gleich ih­rer drei. Den­ke nur, drei Be­wer­ber an ei­nem Tag! Ist das nicht un­heim­lich? Es tut mir wirk­lich und wahr­haf­tig leid um zwei der lie­ben Men­schen. O Mina, ich bin so froh, dass ich mich fast nicht mehr fas­sen kann. Drei Be­wer­ber! Aber, Mina, ich bit­te Dich, um des Him­mels wil­len, sag’ es kei­nem der jun­gen Mäd­chen; die be­kom­men sonst al­ler­hand ex­tra­va­gan­te Ide­en und füh­len sich be­lei­digt und zu­rück­ge­setzt, wenn nicht gleich am ers­ten Tage, da sie wie­der zu Hau­se sind, min­des­tens sechs kom­men. Man­che Mäd­chen sind so ei­tel. Du, Mina, und ich, die wir ge­bun­den und nahe dar­an sind, bald alte ver­hei­ra­te­te Frau­en zu wer­den, wir sind doch wahr­lich dar­über hin­aus. Nun muss ich Dir aber von den Drei­en er­zäh­len, Schatz, aber Du musst es ge­heim hal­ten vor al­len – au­ßer na­tür­lich Jo­na­than. Du wirst es ihm si­cher aus­plau­dern, wie ich es an Dei­ner Stel­le ja auch Ar­thur ge­gen­über ma­chen wür­de. Eine Frau muss ih­rem Man­ne doch al­les er­zäh­len, – nicht wahr, Herz­chen –, und ich möch­te of­fen sein. Die Män­ner ha­ben es gern, wenn die Frau­en – be­son­ders ihre Frau­en – eben so of­fen sind wie sie selbst. Ich fürch­te aber, die Frau­en sind nicht im­mer so auf­rich­tig, als sie es ei­gent­lich sein müss­ten. Also, mei­ne Lie­be, Num­mer Eins kam ge­ra­de vor dem Lunch. Ich er­zähl­te Dir schon von ihm, Dr. John Se­ward, der Ir­ren­haus­arzt mit dem stren­gen Kinn und der gü­ti­gen Stir­ne. Äu­ßer­lich war er sehr kühl, aber in­ner­lich doch ner­vös. Er hat­te sich al­les bis ins Kleins­te ein­stu­diert und ver­gaß sich nicht; schließ­lich aber setz­te er sich doch auf sei­nen Zy­lin­der, was Män­ner in der Re­gel nicht tun, wenn sie kal­ten Blu­tes sind, und als er sich dann be­müh­te, ru­hig zu er­schei­nen, spiel­te er mit ei­nem Mes­ser­chen, das auf dem Ti­sche lag, dass ich bei­na­he wei­nen muss­te. Er sprach sehr ernst mit mir. Er sag­te mir, wie lieb ich ihm sei, ob­gleich er mich doch erst so kur­ze Zeit ken­ne, und wie schön sein Le­ben wäre, wenn ich ihm hel­fen und ihn er­hei­tern woll­te. Dann sag­te er, er wür­de sehr un­glück­lich sein, wenn ich ihn nicht er­hö­re; als er mich aber dann wei­nen sah, schalt er sich einen Bar­ba­ren und ver­sprach mir, mei­nen Schmerz nicht noch ver­grö­ßern zu wol­len. Dann brach er ab und frag­te mich, ob ich ihn denn nicht mit der Zeit lieb ge­win­nen kön­ne, und als ich mit dem Kopf schüt­tel­te, zit­ter­te er und frag­te sto­ckend, ob ich am Ende schon ei­nem an­de­ren ge­hö­re. Er brach­te es so schön her­aus, in­dem er sag­te, er wol­le sich mein Ver­trau­en nicht er­zwin­gen, son­dern nur Klar­heit ha­ben, denn ein Mann dür­fe die Hoff­nung so lan­ge nicht sin­ken las­sen, als die An­ge­be­te­te noch frei sei. Da, lie­be Mina, fühl­te ich mich ge­zwun­gen ihm zu sa­gen, dass ich schon ge­bun­den sei. Ich sag­te ihm das; da stand er auf und sah recht ernst und schwer­mü­tig drein, als er mei­ne bei­den Hän­de er­griff und sag­te, er hof­fe, dass ich glück­lich wer­de, und wenn ich je ei­nes Freun­des be­dür­fe, so sol­le ich ihn zu mei­nen bes­ten zäh­len. Ach, Mina, ich kann nicht an­ders, ich muss wei­nen; ent­schul­di­ge die Fle­cke auf dem Brie­fe. Ver­lobt zu sein ist ja ganz hübsch, aber es ist im­mer­hin nicht an­ge­nehm, so einen wa­cke­ren Mann mit ge­bro­che­nem Her­zen von Dir schi­cken und er­ken­nen zu müs­sen, dass Du, was er auch im­mer sa­gen mag, den­noch für im­mer aus sei­nem Le­ben ge­stri­chen bist. Liebs­te, ich muss auf­hö­ren; ich füh­le mich so elend, wenn ich auch glück­lich bin.

 

Abends:

Gera­de ist Ar­thur weg­ge­gan­gen und ich bin wie­der bes­se­rer Lau­ne als da, wo ich zu schrei­ben auf­hör­te; ich kann Dir also nun wei­ter von den Er­eig­nis­sen des Ta­ges er­zäh­len. Also, Liebs­te, Num­mer Zwei kam nach dem Lunch. Er ist ein rei­zen­der Mensch, ein Ame­ri­ka­ner aus Texas, und sieht so jung und frisch aus, dass man es gar nicht für mög­lich hal­ten möch­te, dass er schon so viel von der Welt ge­se­hen und so vie­le Aben­teu­er er­lebt hat. Mir ging es wie der ar­men Des­de­mo­na, die gleich­falls einen sol­chen Wort­schwall zu hö­ren be­kam, wenn auch von ei­nem Schwar­zen. Ich glau­be, wir Frau­en sind so feig, dass wir glau­ben, ein Mann kön­ne uns vor Ge­fah­ren schüt­zen, und so hei­ra­ten wir ihn. Nun weiß ich, wie ich es an­zu­stel­len hät­te, wenn ich ein Mann wäre und ein Mäd­chen in mich ver­liebt ma­chen möch­te. Nein, und doch weiß ich es nicht, denn Herr Mor­ris war es, der mir Ge­schich­ten er­zähl­te, und Ar­thur er­zähl­te mir nie eine; und den­noch… Doch, mei­ne Lie­be, ich habe da schon vor­aus­ge­grif­fen. Also, Herr Quin­cey P. Mor­ris fand mich al­lein. Es scheint so, als trä­fen die Män­ner die Mäd­chen im­mer al­lein. Nein, und doch nicht, denn Ar­thur ver­such­te es zwei­mal ver­geb­lich, eine Ge­le­gen­heit her­bei­zu­füh­ren, und ich half ihm red­lich da­bei; ich schä­me mich nicht es ein­zu­ge­ste­hen. Ich muss vor­aus­schi­cken, dass Herr Mor­ris nicht im­mer Slang spricht, d.h. er tut es nie in Ge­gen­wart von Frem­den und ge­gen sol­che, denn dazu ist er zu gut er­zo­gen und hat ta­del­lo­se Ma­nie­ren, aber er merk­te wohl, dass ich ihn gern den ame­ri­ka­ni­schen Slang spre­chen hör­te, und wenn ge­ra­de nie­mand da war, der dar­an hät­te An­stoß neh­men kön­nen, sag­te er im­mer die drol­ligs­ten Din­ge. Ich glau­be, Schatz, er gibt sich auch noch be­son­ders Mühe; aber al­les, was er sagt, passt im­mer. Doch viel­leicht ist das eine Ei­gen­tüm­lich­keit des Slangs. Ich weiß nicht, ob ich je Slang spre­chen wer­de; ich weiß nicht, ob Ar­thur es liebt; aus sei­nem Mun­de habe ich es noch nie ge­hört. Gut, also Herr Mor­ris setz­te sich ne­ben mich und sah so hübsch und glück­lich wie mög­lich aus; aber ich konn­te trotz­dem be­mer­ken, dass er sehr auf­ge­regt war. Er er­griff mei­ne Hand und sag­te zärt­lich:

»Miss Lucy, ich weiß nicht, ob ich wür­dig bin, die Bän­der Ih­rer klei­nen Schu­he zu bin­den; aber wenn Sie auf einen Mann war­ten wol­len, der Ih­rer wür­dig ist, ver­mu­te ich, dass Sie sich den Jung­frau­en mit den Lam­pen zu­ge­sel­len kön­nen. Wol­len Sie sich nicht längs­seits mit mir fest­hal­ten und zwei­spän­nig mit mir den lan­gen Weg ge­hen?«

Er sah da­bei so ver­gnügt und fröh­lich aus, dass es mir nicht halb so leid­tat, ihm einen Korb ge­ben zu müs­sen, wie bei dem ar­men Dr. Se­ward. Des­halb sag­te ich, so gleich­gül­tig ich konn­te, ich wüss­te nicht, wie ich dazu käme, mich fest­zu­hal­ten und wäre auch gar nicht dar­auf er­picht, im Ge­schirr zu lau­fen. Da er­wi­der­te er, er hät­te doch nur sinn­bild­lich ge­spro­chen und hof­fe, ich wer­de es ihm nicht ver­übeln, dass er in ei­nem für ihn so erns­ten, wich­ti­gen Mo­ment sol­che Din­ge ge­re­det habe. Er sah da­bei wirk­lich ernst aus, als er das sag­te, und ich konn­te nicht an­ders, als auch ernst wer­den. Ich weiß, Mina, du wirst mich einen schreck­li­chen Irr­wisch schel­ten, ob­gleich ich ein ge­wis­ses Frohlo­cken, dass er heu­te schon Num­mer Zwei ist, fast nicht un­ter­drücken konn­te. Und dann, Schatz, ehe ich ein Wort zu sa­gen ver­moch­te, schüt­te­te er einen gan­zen Gieß­bach von Lie­bes­be­teue­run­gen über mich aus, in­dem er mir Herz und See­le zu Fü­ßen leg­te. Er mach­te da­bei ein so erns­tes Ge­sicht, dass ich mir vor­nahm, nie mehr zu glau­ben, ein Mann, der zu­wei­len Spä­ße macht, sei im­mer scherz­haft und kön­ne nie ernst sein… Ich den­ke, er sah et­was in mei­nem Ge­sicht, was ihn irre mach­te, denn er hielt plötz­lich inne und sag­te mit männ­li­cher Ent­schlos­sen­heit, we­gen der al­lein ich ihn schon lie­ben könn­te, wenn ich frei wäre:

»Lucy, Sie sind ein gu­tes Mäd­chen, ich weiß es. Ich wür­de nicht so zu Ih­nen spre­chen, wenn ich nicht wüss­te, dass Sie rein sind und ehr­lich bis in die tiefs­ten Tie­fen Ih­rer See­le. Sa­gen Sie mir, wie ein ehr­li­cher Mensch dem an­de­ren, ha­ben Sie schon einen lieb? Und wenn es so ist, will ich Sie nicht wei­ter be­läs­ti­gen; aber ich wer­de Ih­nen, wenn Sie nichts da­ge­gen ha­ben, ein treu­er Freund sein.«

Mei­ne lie­be Mina, warum sind die Män­ner gar so edel, wo wir ih­rer doch gar nicht wert sind? Ich habe mich über die­sen groß­her­zi­gen, bra­ven Mann lus­tig ge­macht. Ich brach wie­der in Trä­nen aus – ich fürch­te, Liebs­te, Du wirst sa­gen, dass sei ein sehr wäs­se­ri­ger Brie­f… und fühl­te mich wirk­lich recht elend. Wa­rum kann auch ein Mäd­chen nicht drei Män­ner hei­ra­ten oder so vie­le, als sich um sie be­wer­ben, und da­durch so viel Ver­wir­rung und Her­ze­leid ver­hin­dern? Aber das ist ja Ket­ze­rei, und ich soll­te so was gar nicht sa­gen; ich ge­ste­he of­fen zu, dass ich durch mei­ne Trä­nen in Herrn Mor­ris gute Au­gen blick­te; dann sag­te ich ihm frei­mü­tig:

»Ja, ich lie­be einen, ob­gleich er mir bis heu­te noch nicht ge­sagt hat, dass er mich auch liebt«. Ich hat­te recht dar­an ge­tan, so of­fen mit ihm zu spre­chen, denn es zog wie ein Leuch­ten über sein Ant­litz, und er er­griff mei­ne bei­den Hän­de – ich glau­be, ich habe sie ihm so­gar selbst ge­ge­ben – und sag­te in herz­li­chem Tone:

»Sie sind ein bra­ves Mäd­chen, Lucy. Bes­ser ist es, um Sie zu spät zu wer­ben, als um ir­gend ein an­de­res Mäd­chen der Welt recht­zei­tig. Wei­nen Sie nicht, Lie­be. Wenn es um mich sein soll­te, ich hal­te einen Puff aus und ste­he fest. Wenn der an­de­re sein Glück nicht kennt, so soll er bald dazu tun oder ich stei­ge ihm aufs Dach. Lie­bes Kind, Ihre Ehr­lich­keit und ihr Mut ha­ben mich zu Ihrem Freun­de ge­macht, und Freun­de sind dün­ner ge­sät als Lieb­ha­ber; es ist eben et­was Selbst­lo­se­res. Wol­len Sie mir nicht einen Kuss ge­ben? Er wird mir jetzt und spä­ter über vie­le trü­be Ge­dan­ken weg­hel­fen. Sie kön­nen, Sie dür­fen, wenn Sie wol­len, denn der an­de­re – er muss ein gu­ter, ein hüb­scher Mann sein, sonst wür­den Sie Ihn ja gar nicht lieb ha­ben – hat sich noch gar nicht aus­ge­spro­chen.«

Das al­les ge­wann mich, Mina; denn es war edel und brav und vor­nehm von ihm, so – noch dazu von ei­nem Ri­va­len zu spre­chen. – Oder nicht? Und er war so trau­rig. So beug­te ich mich denn zu ihm hin­über und küss­te ihn. Er stand auf, in­dem er mei­ne Hän­de im­mer noch in den sei­nen hielt, sah mir in die Au­gen – Ich glau­be, ich bin da­bei sehr rot ge­wor­den – und sag­te:

»Klei­nes Mäd­chen, ich hal­te Ihre Hän­de und Sie ha­ben mich ge­küsst. Wenn die­se Din­ge uns nicht zu Freun­den ma­chen kön­nen, dann weiß ich al­ler­dings nicht, was sonst dazu im­stan­de wäre. Ich dan­ke Ih­nen für Ihre Auf­rich­tig­keit ge­gen mich, und nun le­ben Sie wohl!« Er schüt­tel­te mir die Hand, nahm sei­nen Hut und ging straff auf­ge­rich­tet aus dem Zim­mer, ohne sich noch ein­mal um­zu­se­hen, ohne eine Trä­ne, ohne ein Zit­tern, ohne ein Zö­gern; und ich heu­le wie ein Kind. O, warum muss ge­ra­de ein Mann wie er un­glück­lich wer­den, wo es doch Tau­sen­de von Mäd­chen gäbe, die den Bo­den küs­sen möch­ten, den sein Fuß be­trat. Ich weiß, wenn ich frei wäre, wür­de ich – aber ich wün­sche gar nicht frei zu sein. Mei­ne Lie­be, das ist mir wirk­lich nahe ge­gan­gen, und ich bin nicht mehr im­stan­de, Dir von mei­nem Glück wei­ter zu er­zäh­len. Über Num­mer Drei wer­de ich dir schrei­ben, wenn ich wie­der ge­trös­tet bin. Stets Dei­ne

Lucy.

P. S. Nun, was Num­mer Drei be­trifft, soll ich Dir noch von Num­mer Drei er­zäh­len oder nicht? – Un­ter uns ge­sagt, es war al­les ganz kon­fus. Es schi­en nur ein Au­gen­blick nach sei­nem Ein­tritt ver­gan­gen zu sein, da leg­te er schon sei­nen Arm um mich und küss­te mich. Ich bin sehr glück­lich und weiß nicht, wo­mit ich es ver­dient habe. Es wird in Zu­kunft mein Be­stre­ben sein, dem Herrn über den Wol­ken mich dank­bar zu er­wei­sen, der mir in sei­ner Güte einen sol­chen Freund, einen sol­chen Lieb­ha­ber und einen sol­chen Gat­ten be­scher­te. Leb wohl!

Dr. Sewards Diarium

(Pho­no­gra­fisch auf­ge­nom­men.)

25. April. – Heu­te man­geln­der Ap­pe­tit. Kann nichts es­sen, habe kei­ne Ruhe; da­für Dia­ri­um. Seit mei­ner gest­ri­gen Ent­täu­schung habe ich ein Ge­fühl der Lee­re; nichts in der Welt scheint mit von ge­nü­gen­der Be­deu­tung, mich da­mit zu be­schäf­ti­gen.

Da ich weiß, dass die ein­zi­ge Kur für der­ar­ti­ge Zu­stän­de die Ar­beit ist, ging ich hin­un­ter zu mei­nen Pa­ti­en­ten. Ich such­te mir den einen her­aus, der für mich eine Stu­die von höchs­tem In­ter­es­se bil­det. Er ist so wun­der­lich in sei­nen Ide­en, da­bei aber so ver­schie­den von den ge­wöhn­li­chen Ir­ren, dass ich mich zu dem Ver­such ent­schloss, mög­lichst in sei­ne Ide­en ein­zu­drin­gen. Heu­te war es mir, als sei ich nä­her als je dar­an, sei­nem Ge­heim­nis auf die Spur zu kom­men.

Ich frag­te ihn ge­nau­er aus, als es sonst mei­ne Ge­wohn­heit, mit der Ab­sicht, mich zum Be­herr­scher sei­ner Hal­lu­zi­na­tio­nen zu ma­chen. In die­ser Art des Ver­fah­rens liegt, wie ich jetzt ein­se­he, eine ge­wis­se Grau­sam­keit. Ich wünsch­te ihn wie­der bis auf die Spit­ze des Wahn­sin­nes zu trei­ben, eine Sa­che, die ich sonst ver­mei­de wie den Sch­lund der Höl­le (und un­ter wel­chen Um­stän­den wür­de ich den Ab­grund der Höl­le nicht ver­mei­den?) Om­nia Ro­mae vena­lia sunt.1 Auch die Höl­le ist käuf­lich. Wenn et­was hin­ter die­sen Ein­bil­dun­gen steckt, ist es wert, dass man es genau ver­folgt, ich hat­te also alle Ur­sa­che so zu ver­fah­ren, des­halb –

R. M. Ren­field, Al­ter 59. San­gui­ni­sches Tem­pe­ra­ment. Gro­ße kör­per­li­che Kraft, krank­haft reiz­bar; Pe­ri­oden des Wahn­sinns auf der Ba­sis ei­ner fi­xen Idee, der ich nicht auf die Spur kom­men kann. Ich schi­cke vor­aus, dass sein san­gui­ni­sches Tem­pe­ra­ment im Zu­sam­men­wir­ken mit äu­ße­ren stö­ren­den Ein­flüs­sen see­lisch er­schöp­fen­de An­fäl­le aus­löst. Vi­el­leicht ein ge­fähr­li­cher Mann, wahr­schein­lich ge­fähr­lich, wenn sein Däm­mer­zu­stand ein­tritt. Bei nor­ma­len Men­schen ist die Vor­sicht ein eben­so si­che­rer Schutz ge­gen sich selbst wie ge­gen Fein­de. Was ich über die Sa­che bis jetzt den­ke, ist, dass, wenn sein Selbst­be­wusst­sein im Mit­tel­punkt steht, die zen­tri­pe­ta­len und die zen­tri­fu­ga­len Kräf­te sich die Waa­ge hal­ten; wird aus ir­gend ei­nem Grun­de die­ser Mit­tel­punkt ver­scho­ben, so über­wie­gen die letzt­ge­nann­ten Kräf­te und es kann nur ein An­fall oder eine Rei­he von sol­chen einen Aus­gleich schaf­fen.

1 »Om­nia vena­lia Ro­mae«, La­tein. »Al­les (ist) käuf­lich in Rom.« – Ein­schät­zung des Kö­nigs Ju­gur­tha in »Sal­lusts De bel­lo Iu­gur­thi­no« 8, 1. <<<

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