Читать книгу: «Seewölfe Paket 16», страница 26
2.
Es gab keine Begrüßung, wie sie sonst unter Landsleuten üblich war. Der Empfang durch den jungen Stiesel war kalt und arrogant. Vermutlich gehörte er auch der durchlauchten Clique an.
Hasard bemerkte aber auch noch etwas anderes. Das Schiff befand sich in keinem guten Zustand, die Mängel, die es aufwies, traten aus der Nähe kraß und deutlich hervor, und über allem lag ein merkwürdiger muffiger Geruch nach ungelüfteten Räumen.
Die Gesichter der Mannschaft gaben ihm allerdings noch mehr zu denken. Da war nichts Fröhliches in diesen Gesichtern, da stand unterdrückter Haß darin, Haß und Wut auf die Schiffsführung, die das niedere Decksvolk erbarmungslos knechtete. Die Atmosphäre dieses Schiffes war vergiftet. Hier schlichen selbst die Kakerlaken mit einem biestigen Grinsen herum. Hier herrschten Verdrossenheit und Unmut, es sah fast so aus, als wäre jeder einzelne dieser Männer ein heimlicher Rebell.
Das einzige Zeichen von Gemütsbewegung, das der Seewolf feststellen konnte, war eine gewisse angebrachte Neugier. Augen sahen ihm nach, Augen, in denen gleich wieder Angst erschien, als hätten sie durch diesen heimlichen Blick schon zuviel verraten.
Der in Navy-Uniform gekleidete Schnösel, er war höchstens sechzehn Jahre alt, hielt es nicht für nötig, Hasard wenigstens formell zu begrüßen, und so übersah Hasard den Kerl einfach, durchquerte die Kuhl und betrat mit finsteren Blicken das Achterdeck.
Dort war die Atmosphäre noch frostiger, fast schon peinlich. Fünf Männer hielten sich dort auf, der Earl, drei Offiziere und noch ein weiterer Uniformierter, den Hasard dem Rang nach nicht einordnen konnte. Möglicherweise war er der Quartermaster.
Der Earl selbst trug eine lange blaue Jacke mit silbernen Knöpfen. Hosen von derselben Farbe endeten unterhalb des Knies und gingen in weiße Strümpfe über, die wiederum in kostbaren Schnallenschuhen endeten.
An der Seite trug er einen Degen, auf dessen Knauf er leicht die Hand legte.
Auch das Gesicht des ehrenwerten Grafen von Cumberland prägte Hasard sich genau ein.
Er sah in kalte, herablassend wirkende Augen. Die Wangenknochen des Earls hoben sich scharf aus dem Gesicht ab, auf dem überpuderter bläulicher Bartschatten zu erkennen war. Der Mund war schmal und verkniffen, das Kinn leicht eckig, die Nase hart und gerade. In diesem Gesicht stand der Schimmer von Boshaftigkeit geschrieben. Es drückte gleichzeitig Verachtung gegenüber allem aus, was nicht von gleichem Rang und Stand war.
Ein typischer Blaublütiger, dachte Hasard, der für seine Mitmenschen nur Verachtung empfindet, sich selbst aber in die Nähe eines Gottes erhebt.
Hier mußte gehorcht werden, hier gab es beim geringsten Anlaß die Neunschwänzige, und deshalb hatten sich Haß und Angst, Ärger und Verdruß in die Gesichter der Mannschaft gegraben.
Dafür war der Hochmut in den Gesichtern der Achterdecks-Clique um so deutlicher und ausgeprägter.
Immerhin ließ der Earl sich herab, selbst zu sprechen, nachdem er den Seewolf gemustert hatte – auch mit jener Verächtlichkeit, die deutlich aussagte, daß hier ein kleiner Kapitän einem adligen Herrn gegenüberstand.
Hasard lief bei dieser Musterung schon die Galle über, denn auch die anderen Kerle hatten diese überlegene Arroganz an sich. Allerdings stellte er fest, daß sie mit ihm nicht so richtig klarkamen, das bewiesen ihre heimlichen Blicke, mit denen sie ihn taxierten. Sie sahen einen riesig gebauten, breitschultrigen und schwarzhaarigen Mann vor sich, der unbewußt Autorität ausstrahlte und so wirkte, als könnte niemand seinen Willen beugen.
Der Seewolf ermahnte sich selbst zur Ruhe, denn am liebsten hätte er hier auf dem Achterdeck gleich einmal aufgeräumt und den Kerlen gezeigt, woher der Wind wehte. Verdammt, er stand schließlich auch in königlichen Diensten und bildete sich nichts darauf ein, im Gegensatz zu dieser muffigen Adels-Clique.
„Gut, daß Sie den Befehl befolgt haben“, sagte der Earl. Seine Stimme klang fast gleichgültig, aber herablassend, weil er sich seiner Macht anscheinend absolut sicher war.
„Mir blieb nichts anderes übrig, denn es sieht so aus, als würden Sie bedenkenlos das Feuer auf unschuldige Männer eröffnen lassen, dabei in Kauf nehmend, daß einige von ihnen getötet werden.“
„In der Tat“, sagte der Earl kalt und verletzend. „Mein Rang als Kommandant gibt mir das Recht dazu, von dem ich selbstverständlich Gebrauch gemacht hätte.“
Schon für diese menschenverachtende und hochnäsige Art hätte Hasard ihm am liebsten eine gepfeffert. Sein Gesicht wurde noch kantiger und härter, in seinen eisblauen Augen erschien kalte Wut.
„Wir hatten durch widrige Umstände Verluste unter dem gewöhnlichen Schiffsvolk“, erklärte der Earl zynisch. „Sie werden verstehen, daß ich diese Verluste ausgleichen muß. Ich brauche von Ihnen ein Dutzend Kerle, die ich hiermit requiriere. Natürlich nur allerbestes Material.“
„Unter Material verstehe ich Gebrauchsgegenstände, Tauwerk, Ersatz“, sagte Hasard höhnisch.
„Was Sie darunter verstehen, Mister Killigrew“, sagte der Earl kalt und leidenschaftslos, „interessiert mich nicht, und darüber gibt es auch keine Diskussion. Ich requiriere zwölf Kerle im Namen der Krone, und Sie haben diesem Befehl zu gehorchen.“
„Sie meinen, Sie pressen zwölf freie Männer mit Gewalt“, stieß der Seewolf zornig hervor.
„Zwölf Kerle“, beharrte der Earl und pochte mit den Knöcheln der rechten Hand nachdrücklich auf die Schmuckbalustrade. Gleichzeitig verfinsterte sich sein Gesicht ob dieser Unbotmäßigkeit. „Das ist eine Sache des Vaterlandes, die von erstrangiger Bedeutung ist und der sich jeder unterzuordnen hat.“
Sekundenlang stellte sich Hasard zwölf seiner Arwenacks gepreßt auf diesem höllischen Eimer der Navy vor, unter dem Kommando des Earls und seiner hochnäsigen Chargen. Die zwölf würden innerhalb kürzester Zeit eine Revolte anzetteln und hier aufräumen. Dann lachte er hart und trocken auf und hielt dem Earl die Mappe unter die Nase.
„Auch das hier ist eine Sache des Vaterlandes“, betonte er scharf. „Ich bin ebenfalls in geheimer Order unterwegs, im Namen der Königin, befohlen durch den Sonderbeauftragten Ihrer Majestät, Lord Cliveden.“
Der Earl of Cumberland zog die Augenbrauen hoch, rümpfte leicht die Nase und wandte dann den Blick ab. Seine Lippen preßten sich zu schmalen Strichen zusammen.
„Mister Killigrew“, sagte er scharf, „ich verbitte mir jegliche Diskussion darüber. Sie haben der Royal Navy und dem Adel zu gehorchen, und Sie werden es gefälligst mir überlassen, zu entscheiden, welche Mission wichtiger ist. Meine geht in jedem Fall vor.“
Der Erste, ein hagerer dünner Mann, trat einen Schritt vor. Sein Blick war empört auf Hasard gerichtet.
„Hören Sie schlecht?“ fauchte er. „Sie überstellen gefälligst zwölf Ihrer Kerle und widersprechen nicht ständig.“
„Wenn Sie zwölf meiner Leute pressen, kann ich mein Schiff nicht mehr segeln“, sagte Hasard mühsam beherrscht. „Ich muß dann meine Mission als gescheitert betrachten.“
„Ihre Mission“, sagte der Earl zynisch. „Lächerlich! Wenn Sie nicht augenblicklich gehorchen, dann können Sie hier vom Achterdeck aus gleich mit ansehen, wie Ihr Schiff versenkt wird. Vierzehn Stücke sind darauf gerichtet, das sind vierzehn Treffer bei dieser lächerlichen Distanz. Und wenn das Schiff versenkt ist, können Sie ebenfalls gleich hier an Bord bleiben. Die ganze Mannschaft wird dann hier anmustern.“
Jetzt wurde die Stimme noch zynischer und verächtlicher.
„Die ganze Mannschaft natürlich nicht“, sagte der Earl. „Ich lasse nur die Kräftigsten aus dem Wasser holen, und ich werde selbstverständlich auch keine Blessierten an Bord nehmen. Ich brauche zwölf Kerle, der Rest des Pöbels kann meinetwegen ersaufen.“
Ja, das ist dir zuzutrauen, dachte Hasard wie betäubt. Er war sich seiner Ohnmacht durchaus bewußt, und er mußte sich mit aller Gewalt zurückhalten, um nicht in diese menschenverachtende Fratze mit beiden Fäusten voll hineinzuschlagen.
Wie in einem bösen Traum sah er sich um. Auf dem Quarterdeck und der Kuhl erkannte er wie Schemen die Gesichter der Mannschaft, die fast erstarrt wirkten. Sie alle sahen so aus, als hätten sie gemeutert. Wahrscheinlich hatte dieser Schinder ein paar Leute aus der Crew bereits an die Rah hängen lassen. Mit den brutalsten Mitteln hatte man offensichtlich diese Meuterei unterdrückt, und jetzt fehlten an Bord verständlicherweise Männer. Da war die „Isabella“ gerade rechtzeitig aufgekreuzt.
Hasard wünschte diesen Earl und seine Clique in die finstersten Schlünde der Hölle, doch das änderte nichts an den harten Tatsachen, mit denen er sich konfrontiert sah.
Noch immer gab er keine Antwort, während die Gesichter ihn hoheitsvoll musterten. In einigen sah er bereits das überlegene Grinsen. Andeutungsweise kroch es um die Mundwinkel.
„Profos!“ rief der Erste Offizier.
„Aye, aye, Sir!“ donnerte eine Stimme. Gleich darauf wurde das Achterdeck von einem Bullen geentert, der ergeben auf die Planken stierte.
Hasard sah sich diesen Profos an. Das war ein Metzger, ein blutsaufender Schlachter mit einem Gesicht wie aus drückenden Alpträumen. Jedes halbwüchsige Kind wäre bei diesem Anblick schreiend davongerannt.
Eine plattgehauene Visage war das, als sei er sein Leben lang mindestens jede Woche einmal gekielholt worden. Oder er hatte jahrelang mit dem Gesicht auf einer scharfkantigen Korallenbank übernachtet. Da war alles zerkloppt, breitgeschlagen, zerfurcht und voller Narben, da fehlten mindestens die Hälfte aller Zähne, und da gab es auch nur noch ein Ohr, und selbst das sah noch erbärmlich aus.
Gegen den war der gewiß nicht schöne Carberry ein herzerfrischender Anblick, und wenn Hasard diesen Vergleich fortsetzte, dann hatte Ed ein zartes unschuldiges Engelsgesicht, das jeden Tag mit Schönheitspflästerchen und Eselsmilch gepflegt wurde.
Diese höllische Visage hatte ein äußerst brutaler Schmied als Amboß benutzt und darauf Hufnägel geschmiedet.
„Ich warte auf Ihre Antwort“, sagte der Earl schnarrend. „Oder brauchen Sie Ihr Schiff nicht mehr?“
In diesem Augenblick der hilflosen und ohnmächtigen Wut reifte in Hasard ein Plan, und er gab sich scheinbar geschlagen. Die Lage sah für ihn ohnehin total hoffnungslos aus.
„Ich beuge mich der Gewalt unter Protest“, sagte er, „und überstelle Ihnen zwölf Leute.“
Das überlegene Grinsen kroch weiter durch die Mundwinkel. Die adelige Achterdecks-Clique sah sich siegesgewohnt an. Gleichzeitig war das Grinsen eine weitere Ohrfeige für den Seewolf und nichts als eine profane Beleidigung.
„Dann können Sie gehen, Mister Killigrew“, sagte der Earl herablassend. „Zögern Sie nicht zu lange, die Leute zu überstellen, es könnte Ihr Nachteil sein. Und natürlich nur das beste Material, große, kräftige und gesunde Männer, wenn ich bitten darf.“
„Aye, aye, Sir“, sagte Hasard. Diesmal war er es, in dessen Mundwinkel sich ein überlegenes Lächeln geschlichen hatte, aber das fiel niemandem auf. Schließlich hatte dieser Killigrew ja auch zu kuschen, vor der Navy und dem hochlöblichen Adel.
„Sir?“ fragte der Schlachter-Profos untertänigst, weil man ihn offenbar vergessen hatte.
„Verschwinden Sie vom Achterdeck!“ herrschte ihn der Zweite an.
„Aye, aye, Sir.“
Hasard ging auch, ohne sich zu verabschieden. Von der Mannschaft sahen ihm einige nach, Männer, denen deutlich sichtbar die Angst im Gesicht stand und die ihm fast bedauernd nachblickten.
Der Schnösel begleitete ihn wieder überlegen und arrogant zur Jakobsleiter und blickte dann übers Meer, als sei Hasard nicht vorhanden.
„Ablegen!“ befahl Hasard schroff, als er auf der Ducht saß. Er war so biestig, wie ihn Ferris und Ed lange nicht gesehen hatten, aber in seinem Gesicht lag auch etwas, das alle beide nicht zu deuten wußten.
„Hast du mal die Gesichter dieser Mannschaft gesehen, Sir?“ fragte Ed, als sie außer Hörweite waren. „Die sehen alle so aus, als warteten sie nur darauf, endlich ihre Vorgesetzten totschlagen zu können.“
„Richtig. Vermutlich ist da an Bord auch eine Menge passiert. In ganz kurzen Worten folgendes: Ich muß zwölf Mann überstellen. Der Earl hat ein Dutzend unserer Leute requiriert. Befolge ich den Befehl nicht, dann will er die ‚Isabella‘ versenken, und er meint es verdammt ernst.“
Ferris und der Profos sahen den Seewolf betroffen an.
„Das ist ein Witz, Sir“, sagte der Zimmermann gepreßt.
„Leider ein sehr schlechter, aber es führt kein Weg daran vorbei. Wir müssen uns beugen, und ich will von euch jetzt auch keine Widerrede hören. Die ‚Goliath‘ ist ein Höllenschiff, und die Offiziere sind die übelsten Kerle. Noch schlimmer ist der Earl selbst, ein Schinder und Menschenverächter. Gut, er kriegt zwölf Leute, und ihr werdet mit dabei sein. Ich beuge mich der Gewalt nur, weil er im Moment die besseren Karten hat, denn er kann uns versenken, ohne daß wir auch nur in der Lage sind, einen einzigen Schuß abzufeuern. Ihr werdet also nachher an Deck Aufstellung nehmen, und ich suche zwölf Mann aus. Dann werdet ihr hinübergepullt.“
Ferris Tucker schluckte hart. In seinen Augen glomm es auf. Carberry räusperte sich die Kehle frei und sah Hasard unverwandt an.
„Und dann“, sagte Hasard fast heiter, „werden wir uns mit der ‚Isabella‘ aus der Reichweite seiner Geschütze verholen, damit die Karten des Earls nicht mehr stechen.“
„Und dann?“ fragte Ferris heiser.
„Dann gebt ihr den Kerlen voll eins auf die adligen Schnauzen und bringt ihnen das Fürchten bei. Jeder erhält unauffällig eine Pistole, die er am Körper versteckt. Schrei bloß nicht hurra, Mister Carberry“, sagte Hasard sanft, „die Kerle dürfen nichts merken, sie werden uns genau durch ihre Spektive beobachten.“
Der Profos schrie nicht „Hurra“. Aber er grinste so infam wie schon lange nicht mehr.
„Das freut mich“, sagte er richtig dankbar, „das freut mich von ganzem Herzen. Den Kerlen voll eins in die adligen Schnauzen hauen. Das hast du sehr gut gesagt, Sir.“
Ferris Tucker nickte ebenfalls zustimmend, hatte aber doch einige Bedenken vorzubringen. Der Profos ging immer gleich in die vollen, ohne lange zu überlegen, für ihn war wichtig, daß er sich in den „adligen Schnauzen“ mal wieder richtig austoben konnte. Ferris dachte in dieser Hinsicht zwar so ähnlich, aber seine Überlegungen gingen immer eine Kabellänge weiter.
„Damit allein ist es nicht getan“, wandte er ein. „Wir haben eine mindestens sechsfache Übermacht gegen uns.“
„Das habt ihr nicht“, sagte Hasard. „Ed hat das gerade eben betont. Die Mannschaft sieht so aus, als könne sie es kaum erwarten, ihre Vorgesetzten totzuschlagen. Das ist richtig, und das nutzen wir aus. Den Männern steht der Haß auf die Schiffsführung deutlich in den Gesichtern. Offenbar gab es da schon eine Meuterei, denn die Atmosphäre ist wie vor einem Gewitter geladen. Ich halte meinen Kopf dafür hin, daß die Mannschaft nichts unternimmt. Ihr habt nur die Schiffsführung und den Profos gegen euch. Gegen den siehst du übrigens aus wie ein zartes Engelchen, Ed, ohne dir damit zu nahe treten zu wollen.“
Ed grinste immer noch hocherfreut. Das würde mal eine nette Abwechslung geben, dachte er.
„Dann sollten wir Luke Morgan auch mitnehmen“, schlug Ferris Tucker vor. „Der ist wie Schießpulver und geht immer gleich hoch.“
„Gut, dann nehmt ihn mit. Diesmal erhältst du das Kommando, Ed, denn mit deinem Profos-Kollegen kommst du garantiert nicht klar. Ihr beiden seid wie Tag und Nacht. Aber die Aktion beginnt erst, wenn wir weit genug verholt haben. Alles andere besprechen wir an Deck. Hopp auf jetzt und setzt eure traurigen Gesichter auf.“
Auf der Kuhl erklärte der Seewolf in knappen Worten, was der Earl verlangte. Sofort wurde Protest laut, wie Hasard nicht anders erwartet hatte. Das war echt und wirkte auch drüben auf der „Goliath“ echt. Danach erklärte er alles Weitere.
„Benehmt euch so, als wäret ihr alle stinksauer. Die Kerle dürfen keinen Verdacht schöpfen. Al“, wandte er sich an den untersetzten Waffen- und Stückmeister, „du verteilst zwölf geladene doppelläufige Pistolen unauffällig an die Männer, die ich aufrufe. Beeile dich, es muß alles schnell gehen. Jan Ranse und Mac Pellew werden dir dabei helfen. Ihr anderen nehmt jetzt Aufstellung. Keine Diskussion jetzt. Ed hat das Kommando und wird euch unterwegs notfalls noch einmal alles genauer erklären. Wir selbst segeln inzwischen weiter nach Osten, kehren dann um und nähern uns mit ausgerannten Kanonen der ‚Goliath‘. Alles klar?“
„Alles klar, Sir“, sagten die Arwenacks. Dabei blieben ihre Gesichter jedoch ernst und verschlossen, denn vom Achterdeck der Kriegsgaleone waren deutlich zwei Spektive zu erkennen, die auf die Kuhl gerichtet waren.
Die Crew der „Isabella“ nahm wie befohlen Aufstellung, während in der Waffenkammer die Pistolen geladen wurden.
Al Conroy steckte sie den Männern so unauffällig zu, daß man es von drüben garantiert nicht sah. Zuerst versorgte er Ferris und den Profos, dann wartete er, bis Hasard die anderen aufrief.
„Ed und Ferris“, sagte er laut und deutete mit der Hand auf die angetretene Mannschaft. „Weiter werden überstellt: Shane, Batuti, Roger, Jack Finnegan, Paddy Rogers, Jan Ranse.“
Der schob sich gerade unaufällig eine Pistole seitlich in den Hosenbund und knöpfte die Segeltuchjakke wieder zu.
„Weiter Smoky, Matt, Bill und Luke. Habe ich mich verzählt, oder sind das jetzt zwölf Mann?“
„Zwölf Mann“, bestätigte Ben Brighton.
Und der graubärtige Exschmied von Arwenack nickte dazu scheinbar grimmig.
„Alle versorgt, alles unauffällig versteckt?“ erkundigte sich Hasard und musterte das Dutzend scharf. Aber da gab es nichts zu sehen. Lediglich die Entermesser waren zu erkennen, aber ein Entermesser trug schließlich jeder Seemann.
Wieder wurde genickt. Von drüben sah es wie eine Bestätigung aus.
„Dann die ersten sechs Mann ab in das Boot. Gary und Blacky werden euch hinüberpullen und dann die anderen holen.“
Über die außen angebrachten Tritte ging das erste halbe Dutzend in das Boot, das gleich darauf ablegte und zur „Goliath“ pullte.
Die sechs restlichen wurden noch einmal vergattert, auf Carberrys Kommando zu hören und nichts zu unternehmen, bis die „Isabella“ aus der Reichweite der Navy-Geschütze war. Die Distanz berechnete der Seewolf etwas großzügig mit drei Kabellängen.
Das Boot kehrte wieder zurück, und jetzt enterten die sechs restlichen Seewölfe ab, muffig und verbiestert nach außen hin, innerlich aber ungemein fröhlich und grinsend. Auch unterwegs gaben sie sich mürrisch und blickten düster drein.
Dann kehrte auch das Boot mit Gary Andrews und Blacky wieder zurück, und die Männer enterten auf.
Jetzt befanden sich von den ursprünglich neunundzwanzig Mann Besatzung nur noch siebzehn an Bord, und die hatten alle Hände voll zu tun, um die Segel zu setzen und anschließend die Kanonen zu laden.
Hasard warf einen Blick zur „Goliath“, wo das Dutzend Arwenacks noch einmal schwach zurückwinkte.
Er hob nur kurz die Hand, sauer und verärgert, wie es schien, als würden ihn die Leute nicht mehr interessieren.
Aber er sah Ben Brighton an und grinste unmerklich. Ben und Dan grinsten ebenso unmerklich zurück.
Das Tänzchen konnte beginnen.
3.
Der Profos der „Goliath“ nahm die Seewölfe auf der Kuhl in Empfang.
Als Carberry dieses Ungeheuer zum ersten Mal sah, da wollte er schon die Arme in die Hüften stemmen und sein berüchtigtes „Was, wie“ losdonnern, besann sich dann aber noch rechtzeitig auf seine Rolle und starrte den Roßschlächter nur an.
Himmel, war das ein Kerl, fand er, und das fanden die anderen auch. Der Blutsäufer legte auch gleich los.
„Ein rührseliger Abschied“, röhrte er wie ein Stier. „Stehen da wie Windelpisser und winken. Hättet euch wohl gern von eurem Captain mit Handschlag und Küßchen verabschiedet, was?“
„Was, wie?“ sagte Carberry, in dessen Augen ein sehr eigentümliches Funkeln lag.
„Was – wie?“ fragte der Kerl grob. „Quasselt nicht dämlich rum. Nehmt da am Großmast Aufstellung und haltet eure Schnauzen! Werde mir mal eure Visagen ansehen. Danach zieh ich euch die Gräten lang, damit ihr Säcke mal wißt, wie es sich bei der Navy fährt.“
„Bestimmt sehr gut“, versicherte Ed und grinste seinen Profos-Kollegen an, der ihm über alle Maßen gefiel, in der Art und im Aussehen gleichermaßen.
Der Profos kümmerte sich jedoch nicht um Ed. Er verschränkte die Arme auf dem Rücken, ging mit schweren Schritten auf und ab und musterte aus aufdringlicher Nähe ungeniert die Gesichter, wobei er hin und wieder ein undefinierbares „Hm, hm“ von sich gab.
Dann stand er unvermittelt vor dem riesigen Batuti, der einen beleidigten Flunsch zog. Bei dem Anblick des hünenhaften Gambia-Mandingos prallte der Profos zurück und verschluckte sich fast.
„Verdammt!“ schrie er. „Ist das nicht ein lausiger Nigger?“
„Ein Neger“, verbesserte Carberry und warf Batuti gleich einen warnenden Blick zu, damit der nicht vorzeitig explodierte und die Beleidigung gelassen schluckte.
„Ja, verflucht noch mal!“ brüllte der Profos jetzt so laut, daß man es über alle Decks hören konnte. „Das hier ist ein Schiff der königlichen Royal Navy und kein Affenzoo. Wie kann euer Kapitän es wagen, so einen Kerl zu uns an Bord zu schikken!“
Batuti wurde grau im Gesicht und fing Carberrys zweiten warnenden Blick auf, der soviel bedeutete, daß ein Kerl wie dieser lausige Profos Batuti niemals beleidigen könne.
„Jetzt haben wir auch noch einen Affen an Bord“, tobte der Profos. „Was frißt er denn? Gras oder Mäuse? Oder ist er ein Dreckfresser?“
Er wollte noch etwas hinzufügen, noch mehr Schmähungen und Beleidigungen, doch da ertönte vom Achterdeck eine indigniert klingende Stimme.
„Profos“, sagte der Earl, der sich durch die Anwesenheit eines „Niggers“ ebenso gekränkt fühlte wie die übrigen Herren vom Achterdeck, die mißbilligend und voller Abscheu auf Batuti starrten.
Der Profos raste ein Deck weiter und sah den Earl fragend an, der jetzt den Finger erhoben hatte und auf die Kuhl deutete.
„Was ist das für ein Subjekt?“ fragte er angewidert.
„Ein Bastard, Sir, ein Nigger.“
„Das war wohl die Rache dieses Killigrew“, schnarrte der Earl. „Schickt uns eine Mißgeburt an Bord, obwohl ich befahl, nur gutes und sauberes Material zu selektieren.“
Batuti stand immer noch ganz ruhig da. Er hatte die Augen geschlossen, was nach außen hin eine demütige Haltung erweckte, aber bezwekken sollte, daß man seine unbeschreibliche Wut nicht sah, denn noch war die „Isabella“ nicht aus dem Gefahrenbereich.
Den anderen Seewölfen lief die Galle über, besonders dem explosiven Hitzkopf Luke Morgan, den Carberry nur dadurch besänftigte, daß er ihm wie unabsichtlich einen seiner riesigen Torfkähne auf die Stiefel stellte und Luke auf diese Art buchstäblich auf den Planken festhielt.
Der Earl blickte noch einmal zur Kuhl, sah dann naserümpfend zu den anderen eitlen Fatzken und sagte leise etwas zum Ersten Offizier, wobei er den Blick nochmals zur Kuhl richtete.
Zu diesem Zeitpunkt war die „Isabella“ knapp zwei Kabellängen von der „Goliath“ entfernt.
„Geben Sie ihm fünf Hiebe mit der Neunschwänzigen, Profos“, befahl der Erste hart. „Damit dieses Subjekt geläutert wird und künftig weiß, wie es sich auf einem Schiff der Navy zu benehmen hat.“
Noch bornierter und menschenverachtender geht es wirklich nicht mehr, dachte der Profos. Sie wollen einen bis in die Knochen ehrlichen und gutmütigen Kerl auspeitschen, nur weil er eine andere Hautfarbe hat.
„Aye, aye, Sir!“ brüllte der Schlächter. „Fünf Hiebe mit der Neunschwänzigen, Sir!“
Der Profos drehte sich auf den Hacken um und brüllte nach der Neunschwänzigen. Ein kleiner krummbeiniger Kerl brachte sie ihm aus einem Kasten, unterhalb der Nagelbank.
„Jetzt geht’s los“, flüsterte Carberry, „ich nehme das Rübenschwein persönlich zur Brust. Shane, du schnappst dir den Earl und kitzelst ihn ein bißchen. Die anderen stürmen das Achterdeck. Haut jedem kräftig was auf sein durchlauchtes Maul. Aber wartet meinen Angriff ab.“
Niemand antwortete, sie nickten nur unmerklich und hatten die Hände unauffällig dort, wo die Pistolen steckten.
Der Profos mit der fürchterlichen Visage zog die Peitsche unter der Achsel durch, dann noch einmal durch die linke Hand.
„Vortreten, Nigger!“ befahl er rauh. „Damit du weißt, wie es einem schwarzen dreckigen …“
Carberry trat vor. Er atmete ganz flach, ein Zeichen, daß alles bei ihm auf Alarm stand.
„Du doch nicht“, knurrte der Profos sauer. „Der Nigger da!“
Was dann folgte, hatte es auf der „Goliath“ noch nie gegeben, selbst die Meuterei war dagegen nur ein Klacks gewesen.
„Diesmal bin ich der Nigger“, sagte Ed zu seinem „Kollegen“, mit dem er nichts, aber auch gar nichts gemeinsam hatte, nicht einmal das fürchterliche Aussehen.
Dann schoß seine geballte Rechte vor, ein Hieb, der Schiffsplanken zertrümmerte und in dem alle Beleidigungen auf einmal steckten, die der Profos Batuti zugedacht hatte.
Nach dem Motto: Einer für alle, knallte dem Profos ein Hammer voll in die platte Visage. Der hart gezogene Schlag ließ den Profos aufheulen, dann trieben ihn unsichtbare Gewalten schlagartig quer über die Kuhl.
Während die Schiffsführung fassungslos zusah und überhaupt nicht begriff, was da vor sich ging, stürmte Big Old Shane mit seinem Trupp blitzschnell das Achterschiff. Wie die Tiger setzten die Arwenacks von der Kuhl aufs Quarterdeck und von da aus bis ganz nach achtern.
Der Profos war zusammengesackt. Jetzt sah er wie eine plattgedrückte Mumie aus.
Carberry ließ ihn gar nicht erst zur Besinnung kommen. Seine ganze aufgestaute Wut entlud sich in einem weiteren harten Schlag, der den Profos rücklings auf den Handlauf des Schanzkleides warf. Schon wieder war Ed mit einem Riesensatz bei ihm.
„Kanalratten gehören ins Wasser!“ schrie er, packte den Profos bei den Stiefeln, kippte ihn ein bißchen hoch und beförderte ihn ohne große Kraftanstrengung über Bord. Es platschte laut, als der brüllende Profos in einer mächtigen Woge unterging, dann auftauchte und wie ein Verrückter paddelte.
Auf dem Achterdeck herrschte inzwischen nacktes Entsetzen. Die großen Maulhelden hatten den harten Fäusten der Arwenacks nichts entgegenzusetzen, und so schnappte sich Shane augenblicklich den Earl, der vor Angst laut quietschte.
Ehe die anderen richtig begriffen, saß dem Earl ein Entermesser so dicht an der Kehle, daß er nicht mal mehr Luft schnappen konnte und sein entsetztes Quieken sofort abbrach.
Luke Morgan fackelte ebenfalls nicht lange. Er rammte dem Ersten Offizier gleich voller Zorn die Faust in den Bauch, fing den zurückfliegenden Ersten wieder ein, griff nach dessen Hals und kriegte nur das Rüschenhemd zu fassen, das er zu zwei Dritteln gleich in der Hand hatte.
Der Zweite, ebenfalls ein adliger Stiesel wie auch der Dritte, wich zurück und begann zu zetern.
Matt Davies fetzte ihm mit einem schnellen Ruck seiner scharfgeschliffenen Hakenprothese erbarmungslos die Uniform von der Hose bis zum Hemd auf, zog ihn mit dem Haken zu sich heran und knallte ihm den Schädel auf die Nase. Der Zweite ging mit einem wimmernden Schrei halb bewußtlos in die Knie.
Den Dritten packte Bill, drosch ihm zwei Kopfnüsse an den Schädel, drückte ihn dann nieder und hockte sich mit seinen Knien dem Dritten ins Kreuz, damit der in seiner grenzenlosen Angst nicht weglaufen konnte.
Smoky schnappte sich das hochnäsige Jüngelchen, das tatsächlich eine Pistole hervorfummeln wollte. Mit dem Handrücken schlug er ihm ganz lässig die Waffe aus der Hand, dann setzte es prasselnde Ohrfeigen.
Zwei Bootsleute und drei andere Kerle flüchteten. Während einer nach einem Belegnagel griff, schnitten die Seewölfe den anderen den Weg ab.
Da war Ferris Tucker heran. Ein harter Schlag ließ den Bootsmann vor der Nagelbank höflich zusammenknicken, ein zweiter beförderte ihn auf die Planken, eine rötlich behaarte Hand riß ihn jedoch sofort wieder am Genick hoch und schleppte ihn zum Schanzkleid. Direkt darunter schwamm brüllend und fluchend der Profos und versuchte, wieder aufzuentern.
„Warte, du kriegst noch Gesellschaft“, versprach Ferris.
Er packte den Bootsmann, stemmte ihn hoch und warf ihn auf den Profos, der eilig abzutauchen versuchte, es aber nicht mehr schaffte. Der Bootsmann klatschte ihm wie ein Mehlsack aufs Kreuz.
Batuti, Roger Brighton, Jan Ranse und Paddy Rogers standen da, Pistolen in den Fäusten, und belauerten vorsichtshalber das Deck, denn da war ja immer noch die Mannschaft, auf die sie nicht zählen konnten und von der keiner genau wußte, wie sie sich verhalten würde.
Die Männer unternahmen jedoch nichts. Gelassen sahen sie der Auseinandersetzung zu, ohne eine Hand zu rühren.
„Der ehrenwerte Earl scheint sich großer Beliebtheit zu erfreuen“, sagte Roger Brighton höhnisch. „Keiner rührt auch nur einen Finger für ihn.“
„Nix wundern bei solche Saukerl“, meinte Batuti. „Behandeln alle Leute schlecht, drum Leute nix für ihn tun.“
Sie sahen wirklich mit einer fast heiteren Gelassenheit zu, wie das Achterdeckspersonal vermöbelt wurde. Ein paar der Kerle grinsten, andere drehten sich um, als hätten sie überhaupt nichts bemerkt, und ein paar weitere rieben sich schadenfroh die Hände und knufften sich vor Freude in die Seiten.
Auch die Kanoniere legten ihre Luntenstöcke weg. Viel mehr interessierte sie die „Isabella“, die gerade dabei war, aufzukreuzen, um der „Goliath“ wieder aufzusegeln.
„Feuert, ihr Hunde!“ rief der Earl mit kreischender Stimme, der immer noch in Shanes eisenhartem Griff hing, jetzt aber den letzten Versuch unternahm, seine Haut noch einmal zu retten.
„Jawoll, Meister“, sagte Luke respektlos, „wir feuern schon.“
Und dann explodierte seine Faust im durchlauchten Magen des Earls, der in Shanes mächtigen Pranken zusammenbrach. Von einem vornehmen Herrn konnte keine Rede mehr sein, denn nun sahen seine Kleider ziemlich mitgenommen aus, und sein Gesicht war käsig und leicht grünlich.